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ACHTUNG!

Da es kaum möglich ist, eine komplette Staffel einer Serie zu besprechen, ohne dabei auf Details der Handlung einzugehen, enthält dieser Artikel ein paar Spoiler zur besprochenen Staffel 6 von Game of Thrones. Ich habe versucht, diese möglichst vage zu halten und auf die ersten paar Folgen der Staffel zu beschränken, so dass sie nicht zu viel vorwegnehmen. Ganz vermeiden ließen sie sich jedoch nicht. Wer also allergisch gegen Spoiler ist, sollte jetzt besser aufhören zu lesen, stattdessen die Staffel gucken und danach hierher zurückkehren

Game of Thrones ist ohne Frage einer der größten Erfolge für die Fantastik in den letzten Jahren. Kaum eine Serie hat so viele neue Fans des Genres auf den Plan gerufen und so nachhaltig die Zukunft für Bücher, Fernsehen und Kino geprägt. Aber ebenso gibt es auch kaum eine andere Serie, die oftmals derart kontrovers diskutiert wird. Vergewaltigungen, Folter, blutige Morde. All das scheint in Westeros zur Tagesordnung zu gehören und wird dem Zuschauer immer wieder in schockierenden Szenen präsentiert.

In der Vergangenheit konnten sich David Benioff und D. B. Weiss, die Schreiber der Serie, dabei oftmals auf die Bücher von George R. R. Martin stützen, auf denen die Serie beruhte. Aber mittlerweile hat die Serie die Bücher überholt und die gerade zu Ende gegangene sechste Staffel ist die erste, die der Handlung der Bücher voraus ist. Um dabei zumindest grob in die gleiche Richtung zu gehen wie die immer noch zu schreibenden Bücher, haben sich Benioff und Weiss vor einiger Zeit mit Martin getroffen um zu erfahren, wie dieser gedenkt, die Geschichte weiterzuführen.

Vor allem da die Geschichte von Game of Thrones weit komplexer ist, als es gemeinhin üblich ist, waren da Zweifel angebracht, ob die Qualität der früheren Staffeln gehalten werden kann.

Story

Spoiler

Ohne hier zu sehr ins Detail gehen zu wollen – zum einen weil die Geschichte dafür zu komplex ist, zum anderen, weil es zu große Spoiler wären – will ich versuchen, die Handlung der sechsten Staffel kurz zu umreißen. Da es zu viele Handlungsstränge ohne direkte Verbindung gibt, führe ich diese als Blöcke auf:

Essos

Daenerys Targaryen, die zum Ende der letzten Staffel auf ihrem verletzten Drachen fliehen musste, wird von Dothraki aufgegriffen und muss einen Weg finden, zu ihrer Stadt Meereen zurückzukehren. Währenddessen sind Tyrion Lannister, Varys, Grey Worm und Missandei damit beschäftigt, die Ordnung in Meereen aufrecht zu erhalten und müssen dabei mitunter auch Pakte mit unliebsamen Nachbarn schließen.

An anderer Stelle in Essos versucht Arya, die Gunst des Tempels des Manyfaced God zurückzugewinnen. Dabei muss sie sich wieder und wieder der Frage stellen, ob sie wirklich bereit ist, ihre eigene Identität aufzugeben, um „No one“ zu werden.

Kings Landing

In der Hauptstadt der Seven Kingdoms sieht sich Cersei Lannister der neuen Realität gegenüber, in der sie selbst keine Macht mehr hat. Aus den Sitzungen des Small Council wird sie wieder und wieder herausgeworfen, ihre ehemaligen Verbündeten wollen nichts mehr mit ihr zu tun haben. Und dann wartet auch noch ihr Prozess auf sie, der von dem fanatischen High Sparrow geführt werden soll. Einem Mann, den Cersei selbst an die Macht brachte, nun aber nicht mehr unter Kontrolle bringen kann. Ihre einzige Hoffnung ist, dass sie mit dem alchemistisch wiederbelebten Mountain wohl jedes Gottesurteil für sich wird entscheiden können.

