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Im Oktober 2013 erschien die erste Episode des Point-and-Click-Adventures The Wolf Among Us von Telltale Games. In der Welt der Fables angesiedelt, einer über 150 Bände langen Comicserie, die von Bill Willingham erdacht wurde, stellt das Spiel ein Prequel jener Comicwelt dar.

Dieser Comic, The Wolf Among Us – Der Wolf geht um, stellt die Comicadaption des 2014 abgeschlossenen Videospiels dar, in dem der große böse Wolf, Bigby Wolf, einen verzwickten Fall lösen muss, der die Zukunft Fabletowns, der neuen Heimat der einst geflohenen Märchengestalten im Herzen New York Citys, bedroht.

Handlung

Bigby Wolf, der Sheriff Fabletowns, ist nicht gerade das, was man beliebt nennen würde. Das liegt zum einen an seiner Vergangenheit als aufbrausender, gefräßiger, junger Wolf wie auch an der Art, in der er seinen Job heute wahrnimmt. Einfühlsamkeit und Empathie gehören nicht gerade zu seinen Stärken, was sich deutlich zeigt, als er zu einem Streit zwischen einer augenscheinlichen Prostituierten und dem Holzfäller gerufen wurde. Anstelle einer Deeskalation endete sein Einsatz in einer verwüsteten Wohnung und einem Holzfäller der seine eigene Axt im Schädel stecken spürte. Zum Glück sind Fables schwer zu töten und des Holzfällers Verletzung damit nicht letal.

Da der Grund des Streits zwischen dem Holzfäller und der Prostituierten für Bigby noch immer im Dunkeln liegt, fordert er selbige auf, zu einer Aussage später in der Nacht in seinem Büro zu erscheinen. Anstelle dieser späteren Aussage der Unbekannten beginnt an dieser Stelle ein verzwickter Fall voller Hintermänner und Intrigen, der die Zukunft aller Fables betreffen soll.

Die Geschichte umfasst zwölf Kapitel, die die erste Episode des gleichnamigen Videospiels von Telltale Games darstellen. Die Handlung ist durchweg aus der Sicht Bigby Wolfs beschrieben, was die Spannung deutlich hebt. Als Leser späht man somit beständig über die Schulter des großen bösen Wolfs, der sich bemüht, seinen Job als Sheriff Fabletowns so gewissenhaft wie möglich wahrzunehmen – auch wenn dies dazu führt, dass ihm die Sympathien der anderen Fables alles andere als zufliegen.

Die Handlung des Comics ist nachvollziehbar erzählt, ohne den Spannungsbogen zu verlieren. Es wird eine gute Mischung aus Nachvollziehbarkeit und Komplexität erzielt, die den Leser spannend am Ball bleiben lässt. Der Hintergrund der gesamten Welt, der Bewohner Fabletowns und der politischen und gesellschaftlichen Struktur, wird fließend eingewoben, ohne die aktuelle Handlung zu unterbrechen und damit der Spannung selbst zu schaden. Als Leser findet man sich dadurch sehr schnell in der Atmosphäre wieder.

Da dieser Comic den ersten Band einer Serie einnimmt, war ein Cliffhanger zum Ende hin zu erwarten. Dieser orientiert sich an der Videospielvorlage der ersten Episode. Dem Comic schadet dies in keiner Weise, lässt dieser schockierende Cliffhanger doch keine gerunzelte Stirn, sondern den Wunsch nach einem schnellen Erscheinen des Folgebandes offen.

Charaktere

Fables lebte bereits davon, dass viele Charaktere aus der allgemeinen Folklore nicht gerade unbekannt sind. Den großen Bösen Wolf, der Rotkäppchens Oma fraß und die Häuser der drei kleinen Schweinchen umpustete, ist nahezu jedem bekannt. Natürlich erscheint er hier in einem neuen Licht außerhalb der Welt, die im Comic als die Heimatländer bezeichnet werden. Ihm ist viel passiert und ihm geht viel durch den Kopf. Heute ist er nicht mehr die Personifizierung des märchenhaften Bösen. Für alle Fables, die in die reale Welt übersiedelten, gab es eine Amnestie, die sie von früheren Sünden reinwusch und ihnen einen Neuanfang gewährte, so auch für Bigby Wolf.

Schnell wird im Comic jedoch klar, dass diese Amnestie zwar einen Neuanfang auf dem Papier garantierte, jedoch keine in den Köpfen existierenden Vorurteile beseitigen konnte. Auch Jahrhunderte nach der Flucht der Fables in die reale Welt wird Bigby mit Argwohn begegnet. Der Charakter selbst stellt sich als äußerst vielschichtig heraus. Er ist aufbrausend und nimmt seinen Job sehr ernst, sieht darin jedoch auch eine Notwendigkeit, um die Ordnung in Fabletown zu erhalten, während er der festen Überzeugung ist jemand anderes geworden zu sein, nicht mehr der grimmige junge Wolf von einst.

