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Als Spieler von Freebooter´s Fate kann man sich die letzten Jahre beinahe zu verwöhnt fühlen. Seit drei Jahren gibt es jedes Jahr einen Kampagnen- oder Erweiterungsband mit neuen Modellen, Regeln und einer Fortführung der liebevoll geschriebenen Hintergrundgeschichte.

Letztes Jahr schon auf der Spiel im Rohstadium gesehen, ist nun Raging Rivers erhältlich, das endlich Wasserfahrzeuge ins Piratenspiel bringt. Also klarmachen zum Entern, wenn wir schauen, was dies für das Spiel bedeutet.

Zum Hefte

Es handelt sich um vollfarbiges Hochglanzpapier, wobei die Seiten glatt genug sind, damit man einfach blättern kann, aber nicht aus den Fingern rutschen. Text und Bilder sind scharf abgebildet und keinerlei Verpixelungen sind zu erkennen.

Der Satz ist ordentlich und man findet keine Tippfehler im Text.

Der Aufbau ist sehr gradlinig. Erst werden alle neuen Regeln erklärt und am Ende gibt es Szenarien zum Spielen. Ungewohnt für Freebooter gibt es keine neuen Charaktere im Buch, man hat sich entschlossen, sich auf die Regeln zu konzentrieren.

Leider hat man einige Kleinigkeiten vergessen: Ein Regeltext fehlt, nämlich der Unterschied zwischen kleinen und großen Booten in Bezug auf mögliche Ausrüstung, und es finden sich keine Bootswerte im Buch. Da sind die Kopiervorlagen ja schön und gut, aber spielen kann man trotzdem nicht. Eine Unachtsamkeit, welche die Wertung etwas nach unten zieht, besonders da man solche von den Oberhausenern nicht gewohnt ist.

Wie, nur Beiboote?

Wie von Freebooter Miniatures gewohnt, gibt es kleine wohldurchdachte Schritte und daher auch nur kleine und größere Beiboote sowie Kanus für den Anfang. Regeln zu schreiben, die diese ordentlich funktionieren lassen, war schon schwer genug, dennoch sind die meisten der neuen Regeln simpel und elegant genug gelungen.

Passend zum Buch liefern die Oberhausener auch Resinboote ab, damit man auch durch die Gegend schippern kann. Wobei das Buch auch Kopiervorlagen bietet damit man sofort losspielen kann.

Wie man sehen kann, eine einfachere Montage wäre nur noch gar keine Montage, man bekommt es also wirklich leicht gemacht. Preismäßig sind die Boote auch nicht übermäßig teuer geraten, mit knapp 50-70 EUR kann man sich genügend Holz kaufen, um seine typische 500-750 Dublonen-Bande auch auf Fahrt zu schicken.  Bisher sind vier verschiedene Bootstypen bekannt, wahrscheinlich werden aber noch mehr folgen.

Die Gussqualität der Boote ist Freebooter-typisch sehr hoch und bei den vorliegenden war nichts zu entgraten, das Resin nahm Farbe ebenfalls bereitwillig an. Von dieser Seite aus gibt es nichts zu beanstanden.

Damit die Boote nicht so unscheinbar daherschippern, gibt es direkt passende Ausrüstung, um diese aufzupeppen. Wie bei der normalen Ausrüstung kann man hier schnell ein Vermögen an Dublonen ausgeben. Denn schließlich wollen die Boote ebenso angeheuert, oder in dem Fall eher gekauft, werden wie andere Mitglieder der eigenen Mannschaft. Zumindest bis der fliegende Holländer erscheint, wovon bisher keine Rede ist, bevor einer auf Ideen kommt.

Wie zu sehen wird die Möglichkeit, die neuen Kähne aufzuwerten, direkt mitgeliefert. Die Bootsausrüstung funktioniert wie die bisherigen Ausrüstungskarten, nur das eben welche für Boote dabei sind, sowie natürlich Dinge, die gut oder schlecht für Boote sind. Wie ein schöner Bohrer, um Löcher in die Planken zu bohren.

Schiff ahoi!

Wie funktionieren die Boote denn nun?

Wie erwähnt müssen die Untersätze ebenso angeheuert werden, wie andere Mannschaftsmitglieder. Daher haben auch sämtliche Szenarien im Buch eine Mindestheuersumme von 750 Dublonen, also 250 Dublonen über der Standardspielgröße.

