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Manchmal wirken Priester wie Magier, die beten statt zu zaubern. Doch priesterliche Konzepte bieten so viel mehr und können eine Bereicherung für jedes Setting darstellen. In unserem nächsten Teil zu Stereotypen im LARP werfen wir daher einen Blick auf Priester und einige ihrer Standesgenossen.

Ebenfalls erschienen in der Serie „Stereotypen im LARP“:

Der Begriff „Priester“ wird synonym für alle Varianten von Priestern im Text verwendet. Schamanen, Geweihte oder Goden sollen sich also nicht ausgeschlossen fühlen. 

Priester gehören seit jeher zum festen Repertoire von Stereotypen in LARP und Rollenspiel.

Nahezu jedes Rollenspielsystem kennt die Klasse eines Priesters oder Klerikers. Eine sehr umfassende Definitio von Glauben und Priesterkonzepten findet man in einem der beliebtesten Systeme: Das Schwarze Auge. Aber egal ob Pen&Paper, MMORPG oder LARP, Priester sind nicht aus den Settings wegzudenken. Werden sie in manchen Systemen und Settings eher als eine Variante von Magiern bespielt, wächst in den letzten Jahren die Anzahl derer, die Priester eher klassisch spielen. Aber was bedeutet „klassisch“?

Priester in der Realität und im Rollenspiel

In ihrer Grundintention haben Priester in der Realität und im Rollenspiel immer dieselben Aufgaben. Vereinfacht gesagt sind sie Mittler zwischen einer übermenschlichen, göttlichen Instanz und den Menschen. Ihre Dienste sind dabei vielfältig und unterscheiden sich je nach Religion, Kultur und Konzept. Doch was immer bleibt, ist der Status als Mittler.

Zu ihren wichtigsten Aufgaben gehört damit die Verkündung göttlichen Willens oder auch Wissens. Nicht selten sind sie aber auch Berater in allen Lebenslagen und haben ein besonderes Augenmerk auf das seelische (und manchmal sogar körperliche) Heil ihrer Schäfchen. Priester waren somit auch oftmals die Vorgänger heutiger Psychotherapeuten.

Die dritte, sehr weltliche Pflicht, besteht in der Verwaltung der Gemeinde oder des Kultes inklusive seiner Tempel und Kirchen.

Dazu kommen noch viele weitere untergeordnete Aufgaben, wie das Abhalten von Messen und Ritualen, die Entwicklung der Glaubensdoktrin oder Spezialisierungen wie die Inquisition. Letztere werden wir in einem gesonderten Artikel behandeln.

Klassisch bedeutet also tatsächlich, nach der oben erwähnten Grundintention zu spielen, und weniger als Variante eines Magiers. Gerade eine Fokussierung auf andere Aufgaben als das Wirken von Wundern kann ganz erheblich zur Immersion und Aufwertung des Settings beitragen.

Das soll einen aber auch nicht vom Plot fernhalten. Priesterschaft und Plot lassen sich oft ganz wunderbar verbinden, und auch die Literatur liefert hier mit Der Name der Rose oder Pater Brown spannende Vorbilder.

Vorbilder des Glaubens

Wenn auch sicher nicht abschließend, soll hier eine Liste mit möglichen Konzepten vorgestellt werden, die als Anregung dienen darf. Auch bei Priesterkonzepten bietet es sich an, mit Stereotypen zu arbeiten um seinem Gegenüber das Anspielen zu erleichtern. Wenn ich OT erkenne, was ich vor mir habe, kann ich damit in der Regel passender reagieren.

Priester/Geweihte

Innerhalb der großen Gruppe der Kleriker ist dies wohl das Stereotyp schlechthin. Man erkennt ihn bereits an seiner Gewandung, und er geht den oben beschriebenen klassischen Aufgaben nach.

Selten wird man ihn (oder sie) in Rüstung sehen und nicht häufiger bewaffnet, denn sein Schwert und Schild ist der Glaube. Doch auch in der wahren Geschichte gibt es hier Ausnahmen: Der berüchtigte Kardinal Richelieu nahm regelmäßig an Feldzügen teil und trug dabei auch Rüstung.

Dennoch bietet es sich, um Rollenklischees zu bedienen, an, darauf zu verzichten. Wer dennoch in den Krieg ziehen möchte, dem sei der Kriegspriester empfohlen.

Exkurs: Kriegspriester/Der Hetzer

Kriegspriester werden auch schon mal als stählerne Faust des Glaubens bezeichnet. Das Stereotyp für diesen Kleriker stellt wohl der Warhammer-Priester dar. Sei es in Fantasy oder Science-Fiction – schwer bewaffnet mit fanatischem Eifer schlägt er mit Waffe und Wort Breschen in die Reihen der Feinde. Aber auch in der Historie finden wir eine Form der Kriegspriester. Gerade während der großen Kreuzzüge wurden selbige von mehreren Priestern begleitet, die nicht nur für das Seelenheil und die Verbreitung der Doktrin sorgten, sondern mit flammenden Predigten die Truppen auf das blutige Gemetzel vorbereiteten.

