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Niesel-, Platz- und Sprühregen, schwarzgraue Wolkenfronten, dunstiges Morgengrauen und trüb graue Sonnenuntergänge: Zumindest das Wetter hatte sich dem diesjährigen Setting an fast allen Tagen zu fast jeder Stunde angepasst. Im dritten Jahr in Folge fand das ConQuest of Mythodea in der Spiegelwelt Kelriothar statt, der Spielwiese der Verfemten und Urzweifler. Drei Jahre dauert der Schlachtzug der Bewohner Mitrasperas bereits, eine Tatsache, die nicht wenigen, auf beiden Seiten der Kämpfenden, sauer aufstieß.

Das Kreischen der Krähe

Zum Auftakt am Mittwochabend versammelten sich alle vier Lairdoms des Untoten Fleisches und die Armee des Zweifels an einem der in diesem Jahr wichtigsten Plotpunkte, der Gläsernen Uhr. Über der Konstruktion aus den blauen Kristallen der Spiegelpunkte und mächtigen Metallketten hingen lange besagter Nieselregen und grauer Dunst, bis pünktlich zum Sonnenuntergang der Himmel aufriss und den riesigen Halbkreis kniender Kämpfer von Barrenbay, Flowerfield, Corpsedale und Silent Hill in goldenes Licht tauchte. In die Stille der abwartenden Spieler hinein erhob sich das rhythmische Klopfen hunderter Fäuste und Schwerter auf Schilde und plattenbewehrte Körper. Der stummen Kampfansage antworteten die Siedler ihrerseits mit einem geschmetterten „Für Mythodea!“ Ein würdiger Auftakt zu drei Tagen und drei Nächten Liverollenspiel.

Wie bereits im Trailer angekündigt, war Firin Krähensang die vom Veranstalter Live Adenture (LA) gepushte Hauptfigur des diesjährigen ConQuest. Mit doppeltem Spiel, Intrigen und Ränkeschmieden versuchte er Siedler gegen Verfemte und Verfemte gegeneinander auszuspielen.

Immer noch aktiv waren die durch die Spiegelwelt bedingten Nachteile für Spieler wie verringerte Schadenspunkte durch bestimmte Waffen und längere Zeiten für Heilung oder Reparatur, beispielsweise von Waffen oder anderen (plotrelevanten) Gegenständen. Ressourcen sind Mangelware in der Kelriothar, also können zerstörte Gegenstände nicht ganz so einfach repariert werden.

Ebenfalls noch präsent war die verhasste Atmosphäre in der Kelriothar: das trübe Licht, die gedämpfte Stimmung und die allgegenwärtige Präsenz der feindlichen Armeen. Keine leichten Bedingungen, weder fürs Spiel noch für die OT-Motivation.

Schwarzblau gegen Schwarzgrün

Siedler (wie Spieler), die es gewohnt waren, ausschließlich selbst Ziel der Kampflust von Schwarzem Eis und Untotem Fleisch zu sein, konnten in diesem Jahr Zeugen unüblicher Szenarien werden. Dank Firins Ränkeschmieden kämpfte das Schwarze Eis gegen Silent Hill, metzelten sich Corpsedale und Armee des Zweifels gegenseitig nieder.

Mit Hilfe der erwähnten Gläsernen Uhr wollte Firin Krähensang die Zeit auf Mythodea anhalten. Aus verschiedenen Richtungen regte sich im Laufe des Cons Widerstand gegen seine Pläne, unter anderem von den Bracar Keltoi im Zusammenspiel mit den Naldar: Siofra von den Bracar Keltoi war Trägerin eines jener Schwerter, die den Herolden und der Ratio besonderen Schaden zufügen können. Eines dieser Schwerter, das Schwert der Zeit, wurde auf dem Jenseits der Siegel von Siofra erstritten. Kurz darauf ereilte sie eine Vision von ewigem Winter sowie davon, dass es ihr bestimmt war, die Krähe mit dem Schwert der Zeit zu töten.

Ist diese Aufgabe erfüllt, stirbt der Va’Hatar, der Täger des Schwertes, und das Schwert verliert seine Macht. Am Ende des Kampfes zwischen der Krähe und Siofra versetzten sich die beiden fast zeitgleich den Todesstoß.

Flieh vor dem Seelenfresser!

Abseits des „offiziellen“ Plots gab es in nahezu jeder Gasse zwischen den Zelten und in der Stadt schönes Spiel, ebenso an den Spiegelpunkten, auch oder gerade dann, wenn sie nicht von den Armeen der Verfemten belagert wurden. (Anders herum hatte beispielsweise Silent Hill auch Zeit für kampfloses Spiel, als sie einen Scherbenpunkt weihen sollten und kein einziger Siedler weit und breit zu sehen war.)

Firins Spielzeug, die Gläserne Uhr, zu Beginn umkämpft, wurde später nicht selten Kulisse für sich erholende Spieler: Während die Apparatur selbst von Siedlern untersucht wurde, lagerten im Säulengang Spielergruppen und hielten Schwätzchen.

Die weit ab der Lager gelegenen Spiegelpunkte auf den weitläufigen Schlachtwiesen waren nicht die einzigen Kulissen, die LA aufgebaut hatte. Wer vom Schwarzen Weg her das Lager der Einheit betrat, kam direkt am Atelier der vom Wahnsinn nahezu geheilten Sim Sin´karaleth vorbei. Dieser Ort wurde fast dauerhaft bespielt.

