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Soldierboy lockt mit dem Versprechen eines actiongeladenen Endzeitromans und stellt ein wirklich interessantes Gedankenexperiment in den Raum. Was wäre, wenn Krieg nur noch durch Roboter geführt werden würde? Durch Roboter, die durch ein Implantat im Kopf mental gesteuert werden, so dass sich der Führer in der Sicherheit des Stützpunktes befinden kann. Bomben und Waffen jeglicher Art würden ihre Gefahr für die Soldaten 2.0 verlieren. Oder? Was wäre, wenn durch diese Implantate aber noch mehr verändert werden könnte? Was wäre, wenn sie das menschliche Wesen um 180 Grad wandeln könnten?

Der Roman gibt Einblick in eine Welt, die komplett anders ist als unsere heutige, aber zeitlich nicht weit entfernt. Doch gelingt es dem Autor, das Experiment glaubhaft durchzuführen, und schafft er es, den Leser zu fesseln?

Story

Der Klappentext des Romans verrät, dass wir uns im Jahre 2043 befinden. Im Buch selbst findet sich dafür jedoch kein Anhaltspunkt. Während des Lesens begleitet man den Wehrpflichtigen Julian Class. Er ist Amerikaner, Anfang dreißig, schwarz und ein Operator. Somit ist er einer der Wenigen, die durch einen Metallanschluss in ihrem Hinterkopf in der Lage sind, die Kampfroboter zu steuern. In Julians Fall handelt es sich um einen Soldierboy, eine Kampfmaschine, die für den Kampf am Boden konzipiert ist. Es gibt jedoch auch Flyboys und Sailorboys, die, wie die Namen schon sagen, für den Luft- und Seekampf entwickelt wurden.

Die Kampftrupps bestehen in der Regel aus zehn Operatoren, die während ihres Einsatzes mental zu einer Person verschmelzen. Fünf Männer und fünf Frauen – eine Person. Sie fühlen dasselbe, sie kommunizieren in Gedanken und sie durchleben die körperlichen Gegebenheiten jedes einzelnen. So ist es nur normal, dass Männer während ihres Einsatzes menstruieren und Frauen Erektionen bekommen, zumindest mental.

Natürlich spüren sie auch andere körperliche Nähe. So haben zwei Menschen mit Anschluss, die sich nur zu zweit einklinken und Sex haben, das intensivste Erlebnis überhaupt. Allerdings kennt jeder auch sofort die tiefsten Empfindungen des Anderen und es herrschte eine Basis des Verstehens, wie es sonst nicht möglich wäre. Egal ob es sich dabei um ein Operatorenteam im Einsatz handelt, oder sich Zivilpersonen einklinken.

Die Grundstimmung des Romans wird bestimmt, durch einen Jahrzehnte langen Krieg zwischen der Allianz und den Ngumi. Die Allianz besteht in ihrem Kern aus Nordamerika, bzw. dem, was noch übrig ist. Bei den Ngumi handelt es sich um schwarze Bewohner Südamerikas und Afrikas. Warum genau diese beiden Parteien Krieg führen, weiß niemand mehr. Tatsache ist jedoch, dass kein Ende in Sicht ist und die Ngumi lediglich alte Waffen besitzen, Gewehre, Bomben und Granaten.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass in den Bereichen der Allianz niemand arbeiten muss, aber alle dürfen. Sogenannte Nanoschmieden stellen alles her, was man sich wünscht, man muss ihnen lediglich die Rohstoffe liefern. Natürlich hält die Regierung ihre Hand darüber und kontrolliert die Abgaben. Zusätzlich erhält jeder Bürger Rationspunkte, mit denen er sich zusätzliche Nahrung, Alkohol oder sonstige Luxusgüter kaufen kann. Auch Kinobesuche oder ähnliches werden damit bezahlt, der Dollar wird nur noch als sekundäres Geldmittel genutzt.

