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Seit 2002 findet der Japantag statt. In Düsseldorf natürlich, wo sonst? Die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt ist die einzige deutsche Stadt mit „Japan-Town“ und ein Mittelpunkt der japanischen Wirtschaft in Europa. Gemeinsam mit der japanischen Partner-Präfektur Chiba und vielen Unternehmen und Gruppen verwandelt sich das Rheinufer Jahr für Jahr in ein buntes Volksfest mit rund 700.000 Besuchern. An einem Tag wohlgemerkt, und in diesem Jahr sogar mit noch etwas mehr Besuchern (750.000). Zum Vergleich: Das „größte Volksfest der Welt“, das Münchener Oktoberfest, hatte in den letzten vier Jahren im Tagesschnitt nur einen Höchstwert von 400.000 Besuchern.

Erste Eindrücke

Eine frühe Anreise ist empfehlenswert. Wer erst am spätem Vormittag oder gar zur Mittagszeit in die Bahn wollte, konnte unter Umständen einige Züge abwarten, bis sich in einem noch ein Platz fand. Der geübte Besucher verzichtete da lieber auf den öffentlichen Nahverkehr, der trotz bekannter Problematik seit Jahren keine Zusatzzüge bereitstellt – die gibt es wohl nur beim Fußball. Alternativ fährt man schon etwas früher los. Trotz offiziellen Beginns um 12 Uhr muss man sich auch davor nicht langweilen. Es gibt bereits genug zu sehen.

Düsseldorf Hbf, 10:15 – im Zug war es noch leer, der Bahnhofsvorplatz ist trotzdem bereits mehr als gut frequentiert.
Düsseldorf Hbf, 10:15 – im Zug war es noch leer, der Bahnhofsvorplatz ist trotzdem bereits mehr als gut frequentiert.

In der Theorie ließe sich vom Hauptbahnhof aus bis nah an den Rhein fahren. Schöner ist es aber, zunächst einen Schwenk auf die nah gelegene Immermannstraße zu machen. Die „Japan-Meile“ bietet unter anderem japanische Buchläden, Supermärkte, Imbisse und mehr. Zum Japantag sind hier auch bereits einzelne, zusätzliche Stände aufgebaut und nach ersten Eindrücken, Gesprächen und dem (für mich zumindest) obligatorischen Zuckergetränk Ramune geht es dann gemütlich zu Fuß weiter. In diesem Jahr auch wieder ohne Regen.

Nach etwas Fußweg durch Innen- und Altstadt erreicht man dann auch das Rheinufer. Nach links, nach rechts, wohin man schaut: Menschen und Stände. Am frühen Mittag ist es noch leer genug, dass man an allen Ständen gut schauen kann, so man denn möchte. Im Gegensatz zu späterer Zeit, wo nicht nur die Sonne wärmt, sondern auch die große Menschenmasse, zwischen denen man sich teils nur mäßig bewegen kann. Auch vor den Bühnen ist noch ausreichend Platz, so dass man das gebotene Programm von nahem beobachten kann.

Programm und Angebot

Geboten wurde wieder ein reichhaltiges Angebot an Infoständen und kulturellem Programm. Zuviel, um alles aufzuzählen! Traditionelle Kleidung, Puppen, Deko, Tourismus, Kalligrafie und viel, viel mehr. Auch Darbietungen diverser japanischer Kampfkünste waren zu sehen, wie auch ein Samurai-Heerlager und Mitmach-Aktionen wie Bogenschießen und Schwertkampf.

Auch auf den Bühnen wurde einiges geboten. Nach der Eröffnung mit Gastrednern ging es auf der Hauptbühne gleich weiter mit einer Taiko-Trommelgruppe, die wie immer äußerst beeindruckend war. Aber auch danach folgten noch viele Aufführungen, insbesondere musikalische, die Japan am Rhein zum Leben erweckten.

 

 

Die an anderer Stelle gelegene, kleinere  ADAC-Bühne bot weniger traditionelle Darbietungen und widmete sich vielmehr der Populärkultur, um nicht zu sagen: Mangas und Animes. Neben Karaoke und der Sängerin Lexi, welche Anime-Songs darbot, fand dort als Höhepunkt der Cosplay-Wettbewerb statt. Bei diesem gab es neben diversen kleineren Preisen als Höhepunkt ein Flugticket nach Japan zu gewinnen.

 

Cosplay

Generell war sehr viel Cosplay zu sehen. Der Japantag ist eben auch seit Jahren ein großes Treffen und Event der Manga-/Anime-Szene und entsprechend finden sich auch viele Cosplayer dort ein. So viele, dass man garantiert viele tolle Kostüme nicht zu sehen bekam. Meine Freunde haben zumindest den Tag über alle ganz andere Cosplays gesehen als ich.