Wie alle anderen Modelle haben die Boote auch eine Charakterkarte, sie verfügen aber nur über Bewegung, Widerstand, Manövrierfähigkeit sowie eine Schadens- und eine Wasserstandsleiste. Zudem ist auf der Karte ein Bild zu sehen, welches angibt, von welchem Ort des Bootes aus ein dort stehendes Modell welche Bootsaktion ausführen kann. Mehr zu diesen folgt weiter unten.

Widerstand und Schadensleiste funktionieren genauso wie bei allen anderen Modellen im Spiel, wobei nur zu beachten ist, dass Boote keine kritischen Treffer erhalten können und daher der niedrigere Widerstandswert nur für rüstungsbrechende Waffen von Interesse ist.

Die Wasserstandsleiste ist wörtlich benannt, an ihr wird markiert, wie viel Wasser sich im Boot befindet. Je mehr Wasser, desto schwieriger lässt ein Boot sich bewegen und irgendwann säuft es natürlich ab, wenn es vollgelaufen ist. Also immer schön lenzen, das ist nautisch für Wasser rauskippen, für all die Landratten unter euch, zwischendurch.

Der Bewegungswert und die Manövrierfähigkeit sind an die neuen Bootsaktionen gebunden. Alle Passagiere eines Bootes, solange sie das Boot unter Kontrolle haben, können sogenannte Bootsaktionen ausführen – wenn sie richtig platziert sind.

Beim klassischen Ruderboot z.B. sitzt der Ruderer mit dem Rücken zur Fahrtrichtung – gut zum paddeln, nur doof, wenn einer einem in den Rücken schießt. Auf dem ersten Bild sind alle Passagiere der Pinassa für die maximale Nutzung des Bootes ausgerichtet, auf dem zweiten sehen wir eine offensivere, wenn auch dadurch langsamere Formation.

Alle zusammen – Bootsaktionen

Bei Freebooter´s Fate aktivieren beide Spieler jeweils abwechselnd ein Modell und handeln dessen Aktionen ab. Boote funktionieren genauso, wenn ein Spieler dran ist, kann er anstelle eines einzelnen Modells ein Boot aktivieren. Da diese nicht von selber schwimmen, muss die Besatzung an die Arbeit.

Wie erwähnt sind die verschiedenen Plätze eines Bootes verschieden markiert. So kann ein Modell am Ruder das Boot steuern, wenn er nach vorne sieht. Beim nach hinten Gucken kann man schließlich schlecht geradeaus steuern. Zudem muss eine Mannschaft ein Boot dominieren, sprich mehr Modelle an Bord haben als der Gegner, um ein Boot aktivieren zu können.

Ist dies nun gegeben, können beliebig viele Modelle ihre beiden Aktionen für das Boot aufwenden. Hier gilt ganz oder gar nicht, ein bisschen mitmachen ist nicht drin. Mit diesen gesammelten Aktionen kann das Boot nun bewegt und gedreht werden. Je mehr Ruderaktionen aufgewendet werden, desto weiter kommt man und die Mänovrierfähigkeit bestimmt, nach wie vielen Zentimetern man eine Drehung durchführen kann. Bordartillerie abfeuern ist aber ebenso eine Bootsaktion, wie auch entern oder die Plätze im Boot tauschen. Wasser lenzen ist natürlich auch möglich. Wenn man sich festgefahren hat, kann man auch immer noch das Ruder rumreißen und sich neu ausrichten.

Schwimmer überfahren und andere Boote rammen ist natürlich auch möglich– wo wäre auch sonst der Spaß?

Mehrere der Bootsaktionen sind auch als normale Aktionen möglich, wie entern oder lenzen. Daher kann man auch nachträglich, wenn das Boot abgehandelt ist, noch dem Mitspieler das Leben schwer machen.

Zusammengefasst kann man sagen, dass die Regeln für Bootsaktivierungen geradlinig gehalten sind und sich vor allem gut in die bestehenden Regeln einpassen, ohne etwas an den Grundmechaniken zu ändern. Lediglich die Positionierung mancher Dinge ist etwas umständlicher als sonst.