Anders als man als Leser zu Beginn des Romans denkt, bildet jedoch nicht der Krieg den Storykern, sondern die Wissenschaft. Das sogenannte Jupiter-Projekt soll die Entstehung des Universums realistisch nachstellen und Erkenntnisse liefern, was sekundenbruchteile nach dem Urknall geschah. Es ist der größte Teilchenbeschleuniger überhaupt. Das Projekt wurde bereits vor vielen Jahren gestartet und stellt direkt neben dem Jupiter die Situation nach. Ein enormer Fortschritt, von dem sich die Wissenschaft in den nächsten Jahren bahnbrechende Erkenntnisse verspricht.

Passend dazu ist der Hauptcharakter Julian Class nicht nur Wehrpflichtiger, sondern hauptberuflich Physiker. Zusammen mit seiner fünfzehn Jahre älteren Freundin Amelia Blaze Harding arbeitete er an der Harvard Universität. Ihre Beziehung muss natürlich geheim gehalten werden, nicht nur, dass sie so viel älter ist als er, Julian ist auch noch schwarz. Man kann sich also denken, dass Rassismus in diesem Roman ein großes Thema ist.

So lang wie diese bloße Einführung ins Setting, ist auch das Vorgeplänkel im Roman. Bis Seite 150 kann man sich überhaupt keinen roten Faden vorstellen und ab Seite 240 hat man ihn dann doch endlich gefunden. Nach vielen Umwegen in der Handlung über viel zu viel Sex, unnötige Beschreibungen von Kampfeinsätzen und mehr Liebesgeschichte als alles andere, erfährt man, dass das Jupiter-Projekt den Untergang der Welt verursachen kann. Julian, Amelia und ihre Freunde wollen dies natürlich verhindern und zudem noch die ganze Welt befrieden, wobei die Implantate eine große Rolle spielen. Ab da entsteht zumindest so viel Spannung, dass man weiter liest, auch wenn diese durch ständige Vorausblicke nicht von Dauer ist.

Die Grundidee der Story finde ich persönlich sehr interessant. Bei der Umsetzung hapert es jedoch  stark. So ist die Story enorm verwirrend, da man ständig in der Handlung hin und her springt. War man eben noch in einem Laden, so befindet man sich mit dem nächsten Satz plötzlich draußen. Auch Zeitsprünge erschweren das Lesen. Gerade war man noch Teil einer Handlung, da unterbricht die Erzählung und man erhält einen Rückblick auf das, was man eben noch aktiv erlebt hat. Oder eine Handlung wird angedeutet, nicht ausgeführt, aber wenig später reden die Charaktere darüber, als hätte der Leser sie miterlebt.

Außerdem werden wissenschaftliche Vorgänge relativ komplex geschildert und sind für den Laien nur schwer nachvollziehbar. Man muss sich sehr stark konzentrieren und ganze Absätze gegebenenfalls mehrfach lesen, als Abendlektüre ist der Roman also definitiv nicht geeignet.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Erzählperspektive andauernd wechselt, selbst innerhalb eines Kapitels. Erfährt man gerade noch alles aus der Ich-Perspektive von Julian, so schildert im nächsten Moment ein auktorialer Erzähler die weitere Handlung.

Auch die Darstellung der Charaktere lässt zu wünschen übrig. Besonders der Hauptcharakter Julian wirkt sehr konstruiert: schwarz, Wissenschaftler, wehrpflichtiger Operator, mit älterer Frau zusammen. Es scheint, als habe der Autor versucht, alle Aspekte der Story im Wesen seines Hauptcharakters zu vereinen. Dabei bleiben seine Intentionen gänzlich unverständlich und sind nicht nachvollziehbar. Umso weiter die Story voranschreitet, desto unglaubwürdiger werden die Charaktere sogar.

Das Ende des Romans ist dann meiner Meinung nach viel zu theatralisch und kommt so plötzlich, dass es den Anschein hat, der Autor hätte keine Lust mehr.

