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Zwischen Herbst 2014 und 2015 veröffentlichte der 13Mann Verlag drei aufeinander aufbauende Soloabenteuer zu seinem Rollenspiel Aborea. Nun werden diese drei Publikationen erstmals in einem Taschenbuch zusammengefasst.

Handlung

Das Spielbuch Der Dunkle Fürst ist in drei Teile gegliedert, die zwar jeder für sich eine abgeschlossene Geschichte erzählen, inhaltlich aber aufeinander aufbauen. Vorangestellt ist aber ein sehr kurzer Prolog aus der Ich-Perspektive, der den Leser unvermittelt in eine heikle Lage des Erzählers wirft und dessen Konsequenzen erst im dritten Teil offenbart werden.

Im Anschluss beginnt der erste Teil auch ganz harmlos mit der Suche nach den Waldarbeitern aus dem Heimatdorf des Helden, die von ihrem jährlichen Gang in den Großen Wald noch nicht zurückgekehrt sind. So dreht sich auch der Großteil der 130 Abschnitte um die Erkundung des Forsts, bei dem man auf verschiedenen Pfaden dem Verbleib der Arbeiter und ihrer Rettung näher kommt. Zum Ende deckt der Protagonist dabei einen Kult auf, der die Verschwundenen für seine eigenen Zwecke missbrauchen wollte, um die Rückkehr des vor Urzeiten verbannten Dunklen Fürsten vorzubereiten.

Etwa in der Mitte des ersten Teils stößt der Held auch auf eine Mitstreiterin: die kecke Alina, mutig, burschikos und nicht auf den Mund gefallen. Sie wird den Leser auch in den weiteren Teilen begleiten. Die unverbindliche Art, auf die sie dem Protagonisten während der gemeinsamen Abenteuer näherkommt, zeigt deutlich, dass der Autor hier eine wie oft im Rollenspiel vor allem männliche Zielgruppe vor Augen hatte.

Dieser Teil des Spielbuchs erweist sich als gelungener Einstieg in die größere Geschichte und die Regeln. Der Forst selbst hat zwar einige nette Überraschungen parat, bleibt aber letztlich ein eher generischer Schauplatz, der nur wenig Flair von der Welt Aboreas zu vermitteln vermag.

Dies bessert sich allerdings im zweiten Teil. Hier treibt Juvios Fest den Helden und seine Begleiterin in die Stadt Felsbrunn. Zwar locken hier zahlreiche Sehenswürdigkeiten, Händler und Unterhaltungsmöglichkeiten, aber das Spielbuch lässt den Leser nur eine begrenzte Anzahl der insgesamt 170 Abschnitte besuchen – der Abend kommt an einem Festtag eben schneller, als man denkt. Die letztliche Auswahl ist später noch von Bedeutung: Auch in Felsbrunn verschwinden harmlose Reisende, und nur wer die richtigen Orte besucht und die nötigen Beweise gesammelt hat, kann am Ende bei einer Audienz mit dem Vogt den wahren Schuldigen entlarven.

Der zweite Teil besticht durch seine Vielseitigkeit und zahlreiche versteckte Geheimnisse. Gerade durch das Limit der möglichen Ausflugsziele und deren Konsequenz zum Ende des Kapitels hat mir dieser Teil am meisten Spaß gemacht.

Im dritten und letzten Teil schließlich erhalten der Held und seine Gefährtin dank ihrer Verdienste durch den Baron des Landstrichs den Auftrag, dem Kult des Dunklen Fürsten endgültig das Handwerk zu legen. So brechen die beiden erneut in den aus Teil Eins bekannten Großen Wald auf, um auf 267 Abschnitten bis ins Herz der Verschwörung in einer geöffneten Gruft vorzudringen. Das Finale von Der dunkle Fürst offenbart dabei Höhen und Tiefen. Schon auf dem Weg zur Gruft locken den Leser kleine Nebenaufgaben und Verbündete, bis sich schließlich beim Betreten der Gewölbe eine unerwartete Wendung vollzieht, die ich hier nicht ausplaudern möchte. Gerade an diesem Punkt hat das Spielbuch seine spannendsten Momente und setzt den Leser erneut unter vehementen Zeitdruck, so dass jede Entscheidung wohlüberlegt sein will. Zum Finale hin allerdings nimmt aber genau dieser Druck leider wieder ab. Zwar hat der Ablauf der Geschichte immer noch weitreichende Konsequenzen, diese erschöpfen sich aber zumeist in der sich ändernden Schwierigkeit der anstehenden Kämpfe. So man diese überlebt, hat der Leser das Spielbuch auch erfolgreich bestanden – hier hätte ich mir sehr gewünscht, dass der Zeitdruck aufrecht erhalten bleibt und man durch falsche Entscheidungen auch schlicht zu spät kommt, um die Rückkehr des Dunklen Fürsten aufzuhalten.