Königin Margaery Tyrell ist im Gegensatz zu Cersei noch immer Gefangene des High Sparrow und wird dort täglich seelischer Folter ausgesetzt und unter Druck gesetzt, ihren Bruder zu verraten und ihre Sünden zu gestehen. Die sonst so gewiefte und berechnende Königin muss einen Ausweg finden, der ihr idealerweise auch gleich noch neue Verbündete beschert.

Der Norden

Nachdem Jon Snow von seinen Männern ermordet wurde, kann Ser Davos die rote Hexe Melisandre davon überzeugen, zumindest zu versuchen, ihn in die Welt der Lebenden zurückzuholen. Und zur Überraschung aller (bis auf die Zuschauer) gelingt dies auch. Doch Jon Snow hat genug vom ewigen Kampf an der Mauer und will diese gerade verlassen, als seine Schwester Sansa Stark eintrifft und klar wird, dass mit Ramsay Bolton noch ein Feind existiert, der nicht ignoriert werden kann. Dieser hat Rickon Stark in seine Gewalt gebracht und droht, ihn zu foltern.

Jon und Sansa machen sich also auf, um eine Armee aufzustellen, mit der sie ihre Heimat Winterfell zurückerobern können.

Iron Islands

Theon kehrt in seine Heimat zurück und versucht nach dem plötzlichen gewaltsamen Tod seines Vaters, seiner Schwester Yara auf den Thron dort zu helfen. Dabei taucht mit ihrem Onkel Euron ein weiterer Anwärter auf den Thron auf.

Jenseits der Mauer

Bran Stark ist beim Three-Eyed Raven in der Lehre und lernt, mit seinen Kräften in die Vergangenheit zu blicken. Dabei lernt er sowohl einiges über die Vergangenheit der White Walker als auch über die seiner eigenen Familie.

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Darsteller

Die beiden größten Highlights bei den Darstellern sind sicherlich Natalie Dormers Margaery Tyrell und Lena Headeys Cersei Lannister. Beide zeichnen sich durch ein stetiges Wechselbad der Gefühle und facettenreiche Mimik aus.

Ebenfalls weiterhin sehr gut sind Peter Dinklages Tyrion Lannister und Aiden Gillens Petyr Baelish / Littlefinger. Beiden fehlen jedoch die bisherigen Widersacher von Format, so dass die gewohnten genialen Wortduelle ausbleiben.

Etwas enttäuscht hingegen bin ich von Kit Harringtons Jon Snow und Emilia Clarkes Daenerys Targaryen. Beide spielen in dieser Staffel reichlich hölzern und emotionslos.

Aber auch diese sind noch weit besser und emotionaler als Fae Marseys Waif, die in einer Szene eher wie ein Roboter aus Terminator wirkt als wie ein menschlicher Charakter.

Bei den neuen Figuren gibt es ebenfalls positive und negative Fälle. Positiv wäre da der charismatische aber irgendwie undurchsichtige Euron Greyjoy, gespielt von Pilou Asbæk, zu nennen. Negativ Joe Naufahus Khal Moro, der in jeder Hinsicht wie eine billige Noname-Kopie von Khal Drogo wirkt.

Inszenierung

Zum ersten Mal gibt es in dieser Staffel direkte Magie zu bewundern. Aber diese ist nur in einer Folge wirklich zu sehen und auch da nicht besonders spannend dargestellt. Abgesehen davon, sind die meisten Kostüme und Kulissen von gewohnt hoher Qualität. Abermals sind hier Khal Moro und Daenerys Targaryen als Negativbeispiele zu nennen, denn ihre Garderoben sind entweder von minderer Qualität (Khal Moro) oder oftmals absolut unpraktisch und sonderbar (Daenerys Targaryen).

Gerade im weiteren Verlauf der Staffel schafft es die Serie leider auch gar nicht, eine vernünftige Zeitlinie aufzubauen. Es gibt einfach nichts, woran man das Fortschreiten der Zeit festmachen könnte. Und daher wirkt es mehr als einmal sonderbar, wenn Charaktere von einer Folge zur anderen plötzlich an sehr weit entfernten Orten auftauchen.

