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Ich bin für gewöhnlich kein Freund von Romanen, welche in der ersten Person geschrieben sind, und noch viel seltener bin ich ein Fan einzelner Romane oder Trilogien. In Science-Fiction mag ich cineastische Szenen und Weltraumschlachten. Auch die Gesetze der Physik dürfen schon einmal missachtet werden, wenn das Gesamtbild des dargestellten Universums im Groben stimmig erscheint.

Mit Voyagers habe ich mich auf eine ungewohnte Erzählperspektive eingelassen, meine Vorlieben für konventionelle Science-Fiction-Romane hinter mich gelassen und bin in eine für mich ungewöhnliche und dennoch interessante Geschichte eingetaucht, die nur sehr wenig mit den gängigeren Romanen ihres Genres gemein hat.

Story

William Mandela und Marygail haben den Ewigen Krieg überlebt und sind in eine Welt zurückgekehrt, in der die Menschheit aus Klonen besteht, welche ein Kollektivbewusstsein entwickelt haben. Die Taurier und die geklonten anderen Menschen haben Frieden geschlossen, und die Welt hat sich aus Sicht der Veteranen des Krieges radikal verändert.

In dieser Welt sind die Veteranen ein Anachronismus, Überlebende aus dem Ewigen Krieg, die weniger Gemeinsamkeiten mit den anderen Menschen haben als der ehemalige Feind, die Taurier. Einige der ehemaligen Soldaten können sich in dieser neuen Welt nicht zurechtfinden.

Eine Gruppe von Veteranen um William Mandela und Marygail plant, vom Planeten Mittelfinger zu fliehen und hofft auf eine ferne Zukunft ohne die anderen Menschen. Der Plan sieht vor, mittels einem alten Raumschiff den Planeten zu verlassen, um mittels eines relativistischen Fluges erst in 40.000 Jahren zurückzukehren.

Neben dem Versuch, das Raumschiff zu erlangen und den Plan in die Tat umzusetzen, stellt sich für Mandela und Marygail zudem die Frage, ob ihre beiden Kinder sie begleiten werden. Ihr Sohn und ihre Tochter haben ihr ganzes Leben auf Mittelfinger verbracht und sind in der Gesellschaft der anderen Menschen aufgewachsen. Ein Abschied von ihren Kindern wäre jedoch ein Abschied für immer. Für jeden außerhalb des mit relativistischer Geschwindigkeit fliegenden Raumschiffes würden Jahrtausende vergehen bis das Raumschiff wieder an seinen Ursprungsort zurückkehrt.

Schreibstil

Der Roman ist in der ersten Person aus der Sicht des Protagonisten William Mandela geschrieben. Der gesamte Roman ist geradlinig aufgebaut, liest sich flüssig und ist leicht verständlich. Ungewöhnlich für einen Science-Fiction-Roman ist, dass Technik häufig eher oberflächlich erwähnt wird. In den Passagen, in denen auf technische Aspekte eingegangen wird, achtet der Autor darauf, physikalische Gesetze nicht offensichtlich zu verletzen, und versucht, eine vage und wissenschaftlich mögliche zukünftige Technologie zu beschreiben. Aufgrund dieses Ansatzes fehlen cineastische Elemente, wie sie durchgängig in vielen Werken der Science-Fiction üblich sind, und es entsteht eine ungewöhnliche Welt. Diese Welt wirkt insgesamt stimmig, der Leser muss sich jedoch darauf einlassen können, da sich nur wenige vertraute Elemente finden, wie sie ansonsten in diesem Genre genutzt werden.

Der Erzählperspektive ist es auch geschuldet, dass der Leser weniger über andere Charaktere erfährt als er dies aus anderen Erzählperspektiven gewohnt ist. Der Leser muss die Ereignisse mit William durchleben, er hat keinen Wissensvorsprung und keine Hintergrundinformationen. Die Entwicklung der Ereignisse ist aus diesem Grund nicht vorhersehbar, und daraus entstehen ungewöhnliche Spannungsmomente.

Der Roman steigt schnell in die wesentliche Handlung ein und bleibt über den Verlauf der gesamten Geschichte interessant. Dafür sorgt auch ein gut umgesetzter Twist, der nicht aufgesetzt wirkt.

Der Protagonist an sich ist glaubwürdig. William Mandelas Handlungen sind nachvollziehbar, sein Sprachgebrauch passt zu ihm, und auch sein Charakter ist stimmig.