Dieser schale Beigeschmack wird im Epilog allerdings ein wenig gemindert: Hat der Leser eine der erwähnten Nebenaufgaben angenommen, so bahnen sich hier bereits Konsequenzen für den Fortsetzungsband an.

Regeln

Das Spielbuch Der dunkle Fürst verwendet die gleichen Regeln wie auch die Aborea Basisbox. Diese wurde bereits ausführlich von uns besprochen (Link), so dass hier nur eine kurze Zusammenfassung erfolgen soll. Der Spieler kauft mit insgesamt 35 Punkten die Werte für 5 Attribute, das gewählte Volk (eine Auswahl der üblichen Fantasyrassen) modifiziert diese noch. Daraus wird ein Bonus von -3 bis +3 abgeleitet. Anschließend wählt der Leser einen Beruf und darf mit 8 Punkten Ränge auf Fertigkeiten erstehen. Bei der Fertigkeit Spruchzauberei darf man zusätzlich – wieder abhängig vom gewählten Beruf – einen bestimmten Zauber aus einer Liste auswählen.

Proben erfolgen mit einem zehnseitigen Würfel (w10) plus Attributsbonus und Fertigkeitsrang gegen einen vorgegebenen Zielwurf. Zeigt der Würfel eine 10, so wird er erneut geworfen und dieses Ergebnis addiert. Hat der Leser gerade keinen w10 zur Hand, so findet er auf der letzten Seite des Spielbuchs eine Tabelle, auf der er per blindem Fingerzeig eine Zahl ermitteln kann –sehr praktisch!

Im Kampf ist dieser Zielwurf der Verteidigungswert des Gegners, bei einem Treffer zieht man entsprechend der Waffe Trefferpunkte ab. Diese ermitteln sich beim Helden aus einem Fixwert abhängig vom Beruf plus Konstitutionsbonus, das Ganze multipliziert mit der Stufe.

Am Ende eines jeden der drei Teile erhält der Leser Erfahrungspunkte abhängig von gelösten Haupt- und Nebenaufgaben, mit denen er seine Fertigkeiten steigern kann.

Für ein Abenteuerspielbuch erweisen sich die Regeln eines vollen Tischrollenspiels als ungewohnt komplex, gerade die Auswahl der Fertigkeiten wird in diesem Medium oft schlanker gehalten. Da es sich bei Der dunkle Fürst aber um den Einstieg in die Spielwelt von Aborea handeln soll, ist dieser Schritt durchaus nachvollziehbar. In der dargebotenen Komplexität und Präsentation – dazu mehr in der Besprechung des Erscheinungsbilds – fürchte ich allerdings, dass die erhoffte Zielgruppe der Rollenspielneulinge hier einen harten Brocken vorfinden wird.

Diese Einstiegshürde macht das Spielbuch dann aber wieder im eigentlichen Abenteuer wett. So wird der Leser im ersten Teil noch sehr stark an die Hand genommen. Das für ein Abenteuerspielbuch typische Springen zwischen den nummerierten Abschnitten wird geduldig erklärt. Auch die eigentlich im Regelteil erläuterte Abwicklung von Proben wird in den relevanten Abschnitten erneut Schritt für Schritt dargelegt. Für Leser, denen sowohl die Konzepte des Rollenspiels als auch des Spielbuchs neu sind, ein vorbildlicher Ansatz; Veteranen werden die entsprechenden Passagen schnell überfliegen.