Bomb(ard)en und Kontaktlinien

Alleine durch die Nutzung eckiger Basen in einem Scharmützler, umgeht Freebooters´ Fate viele Probleme mit Sichtlinien und Modellkontakten. Wenn man nun aber nicht mehr so eckige Schiffe hat, wird es schwieriger. Zudem kommen die Modelle nicht mehr direkt in Kontakt, da ist schließlich so eine Reling im Weg. In den meisten Fällen ist dies aber recht übersichtlich gehandhabt und wirkt nur auf den ersten Blick verwirrend. Dafür wurden auch mehrere anschauliche, sprich gut bebilderte, Beispiele ins Buch aufgenommen. Nicht zuletzt weisen die angebotenen Boote sogar Markierungen auf, um dies zu vereinfachen.

Entern benötigt daher auch einen etwas längeren Regeltext, damit alle Positionierungsmöglichkeiten und Notwendigkeiten angreifender und potentiell aus dem Boot fallender Modelle geklärt sind. Aber auch diese sitzen nach drei bis vier Enteraktionen sicher.

Das einzige Element, was sich schwerlich ins Spiel bringen liess, sind die ballistischen Waffen. Mit Bombarden und anderen geworfenen Sprengkörpern musste man sich ein eher umständliches Prozedere ausdenken, um die Ungenauigkeit solcher Attacken zu simulieren. Was sich in anderen Systemen meist mit einem Würfel für die Richtung und einem für die Höhe der Abweichung regeln lässt, benötigt hier einen mehrschrittigen Ablauf, bei dem beide Spieler mit Karten die Abweichung beeinflussen können. Langwierig, aber notwendig, wenn man auf Würfel verzichten will. Das System erlaubt einen faire Abweichungsregel und ist durchdacht; elegant und pflegeleicht sieht aber anders aus.

Das Wasser bewegt sich!

Oder auch der Sumpf, denn man kann schließlich nicht nur im Wasser spielen. Die Piraten sind nicht alleine auf den Wassern, denn Haie, Krokodile und Piranhas wollen auch mitmachen. Entsprechende Regeln finden sich ebenfalls, wenn man es denn etwas gefährlicher und abwechslungsreicher machen möchte. Recht einfach gelöst bringen die natürlichen Bewohner des Nasses einiges an Nervenkitzel ins Spiel.

Selbiges gilt für die enthaltenen Szenarien, die guten Nutzen von grundlegenden Konzepten wie der Tide machen. Da verschwindet schon mal Land unter Wasser – nur blöd, wenn man noch Leute drauf hat. Andersherum geht es aber auch, wie aufsteigende Bimssteininseln in einem anderen Szenario beweisen.

Watt tut sich denn nu?

Zusammengefasst erweitert Raging Rivers die Spielmöglichkeiten von Freebooter´s Fate gewaltig. Alleine die Boote so zu manövrieren, dass man nicht von den Leuten im anderen zuerst zu Klump gehauen wird, ist gar nicht so einfach. Da die verschiedenen Positionen im Boot gewisse Ausrichtungen erfordern, muss man oft einen Kompromiss zwischen Beweglichkeit und Kampfkraft wählen, was eine schöne taktische Tiefe mit sich bringt. Große Teile des Spielfelds mit Wasser zu füllen, ändert auch die generelle Kampfweise, Fernkampf verliert an Bedeutung und einige lieb gewonnene Ausrüstung, wie vielleicht der verwegene Ledermantel, der den Widerstand erhöht, müssen vielleicht überdacht werden. Denn höherer Widerstand bedeutet auch, dass man einfacher absaufen kann beim Schwimmen. Auch scheren sich Boote nicht um Tabasco, falls man sie damit angreifen wollte – neue Pläne müssen her.

Auch einige der Loas werden sich neuer Beliebtheit erfreuen. Eine zusätzliche Bewegung kann viel ausmachen, wenn man eh schon langsam schwimmt und eine Drehung wirkt Wunder, wenn der Ruderer plötzlich in die falsche Richtung schaut, denn so verliert das Boot mal schnell zwei Bootsaktionen.

Die Regeln sind aber auch flexibel genug, damit nicht das ganze Spiel von Booten dominiert sein muss. Solange sich genug schiffbares auf dem Tisch befindet, kann sich die Investition einiger Dublonen schnell rentieren. Der Hauptnachteil ist eher, dass nur wenige Wasserplatten besitzen und man daher vielleicht am Gelände zulegen muss. Hier greifen die Freibeuter aber auch direkt unter die Armee mit einigen schönen Videos, wie sie ihre neueste Platte gebaut haben.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Freebooter Miniatures
  • Autor: Werner Klocke u.a.
  • Erscheinungsjahr: 2016
  • Sprache: Deutsch
  • Format: DIN A4
  • Seitenanzahl: 32
  • Preis: 15,50 EUR
  • BezugsquelleAmazon

Daumen5maennlichNeu

Mit Tendenz nach unten

Mein Pulver ist nass! – Armeen nun anders?

