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Anfang Mai, um genau zu sein vom 05. – 08. Mai 2016, fand im beschaulichen Waldhambach das LARP Sanctuarium 1 – der Ruf statt. Wie ich bereits in meiner Vorberichterstattung schrieb, wollte die Orga vor allen Dingen die Fehler des heutigen Fantasy-LARP ausbügeln und zurück zu alten und stabilen Wurzeln finden. Man wollte sich auf die Grundprinzipien besinnen. Nun war klassisches Fantasy-LARP nicht wirklich meins, aber Redaktionskollege Karsten fuhr hin, ich kannte ein paar andere Spieler, die dort sein würden und den Urlaub hatte ich auch… warum also nicht hinfahren und sich darauf einlassen? Was ich bekam war ein wirklich gut gemachter Auftakt einer Kampagne, die viel Klassisches verspricht, aber auch ein paar neue Ansätze hat, die interessant werden könnten. Doch beginnen wir, wo man immer beginnen sollte, am Anfang.

Organisatorisches

Das Spiel fand auf dem Gelände des Zeltplatzes Waldhambach statt. Auf etwa 100 Spieler und 50 NSC ausgelegt, zahlten diese zwischen 89 und 109 Euro als Spieler beziehungsweise 30 Euro als NSC für eine viertägige Veranstaltung als Selbstversorger. Das Gelände war schön und ausreichend groß (besonders das Spielgebiet im Wald), allerdings auch einigermaßen steil, was mit fortlaufender Spielzeit immer mehr spielbehindernd wurde („Wie? SCHON wieder den Berg rauf?“).

Außerdem war der Hauptweg aufgrund des vorausgegangenen Wetters weiter oben gelegen recht schlammig. Für das Wetter und den Schlamm konnte die Orga jedoch nichts und da man die Stellen mit ein wenig Geschick auch recht gut umgehen konnte, fiel das nach der Anreise auch gar nicht weiter negativ auf. Parkplätze waren genügend vorhanden und unkompliziert direkt ans Spielgebiet angrenzend zu erreichen. Lediglich die der Lokalität geschuldete direkte Angrenzung des OT-NSC-Lagers an das IT-Spielerlager war ein wenig ungünstig. Da dieses allerdings ans untere Ende des Spielgeländes gepackt war und sich die meisten Aktionen von dort an eher Gelände-aufwärts orientierten, war das auch mit einem zugedrückten Auge gut zu übersehen.

Das Organisatorische lief sehr unkompliziert ab, ein zentral eingerichteter Check-In mit gut geführten Listen liess die Check-In-Prozedur schnell durchlaufen und man konnte sich dem Aufbau widmen. Es war außerdem möglich, sich Bierzeltgarnituren für 5 EUR das Stück auszuleihen, was ich persönlich sehr komfortabel fand (auch wenn wir unsere außer zu Dekozwecken fast nicht genutzt haben), und auch sonst war für organisatorische Dinge immer jemand zu finden. Besonders lobend sei hier noch einmal der Platzwart selbst erwähnt, der der Orga (und damit auch den Spielern) vertrauensvoll weitere eventuell benötigte Werkzeuge zur Verfügung stellte.

Die üblichen Tavernen-Karten gab es auch, so dass man nicht unbedingt auf selbstmitgebrachtes Trinken vertrauen musste.

Die Wasch-, Dusch- und Toilettenräume waren zentral in einem Haus im Spielerlager untergebracht und waren den Umständen entsprechend sauber (hier kann ich leider nur über die Herren-Sanitäranlagen berichten. Eine Führung durch die Damen-Anlagen wurde mir zwar angeboten, dann aber nicht durchgeführt. Danke, Kristina.). Sie waren guter Standard und die Duschen die meiste Zeit über warm. Direkt angrenzend waren außerhalb der Sanitärräume noch mehrere Spülen angebracht, an denen man sein Geschirr oder benutzte Töpfe spülen konnte. Rundum war ich mit den Sanitäranlagen zufrieden.