Neben Anime- und Mangacosplay fanden sich auch viele weitere Genres. Videospielcharaktere oder Zombies waren ebenso vertreten wie Phantastikstile, die eigentlich kein Cosplay im Wortsinne sind. Maids, Lolitas, Steampunker und Decora Kei seien als Beispiele genannt.

Erstaunlich viele Besucher ließen sich auch begeistert mit Cosplayern fotografieren. Auch viele kleinere Kinder hatten Freude an den meist bunten Outfits, auch wenn sie sich zuweilen dann doch nicht nah heran trauten. Dennoch: Hier hat der Japantag als großes Kulturfest hervorragend funktioniert und Menschen harmonisch zusammengebracht, die sonst nichts miteinander zu tun hätten. Leider hat dies nicht durchgehend so funktioniert, worauf ich im nächsten Punkt noch eingehen werde.

Zunächst aber einige Impressionen der vielfältigen Cosplays:

Fazit und Diskussion

Bei bestem Wetter fanden sich am 21. Mai rund 750.000 Menschen am Düsseldorfer Rhein ein, eine wahnsinnige Zahl. Entsprechend voll war es, zu voll für einige Besucher. Mir hat es dennoch wieder gefallen und ich habe die Veranstaltung als äußerst positiv erlebt. Im Vergleich zu anderen Großveranstaltungen ohne Eintritt muss ich sogar sagen, ist der Japantag meiner Meinung nach nicht nur phantastischer, sondern auch harmonischer und friedfertiger. Ein Großteil des Publikums besteht aus kulturell Interessierten, Phantasten und Familien – ein Kontrast beispielsweise zu Stadtfestivals oder einer Kirmes, bei denen wesentlich mehr Alkohol fließt und viele Besucher auch am thematischen Inhalt geringfügiger interessiert sind.

Dennoch bleibt es ein offen zugängliches Straßenfest, mit entsprechenden Problemen. Es ist keine Convention in einer abgetrennten Halle, sondern eine Massenveranstaltung neben dem Kneipenviertel. So konnte man sich teils kaum noch bewegen und vor allem am Abend fanden auch zunehmend alkoholisierte Menschen ihren Weg dorthin. So liest man nun leider auch sehr viele negative Erfahrungsberichte im Internet. Belästigungen, Diebstähle, Gewaltanwendung, Sexismus. Scheinbar gibt es auch im 21. Jahrhundert noch Menschen, die glauben, eine spärlich bekleidete Frau sei eine Art Allgemeingut oder leicht zu haben, und auch die „free hugs“ wurden wohl zuweilen als Einladung zu mehr Körperkontakt aufgefasst. Berichtet wird auch von vielen Glasscherben, Drogenkonsum und Pöbeleien. Doch wie soll man es vermeiden? Es ist utopisch zu glauben, man könnte solche Widerwärtigkeiten verhindern. Bei 750.000 Menschen kann nie überall Polizei sein und große Straßenfeste werden immer auch themenfremde Menschen anziehen, die sich nicht benehmen können. Hier kann man nur empfehlen, auf seine Umgebung zu achten und ggf. Zivilcourage zu beweisen.

So sah es leider schon gegen 21 Uhr aus.
So sah es leider schon gegen 21 Uhr aus.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass durch Manga/Anime/Cosplay die traditionelle Kultur zu sehr verdrängt würde. Eine schwierige Diskussion, schließlich sind diese eben auch Bestandteile der modernen japanischen Kultur. Aus meiner Sicht hat es nicht zu viel Raum eingenommen, sondern eher mehr sichtbaren Raum. Cosplayer sind eben auffälliger als andere Besucher. Andererseits stimmt es schon, dass auf einer Bühne der Fokus ganz klar darauf ausgelegt war, und es zu keinem anderen Thema so viele Stände gab. Selbst aus der Fanszene wird eine Verbannung der Thematik oder eine Auftrennung inzwischen zuweilen gewünscht. Erschreckend ist zudem, dass von mancher Seite teilweise den Cosplayern die Schuld an Alkohol- und Drogenmissbrauch gegeben wird und am Japantag selbst ein Hashtag namens #MangaMissgeburten es in die deutschen Twitter-Trends geschafft hat.

Zusammen mit den Negativ-Berichten bezüglich Belästigungen etc. ist es wenig verwunderlich, dass es Menschen gibt, die Angst haben, den Japantag zu besuchen. Ich habe den Japantag im Gesamten dennoch als friedfertiger, harmonischer, aufgeschlossener erlebt als jede andere freie Großveranstaltung. Aber dennoch bleibt es eine solche, und es ist keine abgetrennte Convention, wo man „unter sich“ ist. Mit allen Vor- und Nachteilen.

Fotografien: Michael Fuchs

 

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