Schreibstil

Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei Soldierboy um eine deutsche Übersetzung. Meine Aussagen bezüglich des Schreibstils beziehen sich also auch lediglich auf die deutsche Ausgabe, im Englischen könnten sie durchaus anders ausfallen.

Der Schreibstil der Übersetzung ist irgendwie plump und zugleich kompliziert. Die Finesse, mit der andere Autoren ihre Welten erschaffen, fehlt gänzlich. Darüber hätte man aber gegebenenfalls noch hinwegsehen können, wären nicht die ganzen Flüchtigkeitsfehler vorhanden. Falsche Wörter, falsche Grammatik, zu viele oder zu wenige Leerzeichen, davon bietet der Roman jede Menge. Da wird aus einer „Wahrscheinlichkeit“ auch gerne mal eine „Wahrscheinlichkerit“. Auch die richtige Worttrennung scheint keine Stärke zu sein … Beispiel „Jungs-punde“ anstatt „Jung-spunde“. Alles in allem konnte ich ab Seite 100 keine zehn Seiten am Stück finden, auf denen es keinen Fehler gab.

Abgesehen von den ganz offensichtlichen Fehlern, die das Lesevergnügen schon so gut wie eliminieren, werden mitten in den Fließtext Sätze mit Klammern gesetzt. So als wolle der Autor hier Zusatzinformationen liefern, die seiner Meinung nach nicht zur Story gehören. Jedem Leser wird jedoch schnell klar, dass dies keine Zusatzinformationen sind, sondern ganz normale Story.

Besonders störend sind zudem die Wechsel in der Erzählperspektive. Sie reißen den Leser regelrecht aus der Story und schicken ihn als Unbeteiligten auf die Ersatzbank. Die Folge ist, dass man beim Lesen ins Stocken kommt und Absätze gegebenenfalls mehrmals lesen muss.

Der Autor

Joe Haldeman wurde 1943 in Oklahoma City geboren. Zwischen ihm und seinem Charakter Julian Class finden sich einige Parallelen. So studierte Haldeman Physik und Astronomie und kämpfte als Wehrpflichtiger im Vietnamkrieg. Seit 1970 widmete er sich der Schriftstellerei und war nebenbei als Teilzeitprofessor am MIT tätig. Bis 2007 veröffentlichte er 29 Romane, Anthologien und ähnliches, wobei die Originalausgabe von Soldierboy (Forever Peace) 1997 entstand. Seine Romane sind geprägt durch seine Erfahrungen im Krieg und seine Leidenschaft für Wissenschaft.

1976 gewann Haldeman den Nebula Award in der Kategorie Bester Roman, für sein Werk The Forever War. Mit demselben Preis wurde 1998 Forever Peace ausgezeichnet. Insgesamt gewann Haldeman bisher 22 Preise, unter anderem den Hugo (Science-Fiction Achievement Award) und den World Fantasy Award.

Preis-/Leistungsverhältnis

Der Roman ist mit 12,95 EUR sehr günstig für ein knapp 600-seitiges Buch. Allerdings ist selbst das zu viel für ein Werk, dass so viele Flüchtigkeitsfehler enthält, die jedes Rechtschreibprogramm markieren würde.

Erscheinungsbild

Soldierboy Haldeman CoverDas Cover ist ziemlich geheimnisvoll gestaltet. Ein Mann mit Mundschutz, wehendem Umhang und einer Waffe, die in ihrer Größe an Warhammer 40k erinnert, steht auf einem riesigen Metallkonstrukt, das aussieht wie eine Antriebsdüse. Wenn man das Cover sieht, weckt es Vorfreude auf einen richtigen Bad-Ass-Endzeitroman, zumindest bei mir. Tatsache ist jedoch leider, dass man mehr Liebesdrama und Wissenschaftsroman als Kriegsgeschichte geboten bekommt.