Spiel und Leute

Nachdem wir jetzt das langweilige Organisatorische hinter uns gelassen haben, kommen wir zu den Punkten, die uns wichtiger sind, wenn es darum geht, eine Con zu bewerten: Wie hat es sich angefühlt? Wie waren die Mitspieler und NSC? Hatte ich Spaß? Auf den Plot und damit die Seite der Orga möchte ich gleich noch einmal gesondert eingehen und mich hier daher zuerst auf die gelebte Spielphilosophie von Seiten der Spieler konzentrieren. Besonderes Augenmerk lege ich hierbei auf die von der Orga propagierte und damit auch geforderte Spielphilosophie. Daher hier nochmal grob umrissen die wichtigsten Punkte:

  • DKWDDK
  • nur gute/neutrale Spielercharaktere
  • Spieler lösen zusammen den Plot

 

Spieler

Der Großteil der Spieler war für mich persönlich ausgesprochen angenehm und spielfördernd. Besonders die größeren Spielergruppen, wie die Barbaren der Wyrmklaue und besonders die Reinmariten, waren aufgrund ihrer Einheitlichkeit nicht nur optisch ein Vergnügen, sondern auch im Zusammenspiel. Ich kann jedem nur empfehlen, wenn er die Gelegenheit hat, sich von den Reinmariten ihre Ordensgeschichte erzählen zu lassen. Es dauert etwas, aber es lohnt sich. Zugleich brachten sie die Rolle eines demütigen Ordens ausgezeichnet rüber. Aber auch kleinere Gruppen und Einzelspieler waren anwesend und durchaus passend in das Gesamtbild integriert, seien es Magier, Kämpfer oder Gelehrte. Sogar eine Gesandtschaft aus Samarkand war anwesend, ein ausgezeichneter Anlaufpunkt für Kaffee und Tee, auch in frühen Morgenstunden. Ebenso konnte man durchaus Abseits des Plots Spaß finden. So untersuchten mehrere Gruppierungen gesondert seltsame Schriftzeichen auf Bäumen, ob diese magisch seien, und generierten so füreinander für gute ein bis zwei Stunden Spaß, obwohl damit die Bäume nur OT mit weißer Schrift als „Privat“ gekennzeichnet waren.

Schön war auch, dass der Großteil der Spieler wirklich an einem Strang zog, ohne sich etwas gegenseitig wegzunehmen. Die Spieler begannen, sich bemerkenswert gut und schnell zu organisieren und koordinierten ihre Anstrengungen, um Plots zu lösen.

Leider gab es jedoch auch sehr vereinzelt Ausreißer bei den Spielern, die das Power-Level etwas stark in die Höhe trieben. Ja, wir waren auf einer DKWDDK-Con und das Spielprinzip besagt, es funktioniert, was abgekauft wird vom Gegenüber… dennoch passten ein paar Charaktere mit ihren übermäßigen Fertigkeiten so gar nicht in mein Bild. Seien es jetzt Magier, die ganze Armeen allein in Schach hielten, oder Ansagen von Fähigkeiten aus dem Punkte-Regelwerken wie „XY-Stärke“. Ich verstehe tatsächlich nicht, wie ORGA und NSC dieses Spielangebot auf ihrer Con mit Spiel honorieren konnten… Wenn dass die Wurzeln sind, wo die Orga hinmöchte, bin ich raus, aber ich halte sie eher für nervige Nebenerscheinungen in einem ansonsten sehr stimmigen Bild. Es gibt immer ein paar Leute, die man überhaupt nicht mag. Das ist okay.

NSC

Die NSC waren, für mich als Nichtkämpfer, ein imposantes Bild. Eine durchorganisierte Gruppe mit Hierarchien und inneren IT-Konflikten, im klassischen Blau-Schwarz gekleidet und konsequent bespielt. Aufgrund des Hintergrunds verstanden die meisten unsere Sprache nicht, und genau so reagierten sie auch. Auch war vorher ausgegeben worden, dass Spieler, die nicht kämpfen wollten, nicht im Kampf angegangen werden sollten. Eine Devise, die dank eines vorhandenen Ehrenkodex auf Seiten der NSC auch schön im Spiel verpackt und von einigen Spielern auch als Spielangebot genutzt wurde.

Leider schien es mir aber so, als ob die NSC anfangs ein Problem damit gehabt hätten, als wir Spieler mit ihnen plötzlich verhandeln und reden wollten. Ich kann nicht sagen, ob es nun an einer fehlenden Flexibilität der Orga oder NSC lag, oder ob es einfach konsequent bespielter Hintergrund war, jedoch stießen mehrere Versuche zu verhandeln und Verständnis zu erlangen fehl, weil die NSC-Fraktion sich keinen Meter bewegen konnte. Das wirkte auf Dauer etwas frustrierend, allerdings war das wohl eher dem Spielprinzip geschuldet, dass man die Spieler an einem Strang ziehen sehen wollte, als dass man innere Konfliktherde schuf, die das Spielerlager entzweite. So lag es hier also eher daran, dass ich internen Konflikt gewohnt und nur mit einem minder passenden Charakter angereist war, der gerne auch Grauzonen sah, als sich mitreißen zu lassen. Sollte man sich mehr auf das Spielkonzept einlassen, wäre das alles kein Problem.

