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In Dungeon Lords dürfen wir uns endlich einmal böse austoben! Jeder schlüpft in die Rolle eines Verliesbesitzers mit drei Gangabschnitten. Das ist nicht viel, aber wir schicken unsere Handvoll Diener aus und erweitern unseren Dungeon um neue Gänge und Kammern, spicken ihn mit Fallen und laden furchtbare Monster (und Geister…) als Wächter ein. Natürlich verbreitet sich unser übler Ruf und lockt Helden aus der nahen Siedlung an.

Ihr Versuch, unseren Sitz dunkler Geheimnisse dem Erdboden gleichzumachen, endet natürlich in unseren Kerkern, wo sie den Rest ihres kurzen Daseins dahinvegetieren… Zumindest, wenn wir fähige Verliesverwalter sind, die Konkurrenz in Gestalt unserer Mitspieler geschickt vorführen und am Ende auch die Beamten des Ministeriums für Verliesangelegenheiten überzeugen können: Denn nur wer den größten, besten, bösesten und überhaupt den dollsten Dungeon errichtet hat, wird von ihnen zum Underlord befördert und gewinnt das Spiel!

Spielablauf

Zwei Jahre haben die Spieler Zeit, ihren Dungeon auszubauen. Jedes Jahr besteht aus – wer hätte das gedacht – vier Jahreszeiten (=Runden) in denen jeder Spieler genau drei Befehle ausspielt:

  • Nahrung beschaffen
  • die „Reputation verbessern“ (eigentlich die Dorfbewohner in Ahnungslosigkeit wiegen und dabei ausspionieren)
  • neue Tunnel graben
  • in den Tunneln nach Gold graben
  • neue Kobolde anheuern
  • Fallen kaufen
  • Monster (und Geister) anwerben
  • Kammern errichten (die im Wesentlichen Produktionsstätten sind)
Befehlsset für den blauen Spieler
Befehlsset für den blauen Spieler

Jeder der Befehle hilft uns, unseren Dungeon zu vergrößern, zu bevölkern oder zu beschützen und je nach Strategie und Gegebenheiten braucht man einige Aktionen häufiger als andere. Wer z.B. viele Monster in seinem Dungeon unterbringen will, wird eher Nahrung brauchen als ein Spieler, der sich mit Fallen ausstattet.

Und hier wird das Spiel schon knifflig: In jeder Runde wählen die Spieler ihre drei Befehle verdeckt in der von ihnen bestimmten Reihenfolge. Das ist wichtig, da alle Lords ihre Verbesserungen aus denselben Quellen beziehen und damit Timing ein entscheidender Faktor wird. Sehr schön illustriert die Spielregel das am Beispiel der Nahrung: Während der erste Kobold Essen in der Siedlung der Menschen noch kaufen kann (also ein Gold abgibt), muss der zweite schon ordentlich drohen (behält dafür das Gold, verschafft seinem Lord aber einen „böseren“ Ruf). Und der dritte Kobold muss den Drohungen schließlich Taten folgen lassen (was dem Lord einen richtig bösen Ruf verschafft! Aber dafür findet der Kobold neben dem Essen in den verwüsteten Marktständen auch noch das Gold vom ersten Kobold…). Und der Kobold des vierten Lords? Wo nichts ist, ist auch nichts zu holen.

Je nach ihren Bedürfnissen müssen die Spieler also versuchen, ihre Befehle früher oder später zu wählen und auch noch einschätzen, welche Pläne die Konkurrenz verfolgt. Wer volle Goldkammern hat, zahlt auch gerne mal für das Essen, wer jedes Kupferstück dreimal umdreht, nimmt lieber den schlechten Ruf in Kauf. Nimmt lieber den schlechten Ruf in Kauf? Ist ein schlechter Ruf nicht ein guter Ruf? Ja, schon, nur sind da ja noch die Helden…

Zwischen den Jahreszeiten wird für jeden Spieler aus dem Heldenstapel eine Karte aufgedeckt. Die Karten zeigen stärkere oder schwächere Helden an. Auch ein (eigentlich immer schlechtes) Ereignis wird aufgedeckt, um den Spielern noch das letzte Körnchen Können abzuverlangen. Zwei Jahreszeiten hat jeder Dungeon Lord Zeit sich vorzubereiten. Die Ereignisse werden dann abgehandelt (z.B. verfault ein Teil der Nahrung oder Steuern an das Ministerium werden fällig), während sich die Gruppe auf die Lords verteilt: der stärkste Held macht sich auf den Weg zum aktuell bösesten Lord, der schwächste zum… wenigsten bösen Lord. Vor den Eingängen warten die Helden auf weitere Recken, bis sich zum Ablauf des Jahres vor jedem Dungeon eine Gruppe aus drei Helden zusammengefunden hat. Zur richtigen Zeit böse zu sein lockt also die „Wunschtruppe“ an, gegen die sich der Lord besonders gut zur Wehr setzen kann. Wer hingegen zu böse war, der lockt den Paladin an, und der ist dann richtig sauer.

