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Was musste Wyvern, die Organisatoren von DrachenFest und Zeit der Legenden, für das Zeit der Legenden 2015 an Schelte einstecken. Reden wir nicht um den heißen Brei herum, die Kritik der Teilnehmer, seien es SC oder NSC, war verheerend. Zu wenig NSC, zu viele aufgewärmte Plots, zu wenig Sanitäranlagen und weite Wege zu selbigen sowie teilweise lieblose Kulissen. Kaum ein gutes Haar wurde an der Veranstaltung gelassen. Man musste sich wundern, wie einer erfahrenen Orga wie Wyvern diese Fehler unterlaufen konnten. Viele Teilnehmer kündigten an, nicht mehr auf die einst so geliebte Veranstaltung zu fahren. Ein entscheidender Punkt war sicher, dass vergleichsweise kurz vor dem Zeit der Legenden 2015 nahezu das komplette Team neu aufgebaut werden musste. Auf dem DrachenFest im selben Jahr zeigten Wyvern aber bereits, dass sie die Kritik ernstgenommen hatten. Dennoch sind eine PvP-Con und ein Abeneuter-LARP doch zwei paar Schuhe. Ganz besonders, wenn das Zeit der Legenden für seinen Tiefgang und die emotionalen Momente bekannt war. Reicht ein Jahr um den berühmten Karren aus dem Dreck zu ziehen?

Die Pflicht – Veranstaltungsorganisation

Zunächst schien sich 2015 zu wiederholen. Trotz mehrfacher Nachfragen seitens der Teilnehmer rückte die Orga erst am 11. Mai, also 14 Tage vor der Veranstaltung, mit ersten Infos zum Setting raus. Jetzt kann man wahrlich darüber streiten, wie essentiell diese Infos sind. Dennoch gehört es, zumindest bei Abenteuercons, zum Standard, recht früh Infos zur Rahmengeschichte herauszugeben. Schnell kamen erste besorgte Stimmen auf. Als sich dann bei einigen Teilnehmern der Ticketversand verzögerte, wurden diese Stimmen befeuert.

Auch herrschte lange Ungewissheit über die Planung der Zeltplätze. Dies spielt bei einer Con, in der es verschiedene Lager gibt, doch eine gewisse Rolle. Als dann, knappe zwei Monate vor der Con, die Planung losging und pro Spieler 15 Quadratmeter Platz eingeplant wurde, war die Aufregung kurz groß. So ziemlich jede Gruppe kam deutlich über diese 15 Quadratmeter, die sogar das ConQuest 2014 mit 17,5 Quadratmeter pro Person nochmal unterschritten. 15 Quadratmeter mögen zunächst gar nicht wenig erscheinen, wenn man dann aber Lagerwege, Kochstellen und Ambientebereiche einplant, wird es schnell eng. Vor Ort war dann jedoch alles ganz entspannt. Fast jeder bekam den Platzbedarf, den er sich gewünscht hat, und wo es mal enger wurde, trat man gerne etwas an den Nachbarn ab. Sogar Wünsche zur Nachbarschaft wurden realisiert. Der Check-In verlief reibungslos und auch die Abreise mündete, trotz überschaubarer Ladeflächen, nicht im Chaos.

Leider mussten wegen der Ladeplätze einige Spieler ihre Ausrüstung recht weit tragen, vielleicht kann man hier nochmal etwas nachbessern, denn Platz wäre da und matschig war es dank gutem Wetter auch nicht.

Die Location – Das Leben ist doch ein Ponyhof

Nachdem sich das Utupion in Bexbach als ungeeignet herausstellte und es wohl auch ein paar Missverständnisse mit der Geländeverwaltung gab, musste ein neues Gelände her.

Mit dem Schloss Walbeck bei Geldern konnte eine passende Location gefunden werden. Erfreulich ist hier besonders, dass diese Location noch recht unbespielt in der LARP-Szene ist. Als nächstes wird dort übrigens das Broken Crown zum Ränke schmieden laden.

Das malerische Schloss liegt knapp 500 Meter von der niederländischen Grenze entfernt und bietet ausreichend Zelt, Kampf- und Plotflächen. Die Anlage ist in einem hervorragenden Zustand und bietet nebst den Zeltplätzen auch reichlich Bettenplätze und bespielbare Räume. Als Kulisse einer Fanatsycon ist das natürlich ein Traum.

Aber selbst der Wald schreit geradezu nach LARP: Die Bäume stehen weit genug auseinander, um sowohl größeren Kämpfen als auch Plotlocations Platz zu bieten, jedoch auch dicht genug, um vor Sonnenhitze und Regen einigermaßen zu schützen.

Apropos Ponyhof! Das Schloss Walbeck ist tatsächlich ein selbiger. Dies führt leider dazu, dass auch die Zeltwiesen, wenn gerade kein LARP ist, von Ponys bevölkert werden. Inklusive ihren Hinterlassenschaften. Da kann die Orga nicht viel machen, aber wer hier auf eine Con fährt, sollte Spaten und Müllsack mitbringen. Das Gelände entschädigt aber für die Mühen.

