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Freunde sind etwas Großartiges, vor allem dann, wenn sie nach langer Abwesenheit in anderen Teilen Deutschlands wieder zurückgekehrt sind. Da ich früher auch schon oft geleitet habe, wenn nicht gar immer, lag der Schluss nahe, dass ich eine neue Spielrunde gründe.

Die Auswahl, die ich stellte, war zwischen Space 1889, Engel, Degenesis und Sundered Skies für Savage Worlds [SaWo]. Steampunkige Space Operas mit Erkundungsfaktor wollten nicht punkten, auch Endzeit machte nur durch das grandiose Artwork neugierig. Mitglieder der himmlischen Legionen zu spielen, verbunden mit der Aussicht auf einen perfiden Twist, wollte auch nicht so recht ankommen. Da ich schon immer sehr neugierig war auf die Plot Point-Kampagne von Sundered Skies, legte ich mich ins Zeug und überzeugte meine Freunde mit einem guten Abendessen von dem endzeitlichen Dark-Fantasy-Setting. Begeistern konnte sie vor allem die Aussicht auf Kaperfahrten zwischen schwebenden Inseln im Nirgendwo und eine Mechanik, die auf einem generischen und leichtgängigen Regelwerk basiert.

Aber was ist Sundered Skies eigentlich?

Die Spielwelt Sundered Skies – postapokalyptische Fantasy

Obig erwähnte Inseln im Nichts sind die Spielwelt des Settingbandes. Vor langer Zeit zerriss eine Katastrophe den ehemaligen Planeten und aus Gründen, die selbst die weisesten Forscher nicht herausfanden, treiben die Inseln nicht in die Unendlichkeit auseinander.

Auch wenn die Inseln sich stetig bewegen, gibt es doch feste Routen, auf denen man zumindest die größten Landmassen erwarten kann. Je höher man in der Sphäre steigt, umso eisiger wird das Klima, desto lebensfeindlicher werden die Inseln, bis schlussendlich ein gewaltiger Gletscher die Spitze bildet. Dessen beständiges Abschmelzen sorgt für die Existenz von Wasser in der Spielwelt. Reist man an Bord eines Schiffes ganz nach unten, in die lodernden Himmel, wird die Hitze irgendwann unerträglich und selbst die eiserne Panzerung der Zwergenschiffe gerät in Gefahr zu schmelzen.

„Schiffe“ ist ein wichtiges Wort, denn viel vom Abenteuerleben wird an Bord der Schiffe stattfinden, die die Leere durchkreuzen – von kleinen Einmastern über die vollkommen mit Metall verkleideten Schiffe der Zwerge bis hin zu den gewaltigen Schiffen des Handelsrates. Letzterer regelt den Frieden in der Leere und hat eine gefürchtete und respektierte Flotte, die vom Geleitschutz bis hin zur Blockade einer kompletten Insel alles übernimmt. Auch die Währung, das „Rad“, wird von dem Rat herausgegeben. Es besteht aus Eisen. Gold hingegen ist fast wertlos. Um von Insel zu Insel zu reisen, braucht man Erde des Ziels. Das sorgt für einen hohen Einfluss der Gilden. Denn diese lagern auf jeder Insel etwas Erde der anderen Inseln und haben so das Monopol für Routen inne.

Jede Spielgruppe wird früher oder später ein eigenes Schiff bekommen und das Einführungsabenteuer der Kampagne bietet direkt die Möglichkeit dazu. Wie zu erwarten ist, finden sich etliche Regeln zur Reise durch die Leere. Navigation, Zufallsbegegnungen, Gefechte – alles ist beinhaltet und auch gut zu benutzen.

Die Leere hält nicht nur Gefahren wie Piraterie, Drachen auf der Jagd und wütende Elementare bereit – nein, der Aufenthalt im Freien ist schon an sich gefährlich. Ein zorniges orange-rotes Glühen durchzieht den Himmel, ist allgegenwärtig, treibt jeden langsam in den Wahnsinn und lässt das arme Opfer schließlich mutieren. Nur lange Aufenthalte in verdunkelten Räumen und ähnlichem dämmen den Irrsinn. Wie man in einer Welt spielen soll, in der bereits das bloße Rausgehen töten kann? Dazu liefert das Regelwerk passende Regeln, die aber leider unvollständig sind. Abhilfe schafft hier der Download der kostenlosen Inlays für den Universalschirm (s.u.), denn hier finden sich die vollständigen Regeln. Selbst Langeweile kann unter dem ewig leuchtenden Himmel gefährlich werden. Die Gefahr des Leuchtens wurde oft kritisiert, so findet sich dazu im deutschen Forum Tanelorn eine erhellende Diskussion.