Seine einzige wirkliche Freundin ist Snow White, die als Stellvertreterin des Bürgermeisters von Fabletown, Ichabod Crane, arbeitet. Snow White wird von Crane selbst augenscheinlich nicht ernstgenommen. Der autokratische Crane hält sie, ebenso Bigby, barsch für inkompetent, während er selbst seine eigene Arbeit äußerst selektiv und schon fast korrupt anmutend wahrnimmt. Er ist der Meinung, dass niemand außer ihm selbst die Zügel der Stadt adäquat in den Händen halten kann und das Bigby und Snow White bei der Aufklärung des Falls versagen.

Snow White selbst ergibt sich pflichtbewusst ihrer Aufgabe und dient als Puffer zwischen Bigby, der von Crane mehr und mehr die Nase voll zu haben scheint, und dem amtierenden Bürgermeister, der keinen Hehl aus seiner negativen Einschätzung bezüglich seines Sheriffs macht. Gerade die Beziehung zwischen Wolf und Miss White, wie sie auch genannt wird, mutet tiefer an, als sie offen ausgedrückt wird.

Die diversen anderen Fables verlieren sich im Rahmen der Geschichte nicht. Alle werden mit ihrem passenden Hintergrund dar- und dem Leser vorgestellt. Damit entsteht ein sehr angenehmer Tiefgang, gerade in den Beziehungen der Charaktere zueinander. Gesichtslose Antagonisten sucht man hier vergebens.

Zeichenstil

Die Zeichnungen sind erwachsen und in einem Noir-Stil gehalten. Durchaus blutige Härte bei schnellen actionlastigen Szenerien sind ebenso vorhanden wie rein atmosphärische Zeichnungen des dreckigen, nächtlichen New York Citys. Die Charaktere wirken stets ihren Stimmungen und der Situation entsprechend in Szene gesetzt. Rückblenden und Erläuterungen zu Märchen sind farblich abgesetzt und heben sich dadurch angenehm hervor.

Preis-/Leistungsverhältnis

Für 16,99 EUR erhält der Leser 132 Seiten. Damit bewegt sich der Comic im normalen und angemessenen Preissegment.

Erscheinungsbild

Auf dem Cover ist Bigby Wolf in einer angreifenden Pose dargestellt. Auf der Rückseite bildet eine Komposition aus Bigby in eher nachdenklicher Stellung, Snow White, die den Leser mit strengem Blick entgegen schaut, und Neonreklame den Hintergrund.

Die Seiten des Comics sind kontrastreich und neigen auch bei schnellem Blättern nicht zu Knicken. Auch das broschierte Softcover mit Klappentext hält ruppigerer Handhabung ohne Probleme stand.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini Comics / Vertigo
  • Autor(en): Matthew Sturges, Dave Justus
  • Zeichner(in): Stephen „Steve“ Sadowksi, Shawn McManus
  • Erscheinungsjahr: 2016
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Broschiertes Comic Softcover
  • Seitenanzahl: 132
  • Preis: 16,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Im Verlaufe des Comics sind zwischen einzelnen Kapiteln Covervarianten eingebaut. Sonstiges Bonusmaterial ist nicht enthalten.

Fazit

Meine erste Frage bei diesem Comic war, ob er sich für jemanden lohnen würde, der die Videospielvorlage schon gespielt hat und damit die Handlung bereits kennt. Hier muss ich ganz klar sagen: Ja, tut er! Auch wenn man The Wolf Among Us bereits digital erlebte und damit weiß, was passieren wird, die Handlung somit keine wirklichen Überraschungen mehr bietet, hat man etwas von diesem Comic.

An einigen Stellen ist er mehr als nur die Adaption der Videospielvorlage. Innere Monologe des Protagonisten, diverse weitere Rückschauen und eine mitunter anders dargestellte Perspektive auf bestimmte Szenerien vertiefen die Handlung nicht nur, sondern bieten mehr Hintergrund zur Welt selbst.

Die gesamte Handlung ist spannend inszeniert, selbst wenn man sie eigentlich schon kennt. All jene, die die Vorlage noch nicht gespielt haben, werden eine durchdachte, vielschichtige Intrige erleben, in die die Protagonisten Stück für Stück hineintappen, während sie versuchen, die Ordnung unter den Fables zu halten. Die Themen sind durchweg erwachsen, was Darstellung und Inhalt angelangt.

Die Positionierung der Charaktere in diese Atmosphäre ist durchweg gelungen, ohne je den Eindruck aufgesetzter Inszenierung zu erwecken. Es macht Spaß, diverse Märchengestalten in einer düsteren New Yorker Szenerie zu sehen, zu erfahren wie Wesen wie etwa Tweedle Dee und Tweedle Dum aus Alice im Wunderland als zwielichtige Gestalten auftreten, die eine eigene Detektei führen oder wie tief Märchenprinzessinnen sinken können, wenn die Lebensperspektiven verloren gehen.

Der Noir-Stil der Zeichnungen macht Spaß, so man derlei Krimi-Atmosphäre mag. Das gesamte Paket wirkt rund und kann nur empfohlen werden, egal ob man ein Freund von klassischer Folklore oder von Krimigeschichten ist.

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Artikelbilder: Panini Comics
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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