Rezension: Winter is coming – Hellfrost Spielerhandbuch (Savage Worlds) | Neuauflage

Als generisches System bietet sich Savage Worlds für allerlei interessante Experimente an. Zwar ging kurz nach der Einführung mit Evernight ein spannendes Fantasysetting in den Verkauf, wirklich gute Fantasysettings, wie zum Beispiel Sundered Skies, muss man aber lange suchen. Triple Ace Games, die Macher hinter Sundered Skies, sind auch die Verantwortlichen hinter Hellfrost, das einen weiteren Schritt in Richtung des klassischen Fantasygenres macht.

Dieser Band wurde, wie viele weitere von Prometheus Games, ins Deutsche übersetzt und liegt uns nun als Druckerzeugnis in der zweiten Auflage vor. Sowohl die Autoren als auch die Übersetzer haben gute Arbeit geleistet.

Inhalt

Rassilon, die Welt, in der Hellfrost spielt, steht am Rande des Abgrunds. Seit Jahrhunderten breitet sich der Helfrost, eine unglaublich kalte Witterung, langsam gen Süden aus. Die Rassen Rassilons messen diesem Phänomen so viel Bedeutung bei, dass sie die geographischen Regionen nach dem Einfluss des Helfrosts benannt haben. Der Helfrost und der Äußere Helfrost, die von einer gigantischen Eismauer umgegeben sind, sind die kältesten und lebensfeindlichsten Gebiete, in denen kaum zivilisierte Rassen leben.

In den anschließenden Hohen und Niederen Winterlanden ist das Leben möglich, aber auch diese Landstriche leiden unter ewiger Kälte und den Entbehrungen des Winters. Die Herdlande sind die südlichste Region. Auch in diesem Gebiet hat der Winter Einzug gehalten, doch noch stemmt sich das Land gegen den eisigen Griff des Helfrosts.

Die Rassen Rassilons

In Hellfrost können die Spieler aus einer Vielzahl an Kulturen wählen. Zur Wahl stehen die nomadischen Engro (eine Spielart der Halblinge), die Herdelfen oder ihre nördlichen Verwandten, die Taigaelfen, die im Norden lebenden Frostzwerge, sowie die Menschen. Diese sind in die fortschrittlichen Anari, die in Clans lebenden Saxa, die in Sippen umherziehenden Finnar und die kriegerischen Tuomi unterteilt. Seit einiger Zeit bringen Geburten aller Rassen auch sogenannte Frostblüter hervor, die in der Kälte ihr Zuhause gefunden haben, dafür bei Temperaturen über dem Gefrierpunkt Schwierigkeiten haben.

Alle Rassen erhalten eine eigene Geschichte und einige Vor- und Nachteile, die sie von Beginn an mitbringen. Ein kurzer Absatz über die Namensgebung der einzelnen Rassen sorgt für ein einheitliches Gefühl am Spieltisch. Insgesamt bleibt Hellfrost bei einem für das Fantasygenre typischen Mix und verzichtet auf die Spielbarkeit böser Rassen oder Halbwesen. Alle angebotenen Rassen haben einen besonderen Kernpunkt, der schön zum gesamten Thema von Hellfrost passt.

Das Pantheon

Die Götterwelt Rassilons ist bunt und vielfältig. Satte zwei Dutzend Haupt- und einige niedere Götter buhlen um die Aufmerksamkeit der Gläubigen. Sie unterscheiden sich in ihren Aspekten manchmal sehr deutlich, gelegentlich aber nur in Details. Da die Götter einen Pakt schlossen, dürfen sie nicht mehr selbst auf die physische Welt Einfluss nehmen. Die Unterstützung ihrer Champions stellt aber keinen Bruch dieses Paktes dar. Der Gott des Lichtes, Sigel, wie auch sein Sohn Kenaz, Gott des Feuers, sind seit geraumen Zeiten verschwunden. Dies hinterließ ein Ungleichgewicht zwischen den Göttern, und Thrym, der Eiskönig, ist dank des Helfrosts mächtig genug, es mit allen anderen Göttern aufnehmen zu können.

Jeder Gott wird mit einer Vielzahl an Informationen vorgestellt: Welche Zauber der Klerus dieses Gottes wählen darf, wie der Sendbote dieses Gottes aussieht, und auch ein wenig zur Geschichte. Jeder Gott verfügt darüber hinaus über zwei eigene Orden, einen klerikalen und einen kriegerischen, dem sich die Paladine dieses Gottes anschließen können. Dies führt zu einer unüberschaubaren Anzahl an unterschiedlichen Orden und Armeen, die von einem weiteren Dutzend an weltlichen Kulten und Organisationen ergänzt werden.

Da für jede Organisation und für jeden Gott ein eigenes Talent existiert, wird bereits die Charaktererschaffung zu einer aufwändigen Geschichte, wenn man sich im Vorfeld über alle Optionen informieren möchte.

Magische Welten

Neben klerikalen Wundern bietet Hellfrost auch unterschiedliche Spielarten für klassische Magie an. Neben der weltlichen Kräutermagie bieten sich für den arkanen Charakter zum Beispiel die Möglichkeiten, sich dem Druidentum, der Elementarmagie, der Heahmagie, der Hrimmagie, der Runenmagie oder der Gesangsmagie zu verschreiben.

Diese unterschiedlichen Ausprägungen haben verschiedene Voraussetzungen: Heahmagie wird nur in der Magokratie des Südens gelehrt, während die Runenmagie ausschließlich bei den Zwergen zum Einsatz kommt. Allen magischen Formen ist gemein, dass sie ohne Magiepunkte funktionieren. Dafür sehen sich die meisten Zaubernden dem Sog ausgesetzt. Dies ist ein Effekt, der den Charakteren die magischen Kräfte, im schlimmsten Falle permanent, entzieht.