Jede der größeren Inseln stellt einen eigenen Staat dar. Während die (gar nicht baumkuscheligen) Elfen auf Herzland leben und dort gezüchtete Mischwesen aus Humanoiden und Tieren versklaven, finden sich die Zwerge knapp über den lodernden Himmeln und bauen Erz ab. Weitere Inseln sind Heimat für die anderen intelligenten Rassen der Spielwelt, als da sind: Menschen, Elfen, Wildlinge (eben jene gezüchteten Wesen der Elfen, die ihre Freiheit erlangten), Zwerge, Orks, Drakin (Echsenmenschen, die sogar zu echten Drachen werden können mit viel Zeit und Erfahrung,) Orks (spielbar) und Glühblüter (Goblins, die durch das Licht zwar mutierten, aber nicht zu Monstern wurden).

Götter sind eine existente und durchaus auch anwesende Kraft in dieser Spielwelt, sei es nun der verrückt gewordene Gott Festival, sei es die finstere göttliche Kraft der Elfen, die sie Wildnis nennen, oder auch der Baumeister, der von den Zwergen verehrt wird. Weitere Gottheiten schließen sich an und so ist es nicht verwunderlich, dass auch Priester zu den spielbaren Charaktertypen gehören.

Die Charaktererschaffung in Savage Worlds

So leichtgängig das gesamte System ist, so einfach ist auch die Charaktererschaffung.

Zuerst wird die Spezies gewählt; hier wird die Auswahl natürlich durch die Spielwelt bestimmt. Die Rassen können als ausgeglichen betrachtet werden, denn erhält man Vorteile, gibt es auch Nachteile und andersherum.

Nach den Eigenschaften sind die Attribute und Fertigkeiten dran. Jedes der fünf Attribute beginnt mit einem W4 und kann durch Punkteausgabe gesteigert werden – dafür gibt es in Summe fünf Punkte, die benutzt werden können. Um ein Attribut um eine Würfelklasse hochzustufen, kostet es einen Punkt. Kein Attribut darf höher als der W12 gesteigert werden.

Der nächste Schritt ist das Auswählen von Fertigkeiten aus einer eher knappen Liste. Alle Fertigkeiten haben jedoch immer Spielbezug. Die Fertigkeiten starten bei null und müssen einzeln über die Würfelklassen hochgekauft werden. In Summe hat ein Spieler 15 Punkte dafür, es sei denn, er spielt einen Menschen. Diese Spezies kann 17 Punkte haben.

Nun werden noch schnell einige abgeleitete Werte berechnet und die sogenannten Talente und Handicaps ausgewählt. Hiermit können besondere Befähigungen gekauft werden oder auch einfach nur Seitennotizen, die den Charakter (an)spielbarer machen und ihm Ecken und Kanten verleihen. Daraus gewonnene Punkte können für verschiedene Zwecke genutzt werden. Talente sind in der Weise wichtig für SaWo, da sie helfen, den Charakter stark auszudifferenzieren und als zentrale Eigenschaften dienen können. Talente agieren in Sundered Skies fast ähnlich zu Klassen und das schuf Missverständnisse, doch später dazu mehr.

Aber auch hier gilt wieder: schnell und leicht! Aber wie in vielen Systemen existieren in SaWo einige Querverbindungen, die es ermöglichen, einen Charakter zu „optimieren“. Es heißt also „Easy to learn, hard to master“. Ich mag die Vielfalt sehr, die möglich erscheint. In anderen Systemen muss ich dafür stundenlang blättern, hier habe ich binnen Minuten einen Charakter, den ich nur noch anpassen und mit Hintergrund versehen muss. Um im Fall einer spontanen Spielrunde Zeit zu sparen, gibt das Regelwerk uns einige fertige Archetypen an die Hand, die nur noch minimal feinjustiert werden müssen.

Ausrüstungslisten vervollständigen die Möglichkeiten für Charaktere.