Einmal komplett, zieht die Gruppe in den Dungeon, um ihn einzureißen. Der Kampf läuft wie schon das Jahr über (maximal) vier Runden. In jeder Runde dringt die Gruppe tiefer in den Dungeon vor und hinterlässt dabei nur eingestürzte Wände und sonnengeflutete Kammern. Je nachdem, wie gut der Lord im Jahr zuvor geplant hat, kann er die Gruppe leicht zurückschlagen oder darf froh sein, wenn wenigstens die hintersten Ecken noch stehen. So sind Fallen nutzlos, wenn die Gruppe starke Diebe hat und die eigenen Vampire werden streiken, wenn sie gegen Priester kämpfen müssen. Geht alles gut, sind die Helden besiegt und eingekerkert, ansonsten haben sie nach der vierten Runde genug geplündert und kehren in die Stadt zurück (natürlich um den Winter über zu trainieren und im zweiten Jahr noch stärker wiederzukehren).

Einige Monsterkarten, einige Fallenkarten
Einige Monsterkarten, einige Fallenkarten

Das zweite Jahr verläuft im Prinzip wie das erste, nur, dass die Lords inzwischen (hoffentlich) einen besser ausgestatteten Dungeon besitzen, stärkere Monster anwerben können und am Ende auch gegen stärkere Helden kämpfen.

Ist auch das zweite Jahr überstanden, kommt der „Inspektor des Ministeriums für Verliesangelegenheiten“, um aus den vier Lords den Underlord zu küren. Dabei bewertet er zahlreiche Qualitäten: Wer hat die meisten Tunnel, den größten Reichtum, den bösesten Ruf, wessen Kammern quellen vor Kobolden über und wessen Kerker mit gefangenen Helden? Weniger gern sind eingerissene Teile des Dungeons gesehen und führen zu Abzügen in der B-Note. Wer bei dieser Beurteilung am besten abgeschnitten hat, darf sich als neuer Underlord mächtig etwas darauf einbilden!

Mir macht Dungeon Lords richtig Spaß. Nicht nur fordert es laufend mitzudenken, abzuwägen und zu beobachten, was die Nachbarlords so treiben. Durch die immer neue Auslage des Spielmaterials ist es kaum möglich, eine Standardstrategie zu verfolgen. Dabei ist es durchweg witzig und parodiert wunderbar viele Dungeoncrawler-Klischees. Gelingen die eigenen Pläne dann auch noch so gut, dass man es sich leisten kann, die stärksten Helden anzulocken, dann darf man sich zu Recht als mächtiger Strippenzieher fühlen, der das Schicksal der Menschheit in seiner Hand hält!

Das Spiel ist allerdings vor allem für vier Spieler ausgelegt, da die Befehlsphase nur sinnvoll funktioniert, wenn auch wirklich um die verschiedenen Aktionen konkurriert wird. Dem wird durch gelungene Regelvarianten für das Spiel zu dritt oder zu zweit ausgeholfen (im Wesentlichen werden für die fehlenden Spieler zufällig Befehle verteilt), dennoch ist die Idealbesetzung zu viert. Zu Guter Letzt muss man noch klarstellen, dass das Spiel trotz Witz eine fordernde Dungeonsimulation ist. Die Helden werden den Spielern fast immer einige (oder auch einige mehr) Abschnitte kurz und klein schlagen und wer mehrere Fehlentscheidungen getroffen hat, kann auch schon mal seinen kompletten Dungeon in Schutt und Asche liegen sehen und mit Minuspunkten aus dem Spiel gehen. Wer es lieber einfach mag, kann da schon seine Frustmomente erleben.

Ausstattung

CZ012_Dungeonlords_Cover500Zu seinem Flair trägt erheblich auch die Ausstattung von Dungeon Lords bei: Die verschiedenen Pläne sind detailverliebt und stimmungsvoll gezeichnet, die Heldenkarten sind passend zu ihrer Stärke illustriert und nehmen typische Charakterklischees aufs Korn. Die kleinen Kobolde aus Spritzguss sind so niedlich wie kleine fiese Gremlins, Karten und Plättchen aus festem Karton und kräftiger Pappe, Marker und Holzfiguren passen zum Spiel.