Das gesamte Tempo der Geschichte ist enorm. Der Autor verschwendet wenig Raum auf Beschreibungen und bringt stattdessen die Handlung voran. Freunde detaillierter Welten mit Hintergrundinformationen und ausgefeilten Charakteren werden weniger auf ihre Kosten kommen.

Das Ende des Buches enttäuscht nicht, ist jedoch ebenso wie der Roman an sich eher ungewöhnlich.

Der Autor

Joe Haldeman wurde am 09. Juni 1943 in Oklahoma City in den USA geboren. Eines seiner bekanntesten Werke ist Der ewige Krieg aus dem Jahr 1977, für welches er den Hugo Award, den Nebula Award und den Locus Award erhielt. Der ewige Krieg wurde später um zwei Romane zu einer Trilogie erweitert: Der ewige Friede und Am Ende des Krieges, welches in neuer Übersetzung als Voyagers vorliegend rezensiert wird.

Voyagers ist der dritte Roman der Trilogie um den Ewigen Krieg. Soldierboy, der zweite Teil, setzt die Handlung nicht fort, sondern ist eine Variation desselben Themas. Erst Voyagers knüpft an die Geschehnisse um William Mandela an, so dass es sich so gesehen um die logische Fortsetzung des ersten Buches handelt.

Für Star Trek schrieb Joe Haldeman die Romane Grenze zur Unendlichkeit und Welt ohne Ende. Neben den Trilogien Worlds und Marsbound schrieb er noch weitere Romane und zahlreiche Kurzgeschichten.

Der Autor studierte Astronomie, Informatik, Mathematik und Physik an der Universität von Maryland und wurde 1976 zum Militärdienst in Vietnam eingezogen. Seine Erfahrungen aus dem Vietnamkrieg verarbeitete er im Roman Der ewige Krieg.

Preis-/Leistungsverhältnis

Voyagers kostet 12,95 EUR als Taschenbuch, bzw. 9,99 EUR als E-Book. Beide Preise sind Standard, und man erhält hierfür auf 340 Seiten eine interessante und lesenswerte Geschichte.

Erscheinungsbild

Voyagers Rezension Haldeman Mantikore Review CoverDas Taschenbuch wirkt insgesamt wertig. Der Titel ist in Farbprägung dargestellt, die Seiten sind nicht zu dünn. Satz, Lektorat, Layout und die Verarbeitung des Taschenbuches sind durchaus gut und bieten keinen Grund zur Beanstandung. Die Schriftgröße ist nicht zu groß gewählt und der Text auch nicht zu sehr an die Ränder gezogen, so dass der Roman durchgängig gefällig zu lesen ist.

Zu Beginn des letzten Viertels fielen mir kurz hintereinander einige kleinere Fehler auf, die dem Korrektor wohl durch die Lappen gegangen sind. Der Leser wird jedoch nicht aus der Geschichte gerissen und der Gesamteindruck nicht nachhaltig getrübt.

Das Titelbild zeigt einen Mann in einem mechanisierten Anzug, der in der geöffneten Frachtluke eines Raumschiffes steht und auf eine in einiger Entfernung unterhalb der Luke befindliche Stadt schaut. Die Gestaltung des Covers ist gelungen, und auch der Klappentext macht einen guten Eindruck und kann den Leser auf das Buch einstimmen. Der Roman qualifiziert sich in den Regalen des Buchhandels definitiv für einen zweiten Blick.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Mantikore
  • Autor(en): Joe Haldeman
  • Erscheinungsjahr: 2015
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Taschenbuch
  • Seitenanzahl: 340
  • ISBN: 978-3-939212-68-3
  • Preis: 12,95 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon 

 

Fazit

Der Roman Voyagers ist bodenständige Science-Fiction abseits des Mainstreams von Weltraumschlachten und kriegerischen Aliens.

Haldeman zeigt auf, wie eine Gruppe von Veteranen eines Krieges in eine vollständig veränderte Gesellschaft zurückkehrt. Diese Gruppe kann oder will sich nicht an die neue Gesellschaft anpassen, genau genommen erscheint es diesen Menschen auch nicht besonders erstrebenswert, Teil dieser Gesellschaft zu werden. Dieser Konflikt führt zu dem verwegenen Plan, welcher die Ereignisse des Romans ins Rollen bringt.

Die Andersartigkeit des Romans im Hinblick auf die dargestellte Welt und die ungewohnte Erzählperspektive in der ersten Person werden nicht jedem gefallen. Überraschende Wendungen und ungewöhnliche Ideen machen Voyagers jedoch über weite Teile interessant und dementsprechend lesenswert.

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Artikelbilder: Mantikore Verlag
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt

 

 

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