Erwähnenswert ist zum Beispiel ein beeindruckend inszeniertes Blutritual im Lager der Einheit sowie ein Ritual mehrerer Orks, an dessen Ende die Erweckung eines Seelenfressers stand. Zig Siedler wurden dafür in einem der Spiegelpunkte geopfert, Rauch waberte im trüb grauen Sonnenuntergang, bis schließlich das als Schlachtenmonster beschworene Urvieh sich an den Opfern labte.

Auch Stadt und Tross wurden emsig bespielt. An jeder Ecke gab es etwas zu entdecken, auch zwischen Barbarenspieß und Crêpe fand man Spiel – so man es denn wollte. Selbst die Metwabe direkt am Markplatz wurde eines späten Abends von nicht ganz so freundlichen Gestalten umstellt, die allerdings niemanden ausrauben oder der Metwabe den Umsatz vermiesen wollten. Sie waren wohl nur Leibgarde einer metseligen Gruppe. Ich gebe zu, an besagtem Abend ersteres vermutet und mich schnellstens verkrümelt zu haben. Ich wollte an meinem einzigen Abend in Gewandung nicht nach zehn Minuten in der Stadt vermeintlichen Meuchelmördern zum Opfer fallen.

Aller guten Dinge sind drei: Wiedersehen in Mythodea?

In den Foren läuft wie nach jedem ConQuest die übliche Diskussion über Schlachtentouristen, Partylarper und den Unmut über das erneute Feldzug-Setting. Bei ein paar tausend Teilnehmern gibt es immer Glückliche, denen beispielsweise der Anblick von Spielern in lila Leggings und weißem Sportleibchen erspart blieb. Genauso gibt es jene, denen in jeder Schlacht die Leinenhemdchen über den Weg liefen, die sich aus-xten, sobald ein Untoter auf sie zu rannte, weil sie mitten im Schlachtengetümmel standen. Oder die Damsels in Distress, die laut kichernd übers Feld wegliefen, wenn sie angegriffen wurden. Jede und jeder erlebt immer sein eigenes ConQuest. Im Durchschnitt scheint der Unmut über das Feldzug-Setting dennoch gewachsen zu sein.

Werbepause
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Schlachtentouristen und Partylarper ist man gewohnt, für nicht wenige war die Summe aus solchen Randgestalten und dem dritten Jahr fernab der Heimat der Grund, das ConQuest 2016 zum Testlauf zu erklären: Wenn es wieder so wenig Spaß macht, komme ich nicht wieder zum ConQuest. Auf Spielerseite wuchs unter anderem der Unmut über das vermeintlich unmögliche Halten von Spiegelpunkten, beziehungsweise dass man diese wiederholt zurückerobern musste.

Genauso laut sind allerdings auch all die Stimmen, die von schönen Szenen, frohem Wiedersehen und spannender Entwicklung zeugen. Nicht allen lasteten Firins Weltuntergangsszenario oder gar die Kelriothar selbst schwer auf der Seele.

Trotzdem: Das Untote Fleisch beispielsweise trauert den Zeiten hinterher, als es (einzeln stehende) palisadenbewehrte Lager angreifen konnte und nicht zu Frühschicht morgens um neun auf leere Kampfwiesen geschickt wurde, während sich die riesigen Lager der Siedler wiesenfüllend hinter Waldränder duckten und mehr oder weniger zur OT-Zone erklärt worden waren – für den ewigen Heerwurm jedenfalls. So blieben in diesem Jahr der Klau von Fouragesäcken (den Vorräten der Siedler im Tross) und ein bisschen Spionage in den Lagern die wenigen Möglichkeiten zum direkteren Spiel mit Siedlern.

Immerhin keine Dusche mehr in der Kloschuhschachtel

Mit dem Unterschied, dass die NSCs in diesem Jahr wieder auf ihrer „alten Wiese“ im Süden des Geländes lagerten, war die Anordnung von Lagern, Johanniter-Standort, Sanitäranlagen und Plotpunkten wie Scherbenpunkten und Radem Navigat (ehemals Traumzelt) dieselbe wie 2014 und 2015.

Immerhin: In den aus den vergangenen Jahren bereits bekannten festen Toiletten gab es diesmal keinen unfreiwilligen Waschgang für Kniekehlen und Gewandung. In Vollplatte habe ich allerdings niemanden sich in die Kabine quetschen sehen. (Auch mit minimaler Ausrüstung, Kamera, Gürteltaschengurt mit Funkgerät usw. war es schon schwierig, sich in den Schuhschachteln zu bewegen, ohne ständig mit den Ellbogen Klopfsignale an den Nachbarn zu senden.

Trotz des so gar nicht hochsommerlichen Wetters blieben Wege und Zufahrten erstaunlich trittfest. LA hatte allerdings auch an den vielgenutzten Wegen vorgesorgt und Rindenmulch verteilt. Bereits ab Sonntag wurden diese Wege intensiv genutzt: Aufseiten der NSCs beispielsweise waren bis Montagabend bestimmt 70 Prozent der Teilnehmer angereist. Auch die Wiesen der Siedlerlager waren bis dahin schon gut gefüllt.

Fazit

Die „alten Hasen“ Mythodeas, auf Spieler- wie auf NSC-Seite, sowie neue Gruppen und Charaktere sorgten auch in diesem Jahr für großartiges Spiel, epische Szenerien und im Großen wie im Kleinen schönes Spiel. In gewisser Hinsicht ist das ConQuest of Mythodea nun mal ein Selbstläufer. Doch wäre es für Spielvielfalt und vermutlich auch Teilnehmermotivation (auch aus der Sicht einer völlig Außenstehenden und am Spiel Unbeteiligten) schön, wenn das ConQuest zurück nach Mythodea verlagert werden würde.

Bilder: © Live Adventure & Sarah Liebigt

 

 

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