Wie wirkt sich das alles auf die Mannschaften aus?

Die Imperiale Armada – Berüchtigt für ihre Arkebusen, muss die Armada gut überlegen, wie sie ihre Feuerkraft zum Tragen bringen will. Größere Boote sind eine Lösung, aber generell funktioniert die Schützenlinie nur bedingt auf dem Wasser. Das Imperium hat aber einige andere gute Optionen an der Hand, die gerne übersehen werden. Die Nahkämpfer der Mannschaft haben auf jeden Fall Gelegenheit zu glänzen und bei den Gefolgsleuten sind die einfachen Seesoldaten plötzlich sehr attraktiv.

Piraten – Als vielseitigste Mannschaft ändert sich nur wenig für die Piraten. Die Langwaffen sind natürlich genau so eingeschränkt wie beim Imperium, aber die generelle Verteilung von Fern- und Nahkampf macht sich sehr bezahlt.

Die Goblins – Die Masse macht´s allzu oft bei den kleinen Haarlosen. Nur diese ist eher schwer auszuspielen innerhalb von Booten. Die gute Koordination der eigenen Mannschaft wird auf dem Wasser wichtiger als je zuvor für die kleinen Gesellen. Für den Anfang schwer, dafür unterschätzen die Gegner einen wahrscheinlich bald und das wird dann ein böses Erwachen.

Die Bruderschaft – Noch kann keiner übers Wasser laufen und weder der Schattenlauf noch die Meisterin der Masken funktionieren in Booten. So verlieren die Maskenträger zwei ihrer stärksten Waffen, um gegnerische Linien aufzubrechen. Zudem ist Verstecken auch so schlecht auf dem Meer, so dass der gegnerische Beschuss gefährlicher ist als sonst. Ausrüstung wie Rauchfackeln, die ein Boot verbergen, schaffen etwas Abhilfe, aber die Bruderschaft befindet sich hier nicht auf vertrautem Boden. Die elitären Nahkämpfer freuen sich natürlich einen (M)ast, wenn sie erst in den kleinen Bootskämpfen sind, aber die Fernkämpfer der Assassinen werden deutlich spannender als sonst.

Die Amazonen – Wenig Widerstand, nur mittlere Feuerkraft und wenig Gelände zum Ausnutzen. Die Mädels leiden natürlich stark unter dem Mangel an Wald auf dem Wasser. Das Gift ihrer Fernkämpfer zu nutzen ist natürlich eine wichtige Waffe in ihrem Arsenal und sie haben eine der einzigen beiden Kampfschwimmerinnen derzeit. Eine der wichtigsten Taktiken der Amazonen ist eher das Schwimmen. Mit einigen Holzbohrern bewaffnet sinken gegnerische Boote recht schnell und gegen Beschuss ist man gut geschützt im Wasser. Die niedrigen Widerstandswerte sorgen dafür, dass sie nur selten untergehen, was für viele Modelle anderer Fraktionen nicht gilt. Mehr als an Land gilt für die Mädels also, ihr Vorgehen gut zu planen und zu koordinieren.

Der Kult – Die richtigen Loas sind immer Schlüssel bei einer Mannschaft des Kultes und daran ändert sich auch hier nichts, nur sind es vielleicht andere als üblich. Eine große Masse an Kultisten und Sansame zum Tragen zu bringen wird schwierig, besonders da Letztere auch gerne mal absaufen mit ihrem hohen Widerstand. Die richtigen Boote zusammenzuhalten ist hier sehr wichtig. Im Grunde ändert sich aber nur wenig, denn Koordination und Synergie sind die Stärken des Kultes. Man muss sie hier nur anders organisieren.

Die Söldner – Ähnlich wie die Assassinen leiden sie unter ihrer kleinen Zahl, zumindest gewöhnlich, denn hier kommen die Anführer, die Gefolge stellen dürfen, wirklich zur Geltung, um genug Ruderer anzuheuern. Mit ihrer kleinen Kopfzahl müssen sie vor allem zusehen, Kämpfe rasch zu entscheiden, ansonsten profitieren sie aber wie die Piraten von ihrer Vielseitigkeit.

Artikelbilder: Freebooter Miniatures

 

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