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Nun, da Marvel beginnt, sein Universum zu demontieren und neu aufzubauen, gibt es immer noch einige Events, die eines konzentrierten Blickes würdig sind. Eines davon ist Original Sin – der Sündenfall – bei dem der Beobachter Uatu getötet wird. X-Men und Avengers gehen dem Mord nach und stoßen dabei auf Unglaubliches.

Der Comic-Sammelband erschien bereits vor einigen Monaten und verknüpft die Einzelausgaben der damaligen Serie, verbindet sie dabei aber auch mit einer Vorgeschichte, die erklären soll, wer der Beobachter ist.

Jason Aaron und Mike Deodato standen gemeinsam Pate, um die noir-esque Kriminalgeschichte wahr werden zu lassen.

Handlung

Alles beginnt recht kryptisch mit zwei Vorgeschichten. In „Point One“ dringen zwei in Raumanzügen gekleidete Superhelden in die Festung des Beobachters auf dem Mond ein und stehlen etwas. Die Dialoge zwischen den Dieben in dieser Geschichte helfen zu verstehen, dass der Beobachter ein unendlich altes und riesiges Wesen ist, das alle Zeiten, alle Orte, alle Möglichkeiten und alle Geheimnisse sieht. Nur wenige Minuten alle paar Jahre versinkt es in Meditation, um sein Wissen mit dem Kollektiv zu teilen.

Die zweite Vorgeschichte ist eigentlich ein Nova-Comic. Hier erhält der Leser eine kurze Zusammenfassung darüber, wer der Superheld ist und welchen tragischen Beginn er genommen hat. Was jedoch wichtiger ist: Der Beobachter Uatu ist eine Art stummer Mentor für ihn. So findet sich Nova nach dem Kampf gegen einen übergroßen Roboter in Uatus Festung wieder und erkennt, dass jener ein durchweg gequältes Wesen ist und vor allem, welche schwere Bürde dessen Spezies trägt.

Jetzt, da der Leser eingeweiht ist, kann es ans Eingemachte gehen. Und wie zu erwarten war, beginnt alles mit der Ermordung des Beobachters. Natürlich erfährt der Leser an dieser Stelle nicht, wer es war. Der Szenenschnitt zu Wolverine, Nick Fury, Black Widow und dem Cap wirkt da geradezu verquer, als sich jene in einem DriveIn über das beste Steak, was sie je gegessen haben, unterhalten. Doch dann kommt der Anruf – Thor fand den getöteten und seiner allsehenden Augen beraubten Beobachter auf dem Mond. Iron Man hat den Ruf ebenso vernommen und so stehen die Recken gemeinsam vor der Misere.

Natürlich will der Captain den Mord aufklären. In mehrere Teams aufgeteilt machen sich Ant-Man, Black Panther, Emma Frost, Doctor Strange, Moon Knight, Winter Soldier und Gamora mit den anderen auf die Suche nach dem Täter.

Egal, ob im tiefsten All, dem Untergrund oder auch den Parallelwelten der Magie, sie finden immer das Gleiche. Bedrohungen außerordentlichen Ausmaßes sind erschossen worden – von grün glimmenden, mit Gamma-Strahlung angereicherten, Kugeln.

Für ein ordentliches Stück Würze sorgt, dass ein zweitklassiger Schurke wie Orb eine große Rolle spielt (immerhin hat er ein Auge als Kopf), eine große Menge, plötzlich ihrer selbst bewusst gewordenen, Mindless Ones einen Auftritt haben und Good old Bucky aka Winter Soldier durch eine drastische Tat die Wahrheit zu Tage fördert.

Weiteres Highlight im Verlauf des Bandes: Der Schuldige flüstert Thor etwas ins Ohr, worauf dieser nicht mehr fähig ist, Mjölnir zu führen.

Noch ein Highlight: Nick Fury hatte schon immer eine weit größere Aufgabe und diese wird noch gewaltiger!

Es wäre vermessen, diese großartige begeisternde Geschichte weiter zu offenbaren, daher vergebe man mir eine eventuell nebulöse Ausdrucksweise. Charmant ist jedoch, dass sie als eigenständige Geschichte funktioniert und nicht in die zahlreichen anderen Mega-Events eingeflochten ist.

Nick Fury trägt zur Aufklärung bei
Nick Fury trägt zur Aufklärung bei

Charaktere

Ganz klar im Fokus steht Nick Fury. Wieso wurde er der, der er ist, was ist seine wahre Aufgabe und was denkt das taktische Mastermind tatsächlich? Seine ganze Charakterskizze ist durchweg in dunklen Tönen gehalten, die stets an noir-esque Erzählungen der 40er Jahre der großen Detektiv-Ära erinnern.

