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Spricht man nun mit einem Gnom, einem Alb, einem Varg oder verbirgt sich hinter diesen Geschöpfen vielleicht eine Fee oder ein mächtiger Herrscher, der nur vorgibt, etwas anderes zu sein? Der Quellenband Jenseits der Grenzen: Die Feenwelt von Lorakis füttert Spielleiter und Abenteurer mit reichlich Informationen rund um eine Welt, die man sich nicht vorstellen geschweige denn die man nicht begreifen kann – die aber dennoch von großem Nutzen für die Gemeinschaft ist. Ein Einblick.

Inhalt

Der 136 Seiten starke Quellenband befasst sich im Grunde mit Feen, deren Welten und den Mondpfaden. Dennoch darf man Fee nicht im Sinne von kleinen, freundlichen Lebewesen verstehen, sondern muss sich das abscheulichste, gleichzeitig schönste oder aber furchterregendste Wesen vorstellen, dass man so in den Kopf bekommt. Aber der Reihe nach.

Vor den einleitenden Worten fällt auf, dass der Band, inkl. einer schönen, thematisch passenden Illustration, dem verstorbenen Musiker David Bowie gewidmet wurde. Ein sehr schöner Einstieg.

Die Feen

Der sehr trockene, aber durchaus wichtige Einstieg in die Welt der Feen beschäftigt sich mit den Feen und deren Eigenschaften an sich. Es werden sozusagen die Grundwerte der Anderswelt-Bewohner aufgedröselt. Als Beispiel sei der Glimmer genannt, den jede Fee umgibt. Dieser Glimmer ermöglicht es jedem Feenwesen, eine Hülle aufrecht zu erhalten, der irdischen Bewohnern ein anderes als das reale Äußere vorgaukeln kann. So kann man als Spielleiter z.B. mächtige, offensichtlich irdische Bewohner erschaffen, die hinter dem Glimmer aber Feenwesen sind, die andere Absichten haben, als vorgegeben. Den Glimmer brechen bedeutet aber bei vielen dieser Wesen nichts Gutes. Ein sehr komplexes Thema, welches aber durchaus Spaß bereiten kann, wenn man denn als Spielleiter die Feenwelten als Thema haben möchte. Auch Pakte und Verträge werden beschrieben, mit denen schon so mancher Abenteurer baden gegangen ist. Denn Pakte mit einem Feenwesen sind für die Wesen an sich stets bindend, was am Spieltisch für großartige Plot-Ideen sorgen kann.

Auf den weiteren Seiten des ersten Kapitels werden Feen innerhalb der Länder beschrieben. Dragorea zum Beispiel gilt als die Region, die von am stärksten von der Anderswelt beeinflusst wird. Hier gibt es sowohl nette Ideen wie Bewohner, die ein Schälchen Sahne auf die Türschwelle stellen, um in einer Sturmnacht die Herrscher des Gewitters milde zu stimmen, als auch Beschreibungen von anwesenden Feenwesen auf der irdischen Welt, nach Regionen unterteilt und stets mit ein paar nützlichen Informationen versehen. Diese Informationen können geschichtlicher Natur sein, also warum eine Fee seit wann an einer Region Interesse zeigt, als auch regionaler Art. Dämmeralben zum Beispiel haben in ihren Reihen einige Meisterjäger, die Feenwesen anlocken können, um sie als Freund zu gewinnen, abzurichten und zu zähmen. Der Abschnitt gibt also einen ausführlichen und für den Spielleiter weiterführenden Überblick, um die Regionen mit magischen Plots zu füllen und die Anderswelt beziehungsweise deren Bewohner für Abenteuer interessant zu machen.