Großartig sei hier auch Eva Lilienthal erwähnt, die in der Rolle des Haupt-NSC Shedir als Lichtgestalt brilliert hat. Dazu kam, dass der Charakter eine komplett andere Sprache sprach, und die Spieler ihr unsere Sprache erst einmal beibringen mussten. Das zog mehrere Spieler stunden-, ach was sag ich, tagelang in ihren Bann und nur die wenigsten zweifelten bei ihrem Auftreten wirklich daran, dass sie das reine Gute war, das zu uns gekommen war. Eine wirklich, wirklich überzeugende Leistung. Wenn der Charakter nun noch in angemessene Gewandung gepackt wird, kann das nur grandios werden für die Zukunft.

Plot

Es ist viel geschehen und wir haben viel gelernt und doch wissen wir fast noch gar nichts. Gerufen durch Träume und Visionen sind wir in das scheinbar umkämpfte Shan’A’Dera gekommen, vorbei an leergefegten und zerstörten Dörfern. An diesem Ort schlugen wir unser Lager auf, zusammen mit anderen, die gekommen waren wie wir — nicht wissend warum genau und dennoch einem Hilferuf folgend. Doch von wem kam dieser Ruf?

Das wurde uns schon bald klar, als des Nachts durch ein Portal Shedir befreit wurde, eine scheinbar junge Frau, die jedoch, wie wir später herausfanden, mehrere Jahrzehnte dort im Traum gefangen gehalten wurde. Ihr entgegen stellten sich die Zarul, ein finsteres Volk aus Kriegern und Hexen, aber sehr gut strukturiert und taktisch agierend, noch dazu mit einem Ehrenkodex, wie es schien. Die Zarul hatten Shedir festgehalten, als letzte ihres Volkes, wie Shedir selbst sagte. Ihre Völker, die Ash’an-Adur und die Zarul, befanden sich seit langer, langer Zeit im Krieg, und wie der Krieg nunmal so ist, ist er grausam und verschlingt kleine Kinder. So fand sich das Lager also auf Seiten der hellichten Shedir wieder und stritt wider den finsteren Zarul… So einfach, so klassisch… Denkste.

Was folgte waren zwei Tage voller kleiner Aufgaben, die gelöst werden mussten, um Questartefakte zu sammeln, zu kombinieren und für die finale Konfrontation mit den Zarul vorzubereiten; Verhandlungen mit den Zarul-Hexen (die einzigen, die unsere Sprache sprachen) um zu verstehen, wer hier warum gegen wen stritt, und die Erkenntnis, dass es noch mindestens eine dritte Partei geben musste, über die noch quasi nichts bekannt war. Ganz so einfach (Blau-)Schwarz/Weiss war es also dann doch nicht wie anfangs befürchtet und nach und nach zeichneten sich die Anfänge einer größeren Geschichte in unserer Zukunft als auch in unserer Vergangenheit ab. Und wir mussten alles verstehen, um überleben zu können, denn es ging scheinbar um nichts anderes als den Funken allen Lebens, den es zu schützen galt. Doch vor wem? Tja, das ist auch jetzt noch nicht so ganz klar und wird sich wohl erst in den nächsten LARPs der Reihe zeigen.

Die Plots rangierten von simpel und klassisch (befreit Shedir, macht ein Ritual) bis hin zu sehr einfallsreich (beispielsweise der Transport eines Gefäßes mit Befüllung und Verfolgung, während der jeweilige Träger sich allerdings nicht bewegen konnte, oder das Malen von Bildern, die ein Verständnis der Geschichte widerspiegeln sollten) und wurden auch von den Spielern sehr gut angenommen. Vor allen Dingen der Plotstrang um die 20 Leute, die sich von dort an nicht mehr weit voneinander entfernen konnten und alles zusammen tun mussten, um Einigkeit zu demonstrieren, war kreativ geplant, amüsant anzuschauen und gut umgesetzt. Wenn die Geschichte der tapferen 20 nun auch weitergesungen und erzählt wird, wäre das nur passend. Allerdings wirkten einige Aufgaben halt doch etwas arg aufgesetzt in die Spielwelt integriert. Banner der Elemente, die erschienen mit jeweils einer Rolle, auf der eine Aufgabe für dieses Banner stand? Ein „Prüfer“, der herumlief und Leute mit Aufgaben prüfte? Schade, hier hat man einiges von dem vorher angekündigten OpenWorld-Prinzip („Die Spieler müssen sich ihre Aufgaben selbst suchen, wir nehmen sie nicht an die Hand.“) nicht wirklich eingehalten, aber vielleicht lernt die Orga da noch zum nächsten Mal dazu.

