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Drei Länder, 25 Städte, 380 Teams und 1.900 Teilnehmer in einer Mischung aus Schnitzeljagd, Geocaching und Live Escape Game. Mit dieser großen Ankündigung schickte sich vor ein paar Wochen The Cookie Labs GmbH aus München an, die Welt der Geeks und Nerds zu erobern.

Am Ende waren es dann tatsächlich 1.200 Teilnehmer in 300 Teams, in allen geplanten Städten und den Ländern Deutschland, Österreich und der Schweiz. Für eine Auftaktveranstaltung sind das keine schlechten Zahlen, aber The Cookie Labs sind auch auf innovative Marketinglösungen spezialisiert. Dass er das kann, konnte der Veranstalter damit schon mal beweisen, immerhin lief nur sehr kurz Werbung über die sozialen Medien. Aber wurden auch die anderen Ankündigungen gehalten?

In Stuttgart haben wir zwei Teams begleitet und mit Michael Stepper, einem der Köpfe hinter dem GeekRace, gesprochen.

Wie alles begann

Von Haus aus sind The Cookie Labs eine Marketingagentur mit Fokus auf innovative Lösungen, zum Beispiel dem sogenannten Native Advertising, also Werbung die nicht als Werbung wahrgenommen wird. In diesem Kontext trat 2015 ein Kunde an das Team um Michael Stepper und Paul Radtke heran, um sein Marketing neu aufzustellen. Eine der Ideen war eine Schnitzeljagd. Michael und Paul, die sich selber auch als Geeks bezeichnen, waren schnell von der eigenen Idee angefixt. In einem Testlauf veranstalteten sie noch im selben Jahr das erste kleinere GeekRace in München. Zunächst sollte es vor allem ein Test für das Marketingkonzept werden, doch die Resonanz war überwältigend. Sogar die Süddeutsche Zeitung berichtete über das Event im Süden Deutschlands. Aus den ersten Teilnehmern formte sich schnell eine kleine Community, die auf eine Fortsetzung hoffte. Als erste Anfragen aus anderen Städten auftauchten, keimte schnell der Gedanke, das GeekRace viel größer aufzuziehen: weg von einem Konzeptlabor für Marketing, hin zu einem echten interaktiven Event für Fandoms aller Art. Da könnte nun durchaus der Verdacht aufkommen, dass die Sponsoren des GeekRace sich in eine clevere Marketingaktion eingekauft haben. Auf diese Frage versicherte uns Michael, dass die Sponsoren tatsächlich nur Preise oder die Reichweite ihrer eigenen Community eingebracht haben. Natürlich profitieren Partner von ihrem Sponsoring, das ist aber bei Messen und Ausstellungen nicht anders. Selbst die großen LARPs haben entsprechende Partnerschaften, um ihre Reichweite zu erhöhen und Mehrwerte für die Teilnehmer zu erzielen (siehe zum Beispiel Zeitschriften beim Check-in).

Finanziert wurde das Event daher über Teilnahmegebühren. Mit skurrilen und überschaubaren 13,38 Euro war man dabei. Dafür sollte man gute vier bis fünf Stunden Kurzweil erhalten. Kino ist da teurer.

Schnitzeljagd, Live Escape Game oder Geocaching. Was denn nun?

Die Ankündigung und der Bericht der Süddeutschen Zeitung lasen sich ein bisschen wie eine eierlegende Wollmilchsau. Von allem sollte etwas dabei sein: Zombie Run, Live Escape Game, Geocaching und moderner Schnitzeljagd. Besonders die Süddeutsche schien ein wenig zur Übertreibung zu neigen, denn von einem Zombie Run war in der Praxis nichts zu sehen, und das war wohl auch nicht die Intention der Macher. Auch Geocaching fand nicht statt. So blieb zunächst noch die Mischung aus Schnitzeljagd und Live Escape Game. Ersteres definiert sich darüber, dass Rätsel und Hinweise ausgelegt werden, die die Teilnehmer zu einem Ziel führen. In der Regel findet man am Ort einer Lösung den nächsten Hinweis. Escape Games bauen auf dem Prinzip auf: Mit verschiedenen Hinweisen und deren Kombination entflieht man einem Raum oder, etwas weiter gedacht, einer Situation. Das GeekRace will beides verbinden. Dafür werden verschiedene Mittel eingesetzt, um Hinweise zu platzieren und Aufgaben zu stellen. Über Twitter, WhatsApp und Instagram werden die Teams mit Aufgaben und Hinweisen versorgt und es müssen Rätsel gelöst werden.

