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Edward Snowdens Enthüllungen vor einigen Jahren haben der Öffentlichkeit die Augen dafür geöffnet, wie sehr der normale Bürger vom Staat überwacht wird. Aber die öffentliche Diskussion ebbte schnell wieder ab und wirkliche Veränderungen hat es eigentlich auch keine gegeben. Ob man das nun gut findet oder nicht ist persönliche Angelegenheit und bleibt jedem selbst überlassen.

Comicautorin Thekla Maria Barck (TeMeL) gefällt diese Situation offensichtlich nicht, weshalb sie sich zusammen mit ihrem Mann Michael Barck ans Werk machte und eine Geschichte schuf, in welcher der aktuelle Trend zur Totalüberwachung auf die Spitze getrieben wird. Diese Graphic Novel ist nun beim Epsilon Verlag erschienen.

Handlung

Im Jahr 2040, 15 Jahre nach einem verheerenden Terroranschlag, ist die totale Überwachung Alltag. Alles was die Menschen tun wird aufgezeichnet und ausgewertet. Auch der Zugang zum Internet ist nur noch nach vorheriger Identifizierung möglich. Dem chinesischen Hacker Ho Zhing gefällt das ganz und gar nicht und so erarbeitet er einen Plan, mit dem er verhindern will, dass es überhaupt erst soweit kommt.

Mit Hilfe des Internets reist er in die Vergangenheit und versucht dort, die Hilfe von weiteren Personen zu gewinnen, die er für einen Plan braucht. Darunter die Bloggerin Kat Wong aus dem Jahr 2016 und die NSA-Mitarbeiterin Jill Edwards aus dem Jahr 2023.

Die Geschichte ist, für eine Zeitreisegeschichte wenig überraschend, nicht linear erzählt. Immer wieder wird zwischen den verschiedenen Zeitebenen hin und her gesprungen. An sich kein Problem, jedoch fehlen oftmals Hinweise darauf, wann und wo man sich gerade befindet, so dass man das ein oder andere Mal recht verwirrt ist, bis endlich klar wird, wo der aktuelle Handlungsbogen spielt.

Aber auch mit einer besseren Kennzeichnung der Zeitebenen würde die Geschichte immer noch recht kompliziert und verworren bleiben. Einmaliges Lesen der Graphic Novel reicht hier meiner Meinung nach kaum, um sie vollständig zu verstehen. Die Tatsache, dass man mitten in die Handlung geworfen wird und auch das Ende eher offener Natur ist, hilft hierbei auch nicht gerade.

Charaktere

Die Geschichte hat vier Protagonisten, aus deren jeweiliger Sicht die einzelnen Kapitel erzählt werden. Der chinesische Hacker Ho Zhing, seine Schwester Molly Zhing, die deutsch-chinesische Bloggerin Kat Wong sowie die amerikanische NSA-Mitarbeiterin Jill Edwards.

Über die Vorgeschichte dieser Figuren erfährt man im Verlauf der Geschichte leider relativ wenig. Einzig Kat Wongs Vergangenheit wird ein wenig beleuchtet. Hier merkt man auch, dass in den ersten Ideen für die Geschichte sie die alleinige Hauptfigur war. Hierdurch sind ihre Handlungen und Motivationen am ehesten nachvollziehbar.

Von den restlichen Protagonisten weiß man einfach zu wenig, um wirklich zu verstehen, warum sie so handeln, wie sie es tun. Sie alle haben eindeutige Wesenszüge und machen im Verlauf der Geschichte auch durchaus Entwicklungen durch. Dennoch wäre ein wenig Vorgeschichte hilfreich gewesen, um sie besser zu verstehen.

Zeichenstil

Habe ich bei Geschichte und Charakteren die ein oder andere Kritik anzubringen gehabt, so kann ich den Zeichenstil nur durchweg loben. Sowohl ruhige wie auch actionreiche Panels sind gut in Szene gesetzt. Die Figuren sind optisch sehr gut erkennbar und haben auch nicht alle die üblichen perfekten Proportionen, die man aus Comics üblicherweise gewöhnt ist. Einige entsprechen äußerlich genau dem Klischee, das sie darstellen, andere hingegen sehen überhaupt nicht so aus, wie man sich eine Person in dieser Rolle vorstellen würde. Ein schöner Kontrapunkt zu den Gewohnheiten des Genres.