Jenseits der Grenzen

Hier werden grob gesagt die Merkmale der Feenwelten beschrieben, sei es nun der wichtige Wesenskern, also ein Ort, ein Artefakt oder eine Person, die Merkmale der Welt repräsentieren. Die Fremdartigkeit einer Domäne wird herangezogen, um irdischen Personen „zu beschreiben“, regeltechnisch gesehen geschieht dies auf einer Skala von eins bis sieben. Nach Flora und Fauna, schließen sich Beschreibung der Übergänge in die Feenwelt an, während am Ende des Kapitels ein interessanter Abschnitt folgt, der hilft die Feenwelten an den Spieltisch zu bringen: „Der Baukasten in die Anderswelt – Ein Baukasten für Übergänge“. Durch den Würfelwurf mit 2W10 kann man die allgemeine Natur eines Übergangs, wie zum Beispiel eine Feuerschale oder ein Pilzkreis, bestimmen, die Eigenschaft des Übergangs („Berührung entzieht Lebenskraft“; „Farben rund um Übergang wirken bunter“), die Bedingung für den Übergang, also „Der Übertretende macht Geräusche“ oder „Es ist Tag“ bis hin zu dem Zielort, also der Domäne. So können Spielleiter in ihre Abenteuer Wege einbauen, die die Charaktere in die Anderswelt befördern und Hindernisse einbauen, die zu bewältigen sind.

„Reisen und Orientierung“ innerhalb der Anderswelt sind vergleichbar mit den Regeln für Überlandreisen aus Splittermond: Die Regeln, allerdings werden sie, bedingt durch die Andersartigkeit der Feenwelten, ergänzt. Die Versorgung auf Reisen wie auch die Proben zur Wildnisführung gestalten sich natürlich anders und werden mit Mali belegt.

Das Kapitel „Horror der Anderswelt“ ist sicherlich für alle jene Spielleiter und Spieler interessant, die auf Cthulhu oder Ravenloft durchaus einige Stunden verwandt haben. Eine Tabelle zum Erwürfeln von Horrorszenarien bringt einige Ideen spontan in den Plot, während ein Abschnitt sich um Träume und dem Eindringen in diese durch Feenwesen beschäftigt. Man kann also durchaus auch in der Welt von Lorakis mit seinen Charakteren einiges an gruseligen Elementen erleben.

Mondpfade

Eines der interessantesten Kapitel ist das Thema Mondpfade. Da die Welt von Lorakis riesig geworden ist und Reisen Tage, Wochen oder Monate dauern würden, haben die Autoren im Regelwerk die Mondpfade eingeführt und beschreiben sie in diesem Band etwas ausführlicher. Neben der Geschichte der Mondpfade ist das Reisen in diesen natürlich der aufregendste Aspekt. Es dreht sich hier also beispielsweise um die Portalgilde, Gnome, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Reisende durch die Mondpfade zu führen und als Hauptbeschäftigung als Zwischenhändler zu fungieren, um Waren schnell von A nach B zu transportieren.

Es folgen die ausführlichen Beschreibungen der Mondpfade an sich, immer mit Augenmerk auf Geschichte und Nutzung, Portalen, Landschaft und Stimmung, Wegpunkte, Personen und einzigartige Wesen. Diese Wegpunkte sind für mich eines der interessantesten Abschnitte, da man auf einer Reise von 150 Kilometers (als Beispiel dient hier der Mondpfad „Die Seidenstraße“) so außergewöhnliche Orte besuchen kann wie das „Feld der Tränen“, eine hügelige Landschaft, die Trauer und Melancholie zu den Charakteren bringt und auf dem so illustre Monster wie Hobgoblins oder Rotkappen auf die Charaktere warten können.

Mit diesem Kapitel ist dem Meister alles an die Hand gegeben, um große Entfernungen mit den Charakteren zurück zu legen, mystische Abenteuer auf den Mondpfaden zu gestalten oder einzigartige Wesen und Personen zu Wort kommen zu lassen, um den Plot voran zu treiben.

Feenhöfe und Schattenwelten

Natürlich darf auch eine beispielhafte Beschreibung von Feenwelten nicht fehlen. Denn das ist es, was den Spielleiter dazu bewegen wird, seine Abenteurer in die Anderswelt zu schicken. Ich stelle kurz zum besseren Verständnis des Kapitels „Das Labyrinth der Spiegel“ vor. Diese Feenwelt scheint mit tropischen Wäldern, exotischen Tieren und palastartige Gebäude an die irdische Welt zu erinnern, doch der Name ist hier Programm: Alle Oberflächen scheinen zu spiegeln oder zu reflektieren. Man blickt sich nur kurz um, schon scheint sich wieder etwas verändert zu haben und für manchen nicht andersweltigen Geist kann dies von leichten Kopfschmerzen bis hin zum Wahnsinn alles bedeuten.  Die Übergänge zu dieser Feenwelt sind natürlich Spiegel oder spiegelnde Oberflächen, wobei es auch schon vorgekommen ist, dass ein Spiegel für nur einen kurzen Moment bunte Palmen oder schillernde Schildkröten entdeckt. Die Erläuterung besonderer Orte ergänzt die Beschreibung des „Labyrinth der Spiegel“, um dem Abenteuer in diesem noch mehr Möglichkeiten zu geben.