Positiv zu erwähnen ist sicherlich die Schlacht, die im späteren Verlauf der Staffel stattfindet. Selten haben die Zuschauer eine so gut inszenierte Schlacht auf dem Bildschirm verfolgen dürfen. Echte militärische Taktiken waren zu sehen und die Gräuel und Schrecken einer Massenschlacht wurden anschaulich dargestellt. Erschreckend und faszinierend zugleich, war diese Schlacht einer der absoluten Höhepunkte der Staffel, wenn nicht gar der ganzen bisherigen Serie.

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Erzählstil

Der Erzählstil ist wie gewohnt geprägt davon, dass es unzählige Handlungspersonen gibt, die immer wieder abwechselnd beleuchtet werden. Und genau hier liegt auch schon seit einigen Staffeln eines der größten Probleme der Serie. Die Handlung fächert immer weiter auf und die einzelnen Stränge haben nichts mehr mit einander zu tun.

Dieser Trend setzt sich leider auch in den ersten Folgen der sechsten Staffel fort. Glücklicherweise kehrt er sich dann aber gegen Ende der Staffel endlich um und die Stränge laufen wieder auf ein gemeinsames Ende zu. Gut so, denn allzu viele Staffeln bleiben der Serie nicht mehr.

Umso mehr frage ich mich, warum so manche Storyline überhaupt angeführt wurde. Denn bisher scheinen einige von ihnen absolut unwichtig zu sein. Andere wirken erst wichtig und auch spannend, werden aber durch spätere Entwicklungen abrupt beendet und waren damit erzählerische Zeitverschwendung.

Ein wichtiges Mittel für Game of Thrones waren stets Schockmomente. Und auch diese sechste Staffel versucht krampfhaft, den Zuschauer zu schockieren. Die ersten Folgen enden alle mit einer Szene, die als großer Schock oder große Überraschung gedacht ist. Aber so recht funktionieren wollen die wenigsten. Denn wenn der Zuschauer ständig schockiert wird, so erwartet er genau das irgendwann und kann vorhersehen, was der Schock sein soll. Damit sind dem Schock dann die Zähne gezogen und die Wirkung ist verfehlt. Besser wäre es hier, die Schockmomente besser dosiert und damit weniger vorhersehbar einzustreuen.

Preis-/Leistungsverhältnis

3 EUR zahlt man bei Amazon für eine Folge in HD, 29 EUR für die komplette Staffel. Und das nur für den digitalen Download. Ein stolzer Preis. Aber da die Alternative ein Abo von Sky wäre, ist dies immer noch der günstigere Weg. Und auf den DVD / BluRay Release will man ja auch nicht warten, da dann die Gefahr der Spoiler zu groß wäre.

Fazit

Ich bin, was die sechste Staffel von Game of Thrones angeht, äußerst zwiegespalten. Der Anfang der Staffel plätscherte regelrecht vor sich hin und man wartet darauf, dass endlich etwas Spannendes und Relevantes passiert. Und das ging ganze acht Folgen lang so. Keine wirkliche Überraschung erwartet mich, die Plots interessierten alle nur wenig, waren teils schlecht inszeniert und ich fragte mich, warum sie überhaupt existierten. Aber dann kamen Folge 9 und 10. Diese waren wirklich faszinierend, stellten viele Dinge auf den Kopf, brachten die Handlung endlich wirklich voran und steuerten sie in eine interessante Richtung. Schade nur, dass dadurch die wenigen interessanten Subplots der Folgen 1-8 teilweise abrupt beendet wurden.

Was mich am meisten an der gesamten Staffel, und auch an den eigentlich genialen letzten Folgen, stört, ist aber die Tatsache, dass die Situation, wie sie nun nach dem Ende der Staffel existiert, eigentlich schon etwa nach Staffel 2 oder 3 hätte existieren können und sollen. Zu viele Schleifen wurden in der Handlung gedreht und stellten sich nun im Nachhinein zwar als vielleicht interessant, aber insgesamt ziemlich unnötig heraus. Es mag sein, dass dies auch so gewollt und notwendig ist, um eine Geschichte zu schaffen, bei der der Zuschauer wirklich überrascht werden kann, aber ich glaube, am Ende des Tages wäre mir eine stringente Geschichte dann doch lieber als ab und zu ein Schockmoment, der ohnehin nicht mehr wirklich funktioniert.