Der Professor und die Geeks

Das GeekRace startete in den verschiedenen Städten an unterschiedlichen Orten, in der Regel bei Partnern in Form von Comic- und Fantasyläden. In Stuttgart war der Startpunkt im Einkaufszentrum Milaneo bei Elbenwald. Um 12 Uhr sollten sich die Teilnehmer einfinden, um ihre Infos abzuholen und gegebenenfalls Teams zu bilden. Maximal fünf Spieler in einem Team sollten sich den Herausforderungen stellen. Punkt 12 teilten die Mitarbeiter gegen Vorlage des Tickets die versiegelten Umschläge für jeden Spieler aus. Natürlich öffneten alle gleich motiviert ihre Post. Der Umschlag enthielt fünf Seiten mit ersten Aufgaben und ebenfalls fünf Promoaufkleber. Wer diese gleich wegwarf hatte übrigens im späteren Verlauf ein Problem. Überraschend wurden diese tatsächlich für eine Aufgabe benötigt. Das Startanschreiben enthielt eine kleine Geschichte: Ein gewisser Professor McGuffin benötigte die Hilfe der Teilnehmer. Irgendjemand schien die Gedanken und Geisteszustände von Nicht-Geeks zu verwirren. Gemeinsam mit McGuffin sollten die Spieler dem Treiben auf die Schliche kommen. Außerdem erhielt jedes Team einen eigenen Namen (Teilzeithelden begleitete die Dark Detectives und Orange Fighters) und die Telefonnummer von McGuffin. Zusammen mit McGuffin sollten die Teammitglieder eine WhatsApp-Gruppe gründen, um in das Spiel zu starten.

Ganz enthusiastisch legten die ersten Teams los und stürzten sich auf die Aufgaben. Ein klassischer Frühstart, denn McGuffin teilte umgehend mit, dass es erst um 13:00 Uhr losging. Das hätte früher kommuniziert werden können. Leider waren die Mitarbeiter von Elbenwald in Stuttgart nicht umfangreich instruiert worden. Also hieß es erstmal warten und Pläne schmieden. Andere Spieler nutzen die neu gewonnene Zeit, sich Mitspieler zu suchen, um noch ein Team zu gründen oder sich allgemein auszutauschen.

Einmal durch das Einkaufszentrum und zurück

Um 13 Uhr gab es dann kein Halten mehr. Die Teams stürzten sich auf ihre Aufgaben. Ein beigelegter Ablaufplan skizzierte den groben Ablauf und wies darauf hin, dass es neben den sogenannten Main Quests auch Side Quests und Duelle zu bestehen galt. Das klang vielversprechend. Einige Spieler stellten sich extra Wecker, um nicht die Duelle zu verpassen. Davon gab es zwei, die vom Spieleverlag Winning Moves und dem Carlsen Verlag ausgerichtet wurden. Über Twitter wurden Quizfragen zu den Themengebieten der beiden Verlage gestellt, die teilweise wirklich knifflig waren. Wohl dem, der My Little Pony gut kannte! Die Verlagsaufgaben waren auch die schwersten im ganzen Spiel. Hier war echtes Fachwissen gefragt. Die hier erstrittenen Punkte gingen in eine große Team-Wertung. Gleich zu Beginn mussten sich die teilnehmenden Teams nämlich für eines von zwei großen Teams entscheiden. Ganz naheliegend entschied sich The Cookie Labs für die Wahl zwischen Team Iron Man und Team Cap.