Ebenfalls sehr gravierend ist für mich die Tatsache, dass sich das Buch kaum öffnen lässt. Der Buchrücken ist zu stark geklebt. Aufgrund der Dicke des Buches, kann man  es lediglich im 80-Grad-Winkel öffnen und muss es stark auseinander pressen, was auf die Dauer wirklich anstrengend wird.

Ansonsten ist der Roman von seiner Größe her das typische Taschenbuch im A5 Format und mit Softcover. Das Papier ist sehr holzhaltig, weswegen man mit dem Lesen in Feuchträumen (z.B. in der Badewanne) vorsichtig sein sollte. Für ein Buch seiner Größe, ist der Roman recht leicht und läge gut in der Hand, wenn das Problem des Öffnens nicht wäre.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Mantikore-Verlag
  • Autor(en): Joe Haldeman
  • Erscheinungsjahr: 2014
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Taschenbuch A5
  • Seitenanzahl: 564
  • ISBN: 978-3-939212-57-7
  • Preis: 12,95 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Durch einen Blick ins Buch bei Amazon, kann man sich einen Eindruck von den ersten sechs Kapiteln machen.

Fazit

Dieses Mal fiel es mir wirklich schwer, eine adäquate Bewertung zu finden. Die Grundidee der Story gefällt mir persönlich sehr gut, doch leider wird sie eher mäßig umgesetzt. Zeitsprünge, Perspektivwechsel und komplizierte wissenschaftliche Zusammenhänge erschweren das Lesen. Einen roten Faden findet man erst ab der Hälfte des Buches. Die Story wirkt dauerhaft sehr konstruiert und die Charaktere unglaubwürdig. Hinzu kommen unzählbar viele Fehler in Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung, die bei mir jeglichen Funken Lesevergnügen komplett zerstörten.

Es waren so offensichtliche Fehler, dass man sich fragt, ob jemals ein Lektor über diesen Text geschaut hat. Dieser Aspekt gab für mich dann auch letztlich den Ausschlag. Komplizierte Zusammenhänge und mäßige Charaktere kann man bei einer guten Grundidee vielleicht noch entschuldigen, aber die Fehlerquote dieses Romans ist eine Unverschämtheit jedem Leser gegenüber.

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Artikelbilder: Mantikore Verlag
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

2 Kommentare

  1. Hier scheint man beim Manticore-Verlag einfach nochmal Geld machen zu wollen, den bei Soldierboy scheint es sich wohl um „Der ewige Frieden“ bzw. „Forever Peace“ in neuem Gewand und unter neuem Titel zu handeln.

    Der Ansatz mit dem Flyboys, bzw. Soldierboys ist dank Drohnentechnik mittlerweile schon bei uns angekommen. Im nahen Osten sterben täglich Menschen, durch das Knöpfe drücken von Operatoren, die in klimatisierten Bunkern weit entfernt sitzen. Das Töten ist zum Videospiel degeneriert. Und geht man in anderen Sci Fi Universen (wie bei Battletech oder Macross) noch davon aus, dass ein Bediener im Metallkrieger sitz und sein leben dennoch bedroht ist, führt Haldeman die Realität fort.

    Wie schon beim ewigen Krieg (oder schlimmer noch bei: Am Ende des Krieges (da ist das Ende dann doch etwas zu abgedreht)) hat Haldeman gute Ideenansätze und eine interessante Story … gepaart mit inteligentem Hard-Sci-Fi. Wo es leider hapert ist das Geschichten erzählen.

    Wenn Manticore schon mit der neuveröffentlichung Geld machen will, sollten sie dann halt auch mal Geld für einen ordentlichen Lektor locker machen. Ist halt das problem bei einem Kleinstverlag, da wird an allen Ecken gespart, leider auch an den wichtigen.

  2. Der deutsche Titel ist so beschissen. Toller Roman im Original. Aber Forever Peace mit Soldierboy zu übersetzen ist eine sehr merkwürdige Entscheidung. Laut dem Review ist der Rest der Übersetzung nicht wirklich besser xD

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