Die Bewertung der gesamten Staffel mit nur einem Wert fällt mir relativ schwer, daher teile ich sie auf in die beiden großen Qualitätsabschnitte, die ich im Fazit bereits erwähnt habe:

Daumen3maennlichNeu Daumen5maennlichNeu
Folgen I – VIII Folgen IX und X

 

Die zweite Meinung

Von Roger Lewin

Spoiler

I choose violence

[Einklappen]
Ja, man merkt, dass nun Hollywood federführend ist bei den Drehbüchern. Es gibt kaum noch lose Enden, jede Szene endet mit einem, wenn auch oft kleinem, Knall. Offene Fäden gibt es nur wenige – das tut der Serie gut, auch wenn sie dadurch den Charme der Bücher verliert. G.R.R. Martin hat eine Welt erzählt, die Serie erzählt nun einen festen Handlungsbogen. Auch wenn der Autor an den Drehbüchern mitgeschrieben hat, wirkt nun alles stringenter. Meiner eigenen Meinung nach hat sich Martin irgendwo in der Handlung in den Jahren verloren.

Ich stimme dem Kollegen Holger zu, dass Zeit eine schwer auszumachende Komponente ist. Wenn man bedenkt, wie weit es von Pentos bis zu den Zwillingen ist, muss viel Zeit zwischen den Folgen vergehen. Ich bezweifle auch, dass es ein stringenter Zeitstrom ist, denn oft referenzieren die Szenen aufeinander, aber scheinen in der falschen Reihenfolge zu sein. Offenbar handelt es sich also um Vor- und Rückblicke, als wie auch parallele Ereignisse.

Wo ich meinem Vorredner überhaupt nicht zustimme, ist, dass die Handlung vor sich herplätschert. Gerade als Fan und Leser der vorgegangenen fünf Bücher hat jede Szene einen Aha-Moment, der stutzen lässt – das kataklysmische Ereignis aus der letzten Folge mag absehbar gewesen sein, das ist richtig, aber für die, die nicht der Handlung so konzentriert gefolgt sind, ist es ein Schockmoment. Ich würde eher soweit gehen, dass die ersten Folgen die großen Ereignisse der letzten zwei Folgen konsequent und gut gelungen vorbereitet haben. An den Schockmomenten aber, und auch hier stimme ich Holger zu, mangelt es häufig und wenn sie kommen, braucht sie eigentlich niemand. So wirkt Ramsay Bolton nur wie ein noch grausamerer Joffrey Baratheon.

Trotz aller Unkenrufe ist diese Staffel einer der besten bislang ausgestrahlten und hat mir durchweg Spaß gemacht. Ich werde weiterhin ein treuer Verfechter und Fan der Welt Westeros bleiben.

Daumen4maennlichNeu

Mit Tendenz nach Oben

Artikelbilder: HBO

 

11 Kommentare

  1. Teile ich gar nicht, die Meinung. Ich glaube, hier wird auch einiges falsch gesehen, bzw gedeutet. Ich empfehle hier die Folgenrückblicke von Nerdkultur auf YouTube oder die Folgenbesprächungen der Filmfabrik, auf YouTube.

  2. Ich kenne die Bücher schon länger und ich mag auch die Serie weiterhin. Was sicher nicht verkehrt gewesen wäre – wenn sie der Serie von Anfang an mehr Zeit gelassen hätten. Dass GRRM ein langsamer Autor ist, ist ja nichts Neues. ;) Und nun wird halt das verfilmt, was noch nicht bzw. nicht vollständig geschrieben wurde bisher. Dennoch – die Serie bleibt trotzdem klasse und ich fangirle ordentlich wegen Jons Eltern herum. :D Einzig Doran Martells Tod gefällt mir nicht so sonderlich. Damit fiel auch noch was anderes leider weg, was man hätte einbauen können in der Serie.

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