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The One Ring wurde ursprünglich hin und wieder dafür kritisiert, dass es einen sehr kleinen regionalen Fokus hatte. Mit Wilderland (auch Rhovanion genannt) war ein Landstrich abgedeckt, der nur im Hobbit eine größere Rolle gespielt hatte, was ja gut zur damals neu erschienenen Film-Trilogie passte. Im Herrn der Ringe kommt die Region dagegen nur indirekt durch dort beheimatete Gefährten wie Legolas und Gimli vor.

Für Fans der Ringe-Trilogie schon relevanter war das Quellenbuch Rivendell, das Eriador miteinbezog. Mit Rivendell, den Trollshaws und Weathertop wurden hier Orte ausgearbeitet, an denen Tolkiens Hauptwerk seinen Lauf nehmen wird. Mit Horse-lords of Rohan erschien nun nach The Heart of the Wild und Rivendell der dritte Quellenband, der eine Großregion detailliert.

Inhalt

Horse-lords of Rohan ist dabei vom Titel her leicht irreführend. Man könnte es fast eher das Quellenbuch zu Die zwei Türme nennen, handelt es doch auch noch Sarumans Heimstatt Isengard und den Fangorn-Wald ab. Auch die wilden Männer aus den Dunlands und die nördlichsten Ausläufer Gondors werden beschrieben.

Genauso interessant ist aber, was ausgelassen wurde: Die Karte endet im Norden so, dass Lórien nicht mehr enthalten ist. Im neu erschienenen The One Ring – Journeys and Maps beinhaltet die Karte „Rohan & Gondor“ dieses sehr wohl. Lórien ist aber auch auf der Karte des Hauptbuchs zu finden, aber genauso wie bei Moria und Bree bleiben uns die Autoren eine detaillierte Beschreibung schuldig. Man darf abwarten, ob es ein Buch geben wird, dass diese Lücken füllen wird.

Rohan

Den Fans der Filme sollte der erste große Teil des Buchs wie eine Schau wichtiger Stationen erscheinen. Es gibt aber einen Kniff: Rohan wird zur Zeit Théodens Vater Thengel beschrieben. Der heldenhafte König späterer Jahre ist hier gerade mal ein blutjunger Hüpfer. Das Land erholt sich gerade von der Misswirtschaft des unfähigen Herrschers Fengel.

Horse-lords gibt sich hierbei Mühe, alle Landstriche gut herauszuarbeiten. Man bekommt einen Eindruck sowohl von Land als auch Leuten. Rohan erscheint hier auch als viel dichtbesiedelter, als es die Weiten Neuseelands auf der Leinwand waren. Gerade die Hauptregionen der Riddermark, die Eastfold und die Westfold, werden gut herausgearbeitet. Weite Ebenen, auf denen sich nur Hirten und Reiter verlieren, gibt es hingegen im Norden Rohans, in Eastemnet und Westemnet. Westlich der White Mountains liegt die rebellische Westmarch, jenseits der Gap of Rohan, die die Misty Mountains von den White Mountains trennt. Nördlich der Ebenen liegt dann das Wold, eine Hügelregion. All diese Lande sind Rohan, die regionalen Unterschiede wurden gut herausgearbeitet.

Was findet ein SL hier für seine Gruppe? Für ausgearbeitete Abenteuer in Rohan wird man auf Oaths of the Riddermark warten müssen. Aber Orte aus dem Ring wie Helm’s Deep, Dunharrow oder Edoras sind liebevoll gestaltet worden, um Abenteuer auch vor dem Ring-Krieg zu ermöglichen. Z.b. wandeln in mondlosen Nächten die Untoten des Dimholt Road über die Strassen nahegelegener Siedlungen. Der eigentliche Schwerpunkt ist aber ein anderer: Soziale Interaktion.

Hatte man es in anderen Bänden fast nur mit Wildnis zu tun, wimmelt es in Rohan von Händlern, Bauern, Hirten, Handwerken. Für den SL aber relevanter: Die Adligen schmieden Ränke, sind verfeindet, tragen Fehden aus. Das Volk der Westmarch ist sowohl mit den Rohirrim als auch den Dunlendings verwandt und ihre Anführer sehen sich als die rechtmäßigen Herrscher von Edoras und die Eorlingas als Besatzer. Der Adel der Westfold plagt sich mit einem mürrischen und paranoiden Marschall der Mark. Auch der König in Edoras ist vorsichtig, wenn es darum geht, wem er sein Vertrauen ausspricht. In diesem Umfeld werden sich die Helden bewegen und sollten sich tunlichst bewusst sein, wer in welchem Landesteil mit wem kann.