Exkurs: Wanderprediger

Etwas ruhiger, aber nicht weniger umtriebig, sind Wanderprediger. Grade aus der wahren Geschichte und DSA sind diese Zeitgenossen bekannt. Es treibt sie von Ort zu Ort, um das Wort des Glaubens zu verkünden, und an einem Ort verweilen sie selten allzu lange. Für das Rollenspiel sind sie durchaus prädestiniert, da sie keine feste Gemeinde oder Kult haben müssen, den es zu betreuen gilt.

Priester zwischen den Welten

Eine zweite große Gruppe stellen Kleriker dar, die ihren Fokus ganz besonders auf einen Weg zwischen den Welten gelegt haben. Hier finden sich viele Naturreligionen ebenso wieder wie antike Konzepte. Dieser Typus wird weniger eine Doktrin vermitteln oder entwickeln, als sich ganz auf die Mittelung zwischen der göttlichen Instanz und den Gläubigen konzentrieren.

Voodoo-Priester

Ein wahres Aufblühen im Rollenspiel erlebte dieser Typus durch die Fluch der Karibik-Reihe. Doch auch James Bond machte in den 70ern Bekanntschaft mit dem unheilvollen Baron Samedi.

Voodoo ist eine monotheistische Vermischung verschiedener Religionen und stammt ursprünglich aus westafrikanischen und kreolischen Ländern. Da ein direkter Kontakt zu Gott nicht möglich ist, nutzt man sogenannte Loa, göttliche Geistwesen, die Dinge zu- oder zuungunsten der Gläubigen verändern können. Voodoo-Priester unterteilen sich in drei Kategorien: Mambos, Priesterinnen die sich überwiegend mit weißer Magie beschäftigen; Houngans, ihr männliches Pendant; und Bocore, die sich vorwiegend schwarzer Magie zugetan fühlen. Es kommt bei Voodoo-Priestern also durchaus zu einer Überschneidung mit Magiern. Hauptzweck ist dabei die Heilung von Gläubigen, sowohl seelischer als auch körperlicher Art. Dazu kommt noch Traumdeutung als Kontaktform zur göttlichen Instanz sowie das Bereiten von Tränken oder Zaubern.

Das Amtsinsignium von Mambos und Houngans ist eine Rassel. Wird diese gerade nicht benötigt, wird sie im Tempel aufbewahrt.

Schamane

Wenngleich der Begriff Schamane erst seit dem 17. Jahrhundert gebräuchlich und von sibirischen Völkern entlehnt ist, gibt es spirituelle Experten als Vorläufer heutiger Priester vermutlich schon seit der Mittelsteinzeit. Doch gerade bei indigenen Gesellschaften spielen sie auch heute noch eine Rolle. Wer sich also kulturell eher an einer indigenen Gesellschaft orientiert, wird nicht um den Schamanen herumkommen. Predigten und große Messen sind nicht seine Stärke, aber der Kontakt zu Geistern, Ahnen und göttlichen Instanzen, gerne auch unter Einfluss von Rauschmitteln, hingegen schon. Er kommt einem Lebensberater damit sehr nahe. Seine Aufgabe ist die Bewahrung von Tradition, Kontakt zu Geistern oder göttlichen Instanzen, sowie die Beratung in allen Lebenslagen. Seine Autorität entspringt dabei keiner institutionalisierten Form des Glaubens, sondern einzig seinen Fähigkeiten und der dadurch erfolgten Berufung durch die göttliche Instanz direkt.

Gode

Das Godentum war vor allem in Island verbreitet. Goden waren aber nicht nur für die Fragen des Glaubens zuständig, sondern hatten auch Regierungsgewalt über bis zu 100 Höfe. Wie die späteren christlichen Fürstbischöfe einten sie auf sich weltliche und kirchliche Gewalt, wobei hier nicht von einer institutionalisierten Kirche gesprochen werden kann. Wie bei nordischen Völkern üblich, drehte sich viel um Ahnenkult und Geister. Dass ein Gode auf Reise geht, ist also eher unwahrscheinlich, aber als Inspiration kann er allemal dienen. Vielleicht ist er mit seiner ganzen Sippe unterwegs, weil sie zum fahrenden Volk gehören?

Tempelpriester

Tempelpriester waren besonders in der Antike verbreitet. Ihre Aufgabe bestand vor allem in der Verwaltung des jeweiligen Kultes und dazugehörigen Tempels. Auch bei den Kulturen Süd- und Mittelamerikas war das die verbreitetste Form des Priestertums. In vielen Fällen waren die Priester weiblich und immens einflussreich, dienten sie doch auch den Herrschern als Berater, da nur sie den direkten Kontakt zu den Göttern hatten.