Besonders hervorheben muss man hier die Spielregeln: Zum einen sind sie sehr detailliert und führen auch Anfänger behutsam in die doch komplexen Möglichkeiten des Spiels ein. Die beiden „Coaches“ verdeutlichen dabei mit Beispielen und Klarstellungen herrlich witzig die Abläufe. Der kleine Diener pedantisch genau, während der Dämon die Dinge mit wenig Worten auf den Punkt bringt.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Heidelberger Spieleverlag / Czech Games Edition
  • Autor(en): Vlaada Chvatil
  • Erscheinungsjahr: 2009
  • Sprache: Deutsch
  • Format: 29,8 cm x 29,6 cm x 7,4 cm
  • ISBN/EAN: B002USCG2A
  • Preis: 39,95 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Preis-/Leistungsverhältnis

Dungeon Lords ist reichhaltig ausgestattet, macht viel Spaß und ist jedes Mal eine neue Herausforderung. Für ca. 40 EUR UVP gibt es da keinen Grund zu meckern.

Bonus/Downloadcontent

Im Spiel gibt es noch einige Gegenstände, zu denen keine Regeln beigelegt sind. Diese wurden erst später hinzugefügt und sind hier zu finden.

Darüber hinaus hat es Dungeon Lords zu einer Erweiterung gebracht: „Die fünfte Jahreszeit“, die zwar einige gelungene Elemente beifügt, das Spiel insgesamt aber chaotischer und weniger planbar macht.

Fazit

In Dungeon Lords werden die Spieler zu Bösen Meistern eines Verlieses, die gegeneinander antreten, um den besten aller Dungeons zu bauen. Über Aktionsfelder verbessern die Spieler ihre Verliese und müssen dabei die Pläne ihrer Mit-Lords einschätzen können, um nicht plötzlich auf ein ungewolltes Feld verdrängt zu werden. Zur Hälfte und am Ende des Spiels müssen sich die Spieler gegen Helden wehren, die versuchen, den Dungeon wieder einzureißen.

Das Spiel sprüht vor Ironie und Witz und nimmt diverse Klischees ordentlich auf die Schippe. Trotzdem fordert es den Spielern einiges Können ab. Wer wenig Erfahrung mit komplexen Spielen hat sollte es sich daher nicht zu Herzen nehmen, wenn er das Spiel mit Minuspunkten beendet, sondern sich herausgefordert fühlen. Es lohnt sich!

Daumen5maennlichNeu

Artikelbilder: Heidelberger Spieleverlag
Fotografien: Detlef Schroedter

 

 

4 Kommentare

  1. Ich muss sagen, ich LIEBE Dungeon Lords. Ich habe zwar in meinen Spielrunde immer schon einmal gehört, dass es teilweise nicht so gut ankam, aber ich denke, da ist viel Geschmackssache. Spielerisch gesehen ist es, wie du schon beschreibst, ziemlich anspruchsvoll und wird in meinen Augen auch nach vielen Runden nicht langweilig.
    Diejenigen, die sich schon einmal durch die unglaublich witzig geschriebene Anleitung gekämpft haben, mussten vermutlich wie ich bei der Formulierung „Monster (und Geister…)“ kurzzeitig lachen.
    Ich denke irgendwann werde ich auch nochmal über Dungeon Lords schreiben, das muss einfach sein, es ist so unglaublich genial und bringt neben dem anspruchsvollen Spielverlauf (man hat immer zu wenig Zeit für alles, und man muss ja noch, und das hat man auch noch vergessen, und dann kommt da ja in zwei Jahreszeiten… och nee….) immer wieder Witz und Spaß mit rein.
    Ich zitiere mal einen Mitspieler: „Achjeh… so lieb wie du bist, hast du vermutlich nicht nur VOR, sondern auch IN deinem Dungeon Gänseblümchen stehen? Ih pfui….“

    Auch von mir eine absolute Empfehlung, sofern man nichts gegen etwas aufwändigere Regeln und Komplexität hat. TOP!

  2. Das stimmt natürlich, ein Spiel kann geradezu perfekt sein und dennoch nicht jedem gefallen. Bei aller Klasse, die Dungeon Lords hat, bleibt es doch Geschmackssache. Zum einen ist es halt ein Optimierungsspiel: Am Ende hat irgendjemand am meisten Punkte – egal, ob es nun 5 oder 30 sind – und gewinnt damit. Für Spieler, die gerne konkrete Ziele mögen, kann sich das schnell zu vage und unverbindlich anfühlen. Und Dungeon Lords entfaltet seine ganze spielerische Tiefe auch erst, wenn man beginnt, die Züge der Mitspieler wirklich mitzuverfolgen. Wer lieber „gemütlich vor sich hinbaut“ wird daran aber wohl auch keinen so großen Spaß haben.