Doch das ist nicht der einzige Schwerpunkt, denn auch der Beobachter, wenn auch schon ermordet, hat steten Anteil an der Geschichte, in der sich nach und nach dessen Auftrag erklärt. Aus Gesichtspunkten der Erzählungen betrachtet geschieht das interessanterweise nicht durch Rückblenden, sondern durch Rückschlüsse, die der Leser selbst zieht.

Bei den anderen Akteuren stehen die jeweiligen Teamanführer im Vordergrund, dabei wird jedoch nicht viel Fokus außerhalb kurzer Spotlights gelegt. Lediglich Cap, Winter Soldier und Doctor Strange bekommen größere Bedeutsamkeit, dabei vor allem Bucky.

Zeichenstil

Wuchtig, bedrohlich und voller Unschärfen, ließe es ich zusammenfassen. Doch das ist es nicht alleine. Gekonnte Tiefenunschärfe legt das Auge auf die wichtigen Bestandteile der Panels, starke und dunkle Schatten sorgen durch Kontraste für ein Illuminieren der Szenerie.

Bemerkenswert ist auch der Größenwechsel der Panels, verbunden mit den Überlappungen aus benachbarten Panels – ein weiteres Werkzeug, um die Bedeutsamkeit von Szenen herauszuarbeiten. Zeichnerisch auf jeden Fall ein Meisterstück, bei dem selbst komplexe Bewegungsstudien gelingen.

Preis-/Leistungsverhältnis

Mit 19,99 EUR rangiert der Sammelband im oberen Bereich der Preisskala, das tut der Qualität aber überhaupt keinen Abbruch, denn was man geliefert bekommt, wiegt den Preis mehrfach auf. Auch ist steter Wiederlesewert gegeben, denn die Geschichte offenbart sich nicht vollständig beim ersten Lesen. Für circa zwei Stunden Lesestoff ist gesorgt – und dass die Geschichte es in sich hat, habe ich ja bereits geschrieben.

Erscheinungsbild

Marvel orginal sin cover marvel panini comicsHandwerklich kann man Panini Comics kaum etwas vormachen, wenn es um Haptik und Verarbeitung geht. Die 260 Seiten haben eine hervorragende Druckqualität und auch die Farben erscheinen dort besonders stark, wo sie es sollen.

Das Frontcover zeigt einige der bekanntesten Marvel-Helden in verwaschener Optik vor dem Leichnam des Beobachters. Auf dem Backcover schweben die Beobachter bedrohlich über dem Schuldigen, der von allen gejagt wird. Allerdings werden hier auch Helden gezeigt, die gar nicht im Band vorkommen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor(en): Jason Aaron
  • Zeichner(in): Mike Deodato
  • Erscheinungsjahr: 2015
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover-Sammelband
  • Seitenanzahl: 260
  • Preis: 19,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Man kann wohl die beiden genannten Vorgeschichten als Bonus verstehen, auch wenn sie zwingend für den Leser nötig sind, der Uatu nicht kennt. Und natürlich weichen Panini Comics nicht von ihrem üblichen Habitus ab, am Ende des Bandes in Textboxen erklärende Worte zu Zeichnern und Handlung zu liefern. Als weiteres Schmankerl sind die Variant-Cover und Originalcover der einzelnen Bände enthalten.

Fazit

Der Sammelband Original Sin von Marvel war mir erst zu emotional schwer, zu düster, zu verworren. Ich musste zweimal mit dem Lesen beginnen, bevor ich anfing ihn zu mögen. Dann aber hat sich die ganze „Pracht“ des wohl größten Verbrechens im Marvel-Universum offenbart und sobald die ersten Details aufgedeckt werden, steigt die Spannungskurve so an, dass man gar nicht mehr aufhören möchte zu lesen. Winter Soldiers drastische Tat zur Mitte des Bandes stellt einen Schockmoment dar, ab dem das Tempo stetig steigt.

Viele der Events der letzten Wochen schwächelten zum Ende hin, konnten mich zwar mittendrin noch begeistern, am Ende blieb aber ein schales Gefühl übrig. Das ist hier anders, denn die letzte Lösung und ein damit verbundener Neuanfang ließen mich innerlich vibrierend zurück. Wie gern hätte ich die Welt weiterverfolgt, nun, mit diesen Änderungen. Secret Wars hat dem allerdings ein Ende bereitet, aber vielleicht greifen die Storyboard-Entwickler ja einiges davon erneut auf. Kurzum: Ich bin begeistert.

Zeichnerisch bewegen wir uns ganz am oberen Ende, kurz vor dem Fotorealismus. Die emotionale Komponente düster-schwermütiger Bilder hat mich in ihren Bann gezogen und Actionszenen gelingen so gut, wie nur selten.

Wer sich Marvel-Fan nennt, der findet hieran keinen Weg vorbei. Kaufen!

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Artikelbild: Panini Comics
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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