Aber auch abgesehen von den Figuren stecken viele Details in den Bildern. Es lohnt sich bei vielen Panels, zwei oder dreimal hinzuschauen. Denn oftmals verstecken sich dort kleine Details, die das Nerdherz höher schlagen lassen. Referenzen zu diversen Genre-Serien und Filmen, T-Shirt-Aufdrucke, wie man sie auch heute schon auf Conventions wiederfindet oder Anspielungen auf bekannte Logos. Hier ist vieles versteckt, was für die Geschichte nicht von Belang ist, dem geneigten Leser aber durchaus eine Menge Freude bereiten kann.

Der Einband kommt für eine derart düstere und bedrückende Geschichte ziemlich bunt daher. Die Regenbogenhaare von Jill Edwards vermitteln hier auf den ersten Blick einen falschen Eindruck. Aber auf den zweiten Blick machen ihr Gesichtsausdruck und die bedrohlichen Kameras im Hintergrund klar, dass es sich hier nicht um seichte und bunte Unterhaltung handelt.

Um die Bedrohlichkeit der Welt im Jahr 2040 noch stärker herauszustellen, wurde der Hintergrund der Seiten auf einer der Zeitebenen schwarz eingefärbt, während des Rest des Buches weiße Hintergründe hat. Ein geschicktes Mittel, um die Stimmung in dieser düstereren Zeit darzustellen.

Preis-/Leistungsverhältnis

15 EUR kostet die Graphic Novel. Dafür erhält man 160 Seiten in Vollfarbe und im Hardcover-Einband. An diesem Preis gibt es nichts auszusetzen.

Erscheinungsbild

NoBorders Comic TeMel Cover RezensionDas Papier im Inneren ist glänzend, aber nicht so sehr, dass es störend wäre. Der Einband ist ein festes Hardcover, die Bindung wirkt sehr stabil.

Neben der eigentlichen Geschichte finden sich zu Beginn jedes Kapitels noch Zitate bekannter Persönlichkeiten wie Benjamin Franklin oder George Orwell. Au0erdem gibt es am Ende zwei Seiten mit einem kurzen Hintergrund zu den Machern des Werks sowie ein kleines bisschen Eigenwerbung.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Epsilon
  • Autor(en): Michael Barck, TeMeL (Thekla Barck)
  • Zeichner(in): TeMeL (Thekla Barck)
  • Erscheinungsjahr: 2016
  • Sprache: Deutsch
  • Format: 15,6 x 1,7 x 22 cm
  • Seitenanzahl: 160
  • Preis: 15,00 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Zu Beginn jedes Kapitels findet sich ein Passwort, mit dem man sich auf http://no-borders.org die Hintergrundinfos zu den Figuren holen kann, die ich im Buch vermisst habe. Da dort aber Spoiler enthalten sind, ist es ratsam, diese erst nach dem Genuss des Buches aufzurufen. Außerdem findet man auf der Homepage Informationen zur Entstehung des Comics.

Ebenfalls gibt es, auch völlig ohne Passwort, auf der Seite einige Bilder aus dem Comic zum Anschauen sowie ein momentan noch recht leeres Blog und etwas Hintergrund zur Einstellung der Autoren zur totalen Überwachung.

Fazit

No Borders ist eine durch und durch politische Geschichte. Dabei kommt zu keinem Moment Zweifel daran auf, auf welcher Seite die Erschaffer des Werkes stehen. Und auch wenn ich persönlich dieser Einstellung zustimmen kann, so erscheint mir die vorliegende Geschichte doch etwas zu einseitig und plakativ. Auch die vermeintlich auf der Gegenseite stehende Protagonistin hat zu wenige gute Argumente für ihre Seite und scheint eigentlich auch nie so wirklich darüber nachgedacht zu haben. Das Fehlen von Hintergrund zu den Figuren und eine relativ konfus dargestellte Zeitreisegeschichte machen die Graphic Novel nicht gerade einfach lesbar oder verständlich.

Zeichnerisch hingegen hat das Werk einiges zu bieten. Auf den Bildern sind viele Details enthalten, die das Nerd-Herz höher schlagen lassen und es gibt sogar einen Gastauftritt einer bekannten Figur aus der Science-Fiction. Aber diese Highlights haben alle überhaupt nichts mit der eigentlichen Geschichte zu tun. Und so können sie nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich weniger um eine Geschichte im herkömmlichen Sinne, als viel mehr um ein politisches Statement handelt. Schade.

Daumen3maennlichNeu

Artikelbild: Epsilon
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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