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Dead Reign ist ein Spiel um die Zombie-Apokalypse. Eine spannende und lebendige Idee, die mich als Leser natürlich sofort an Genreklassiker wie 28 Days Later und Resident Evil denken ließ. Und tatsächlich, im Hause Palladium hat man sich reichlich Kreatives zum Thema einfallen lassen. Herausgekommen ist ein Spiel, dessen Stärke im Umgang mit der Zombie-Thematik liegt. Hier wird teilweise sehr innovatives Gedankengut erkennbar. Die Schwächen sind aber nicht zu übersehen. Sie liegen für mich vor allem in einem völlig unlogischen Aufbau des Regelwerkes, gepaart mit einer Spielmechanik, die deutlich an längst vergangene Rollenspieltage erinnert.

Die Spielwelt

Gespielt wird in einer – wie könnte es anders sein – postapokalyptischen Welt. Die Verteidigungskräfte der Menschheit sind einer Zombieplage anheimgefallen. Das gilt für Militär und Polizei genauso wie für Krankenhäuser, Versorgungseinrichtungen und Informationsdienste. In einem Zeitalter, das wie das unsere von Erreichbarkeit und Information geprägt ist, befinden sich die Menschen plötzlich in einer Situation der Isolation. Rundfunk und Internet sind tot und die Notrufhotlines geben nur noch ein trauriges Fiepen von sich. Aber nur, sofern das nun nutzlose Smartphone überhaupt noch über Strom verfügt.

In dieser Trostlosigkeit wandeln die Toten, von einem klaren Ziel angetrieben: den Menschen die Lebenskraft zu nehmen. Denn diese Zombies nagen nicht einfach an Fleisch oder Gebeinen, und sie haben es auch nicht auf die Hirne ihrer Opfer abgesehen. Sie dürsten nach Leben. Sie hungern nach der Kraft, die vergleichbar einer Seele durch die Leiber der Lebenden fließt. So verwandeln sich auch „Gebissene“ nicht binnen Sekunden selbst in Zombies. Nur die, deren Lebenskraft zur Gänze von einem Wiedergänger aufgezehrt wurde, kehren Minuten später zurück. Sie werden zu einem Wesen der zahllosen Schar. Und das ist auch die Stärke der Untoten. Getrieben vom Hunger jagen sie, wie die Tiere. In Scharen versuchen sie ihre Beute einzukesseln und zu zerreißen. Dabei gehen sie sehr unterschiedlich vor.

Dead Reign bietet sieben verschiedene Arten von Zombies an. Von den Humplern über die Kriecher geht es bis zum stumpfen Gewohnheits-Zombie, der dazu verdammt ist stets die gleiche, sinnlose Bewegung zu machen. Aber wirklich gruselig sind die intelligenten Denker, die Zombies mit Verstand und Taktik.

Zombies sind aber nicht die einzigen Gefahren, die die Spieler in dieser Welt erwarten. Nicht alle Überlebenden sind gut, und so finden sich Wegelagerer, Todeskultisten und anderer Abschaum unter denen, deren Körper noch warm sind.

Woher die Bedrohung kommt, ist unklar. Es muss wohl einmal, in einer Vorabversion oder Ankündigung des Spiels im Rifter 40, eine klare Antwort gegeben haben. Demnach soll ein Dämon die Seuche bewusst ausgelöst haben. Da diese übernatürliche Erklärung jedoch bei den Lesern gemischte Gefühle auslöste, entschied man sich, diese in der Endversion nur als eine Möglichkeit von vielen anzubieten. Alternativ könnte ein Pharmakonzern, ein Todeskult, eine einfache Seuche oder die Regierung dahinter stecken. Diese Offenheit begrüße ich, weil sie dem Spielleiter die Möglichkeit offen lässt, ganz nach seinem persönlichen Geschmack, Abenteuer über die Ursache der Bedrohung zu leiten, egal, ob er blanken Realismus oder eine übernatürliche Verschwörung favorisiert.

Und der Job der Spieler in dieser Welt aus leeren Gebäuden und eingefallenen U-Bahn-Tunneln?

Überleben!