Leben in Rassilon

Der Band schließt mit einigen allgemeinen Settingregeln und geht dabei auch auf das alltägliche Leben ein. Gerade die Temperaturen, Reisen bei großer Kälte oder das generelle Überleben nehmen dabei eine wichtige Rolle ein. Sogar ein eigener Kalender mit speziellen Feiertagen wurde entwickelt und enthält spannende Randinformationen zur Götterwelt Rassilons.

Preis-/Leistungsverhältnis

Das Hellfrost Spielerhandbuch ist der erste von insgesamt drei Bänden, die zum Spielen von Hellfrost benötigt werden. Dies ermöglicht dem Spielerhandbuch einen höheren Detailgrad, als es bei anderen Savage Worlds-Settings der Fall ist. Zwar erhält man für denselben Preis von rund 20 EUR schon komplette Welten, dafür sind diese nur als PDF erhältlich, sind mit viel gröberen Strichen gezeichnet und in der Regel nur auf Englisch zu haben.

Durch die Qualität des Bandes und die Tiefe an Informationen ist der Preis von 20 EUR ein Schnäppchen. Der volle Preis von rund 35 EUR ist zwar immer noch angemessen, dürfte aber die Schmerzgrenze vieler Spieler überschreiten, da noch zwei weitere Investitionen in ähnlicher Höhe getätigt werden müssen.

Erscheinungsbild

Das Buch hat mit seinen 200 Seiten ein nicht unerhebliches Gewicht. Verbunden mit dem Hardcover-Einband und der Fadenbindung hinterlässt es einen hochwertigen Eindruck. Die Seiten haben eine angenehme Dicke und sind griffig in der Handhabung. Leider zeigt der Einband bereits nach wenigen Tagen erste Ermüdungserscheinungen an den Kanten. Ein Bändchen fungiert als Lesezeichen und hebt die Wertigkeit des Bandes hervor.

Die Illustration sind düster, fantasievoll und fangen den Geist des Settings wunderbar ein. Oftmals lockern sie die langen Textpassagen auf und sorgen so für Abwechslung. Thematisch sind die Abbildungen häufig passend zu den Beschreibungen ausgewählt und wirken insgesamt sehr stimmig.

Der Textsatz ist vernünftig gewählt, die Farbkontraste zwischen Schrift und Hintergrund sind gut, und die eingesetzten Schriftarten sind durchweg gut lesbar. Die Abstände zu den grafischen Abschlusselementen am Kopf und am Fuß der Seite sind allerdings etwas zu knapp gewählt, und so wirkt der Text oftmals in den Rahmen hineingepresst. Wäre die Entscheidung allerdings auf einen großzügigeren Abstand gefallen, so wären bestimmt noch ein Dutzend Seiten hinzugekommen.

Wirklich ärgerlich sind jedoch zahlreiche Schreibfehler, die den Lesegenuss nachhaltig stören.

Insgesamt ist das Erscheinungsbild des Bandes fantastisch. Layout und Design sind unbedingt professionell, kleine Gimmicks wie das Lesezeichen sehr charmant. Ein aussagekräftiges Inhaltsverzeichnis und ein ausführlicher Index unterstützen dies und lassen über zu knappe Rahmenabstände hinwegsehen. Die Schreibfehler, die sich eingeschlichen haben, kratzen jedoch stark am sonst makellosen Auftritt und sind für eine zweite Auflage beschämend.

Die harten Fakten:

• Verlag: Prometheus Games
• Autor(en): Paul „Wiggy“ Wade-Williams & Snowy
• Erscheinungsjahr: 2010
• Sprache: Deutsch
• Format: Hardcover
• Seitenanzahl: 214
• ISBN: 978-3-941077-07-2
• Preis: 19,95 EUR 
• Bezugsquelle: Amazon. Sphärenmeister

Bonus/Downloadcontent

Zahlreiche Abenteuer, Karten, und Bonusmaterialien findet ihr auf der Seite des Verlages.

Fazit

Was für eine Welt! Rassilon schlägt mich von der ersten Seite in ihren Bann. Die Rassen sind klassischer Fantasy entsprungen, weichen in Details aber von den Klischees ab und sind dadurch einzigartig. Die Götterwelt bestimmt das tägliche Leben in Rassilon und zieht sich wie ein roter Faden durch den Band, der so viel sagen möchte, aber so wenig sagen darf. Als Handbuch für den Spieler kratzt er oftmals nur an der Oberfläche und weckt dabei Neugierde auf die vielen kleinen und großen Geheimnisse von Hellfrost.

Die immense Anzahl an Göttern und Gesellschaften macht das Setting nicht nur für Anfänger zu Beginn zu einer Herausforderung. Gerade die einzelnen Götterkulte weichen zum Teil nur in Nuancen voneinander ab. Wenn die Wissenssucher auf die Wissenshüter oder die Jagdhunde auf die Jagdleute treffen, kann sich der Spielleiter auf eine tolle Verwechslungskomödie freuen.

Die Schreibfehler sind allerdings ein Problem, das des Öfteren auffällt.

Das Spielerhandbuch glänzt mit einer Fülle an Informationen, für die der Platz hier schlicht nicht ausreicht, um allen Aspekten gerecht zu werden. Freunde klassischer Fantasy, die auch eine etwas düstere Welt zu schätzen wissen, werden an Hellfrost ihre Freude haben.

Artikelbild: Prometheus Games
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.