    Ich weiß nicht, ob Du Euphoria kennst; ebenfalls ein Worker Placement, diesmal in einem ironisch-dystopischen Setting. Der rudimentäre Kern ist geradezu langweilig (Sammle Grundwaren, veredle diese und tausche sie schließlich in Siegpunkte). In dem Spiel steckt aber ein sehr cleverer Mechanismus, über den man seine Arbeiter zurück erhält. Entweder man ruft sie zurück (was eine Aktion verschwendet), oder sie werden von einem Arbeiter der nächsten Schicht (also, wenn ein ein Mitspieler das Aktionsfeld für sich beansprucht) nach Hause geschickt und stehen im nächsten Zug wieder sofort zur Verfügung. Ein besetztes Feld für sich zu beanspruchen mag dem Mitspieler also mehr helfen, als die Nutzung einem selbst hiflt. Ein toller Interessenkoflikt – wenn man sich auf die Züge der anderen Mitspieler einlässt und eben nicht einfach nur „gemütlich vor sich hinbaut“.

  3. Was Dungeon Lords angeht hast du vollkommen recht, vielleicht könnte man das sogar so polarisierend sagen, entweder man beginnt Dungeon Lords zu lieben, oder es schafft es schlicht und ergreifend nicht nach oben auf der „Am-häufigsten-gespielt-Liste“ ;-)

    Euphoria kenne ich bisher leider noch nicht, der Mechanismus klingt aber durchaus spannend. Wobei ich auch auch sagen würde, dass das häufig sogar ein Problem ist, da (zumindest meiner Erfahrung nach) viele Spieler immer so extrem auf sich selbst fokussiert sind, dass sie entweder gar keine Zeit dafür haben, die anderen zu beobachten, oder es „einfach nicht auf dem Schirm haben“, dass das ganze Spiel (mal total dahin gestellt welches) eigentlich erst dann anfängt zu leben, wenn man passiv interagiert, sich anpasst und das Einschätzen lernt.
    Das scheint für einige zu abstrakt zu sein, wodurch es dann schnell scheint als wäre das Spiel total langweilig, oder unberechenbar.

  4. Eine polarisierende Meinung zu dem Spiel habe ich tatsächlich noch nie gehört. Natürlich gibt es Spieler, denen das Spiel einfach zu komplex ist, aber das gilt dann auch für andere komplexe Spiele. Und ich habe einige Stimmen gehört, die das Spiel „okay“ fanden, aber mehr nicht. Wenn ich versuche einzuschätzen, warum das Spiel bei den Spielern nicht gezündet hat, dann würde ich sagen, es liegt daran, dass es trotz des wunderbaren Settings halt doch ein Eurogame ist bzw. das oben erwähnte klare Ziel vor Augen fehlt. Aber ein klares: „Ne, das mag ich nicht, sonst ja gerne, aber das nicht!“ ist mir noch nicht untergekommen.

    Darüber hinaus stimme ich dir bei der Aussage zum passiven Interagieren absolut zu. Ich kenne nicht wenige Spieler, die letzlich jedes Spiel alleine spielen (und auch wenn es so klingt, meine ich das nicht herablassend. Am Ende hat da halt jeder seine Vorlieben und die eine ist nicht besser als die andere). Da fällt es den Mit-Spielern schon allein deswegen schwer, passiv zu interagieren, weil Züge schon begonnen werden, während der vorige Spieler noch am Abhandeln ist und generell sehr still gespielt wird, so dass die „Spielbeobachtung“ mehr Arbeit als Spaß wird. Auf Nachfragen hat sich dann oft gezeigt, dass dahinter tatsächlich (auch) Gewinnkalkül steckt: Informationen über den eigenen Zug öffentlich zu machen schmälert schließlich die eigene Siegeschance (und auch wenn ich immer noch sage: „Jeder wie er mag“, sage ich es hier schon mit gerümpfter Nase). Das ist dann irgendwo sogar eine Frage der Spielkultur!

    Tolle Überleitung, nicht? :D Ich glaube, Du bzw. ihr wart doch schon mal beim Mittwochstreffen der Spielkultur Hamburg? Ich bin zurzeit zwar zeitlich etwas eng beschnitten, aber vielleicht kriegen wir da ja mal eine Partie Dungeon Lords oder auch Euphoria zustande?

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