Sie sind überall - das Überleben der Menschheit steht auf dem Spiel
Sie sind überall – das Überleben der Menschheit steht auf dem Spiel

Die Regeln

Die Regeln wirken, mit ihrem klaren Fokus auf W20 und ihren endlosen Prozentlisten zu Dingen wie Geisteskrankheiten, Charaktererschaffung und mehr, eher altertümlich. Am leichtesten lässt sich die Schlichtheit, und aus meiner Sicht mangelnde Eleganz des Systems, recht deutlich an den Grundregeln des Kampfes zeigen. Zunächst wird Initiative gewürfelt. Dabei entscheidet, sofern nicht gerade einer von zwei möglichen Skills eingesetzt wird, in der Regel der W20. Die höhere Zahl gewinnt. Anschließend wirft der Angreifer seine Attacke. Bei 1-4 auf W20 geht der Angriff daneben, ansonsten wird automatisch von einem Treffer ausgegangen.

Nun kann der Verteidiger entweder parieren, was ihm in seiner Phase den Angriff bewahrt, versuchen auszuweichen oder sich die gegnerische Waffe zu schnappen. Bei letzteren beiden Aktionen verliert er jedoch seine folgende Angriffsrunde. Gelingt ihm das alles nicht, wird Schaden ermittelt. Mich erinnert dies sehr stark an Rollenspiele vergangener Jahrzehnte. Es ist sicherlich, wie die Autoren angeben, ein erprobtes System. Aber es ist meiner Meinung nach nicht mehr zeitgemäß. Wer Retro-Charme jedoch etwas abgewinnen kann, wird auf seine Kosten kommen. Viel simpler kann ein System kaum gestrickt sein.

Charaktererschaffung

Ich habe etwas gebraucht, bis ich die Charaktererschaffung überhaupt gefunden habe, denn sie taucht, wie alle Regeln, ungewöhnlich spät im Buch auf. Tatsächlich erfährt der Unkundige sogar erst auf Seite 144 was ein Rollenspiel ist. Er ist bis dahin aber schon mit Charakterklasse, Ausrüstungslisten und dem Setting bombardiert worden.Das wirkt wenig durchdacht.

Wie das ganze Regelsystem, mutet auch die Charaktererschaffung altmodisch und wenig zeitgemäß an. So werden zunächst acht Attribute mittels 3W6 bestimmt. Ist das Gesamtergebnis des Wurfes höher als 16, gilt das Attribut als außergewöhnlich und es wird ein weiterer W6 dazu gerollt. Eine 6 bei diesem Wurf führt zu einem weiteren Bonus.

Auch einige, vor allem physische Skills, führen zu Bonuspunkten bei den Attributen. So erhöht zum Beispiel die Fähigkeit „Ringen“ gleich zwei Attribute um jeweils zwei Punkte.

Im zweiten Schritt werden die Trefferpunkte und die strukturellen Schadenspunkte ermittelt. Während ein Schaden an den Trefferpunkten eine ernst zu nehmende Wunde darstellt, sind die strukturellen Schadenspunkte nur vorübergehende Blessuren.

Dann ist wildes Blättern angesagt (weil entsprechende Querverweise schlicht fehlen), denn nun geht es von den 150er Seiten plötzlich zur Seite 70, wo uns die Charakterklassen präsentiert werden. Hier sind einige sehr schöne Ideen vorhanden. Es finden sich die schnittigen, nicht ganz ausgeleerten Halbzombies, natürlich Soldaten und Plünderer, aber auch Hundeführer, Reaper (waffenstarrende Desperados auf einem persönlichen Kreuzzug), oder die Hirten der Verlorenen, also solche, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, den Überlebenden Schutz und Hilfe angedeihen zu lassen. Sehr spannend sind auch die Bürger von der Straße (Ordinary People), deren Berufsfelder von Automechaniker bis Haushälterin, von Landschaftsgärtner bis Bauarbeiter oder von Medienillustrator bis Koch reichen können. Die Klasse bestimmt die Skills und sonstige Boni des Charakters.

Nun noch schnell eine der drei Gesinnungen gewählt, also Gut, Böse oder Egoistisch, und fertig ist der Charakter. Es sei denn, man verspürt in sich den Drang, zurück in die 150er Seiten zu blättern und den Familienstand, die Lebensverhältnisse und den Geburtsrang, oder sonstige Hintergründe, auf den ausgefeilten Prozenttabellen zu erwürfeln.