Sehr lobend war allerdings wiederum zu erwähnen, wie viele verschiedene Charakter-„klassen“ beschäftigt wurden und wie die verschiedenen Plotlinien miteinander verwoben waren. Die Alchemisten hatten immer genug zu tun, die Kräuter zu sammeln und zu verarbeiten, um die für die verschiedensten Plots benötigten Alchemika herzustellen. Diese hatten zeitgleich eine so liebevoll ausgearbeitete Beschreibung und Hintergrundgeschichte, dass man allein mit diesen eine ganz Con verbringen könnte. Die Magier mussten Dinge analysieren und ritualisieren und benötigten dafür sowohl die Alchemika als auch Steine, die die 20 Krieger in verschiedenen Tests erbeuten mussten. Die Krieger mussten sich durch die Alchemisten stärken lassen und bekamen Aufträge, sie zu begleiten und zu beschützen bei der Kräutersuche. Und so ging es weiter und alles griff sehr gut ineinander und jeder, wirklich jeder, bekam, wenn er wollte, seinen „moment to shine“ (wobei er sich diesen auch nehmen musste). Zeitgleich wurden durch die Hintergrundinformationen und lose Plotenden (wie die Hüterin des letzten Funken in einer anderen Realitätsebene, aus der wir ein Banner herauszogen) genügend harmonisch eingefügte Ansatzpunkte geschaffen, um für kurzfristige und langfristige Motivation zu sorgen, die Welt von „Sanctuarium“ weiter zu erkunden. Abgesehen von den Namen in einer anderen Sprache („A’shandur“, „Zarul“, „Shedir“), die mir persönlich gar nicht zusagen (was aber reine Geschmackssache ist, ich kann mit Namen meist eh wenig anfangen), ist damit der Grundstein für eine wirklich komplexe Geschichte und Welt gelegt, die es zu erkunden gilt. Passend dazu ist natürlich auch, dass die Orga nicht nur die Haupt-Conreihe weiterführt mit Sanctuarium – Akt 2: Weltenbrand, sondern auch weitere Cons in dem Hintergrund organisiert wie das Ambiente-Con Tage des Friedens oder das Slasher-/Horror-LARP Legenden der Wächter.

Fazit

Ich war skeptisch, als ich von dem Con-Konzept hörte, und skeptisch, als ich auf die Con fuhr. Doch hatte ich, von Kleinigkeiten abgesehen, jede Menge Spaß und merke, ja auch Fantasy-LARP kann mir als Spieler immer noch gefallen. Ich ging teilweise mit der falschen Einstellung und dem falschen Charakter dahin (etwas, dass man aber in Zukunft korrigieren kann), aber konnte dennoch gut in den Spielfluss eintauchen. Die Charaktere und Geschichte überzeugten, sowohl von Spieler- als auch von Orgaseite aus und machten Lust auf mehr. Kleinere Macken gab es, aber die Orga zeigte sich sehr aufgeschlossen gegenüber Kritik und hatte bereits auf der Con selbst einige Verbesserungen für das nächste Con geplant (wie zum Beispiel ein größeres und flacheres Congelände).

Grundsätzlich kann ich also sagen, dass ich sicherlich immer noch kein typischer Fantasy-Spieler werde, aber zumindest die Skepsis, die ich gegenüber dem Konzept hatte, wurde mir sehr überzeugend genommen. Sollte jemand also Lust haben, ein klassisches Mid-/High-Fantasy-Abenteuer-LARP zu spielen und sich genügend von Charakterbögen und Punkten lösen kann, um DKWDDK zu spielen, kann ich die Sanctuarium-Reihe nur empfehlen. Wir sehen uns.

Artikelbilder: Karsten Zingsheim, Sanctuarium Orga

 

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