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Eigentlich als Einzelband ausgelegt, erschien 2007 Der Name des Windes von Patrick Rothfuss. Ein Fantasy-Roman erscheint in einer Zeit, in der Herr der Ringe alles dominiert und auch viel Schund auf dem Markt ist? Das mag als verzweifelt, wenn nicht gar anmaßend erscheinen.

Und doch hat Rothfuss das Genre revolutioniert – zum einen durch eine neue Art von Geschichte, die sich oftmals anders wendet, als man das Thema kennt, zum anderen aber auch durch eine wunderbare Wahl von Worten, geradezu definierter literarischer Ästhetik. Wenn bereits zu Beginn des Romans von der dreiklingenden Stille gesprochen wird, ist der Leser im Bann der Erzählung.

Wir haben uns den ersten Teil der noch nicht beendeten mehrteiligen Saga angehört und berichten von unseren Eindrücken.

Story & Autor

Alles beginnt mit Kote, dem Wirt, der zurückgezogen in einem kleinen Kaff im Nirgendwo mit seinem Schüler Bast lebt. Bald zeigt sich aber, dass dieser Wirt mehr ist, weit mehr. Er bezwingt spinnenartige Dämonen, sein Schüler offenbart sich als Feenprinz und weitaus fremdartigere Dinge geschehen.

Das hält, bis ihn der Chronist aufsucht, ein bekannter Schreiber von Forschungsarbeiten wie „Über das Liebesleben des gemeinem Draccus“. Er hat nur einen Drang – die Geschichte des Wirts zu erfahren, denn der Wirt ist niemand anders als Kvothe, der Königsmörder. Nach deutlicher Überzeugungsarbeit beginnt Kvothe letztendlich von seinem Leben zu erzählen. Dieser Band stellt die Erzählungen des ersten Tages dar…

Der junge Kvothe ist Sohn von fahrendem Volk, den sogenannten Edema Ruh. Diese sind keine gewöhnlichen Barden und Künstler, sondern besonders von der Muse geküsste Zeitgenossen. Er lernt dort von den sich liebenden Eltern, den ihn ewig freundschaftlich neckenden Mitreisenden und erlebt so eine idyllische Zeit. Als der alte Abenthy, ein Arkanist (Magier), sich zu der Truppe gesellt, beginnt Kvothe erste Andeutungen auf die Welt wie sie wirklich ist offenbart zu bekommen und zu verstehen.

Während die Zeit vorbeistreicht und sich Kvothe als besonders begabter Lautenspieler von hoher Intelligenz zeigt, lernt er auch von Abenthy die ersten Grundsätze der Sympathie – einer Form der Magie. „Vom Kleinen zum Großen“ heißt es, denn immer, wenn ein Arkanist einen Effekt hervorrufen will, muss er etwas Artverwandtes im Kleinen tun und die Energie für die Magie aus der Umgebung oder sich selbst ziehen. Letztes gestaltet sich als äußerst gefährliches Unterfangen, wie sich Jahre später herausstellen soll. Von Abenthy erfährt der Junge auch von der Universität. Bald schon wächst das Verlangen in Kvothe, dort ausgebildet zu werden. Dort hofft er auch den Namen der Dinge zu lernen, denn wer den Namen von etwas kennt, hat Macht darüber.

Doch der reisenden Truppe droht bereits das Verhängnis. Kvothes Vater arbeitet an einem Lied über die Chandrian, Kreaturen boshafter Finsternis, deren Erscheinen stets von blauen Flammen begleitet wird. Eines Abends erscheinen unbekannte Angreifer und töten die fahrenden Musiker grausam – Kvothe war zum Feuerholzsammeln fort. Er trifft zwar noch auf die Angreifer, kann aber überleben.

Ab hier beginnt eine Odyssee, die ihresgleichen sucht. Von dem Kampf ums Überleben in der Wildnis, dem Vergessen des eigenen Selbst und der eigenen Fähigkeiten, das Straucheln in der Armut der Gosse als Dieb und letztendlich das Erreichen der Universität mit beginnender Ausbildung. Der Fokus liegt jedoch deutlich auf den Episoden an der Universität. Alles andere zuvor erklärt, wieso er der ist, der er ist.

Dabei lernt er zu lieben, zu töten, seine Angst zu besiegen, erfährt mehr über die Legenden der Chandrian und muss sich mehrfach behaupten. Besonders die Passagen über die Liebe zur jungen Denna (die gern ihren Namen leicht abwandelt und stets von Männern umschwärmt ist) sind einprägsam, stellen ein minimales Manko in der Erzählung dar. Bevor es zum vorgezogenen Finale der Geschichte kommt, ist die Beziehung zwischen beiden recht langatmig und zu Beginn des letzten Drittels des Romans musste ich mich zusammenreißen, nicht abzubrechen. Es hat sich aber auch bezahlt gemacht!

Was diese ungekürzte Lesung zu einem außergewöhnlichen Vergnügen macht, ist die literarische Ästhetik des geschriebenen (hier: gesprochenen) Wortes. Rothfuss vermag es, selbst in der deutschen Übersetzung von Jochen Schwarzer, so perfekt mit Worten zu spielen und Bilder vor dem geistigen Auge zu erzeugen, wie kaum jemand sonst. Eine Bekannte beschrieb es wie folgt: „Wenn Du Rothfuss gelesen hast, dann erscheint jeder andere Roman wie ein Schwarzweiß-Film“ Dem möchte ich mich anschließen, die Wortwahl ist ein Fest für die Sinne. Ob es sich hierbei um die Szene am Weiher im Winter nach der Flucht vom Ort des mehrfachen Mordes handelt, oder um jene verwinkelte Ecke nahe der Universität, die als das Haus des Windes bezeichnet wird – alles gelingt.