So cineastisch wird der Kampf in Dead Reign wohl kaum werden
So cineastisch wird der Kampf in Dead Reign wohl kaum werden

Preis-/Leistungsverhältnis

Das PDF wurde zunächst mit 22,95 USD angeboten. Für ein Spiel mit Retro-Charme, dessen Regelwerk ich persönlich nicht stimmig finde, aus dem sich aber für den geneigten Leser sicherlich einige Ideen für andere Systeme herleiten lassen, ist das recht viel. Zumal im Innenteil keine Vollfarbigkeit vorzufinden ist. Mittlerweile liegt der Preis des PDF im Angebot bei 11,49 USD. Diese wäre ich zu zahlen bereit.

Erscheinungsbild

Dead Reign Palladium Review CoverHier kommen wir zu den absoluten Schwachpunkten dieses Spiels. Bei Dead Reign erwartet den Spielleiter und die Spieler bei der Lektüre des Regelwerkes der wahre Albtraum. Sind Cover und Rücken noch farbig gestaltet, versetzt das Schwarz-Weiß-Artwork im Innenteil auch von seiner mangelnden Qualität den Leser in die frühen Zeiten der 1990er Jahre. Schriftarten und Layout sind mehr als schlicht und dienen weder dem Ambiente des Spiels noch der Orientierung des Lesers. Es gibt keine verzierten Seitenränder und keine passenden Schriftarten, anstelle dessen trostloser Blockdruck und sperrige Buchstaben.

Der innere Aufbau ist völlig unlogisch. So bekommt der Leser zunächst das Setting beschrieben, dann die Werte der Zombies, Charakterklassen und Ausrüstung geboten. Erst dann erfährt er, was ein Rollenspiel ist und was es denn nun mit diesen Werten auf sich hat. Dazu kommen dröge, einfach nur heruntergetippte, Tabellen ohne optischen Zierrat oder unterstützende Unterlegungen. Ein Inhaltsverzeichnis ist zwar vorhanden, dafür fehlt aber ein Glossar bzw. ein alphabetischer Index völlig. Stattdessen erhält man eine sehr kurze Quickfind Tabelle. Alles wirkt lieblos und altbacken.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Palladium Books
  • Autor(en): Kevin Siembieda
  • Erscheinungsjahr: 2008
  • Sprache: Englisch
  • Format: A4
  • Seitenanzahl: 224
  • ISBN:978-1-57457-140-0
  • Preis:11,49 USD
  • Bezugsquelle: DriveThruRPG

 

Fazit

Dead Reign ist ein Zombie-Apokalypse-Spiel, in dem sehr viele schöne Ideen Einzug gehalten haben. Wer es mag, sich dem nackten Kampf ums Überleben zu stellen, kann sich hier gegen die Heerscharen der Untoten stellen und seine Lebensenergie verteidigen oder Häschern der Todeskulte entrinnen. Dabei erwartet den Spieler ein schönes Setting, das sich aber im Kleid eines völlig antiquierten Regelsystems und vor allem eines albtraumhaft schlechten Layouts und Designs verbirgt.

Mag das Regelsystem noch Geschmackssache sein und unter Rollenspielern der alten Schule vielleicht sogar positiv aufgenommen werden, so ist die Handhabung und die mangelnde innere Logik des Buches an sich nicht akzeptabel. Gerne würde ich für das Setting eine positivere Wertung geben. Vielleicht lässt sich das Buch als Inspirationsquelle für andere Systeme nutzen. Alleinstehend taugt es aus meiner Sicht nicht viel.

Der Ersteindruck basiert auf der Lektüre des Regelwerks.

Daumen2maennlichNeu

Artikelbilder: Palladium Books
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt

 

3 Kommentare

  1. Ja, das Regelsystem klingt nach den bekannten, seit mehr als 25 Jahren nahezu unveränderten Palladium-System. Oder gibt es irgendwo kleine Anpassungen, Zugeständnisse an moderne Entwicklungen, wie es der immer noch im Trend liegende Hintergrund ja ist? Es ist meines Wissens nach ziemlich lange her, dass sich Palladium mit einer komplett neuen Reihe auf den Markt begeben hat und dann ist da noch die Savage Worlds-Variante von RIFTS…

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