Der Sieg war jedoch nur über die einzelnen Teamleistungen zu erringen. Hierfür forderte der Professor zunächst eine Authentifizierung der Teilnehmer. Dies geschah in Form eines Gruppenselfies, das vor einem Hintergrund passend zu Teamnamen entstehen sollte. Und schon war man drin in der Geschichte und den ersten Aufgaben. Anzumerken ist hier bereits, dass McGuffin kein Bot war, sondern dass mehrere Spielleiter sich die Aufgabe teilten. Das machte die Interaktion mit McGuffin viel intensiver. Parallel dazu galt es, Gegenstände ausfindig zu machen, die auf einem weiteren Zettel aufgelistet waren. Dazu zählten unter anderem Thors Hammer, der Schallschraubenzieher von Dr. Who oder eine Armbrust. Wer clever war erledigte das schon an den Startorten, denn in Comicshops und Elbenwald sollte dies eigentlich alles zu finden sein. Dies musste dann auf Twitter hochgeladen werden. Auf diese Lösung kamen wohl die meisten Teams, und im Gespräch schilderte Michael, dass das gar nicht der Plan gewesen war. Eigentlich hätte man durch die Stadt laufen sollen, um dort die Gegenstände zu finden. Auf die ganz naheliegende Lösung sind die Macher nicht gekommen. Für diese Aufgabe wurde aber schon ein Redesign angekündigt.

Apropos naheliegend, daran krankte das GeekRace leider ziemlich. Keine Aufgabe verlangte tatsächlich, durch die Stadt zu jagen. In Stuttgart konnte zum Beispiel alles im Milaneo erledigt werden, und auch in den anderen Städten reichte meist der nähere Umkreis um den Startort. Auch hier hat The Cookie Labs eine Nachbesserung angedacht.

Kennen Sie Captain America?

Erfolge wurden mit kleinen Bildchen belohnt
Erfolge wurden mit kleinen Bildchen belohnt

Die Schwierigkeit der Aufgaben jenseits der Duelle war überschaubar. Mal mussten miteinander vermischte Promigesichter erraten werden, dann Daleks aufgespürt und ausgeschaltet werden, oder man musste sich auch mal zum „Affen machen“. Bis auf die Daleks und einer Handvoll Fragen zu Film und Fernsehen konnte aber jeder durchschnittlich interessierte Bürger die Aufgaben lösen. Weder das Raten von Promis noch die richtig aktiven Aufgaben erforderten echtes Fachwissen aus den Themengebieten.

Spaßig waren jedoch vor allem die Aufgaben, die eine richtige Aktivität erforderten, und bei denen Fotos und Videos als Beweis gemacht werden mussten. Mal sollten Jedi-Fähigkeiten als Video nachgestellt werden, dann musste man in der Öffentlichkeit eine Luftgitarren-Vorstellung geben oder sich als Quidditch-Mannschaft darstellen. Dabei stellte sich heraus: Fünf Besen in einem Einkaufszentrum zu finden, ist schwerer als gedacht. Daraus resultierten viele unterhaltsame Bilder, mal mit Schneebesen, mal mit Handbesen oder auch Wischmopp.

Für „echte“ Nerds war wohl die größte Herausforderung eine Aufgabe mit Videobeweis: Finde eine Person, die älter als 60 Jahre ist und erkläre ihr einen der folgenden Begriffe: Game of Thrones, Captain America, Prinzessin Mononoke oder Snapchat. Tatsächlich fiel es einigen Teams sehr schwer, jemanden zu finden, der sich dabei auch filmen lassen wollte. Die, denen es gelang, hatten meistens sehr witzige 30 Sekunden Zeit für ihre Erklärung.

Nach einer Reihe von Rätseln und Aufgaben, begleitet durch McGuffin, wurde am Ende das Schlimmste mit einem Aluhut (!) verhindert, und die Welt ist erst einmal wieder sicher. WhatsApp und Twitter wurden dabei sehr intensiv genutzt, Instagram gerade einmal für eine Aufgabe und Facebook gar nicht.

Gewonnen hat eine Gruppe mit vielen Cosplayern, die extra Punkte absahnten, und das deutlich vor allen anderen. Knapp 80% der Gruppen hatten aber nahezu Punktgleichstand. Das weist eindeutig auf einen Fehler im Gamedesign hin, doch auch das hat der Veranstalter bereits erkannt.