Kaltes klares Wasser

Die Sanitäranlagen waren in Ordnung, immer sauber, immer mit Klopapier befüllt. Es hätte aber vielleicht noch ein WC-Wagen mehr sein dürfen. Leider ging auch spät abends aus technischen Gründen in WC-und Dusch-Wagen immer das Licht aus. Wer also duschen und sonstige Bedürfnisse nur im Hellen absolvieren kann, musste auf die Burganlage ausweichen. Ebenso ärgerlich war auch der Ausfall des Boilers in den Duschen, so musste man entweder Stau in der Burg oder kaltes Wasser in Kauf nehmen. Am Ende konnte man die Sanitärlage als durchaus akzeptabel betrachten. Aber da ist noch Luft nach oben. Ebenso gilt dies für die etwas ungünstige Platzierung der Sanitärwagen, da half auch die Bastmatte nicht. Direkt vor der Burg an der Hauptkreuzung aller Ereignisse störte den ein oder anderen die Position der Sanitäranlagen deutlich. Allerdings muss man sich wohl auch nach den Anschlüssen richten, vielleicht findet die Orga aber dennoch für 2017 eine andere Lösung.

Kurzum, bis auf ein paar schnell auszumerzende Kleinigkeiten wurde die Location nicht nur gut gewählt, sondern auch gut genutzt. Da lohnt auch eine Fahrt von über 400 Kilometern, solange das Gelände nicht verbraucht ist.

Wie Affen im Käfig

Was jedoch wirklich negativ auffiel und sich so nicht wiederholen sollte, war der Andrang von Gaffern. Gerade bei beliebten Ausflugszielen sind LARPer gewöhnt, den ein oder anderen neugierigen Wanderer im Spielgebiet anzutreffen. Dass diese sich jedoch an der Geländeumzäunung mit Stühlen gemütlich einrichten und die Szenerie wie ein Theaterstück verfolgen, störte dann doch.

Sicherlich ist es manchmal sinnvoll, LARP auch der uninformierten Bevölkerung näher zu bringen. Live Adventures löst das zum Beispiel geschickt mit kontrollierten Führungen und auch Wyvern hat dies schon so gemacht. Aber hier fühlte man sich manchmal ein bisschen wie im Zoo. Gerade eine erfahrene Orga sollte hier vorbeugen und nebst deutlich lesbaren Hinweisen vielleicht auch ihr Team auf solche Situationen vorbereiten. Ein nettes erklärendes Wort einer SL hätte sicher geholfen. Falls das kam, kam es hier wohl meist zu spät.

Die Kür – Regelwerk, Plot und Co.

Vinlandregeln. Vinland was?

Vom DrachenFest kennen die Teilnehmer schon lange ein mehr oder minder komplexes Punkteregelwerk. Auf dem Zeit der Legenden beschreitet man bereits seit 2013 neue Wege. Das Epic Empires zeigt schon von Anfang an, dass größere LARPs jenseits der 300 Teilnehmer auch ohne Punktesystem auskommen können und ein freieres Kampfsystem zulassen. Doch auch Wyvern hat hier schon ein paar Erfahrungen. Die Vinland-Saga diente so zum Testen neuer Konzepte. Was in Vinland funktioniert, wurde auf dann auf dem Zeit der Legenden probiert und für gut befunden. So erfreuen sich diese Regeln seit 2013, bis auf ein paar Ausnahmen, einer wachsenden Begeisterung.

Aber was sind die Vinlandregeln? Im Wesentlichen ist es ein umgekehrtes Du-kannst-was-Du-darstellen-kannst. Hierfür wird ein erweiterter Opferregelbegriff verwendet. Der Spieler entscheidet, wie er auf ein Spielangebot reagiert, die einzige Regel ist: Reagiere irgendwie.

Ergänzt wird das durch ein Kampfsystem, das sowohl einen leichten Nahkampf erlaubt (Schildschubsen, drängeln, abgesprochene Infights) als auch ganz explizit vorsichtige Kopftreffer.

Und tatsächlich: Wird der Kopf erstmal als Trefferzone wahrgenommen, sinkt die Anzahl schmerzender Kopftreffer merklich. Ausgenommen sind davon weiterhin Schüsse auf den Kopf.

So ein System funktioniert natürlich nur, wenn man aufeinander Acht gibt. Aber bisher scheinen auch die Zahlen der Malteser vor Ort widerzuspiegeln, dass Verletzungen in Kämpfen seltener geworden sind.

Das ganze System funktioniert übrigens besser mit Magie als man denkt. Als High-Fantasy-Con spielt Magie durchaus in Kampfsituationen eine erhebliche Rolle. Aber trotz fehlendem Regelwerk für Magie, klappten viele Zauber jedoch ganz ohne Telling und steigerten damit sogar noch einmal die Immersion.