Exkurs: Orakel

Eine besondere Form des Tempelpriesters waren Orakel. Ihre göttlich induzierte Vorhersehung war entscheidend für politische und militärische Handlungen. Durch Rauschmittel wurden Visionen erzeugt, oder man las in der Leber von Opfertieren. Auch der Vogelflug spezieller Arten sollte Auskunft über göttlichen Willen und die Zukunft geben. Die Einsatzmöglichkeiten im Rollenspiel sind hier vielfältig und können zum Beispiel von einer SL genutzt werden, um ohne direkten Eingriff in den Spielfluss das Geschehen in eine bestimmte Richtung zu lenken.

Der Priester im Spiel

Der Priester im Spiel lebt von einer Gemeinde, welcher er seine Dienste angedeihen lassen kann. Ob dies nun die eigene Spielergruppe ist oder andere Spieler bzw. NSC, spielt eine untergeordnete Rolle. Die Stärken des Charakters sind vielseitig, benötigen aber immer ein Publikum, das diese einfordert. Sowohl als Lebensberater als auch als Prediger benötigt der Klerus Spieler, die ihm ermöglichen, diese Aufgaben wahrzunehmen. Damit ist dieser Charaktertyp deutlich mehr auf Kooperation ausgelegt als viele andere Typen. Der Waldläufer kann auch alleine durch die Wildnis ziehen und daran Freude haben. Ein Kleriker wird allein weniger Spielspaß finden.

…am Spieltisch

Eine große Bühne kann er hier selten erwarten. Es geht mehr um das intime Spiel mit seiner Gruppe und gelegentliche Screentime durch den Spielleiter. Aber vor ein paar Leuten eine große Rede zu halten wird selten dieselbe Dynamik erzeugen, wie vor einigen Dutzend oder gar hundert Spielern.

Das schränkt den reinen Ambientekleriker deutlich ein. Daher wird man diesen Typus eher selten finden. Aber auch hier kann der Fokus auf Unterstützung der Gruppe und moralischem Beistand liegen. Eine flammende Predigt vor der Schlacht verfehlt auch am Tisch nicht ihre Wirkung.

…im LARP

Im LARP stehen Priestern und ihren Standesgenossen im Grunde alle Türen offen. Einschränkungen, bis auf die üblichen im LARP, gibt es hier nicht. Hier besteht die Schwierigkeit eher darin, den für sich geeigneten Spielstil zu finden. Darüber hinaus wird man öfter in Konflikte geraten, denn die Glaubensrichtungen im LARP sind vielfältig. Aber darauf sollte man sich durchaus einlassen, bieten doch Konflikte die besondere Würze im LARP, und es gibt fast keinen schöneren Streitpunkt als den cooleren imaginären Freund. Doch wie bei jedem Konflikt sollte das Spiel allen Beteiligten Spaß und einen Ausweg bieten. Nicht selten trifft man auch auf LARPer, die mit Glaubensspiel nichts anfangen können oder dem sogar ablehnend gegenüberstehen. Hier sollte man Rücksicht nehmen, aber ebenso gilt dies umgekehrt. Ein Spieler kann nichts über die OT-Abneigung wissen, also sollte man ihm daraus keinen Strick drehen. Auch wenn sich so Probleme schnell lösen lassen, sollte man sich als Neuling im Klerusspiel dessen bewusst sein.

Praxistipps

Gewandung

Ob armer Bettelbruder oder wohlhabender Kirchenmann, die Gewandung trägt erheblich dazu bei, dass Außenstehende eine bestimmte Rolle als solche wahrnehmen. Stereotype Gewandung erleichtert dem Gegenüber das Spiel. Inspiration gibt es dabei reichlich in Film, Fernsehen oder Rollenspiel. Einige Beispiele, die der Inspiration dienen können, haben wir in der Artikelgalerie.

Magier versus Priester

Bei manch einem Kleriker hat man im Rollenspiel eher das Gefühl, einen Magier vor sich zu haben, der statt Zauberformeln Gebete rezitiert. Da fliegt Feuerball um Feuerball, es wird analysiert, bis der Karmapool erschöpft ist, und Windstöße räumen das Schlachtfeld leer. Sicher gibt es einige Gottheiten, die der Magie sehr zugetan sind, da liegt es in der Natur der Religion, dass auch der Priester eine Grundbildung in magischen Fragen hat. Ob ein Priester dennoch wie ein Magier gespielt werden muss, darf hinterfragt werden. Wunderwirken gehört grade bei Fantasypriestern zum Repertoire, sollte aber, um den Unterschied zum Magier zu betonen, vielleicht dosierter eingesetzt werden. Das Schwarze Auge bietet hier eine schöne Idee, wie man das umsetzen kann.

Predigten

Eine der herausragenden Möglichkeiten für Priesterspieler, sich in Szene zu setzen und viele Spieler dabei einzubinden, sind Predigten. Der Fachbegriff für die Lehre, die sich mit Predigten auseinandersetzt, ist die Homiletik. Auch wenn vor allem im Christentum und dem Islam die Predigt ein integraler Bestandteil von Gottesdiensten ist, bietet sich gerade in LARP und Rollenspiel diese klerikale Königsdisziplin auch für alle anderen priesternahen Konzepte an. