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Marvel Comics zerstört – wieder einmal – alle Welten, die der Verlag je ersonnen hat. Doch statt eines bekannte Reboots wird dieses Mal offenbar ordentlich reiner Tisch gemacht. Im Rahmen der letzten Großereignisse, allen voran Infinity, wurden systematisch Welten aus dem Multiversum vernichtet. Dieser Prozess schritt weiter voran, bis nur noch Erde-616 und das Ultimate Universe erhalten blieben. Doch nun kommt das kataklysmische Ereignis zu einem Ende – und bereitet gleichzeitig den Weg für etwas vollkommen Neues.

Secret Wars war bereits der Titel eines Ereignisses in den Marvelwelten in der Mitte der 80er Jahre. Damals war es die Beyonder, die alles verursachten. Nun ist es der Tod der Beyonder, der alles ins Rollen bringt.

Achtung: Aufgrund der Natur einer ausgabenüberspannenden Kritik geht es nicht ohne Spoiler.

Handlung

Spoiler

Band 1 – Das Ende des Marvel-Universums

SECRETWARS128VON929_Heft_320Alles stirbt!“ war der Slogan vieler vorangehender Ereignisse. Nun ist es soweit. Den Auftakt macht eine zuerst verwirrende Unterhaltung zwischen den Kindern verschiedener Superwesen, die alle von Dragon zusammengehalten werden. Es wird klar, dass die Kinder an einer Arche bauen; eine Arche, die sie vor dem Ende aller Welten schützen soll.

Ein kurzer Rückblick in die vergangenen Geschehnisse leitet ein, was unweigerlich passiert: Der Kampf zwischen den Welten. Denn sowohl das Ultimate Universe weiß, was kommen wird, als auch Erde-616. In den nun folgenden, stark actiongetriebenen Panels ist es sehr hilfreich, dass am Anfang des Comics ein kurzes „Who is Who“ in den jeweils aktuellen Kostümen gezeigt wird. Ohne dieses würde man sich allzu oft fragen, welcher Held welcher Welt es denn nun ist, der agiert. Danach geht es auch direkt mit einem Knall los, denn Doom, Dr. Strange und der Molecule Man haben es irgendwie geschafft, den Beyonder zu töten. Wie, wird erst in viel später folgenden Bänden erklärt.

Während die Welten aufeinanderprallen, scheinen viele der geliebten Helden zu sterben, Rocket Racoon, Star Lord, Susan Storm, Ms Marvel und einige weitere. Am Ende ist alles weiß, alles tot. Alles ist gestorben, egal wie gut er oder sie sich im Kampf gegeben hat. Die letzte Seite ist ein Grabstein: Marvel Universum 1961 – 2015, Ultimative Universum 2000 – 2015.

Band 2 – Thors, Sammeln!

SECRETWARS228VON929_Heft_952Alles ist zerstört, die Welten sind vernichtet. Wie soll die Geschichte weitergehen? Nicht alles wurde vernichtet, denn Messias Doom (!) hat überlebt. Die Geschichte beginnt mit der Weihe Thors, der Mjölnir das erste Mal heben darf. Moment? Das muss doch Äonen her sein! Das zweite Stocken beim Leser kommt in einem großen Panel auf, als diesem klar wird, dass es nicht einen Thor gibt, sondern eine Gruppe von Thors, die offenbar so etwas wie eine Sicherheitstruppe sind. Der zweite Handlungsstrang finde im Königreich Utopolis statt (Wo?), wo Forscher in einer Wüste ein abgestürztes Schiff finden, das dort schon lange liegen muss. Dem Leser des ersten Bands wird schnell klar, dass es sich um eine Arche handelt, mir der zuvor die Superwesen zu überleben versuchten. Auf Doomgard hingegen erlebt der neue Thor seinen ersten Einsatz, muss er doch Baron Sinister in der Bar Sinister gefangen nehmen (was zum Teufel ist das für eine Welt?). Vor Doom, Verzeihung, Messias Doom kommt es zur Anklage zwischen Sinister und einem Ankläger, der verdächtig nach Captain Britain aussieht.

Die Verwirrung will nicht enden, als der Sheriff von Agamotto einem wohlbekannten Dr. Strange mehr als ähnlich sieht. Und dann taucht auch noch Valeria Richards auf, die doch eigentlich tot ist, und kann sich offenbar nicht an ihr früheres Leben erinnern, ist aber Doom als Vertraute zugetan. Doch dann taucht eine weitere Arche auf und birgt Bedrohungen aus dem Ultimate Universe, angeführt von Thanos aus Universum-616.

Band 3 – Mr. Fantastic – Held oder Zerstörer?

SECRETWARS328VON929_Heft_298Langsam kommt Klarheit in die verworrene Handlung. Tatsächlich ist es Dr. Strange, der Messias Doom zur Seite steht und er erinnert sich an die Welt davor. Wie sich das jedoch ergeben konnte und was Doom getan hat, bleibt noch verborgen. Aber Strange öffnet mit einer Garde von Thors eine der Archen. Und dort findet er niemanden anderen als Miles Morales, dem Spider-Man aus dem Ultimate Universe. Offenbar haben einige andere überlebt und das Chaos überstanden.

Valeria versucht indes Antworten von Doom zu bekommen, weiß aber anscheinend nicht mehr, was geschehen ist. Auch wenn Doom keine Antworten gibt, lässt er Valeria doch wissen, dass ihr Onkel (Human Torch) zur Sonne wurde, da er sich widersetzte. Welche Macht muss Doom nun haben, wenn er derart gottgleiche Taten vollbringen kann?