Auch Teil Zwei übernimmt diese wiederholten Regelerklärungen, erst in Teil Drei verzichtet das Spielbuch darauf und stellt nur noch die relevanten Spielwerte dar.

Schreibstil

Das Spielbuch Der dunkle Fürst gibt sich große Mühe, Rollenspielneulinge geduldig in die Möglichkeiten dieses Hobbies einzuführen. Gerade im Regelteil führt das aber zu ausschweifenden Erläuterungen, die meines Erachtens auch für Einsteiger gern hätten kompakter formuliert werden können. Auch in Teil Eins wirken die Beschreibungen der zur Auswahl stehenden Aktionen am Abschnittsende auf mich etwas langatmig. Spätestens mit Teil Zwei aber findet Der dunkle Fürst zu einem kompakten und flüssigen Erzählstil, der sich angenehm liest.

Etwas irritiert hat mich gerade zu Beginn der Lektüre ein eigentlich nebensächliches Detail: die Anrede des Lesers. Nutzt der kurze Prolog noch die „Ich“-Perspektive, was zu einer sehr stimmigen Immersion mit den Geschehnissen führt, so schwenkt der Autor mit dem Ersten Teil um zu einem förmlichen „Sie“. Da ich aus jedem anderen Spielbuch gewohnt bin, mit „Du“ angesprochen zu werden, hat mich die distanziert wirkende Höflichkeitsform eine ganze Weile aus dem Lesefluss geworfen. Erst gegen Ende von Teil Eins ist mir diese Anrede nicht mehr bewusst aufgefallen.

Später im Buch wechselt die Form sogar noch für eine kurze Zeit in die dritte Person Singular. Zu diesem Zeitpunkt ist dem Leser aber auch klar, dass dieser sprachliche Kniff der drei verschiedenen Formen tatsächlich Sinn macht – die Überraschung, die den Grund dafür darstellt, möchte ich an dieser Stelle aber nicht verraten.

Preis-/Leistungsverhältnis

Das Spielbuch Der dunkle Fürst ist vom Preis vergleichbar mit Taschenbüchern ähnlichen Umfangs. Da in den drei Teilen der Geschichte allerdings zahlreiche Hinweise und Geheimnisse durch eine falsche Entscheidung umgangen werden können, hat das Buch einen hohen Wiederspielwert.

Erscheinungsbild

Der dunkle Fürst CoverDer dunkle Fürst erscheint im klassischen Taschenbuchformat, die dünnen Seiten überstehen das für Spielbücher typische Blättern sehr gut. Die wenigen, in Graustufen gehaltenen, Illustrationen lassen sofort erkennen, dass hinter Aborea auch ein aufwändigeres Produkt steckt. Lediglich das Titelbild von einem schlichten Grufteingang, handwerklich zwar makellos, wirkt arg öde und wird im Händlerregal kaum Interesse wecken.

Neben der bereits erwähnten Zufallstabelle als Ersatz für den nötigen w10 finden sich am Schluss des Regelteils auch eine vorbildliche Zusammenfassung und ein ausführlicher Charakterbogen, wenn auch in unangenehm kleiner Schrift.

Zudem haben sich in das Spielbuch noch einige weitere Schönheitsfehler eingeschlichen. So sorgt der kontinuierliche Fließtext gerade im Regelteil dafür, dass sich der Leser nur schlecht in der Vielzahl von Schritten zurechtfindet. Hier hätten großzügigere Abstande und knapperer Text sehr geholfen. Zudem sind nicht alle relevanten Tabellen an der Stelle zu finden, in der sie erklärt werden, sondern erst in der Zusammenfassung.

Auch merkt man im Impressum, dass das vorliegende Taschenbuch ursprünglich in elektronischer Form veröffentlicht wurde: So nennt der Text die Titel weiterführender Links auf die Seiten der Aborea-Homepage, die auf Papier natürlich keinen Sinn machen.

Zuletzt erlaubt sich Der dunkle Fürst an zwei Stellen in Teil Eins einen unverzeihlichen Fehler: falsche Verweise. So führen zwei Auswahlmöglichkeiten von Abschnitt 54 zu Abschnitt 124, richtig wäre bei einem von beiden Abschnitt 128. Zudem wird die 128 in zwei verschiedenen Kämpfen verwendet, so dass der Leser durch die folgenden Verweise falsch durch die Abfolge der Ereignisse springt und immer in Scharmützel Nummer zwei (Abschnitt 32) landen wird.