Zurück in die Zukunft

Die Geschichte des Zeit der Legenden ist eigentlich rasch erzählt: Jemand hat in der Zeit rumgepfuscht und die gottgleichen Drachen schicken seitdem regelmäßig ihre Getreuen in die Vergangenheit, die sogenannte erste Drachenwelt, um das wieder geradezubiegen. Genau genommen ist also das Ziel der Spieler, das schlimmste Unheil zu verhindern, um möglichst rasch wieder in ihre Zeit, die Zukunft, zurückzukehren.

Das gelingt mal gut, mal weniger gut. Weniger gut gelang das zum Beispiel 2014, als die Zeitreisenden es nicht vermochten, den Untergang der wohl bedeutendsten Stadt dieser Welt, Weltenwacht, zu verhindern. Das Trauma sitzt noch immer tief und das Gleiche soll sich nun nicht in Elitawana, dem Vatikan der ersten Drachenwelt, wiederholen. Emotionale Momente und eine liebevoll gestaltete Welt zeichneten die bisherigen Zeit der Legenden aus. Sowohl das erste als auch das zweite Plot-Orga-Team verstanden es, eine Geschichte zu entwickeln, die tiefgründig und detailverliebt war. 2015 erfuhr auch dies einen Knick und stellte wohl die größte Herausforderung für 2016 dar.

Diesmal sollte alles anders werden. Diplomatische Verhandlungen zwischen den Reichen dieser Welt standen an, um sich dem gemeinsamen Widersacher endlich vereint entgegen zu werfen. Doch, wie im wahren Leben, hatten alle Delegationen ihre eigene Agenda, die nicht immer offensichtlich war. Alte Fehden, Machtgier oder die Hoffnung, den Krieg einfach auszusitzen, machten aus jedem Gespräch ein Pulverfass. So hatten die klassischen Politikspieler sofort einen Anknüpfungspunkt, sich in das Setting einzubringen. Doch auch andere Interessen wurden bedient und mit 72 Seiten hatten die NSC ein sehr umfangreiches Plotbuch mit vielen kleinen und großen Aufgaben, für jeden Typus. Wer wollte, hatte also immer etwas zu tun und nicht jeder Plot verlangte nach kundigen Magiern oder Priestern.

Einzig reine Kämpfercharaktere- oder gruppen wirkten manchmal etwas ratlos. Obwohl es regelmäßig Kämpfe in verschiedenen Größenordnungen gab, war der Leerlauf für Kämpfer manchmal zu lang. Hier könnte man sicher das weitläufige Gelände noch besser nutzen, um auch dieser Spielergruppe mehr Ansatzpunkte zu bieten.

Komplex und authentisch – eine Welt zum Anfassen

Den NSC ist es auf beeindruckende Weise gelungen, eine authentische Welt zu schaffen. Allein schon die Darstellung der verschiedenen Delegationen ist erwähnenswert. Man hatte wirklich immer das Gefühl, einer anderen Kultur zu begegnen: Ob die verschlagenen Gesandten eines Magierstaates, die umschmeichelnden Händler aus einem orientalisch anmutenden Reich, feudale Gutmenschen, die das Licht wohl schon mit der Muttermilch aufsogen, oder kurzluntige Krieger aus einem Reich, in der die Tat mehr zählt als jedes Wort. Allein mit den Kulturen konnte man sich schon Tage beschäftigen. Musste man aber nicht. Man konnte kämpfen, Plots lösen und die Welt retten, ohne zu tief einzusteigen und konnte trotzdem verstehen, warum jetzt was gemacht werden musste.

Wer aber wollte, fand stets einen gesprächigen NSC, der einen in die Details dieser komplexen Welt einführte. So muss eine Kampagne sein: Lebendig, authentisch und mit Menschen, die ein Leben zu leben scheinen. Sogar die gegnerischen Soldaten zogen es öfter vor zu fliehen, anstatt sich mal wieder für die Sache zu opfern.

Fazit

Das Zeit der Legenden ist zurück. Das neue Team hat es geschafft, die Welt, die viele Spieler über die letzten Jahre so liebgewonnen haben, wiederzubeleben. Sicher, viel der Euphorie im Feedback der Spieler kommt auch daher, dass 2015 nicht gut lief. Aber es ist mehr als diese Freude. Es ist die Freude, wieder Teil einer spannenden Welt zu sein.

Es lief nicht alles perfekt und es gibt sicher noch Luft nach oben. Dennoch scheint der Wille da zu sein, aus dem Zeit der Legenden wieder einen Pflichttermin zu machen. Es bleibt also abzuwarten, ob auf diesem soliden Fundament weiter aufgebaut wird.

Bilder: © Wyvern e.K., Andreas Megens, Tamara Stolze

 

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