Indes werden Thanos und seine Begleiter von einer Gruppe von Thors angegriffen, um sie zu inhaftieren. Und in einer ganz davon abgetrennten Szene treffen Shadowcat, Archangel, Blindfold, Nightcrawler und Logan (Wolverine!) auf eine pervertierte Version von Moon Knight – in einer arabisch/ägyptisch anmutenden Umgebung,

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Es bleibt also spannend!

Noch kann ich nicht verstehen, welchen Weg das alles nehmen wird, noch ist alles viel zu verworren. Dennoch hat die Geschichte einen innewohnenden Fluss, von dem ich mich habe treiben lassen. Es hat mich etwas Überwindung gekostet und so manchen Band musste ich zweimal lesen, aber in Summe hat mich das Erlebnis doch bislang begeistert, wenn auch nicht voll überzeugt.

Charaktere

Während Band 1 noch sehr schnell zwischen den Akteuren hin- und herspringt, konzentrieren sich die Bände 2 und 3 auf Doom, Dr. Strange und Valeria Richards. Das hilft dem Leser die doch anfangs sehr unzugängliche Geschichte Stück für Stück zu verstehen. Welches Mysterium jedoch Doom umgibt, ob er vielleicht die Macht des Beyonders absorbiert hat und ihn möglicherweise getötet hat, wird nicht offenbart.

Sehr interessant ist das Verhalten der eigentlich bekannten Charaktere aus der alten, echten Welt. Wieso wissen sie nicht, was passiert ist und wieso, vor allem, lebt Logan wieder? Das sind alles Fragen, die den eigentlichen Spaß beim Lesen generieren und den Leser bei der Stange halten. Autor Jonathan Hickman zeigt hier wieder einmal seine Vorliebe für verworrene Geschichten, die erst nach und nach ihre Zusammenhänge offenbaren und oft auch viele Fragen unbeantwortet lassen. Das muss man mögen!

Zeichenstil

Hickman arbeitet in allen drei Bänden mit Esad Ribic, einen kroatischen Zeichner, zusammen. Zur Seite stehen Luca Pizzari, Paul Renaud und Ive Svorcina. Allen zusammen gelingt ein optisch beeindruckendes Gesamtwerk mit filigranen Formen, starken Kontrasten und eingängigen Farbgebungen.

Das hilft dem Leser bei der ohnehin verwirrenden Storyline, zumindest hier den roten Faden zu finden und sich orientieren zu können. Gut gelingen vor allem die ikonischen Szenen, die sich in die Erinnerung einbrennen. Nicht so gut wirkt oft die Mimik der Akteure, die stellenweise maßlos überzogen wirken oder gar unerkennbar unscharf sind.

Preis-/Leistungsverhältnis

War der Preis noch 5,99 EUR für die ersten beiden Bände, wurde er zum dritten Band auf EUR 4,99 gesenkt. Möglicherweise wegen der geringeren Seitenzahl, vielleicht aber auch wegen der schwer zugänglichen Geschichte, die erst im Band 4 etwas Klarheit erlangen wird.

Ich für meinen Teil habe alle Bände dreimal lesen müssen, bevor ich die Handlung verstanden habe. War Infinity schon nicht einfach zugänglich, wird hier der erkennbare Teil der komplexen Storyführung noch schwerer auffindbar. Wer es schätzt, mehr Fragen als Antworten zu bekommen, wird sich hier gut aufgehoben fühlen.

Erscheinungsbild

Handwerklich gibt es, wie oft bei Panini Comics, nichts auszusetzen. Kontrastreicher, farbintensiver Druck, die Rückendrahtheftung ist gut verarbeitet und resistent. Das Papier hat eine gute Haptik und widersteht auch schlampigen, hektischem Umblättern ohne Knicke. Die Cover greifen jeweils die Thematik des Bandes auf und inszenieren sie gekonnt.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini Comics (Marvel)
  • Autor(en): Jonathan Hickman
  • Zeichner(in):  Esad Ribic et al
  • Erscheinungsjahr: 2016
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Comic Softcover
  • Seitenanzahl: 52 bis 68 Seiten
  • Preis:    EUR 4,99 bis EUR 5,99
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

In einigen Bänden werden die originalen US-Variant-Cover abgebildet.

Fazit

Zugegeben, ich war verdammt neugierig auf das Ende der alten Welten und den Anfang von etwas Neuem. Dass jedoch Doom zu einem Gott wird mit ebenjenen Kräften, hat mich zuerst verwundert, dann begeistert. Es war recht schnell klar, dass die Helden in Band 1 nicht sterben, sondern irgendwohin transportiert werden. Alle umgab kurz vor ihrem Ableben ein orange-grelles Leuchten.

Bei aller Begeisterung und Faszination für die neue Welt Battleworld, die aus Fragmenten der beiden letzten Universen besteht, gibt es vor allem ein Problem: Storyboarder Hickman wirft gerne Fragen auf und lässt diese lange unbeantwortet. Das gefällt nicht jedem Leser, vor allem, da es bei Secret Wars noch komplexer als bei Infinity ist.

Aber es sind auch genau diese offenen Fragen, die seit mehreren Ereignissen im Kopf der Leser herumspuken. Hoffen wir, dass sie dieses Mal alle beantwortet werden. Diese Chance darf das Event nicht an sich vorbeigehen lassen. Noch einmal werden die Leser das nicht tolerieren. Denn spannend ist Secret Wars auf jeden Fall!

Zeichnerisch gibt es wenig zu bemäkeln: kräftige, beeindruckend inszenierte Panels mit leichten Schwächen bei der Mimik. Handwerklich befinden sich die Bände auf gewohnt hoher Qualität.

Daumen3maennlichNeu

Mit Tendenz nach Oben

Artikelbild: Panini Comics
Diese Produkte wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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