Ein Blick zurück und einer nach vorne

Spricht man mit den Teilnehmern ist das Fazit relativ einhellig: eine spaßige Veranstaltung, die aber noch einiges an Entwicklung bedarf. Es fehlte oft das Gefühl einer Schnitzeljagd, die Begleitgeschichte wurde aber gerne gespielt.

Begonnen bei den Instruktionen zum Start, über das Design der Aufgaben, zu den teilweise sehr langen Wartezeiten zwischen den Aufgaben ist noch einiges zu optimieren. Vermutlich scheiterte in einigen Städten der Schnitzeljagdcharakter allein schon daran, dass kaum Aufgaben verlangten, sich wirklich durch die Stadt zu bewegen. Im Grunde hätte man sich daheim treffen können, um das GeekRace von dort zu spielen. The Cookie Labs zeigte sich aber sehr aufgeschlossen gegenüber der Kritik und versprach ein Redesign in vielen Bereichen des Spiels.

Das Plakat der GeekRace
Das Plakat der GeekRace

Denn bei all der Kritik gibt es auch einiges Positives. Die Idee an sich verspricht viel Potential, das zeigt allein schon die hohe Teilnehmerzahl. Zudem sind einige Tage nach dem GeekRace viele Gruppen auf WhatsApp noch aktiv und tauschen sich rege aus. Abseits von Facebook formt sich da wohl eine veritable Community. Auch nicht zu vernachlässigen ist das Potential, Fangruppen einander näher zu bringen und ein bisschen dabei zu helfen, dass Geeks in einer Stadt sich kennenlernen. Gerade in Stuttgart war durchaus zu beobachten, dass jemand, der sich bisher einzeln wähnte, plötzlich Kontakt zu Leuten mit ähnlichen Interessen in seiner Umgebung bekam.

Das sieht auch der Veranstalter so und will hier kräftig ausbauen. Langfristig soll das GeekRace auch ganz vom Agenturgeschäft getrennt werden und ein Projekt von der Community für die Community werden. Im Gespräch mit Michael wurde uns auch schon der Termin für eine Fortsetzung verraten. Am 28.10.2016 wird es eine kleinere Episode des GeekRace als Halloween-Special geben. Hier werden auch erste Elemente bereits neu konzipiert sein.

Dabei soll es aber nicht bleiben. The Cookie Labs erwägt jährlich ein bis zwei große Ausgaben des GeekRace, dazu noch mehrere kurze Episoden als Special. Nebst Halloween wird das um Weihnachten dieses Jahr schon stattfinden. Ebenfalls besteht die Idee, einzelne Ausgaben und Episoden in Kooperation mit Kinderkrankenhäusern zu veranstalten. Die kleinen Patienten sollen dann als eine Art Co-Pilot die Teams unterstützen und damit wieder etwas aktiver am Leben außerhalb des Krankenbettes teilhaben. In einer noch weit entfernten Zukunft soll zum Beispiel eine Liga entstehen, vielleicht sogar in mehreren europäischen Ländern, vorausgesetzt die Community wächst und das Ganze ist finanzierbar. In dieser Größenordnung und mit den technischen Erfordernissen wird das als reines Hobbyisten-Projekt nahezu unmöglich.

Im Gespräch spürt man aber den ehrlichen Enthusiasmus der Macher. Allein der Community-Service ist schon ganz ordentlich. Wer will bekommt einen persönlichen Zusammenschnitt der Highlights, McGuffin meldet sich immer mal mit Infos (wenn man das denn will), und die Kritik wird nicht nur gesammelt, sondern auch mit der Community diskutiert.

Das erste große GeekRace ist also eher eine Schnitzeljagd 1.5. Potential hat das Konzept, und die Ideen der Macher klingen vielversprechend. Bereits im Oktober werdet ihr euch davon überzeugen können, was der Veranstalter aus Kritik und Anregungen gemacht hat. Mit einer dichteren Geschichte und einer Schnitzeljagd, die den Namen zu Recht trägt könnte das gelingen. Eines steht auf jeden Fall fest: Die Dark Detectives und Orange Fighters sind wieder mit dabei!

Bilder: © Teilzeithelden, 2016. Artikelbild und Plakat ©  GeekRace  Alle Rechte gewährt

 

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