Wesen der Anderswelt

Auf den folgenden Seiten werden eine Auswahl an Kreaturen der Feenwelt vorgestellt. Ein Gurach zum Beispiel ist eine Greisin ohne Augen, die den bevorstehenden Tod einer Person beklagt und grundsätzlich erst einmal nicht böse gesinnt ist. Wenn ein Spielleiter also vorhat, seine Charaktere die Zukunft verändern zu lassen, dann ist ihm mit dieser Kreatur durchaus gut gedient. Alle Wesen kommen mit kurzer Beschreibung, ihren jeweiligen Werten und der Beute, die die Abenteurer nach dem Erlegen dieser machen können daher und fast alle werden auch durch eine schöne Illustration visualisiert.

In den letzten Kapiteln folgen regeltechnische Ergänzungen wie neue Stärken und Meisterschaften, neue Zauber, Kräuter, Alchemika und eine Liste besonderer Materialien. Eine Liste beispielhafter Feenwesen und der Mondpfade folgt, ebenso wie der Index.

Preis-/Leistungsverhältnis

Einen Quellenband dieses Umfangs, der die Welt von Splittermond, deren Ausgestaltung und möglicher Abenteuerideen so sehr bereichert, ist sein Geld durchaus wert. Schaut man sich dann auch noch die vielen mitwirkenden Autoren an, sind 29,95 EUR nicht zu viel.

Erscheinungsbild

Splittermond Rezensiom Jenseits der Grenzen Feenwelten CoverBei „nur“ 136 Seiten wurde dem Band trotzdem ein Hardcover spendiert, was zur hohen Qualität der Bände aus dem Uhrwerk Verlag beiträgt. Die Texte sind angenehm zu lesen, es sind viele Illustrationen von verschiedenen Künstlern im Buch, die die Stimmung beim Lesen bereichern und das Coverbild zeigt sehr gut die Andersartigkeit des Themas.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Uhrwerk Verlag
  • Autor(en): Lars Reißig, Thomas Römer u.a.
  • Erscheinungsjahr: 2016
  • Sprache: Deutsch
  • Format: DIN A4 Hardcover
  • Seitenanzahl: 136 Seiten
  • ISBN: 978-3-95867-038-9
  • Preis: 29,95 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon, Sphärenmeister-Spiele

 

Bonus/Downloadcontent

Zu diesem Band existiert kein Bonus/Downloadcontent.

Fazit

Die Stärke dieses Bandes (neben seiner handwerklichen Qualität) ist eindeutig die Andersartigkeit und die daraus resultierenden Abenteuermöglichkeiten. Es wird dem Spielleiter alles an die Hand gegeben, um dem Wort Fantasy die Bedeutung zu geben. Feenwelten, die so anders als die irdische Welt sind, versehen mit tiefgehender Beschreibungen, beispielhaften Monstern und Wesen, Regeln für Reisen innerhalb der Anderswelt und vieles mehr bringen so viele Ideen mit, dass Wochen und Monate an Abenteuern garantiert sind. Wichtig für alle viel reisenden Charaktere sind auch die detaillierten Beschreibungen der Mondpfade, auf denen man sich schnell, aber nicht unkompliziert, innerhalb von Lorakis von einem Ort zum anderen bewegen kann.

Auch Horror-affinen Spielleitern wird die Möglichkeit geboten, ihren Charakteren das Fürchten zu lehren. Der Einstieg ist etwas schwerfällig zu lesen, hat man diesen aber überstanden, bietet Jenseits der Grenzen: Die Feenwelt von Lorakis eine dichte und komplizierte Welt, die das Spielen von Splittermond auf eine andere Ebene heben kann – natürlich bedingt durch Feen, von denen man manchen nicht unbedingt Nachts begegnen möchte.

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Mit Tendenz nach oben

Artikelbild: Uhrwerk Verlag
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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