Die Schwierigkeiten und was daraus zu lernen ist

Talente als Klassen missverstehen

Sundered Skies arbeitet bei der Beschreibung der Spielwelt und der Fraktionen, die in ihr existieren, stark mit Schlagworten, wie zum Beispiel „Astbrecher“ oder „Sangespriester“. Das legt die Annahme nahe, es handele sich um Klassen im rollenspielerischen Sinn. Schnell haben meine SpielerInnen sich eine dieser Rollen ausgesucht, um sie im Spiel dazustellen. Und genauso schnell kam die Frage „Wie sind denn die Startpunkte eines Plünderers?“.

An dieser Stelle muss ich natürlich betonen, dass es der Erstkontakt zu SaWo meiner Freunde war und auch wenn sie klassenlose Systeme gewohnt sind, waren sie doch zuerst verwirrt. An dieser Stelle ist es, so denke ich, wichtig, frühzeitig zu betonen, dass Klassen in dieser Form in SaWo nicht existieren und durch Talente ersetzt werden. Der Unterschied zwischen Klassen und Talenten ist, dass Klassen vorweg gewisse Boni und Mali geben, Spieler sich aber bei SaWo auf Talente „hinpunkten“.

Um ein Talent zu erlangen, muss man gewisse Voraussetzungen erfüllen. Hat man diese erfüllt und noch offene Talentpunkte zu verteilen, kann man das Talent kaufen und bekommt dadurch neue Vorteile freigeschaltet. Hier muss eine SL nur genau darauf achten, wie sie das Charaktererschaffungssystem erklärt.

Spezialisierung vor Generalisierung

SpielerInnen sind oft verlockt, viele Bereiche abzudecken. So wollte unsere künftige Sangespriesterin auch ein Schiff steuern können und Schlösser knacken. Bald stellte sie jedoch fest, dass sie mit den Punkten vorn und hinten nicht hinkam. Die Punkte in Savage Worlds sind eher knapp bemessen, dafür gibt es aber auch nur relevante Fertigkeiten.

Es empfiehlt sich also daher durchaus, dass die SpielerInnen sich vorher abstimmen, wer in welche Richtung gehen möchte und wo es sinnvoll ist, Dopplungen zu haben. So kann gewährleistet werden, dass jeder in der Spielrunde seine Spotlights erhalten kann und auch eine hohe Chance hat, in diesen zu glänzen.

Postapokalypse, Baby!

Auch wenn das Bersten der Welt vor Äonen geschehen ist und die Wesen mit Bewusstsein ihr Leben an den Zustand der schwebenden Inseln angepasst haben und an das Glühen gewöhnt sind, hat Sundered Skies dennoch deutliche Anzeichen eines postapokalyptischen Settings.

Abgesehen von der Bedrohung durch Untote und andere Bestien, merkt man das vor allem an den Preisen, bedingt durch die Ressourcenknappheit. Ich war zuerst verwundert, dass die SpielerInnen sich nahezu nichts von dem Startkapital kaufen konnten. Wenn es gut lief, war eine Waffe und eine schäbige Rüstung drin, aber nicht mehr.

Mit einem Quercheck gegenüber den Preisen aus den Grundregeln haben wir schnell festgestellt, dass gut 75% der Waren doppelt so teuer sind. Da ich der Auffassung bin, dass Abenteurer vor allem in so bedrohlichen Welten halbwegs gut ausgerüstet sein sollten, habe ich aus Kulanz gestattet, dass zu Preisen aus den Grundregeln eingekauft werden kann – alles, was in Sundered Skies enthalten ist, aber nicht im Regelwerk, hat 60% des ausgewiesenen Preises gekostet.

Dieses Angebot existiert jedoch nur während der Charaktererschaffung. Im laufenden Spiel gelten die Preise aus dem Settingband.

Bühne frei für …

Am Ende der ganzen Mühe, die wir kurzweilig bei Grillfleisch und Sonne auf uns genommen hatten, erblickten also das Licht der Welt:

  • ein orkischer Krieger, wild und brutal
  • eine menschliche Plündererin mit viel Glück
  • eine menschliche Sangespriesterin

 

Noch dazu stoßen wird ein magisch begabter, Spezies noch nicht entschieden, Freibeuter.

Ich freue mich sehr auf die Kampagne und werde in unregelmäßigen Abständen weiter von unserer Spielrunde berichten.

Artikelbilder: Prometheus Games

 

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