Als Kritikpunkt bleibt, dass die Karte zwar wichtige Punkte in Rohan wie Aldburg, Edoras, Helm’s Deep, Dunharrow benennt, aber kaum einen Eindruck vermittelt, wie besiedelt das Land wirklich ist. Orte, die hier markiert sind, sind um einiges größer als in Wilderland (Dale und Laketown mal ausgenommen), aber selbst auf derselben Karte ist die Varianz enorm. Tunum in den Dunland Fells ist ein befestigtes Dorf, Aldburg und Edoras sind Städte. Es bleibt dem SL überlassen, für die vielen Dörfer Rohans Namen zu finden. Punkte auf der Karte stechen in ihrer jeweiligen Umgebung heraus, sind aber kaum vergleichbar noch sinnvoll durch verschiedene Symbole unterschieden. Das ist doch schade, sind die Karten an sich doch eine Augenweide!

In diesem Teil des Buchs findet sich auch eine Historie Rohans und seiner Könige, sowie eine Beschreibung von Edoras und des Königshofs. Helm’s Deep wird im Detail vorgestellt. Die unbesiedelten Regionen im Westen werden teilweise angesprochen – die Brown Lands im Osten praktisch gar nicht, dafür die Stationen am Großen Fluss Anduin, die nach Gondor führen. Sogar das letzte der großen Signalfeuer ist beschrieben, das in der Region zwischen Everholt und Halfirien liegt.

Wogende Hügel

Fangorn

Gleich danach wendet sich das Buch dem krassen Gegenteil zu: dem Fangorn-Wald. Hier leben keine Menschen, nur die Ents, die hier meist als Onodrim bezeichnet werden. Keine Ruinen, keine ehemaligen Siedlungen, keine vergessenen Elfen-Haine – Fangorn ist purer Urwald, und manche seiner Bäume und Hüter gehen bis ins Erste Zeitalter zurück.

Ausgiebig wird hier über Kultur, Geschichte und Lebensart der Ents gesprochen, die den Wald prägen und ihre „Baumherden“ hüten. Es werden auch mehrere als NSC eingeführt, inklusive Treebeard. Da sie über Wissen verfügen, das ihnen der Wind zuträgt, und aufgrund ihres enormen Alters sind Ents hervorragende Informationsquellen für Gruppen, die sich wagen, sie zu suchen. Da sie den Fangorn-Wald nie verlassen, suchen einige Ents auch Wege, die Ereignisse in der Welt zu beeinflussen, indem sie ihre Pläne durch andere verwirklichen lassen. Die Gruppe kann also durchaus einen Ent zu ihrem Patron machen.

Fangorn selbst muss den Autoren einige Mühe bereitet haben, sind doch reine Wildnis-Regionen schwer auszugestalten. Umso gelungener ist das Ergebnis! Gerade der tiefe Wald aus der Vorzeit ist ein magischer, gefährlicher Ort, und mit den Huorns, belebten Bäumen, wird ein sehr interessanter Gegnertyp eingeführt. Auch mit den Ents Orks jagen zu gehen oder von ihrem Wissen zu lernen sind interessante Versatzstücke für Spieler, die in die Welt Mittelerdes eintauchen wollen.

Dunlands

Westlich der Gap of Rohan erstrecken sich die Dunlands, vor allem entlang der Ausläufer der Misty Mountains. Das hier siedelnde Volk nannte einst größere Landstriche sein eigen, wurde aber von den Menschen des Westens vertrieben und hat sich in die Hügel und Berge zurückgezogen.

Mir drängte sich vor allem ein Eindruck auf: Das sind Mittelerde-Schotten. Streitsüchtige Clans, die auf den Highlands leben? Check. Ablehnen einer zentralen Autorität? Check. Fehden, Streit und Überfälle auf die Nachbarn? Check. Ihren Nachbarn in Rohan gelten sie als Barbaren und man verachtet sich gegenseitig. Die Dunlendings kommen nach Rohan, um zu plündern, und die Eorlingas kommen in die Dunlands, um Dörfer niederzubrennen.

Die Dunlendings leben zum größten Teil als nomadische Clans, vor allem jene, die in den Highlands ihr karges Dasein fristen. Mit Tunum im Westen stellt ein befestigtes Dorf bereits die größte Siedlung dar. Der Teil, der Land und Leute beschreibt, ist denn auch ein Dutzend Seiten kurz. Als besondere Dreingabe gibt es aber am Ende des Buchs die Dunlendings als spielbare Kultur. Es bleibt aber die Frage, wo ein SC mit diesem Hintergrund wohl willkommen wäre. Ein Abenteuer in Rohan schließt sich dadurch fast aus.

Isengard

Liebevolle und detailreiche Illustrationen
Liebevolle und detailreiche Illustrationen dominieren den Band

Den krönenden Abschluss bildet Isengard. Detailreich wird Sarumans Rückzugsort beschrieben. Man findet eine Detailkarte des Inneren des Turms Orthanc, aber auch eine Historie des Orts selbst bis zurück zu den Menschen des Westens, die Helm‘ Deep und Isengard als zwei Festen angelegt haben, um über die Gap of Rohan zu wachen.

Anstatt sich nur auf den Turm selbst zu konzentrieren wird auch der umschließende mächtige Ringwall beschrieben. Wer in Peter Jacksons Die Rückkehr des Königs genau aufpasst, kann den mächtigen Wall sehen, wenn die Ents hindurchstapfen, oder manchmal auch im Hintergrund oder bei einem Kameraschwenk (wenn der Damm bricht). In diesem Buch gewinnt der Wall selbst ein Eigenleben, ist er doch von Kammern durchzogen, in denen Bedienstete und Wachen wohnen, Vorräte und sogar Schätze aufbewahrt werden.

Für das, was unter dem Gelände liegt, gibt es keine Karte oder Abbildung. Aber Sarumans Treiben über die Jahre bis hin zum Ring-Krieg ist beschrieben, so dass der SL jederzeit weiß, wie er die Anlage zu beschreiben hat, was oberhalb und unterhalb vorgeht, und wie Saruman auf „Besuch“ reagiert. Auch der Weiße Zauberer selbst wird nochmal ausführlich vorgestellt, seine Ränke, seine Pläne, sein Treiben, sowie die Menschen, die ihm dienen. Die umliegenden Lande runden das Ganze ab.

All das kann nicht ganz davon ablenken, dass Isengard ästhetisch zwar top ist, als Befestigungsanlage hingegen nur bedingt Sinn macht. Die Hornburg (Aglarond) und Isengard (Angrenost) sind angeblich Bestandteil eines Plans: Sie sollen es ermöglichen, die Gap of Rohan zu überwachen und als Verteidigungsbollwerke dienen. Die beiden grundverschiedenen Entwürfe widersprechen aber der Idee, hier hätte dieselbe Gruppe Menschen mit denselben Mitteln, denselben Zielen und im selben historischen Zeitraum zwei Anlagen errichtet. Burgen und Verteidungsanlagen waren schon immer sehr pragmatische Bauwerke. In Isengard gibt es aber nichts zu verteidigen außer dem Garten und dem Turm. Es gibt keine anderen Bauwerke. Darum wurde die ganze Infrastruktur in den Wall verlegt, was aber wieder andere Fragen aufwirft. Solche Brüche darf man aber nicht den Autoren anlasten, die mit dem vorhandenen Quellenmaterial gearbeitet haben. Ich habe hier das Gefühl, sie haben ihr Bestes versucht. Auch die Zeichner waren verwirrt. Die Karte des Turms ist umständlich nummeriert und schlecht organisiert. Die Abbildungen der Anlage selbst sehen alle toll aus, scheinen sich und dem Text aber zu widersprechen.

Preis-/Leistungsverhältnis

Wie bei allen The One Ring Produkten ist der Preis für das PDF zu üppig geraten. Da Cubicle 7 aber das „Bits & Mortar“ Programm unterstützt, erhält man bei teilnehmenden Händlern das PDF zum Hardcover hinzu, und dann stimmt auch der Preis. Das Hardcover selbst steht noch aus, es steht aber kaum zu erwarten, dass es mit der hervorragenden Qualität der Reihe bricht.

Erscheinungsbild

Horse Lords of Rohan The One Ring Teaser RezensionThe One Ring sticht immer beim Erscheinungsbild hervor. Gut lesbare Schriften, schönes Layout, atemberaubende und doch authentische Illustrationen. Frauen mit tiefen Ausschnitten und andere typische Fantasy-Fauxpas sucht man hier vergebens. Gefühlt hat es hier weniger Illustrationen als in anderen Bänden, was anhand der Produktionszeit eher erstaunt.

Einen dicken Hund gibt es dann doch: Saruman hat mehrere Halbmenschen erschaffen, und unter seinen Schöpfungen befinden sich die Halborks und Goblin-Menschen. Letztere sehen Menschen ähnlich genug, so dass sie ihre Lande unbemerkt bereisen können. Die Abbildung, die man hierfür gewählt hat, erscheint mir aber ziemlich daneben. Da darf sich jeder seine eigene Meinung bilden, aber ein Beigeschmack verbleibt, vor allem wenn man die Abbildungen aller Menschenvölker der bisherigen Bücher vergleicht.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Cubicle 7 Entertainment
  • Autor(en): Shane Ivey, Andrew Kenrick, T.S. Luikart, Francesco Nepitello, James M. Spahn
  • Erscheinungsjahr: 2016
  • Sprache: Englisch
  • Format: PDF
  • Seitenanzahl: 160
  • Preis: 22,99 USD | 34,95 EUR
  • Bezugsquelle: PDF bei DriveThruRPG | Print+PDF beim Sphärenmeister

 

Bonus/Downloadcontent

Keiner.

Fazit

Horse-lords of Rohan ist ein starkes Buch mit ganz viel Inhalt. Wer The One Ring liebt und nicht immer nur in der Wildnis herumspuken will, muss hier zugreifen. Das Buch macht Lust auf mehr und ich persönliche freue mich auf das Erscheinen des Abenteuerbands Oaths of the Riddermark.

Die Verlagspolitik bleibt ein Problem, und auch dieses Buch erschien mit großer Verzögerung. Das Warten hat sich aber gelohnt, und mit den Rohirrim und Dunlendings wird der Reigen der spielbaren Kulturen beinahe vervollständigt. Für den Rest wird man auf den Adenturer’s Companion warten müssen. Wann eine Regionalbeschreibung für Gondor kommt, steht in den Sternen.

Das ist aber Meckern auf hohem Niveau, weil mit Rohan, Fangorn, den Dunlands und Isengard viel, viel Spielmaterial den Weg zum SL findet. Es gibt ein paar Hinweise, wie man eine existierende Gruppe nach Rohan bringt. Für die ganz konkreten Details einer Reise nach Rohan gibt es aber keiner Beispielrouten oder Empfehlungen. Vielleicht wird da der Abenteuerband abhelfen, lief es doch genauso bei Ruins of the North und Rivendell.

Das Buch ist hübsch anzusehen und liest sich gut. Auch zu Recherchezwecken ist es gut gegliedert. Details bleiben aber dem SL überlassen, eine Siedlung erscheint nur dann im Buch und auf der begleitenden Karte, wenn sie in ihrer Region hervorsticht. Die vielen Dörfer Rohans bleiben außen vor. Das Gefühl, mehr über Tolkiens Mittelerde zu lernen, stellt sich vor allem dann ein, wenn Regionen wie Fangorn, die Westmarch oder die Dunlands beschrieben werden.

Im Gegensatz zu anderen Bänden bietet sich hier für den SL die Gelegenheit, besonders auf soziale Interaktionen ausgerichtete Abenteuer zu gestalten, ohne enorme Reisen einzuplanen oder sich auf eine Siedlung konzentrieren zu müssen. Das Buch ist voller NSC, die mit ihrem Geflecht an Beziehungen und Interessen genau das ermöglichen.

Als Wermutstropfen bleibt, dass inzwischen auch die Regelerweiterungen aus Rivendell mehrfach referenziert werden, wenn es um Schätze und Untote geht. Die Regeln für berittenen Kampf und Pferde als Reittiere sind natürlich in diesem Band. Damit steckt die Zahl der Querverweise, die zum Kauf weiterer Bände animieren sollen, und neuere Bände stehen nicht mehr allein. Ich finde diese Verquickung von Regelerweiterung und Regionalband verständlich, aber dennoch etwas unglücklich.

Trotzdem: Der verbleibende Eindruck ist fast durchwegs positiv, die Qualität des Bandes auch. Auch hier gilt: Guten Gewissens kaufen!

Daumen4maennlichNeu

Mit Tendenz nach oben

Artikelbild: Cubicle 7 Entertainment
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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