Diese Makel, die zum Glück nur das erste Drittel des Buches betreffen, sind aber in der späteren Lektüre wieder vergessen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: 13Mann Verlag
  • Autor(en): Sebastian Witzmann
  • Erscheinungsjahr: 2015
  • Sprache: deutsch
  • Format: Taschenbuch
  • Seitenanzahl: 480
  • ISBN: 978-3-941420-540
  • Preis: 12,95 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Mit dem großen Bruder, dem eigentlichen Aborea-Rollenspiel im Rücken, kann der Leser im Netz zahlreiche hilfreiche Dateien finden. Diese beziehen sich zwar nicht explizit auf das Spielbuch Der dunkle Fürst, sind aber auch für dieses nützlich. Den Charakterbogen und diverse Beispielcharaktere finden sich auf der Aborea-Homepage im Bereich Spielmaterial, auch die gesamte Charaktererstellung hat einen eigenen Bereich.

Fazit

Der Dunkle Fürst ist ein guter Einstieg für Neulinge in die Welt des Aborea-Rollenspiels. Die drei Teile mit ihren jeweils abgeschlossenen Abenteuern sind abwechslungsreich und werden zunehmend fordernder. Gerade wenn der Leser nicht alle angebotenen Abschnitte ansteuern kann, weil dem Helden der Geschichte nur begrenzte Zeit zur Verfügung steht, erreicht der Lesespaß seinen Höhepunkt.

Allerdings schöpft Der Dunkle Fürst dabei nicht sein volles Potential aus. Die Geschichten und Aufgaben selbst wandeln auf altbekannten Pfaden. Auch Eigenheiten der Welt Aborea, die ein einzigartiges Flair versprühen und neugierig auf mehr machen, finden sich nur am Rande. Der Zeitdruck, den der dritte Teil in einigen Abschnitten aufbaut, verliert sich zum Ende hin. Dabei hätte gerade hier ein Scheitern aufgrund falscher Entscheidungen und nicht nur verlorener Kämpfe das Gefühl der nahenden Bedrohung noch gesteigert.

Dennoch ist dieses Spielbuch eine gute Lektüre, die den Leser durchgängig unterhält und fordert. Einsteigern ins Rollenspiel kann ich Der Dunkle Fürst besonders ans Herz legen, finden sie hier doch im gefälligen Taschenbuchformat eine gute Einführung ins Hobby. Rollenspiel-Anfänger dürfen die Gesamtnote somit auf eine „4“ aufwerten.

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Artikelbilder: 13Mann Verlag
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

3 Kommentare

  1. „Einsteigern ins Rollenspiel kann ich Der Dunkle Fürst besonders ans Herz legen, finden sie hier doch im gefälligen Taschenbuchformat eine gute Einführung ins Hobby. Rollenspiel-Anfänger dürfen die Gesamtnote somit auf eine „4“ aufwerten.“

    Die Bewertung kann ich nicht nachvollziehen.
    Als Frage formuliert: Warum sollen Personen aus der primären Zielgruppe das Buch besser bewerten?
    Wäre es nicht sinniger gewesen, dass z.B. „Nur-Spielbuch-Spieler“ oder Rollenspiel-Veteranen die Note nach unten korrigieren dürfen?

  2. Ich verstehe auch den allerletzten Satz nicht. Wie ist das gemeint, auf eine 4 aufwerten? Welche „Note“ (?) gibt es denn sonst? Ich sehe nur den Daumen zur Seite..

  3. Der Daumen der Teilzeithelden kennt fünf Neigungen, die gelbe mittlere Position entspräche somit der 3.
    Diese Bewertung habe ich aus meiner eigenen Sicht als jemand vergeben, der eben schon diverse Spielbücher gelesen hat und dem die im Fazit zusammengefassten Kritikpunkte gerade deswegen aufgefallen sind. Bei Lesern, denen Spielbücher oder eben Rollenspiel noch neu sind, gehe ich davon aus, dass diese Punkte nicht so sehr ins Gewicht fallen.

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