Patrick Rothfuss, geboren 1973 in Madison, hat 1999 seinen Bachelor of Arts an der Universität von Wisconsin-Stevens Point gemacht. Er studierte weiter in Washington und graduierte zum Master. Der Name des Windes ist sein Erstling und wird mehrfach von diversen Pressestimmen als „die bedeutendste Fantasy seit dem Herrn der Ringe“ gelobt. Rothfuss betreibt unter anderem einen Podcast und betätigt sich karitativ.

Sprecher

Stefan Kaminsikis Stimme vermag den Hörer in den Bann zu ziehen, wie selten eine andere. Mal flüsternd, mal zärtlich, mal verlockend, mal donnernd das Drama der Szene unterstützend – es gelang ihm von der ersten Minute an, meine Aufmerksamkeit zu fesseln.

Besonders hervorzuheben ist seine Begabung, verschiedene Rollen gekonnt zu intonieren, so dass man sie erkennt, noch bevor der Name der Rolle genannt wird. Einer der besten seines Faches in meinen Augen!

Preis-/Leistungsverhältnis

Der Preis von 17,95 EUR ist im Vergleich zu dem, was man an literarischer Ästhetik und spannenden Szenen geliefert bekommt, geradezu vernachlässigbar. 28h und 8m warten darauf, verschlungen zu werden, aller Längen am Beginn des letzten Drittels zum Trotz.

Zu bedenken ist, dass man das Hörbuch aufgrund des DRM-Schutzes nur auf den Audible-Apps hören kann, welche es für alle gängigen Plattformen gibt. Man kann die Dateien zwar auf Audio-CDs brennen, das ist jedoch fehleranfällig und daher nicht anzuraten. Ich habe das Buch unter Android auf einem Nexus 5 gehört.

Bonus/Downloadcontent

Es existiert kein weiterer Inhalt zum Download.

Erscheinungsbild Cover/Verpackung

Name des Windes Audo Audible Rezension CoverBeim Kauf als Download entfällt natürlich die Verpackung, das Cover wird aber als kleine eingeblendete Grafik in der App mitgeliefert. Das Cover zeigt einen jungen Magier, vom Leser abgewandt, der zu dem verziert-stilisierten Titel des Buches aufblickt und ist in terrakottafarbenen Tönen gehalten.

Als Alternative gibt es auch die CD-Version, auf der bereits fertige MP3s sind.

Klanglich lässt sich nichts beanstanden, die Aufnahme ist kristallklar und gut ausgesteuert.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Der Hörverlag
  • Autor(en): Patrick Rothfuss
  • Erscheinungsjahr: 2012
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Audible-Audio
  • ISBN/EAN/ASIN:
  • Preis: 17,95 EUR oder Abo
  • Bezugsquelle: Audible, Amazon

 

Fazit

Ein Meisterwerk, das seinesgleichen sucht. Eine Geschichte, die nur zu Beginn des letzten Drittels kurz in Längen abdriftet. Eine Wortwahl, die das kreative Zentrum des Gehirns feiern lässt. So hochtrabend kann und will ich den Roman loben, aber erst durch die gekonnt eingesetzte Stimme von Sprecher Stefan Kaminski, bekommt Der Name des Windes von Patrick Rothfuss seine finale Würze.

Wenn ich vom jungen Kvothe lese, wie er die ersten zaghaften Schritte in der Magie macht, die Legenden der Chandrian und von der Erschaffung der Welt in mich aufsauge, dann befinde ich mich in einer anderen Welt. Wenn der alte Kote (der gar nicht so alt ist, wie sich später herausstellt) seine Lebensgeschichte erzählt, dann bin ich gebannt. Ich kann mich gegen die Entstehung der Bilder vor meinem geistigen Auge gar nicht wehren. Dabei nutzt Rothfuss sogar popkulturelle Andeutungen, denn in einer Erzählung von einem Theaterstück berichtet der Sprecher von einem mysteriösen Doctor, der immer dann auftaucht, wenn immense Gefahr droht.

Dennoch schmälern zwei Details das Erlebnis, denn die Saga heißt Die Königsmörder-Chroniken und man bekommt nicht den Hauch einer Andeutung, was hier namensgebend war, ist oder werden wird. Das zweite Detail ist die Jugendliebe zu Denna, die einfach etwas zu langgezogen ist und von den Hoffnungen eines jungen Teenagers erfüllt ist, aber ziellos vor sich her dümpelt. Erst, als die Chandrian wieder auftauchen, nimmt der Roman erneut Fahrt auf.

Ein Wort noch: Diesen Roman nebenbei beim Putzen zu hören oder anderen profanen Taten, erscheint mir, obgleich möglich, wie eine Sünde, eine respektlose Tat gegenüber dem Autor. Also gilt: Drauf einlassen, anhören und genießen!

Daumen4maennlichNeu

Mit Tendenz nach Oben

Artikelbild: Der Hörverlag, randomhouse
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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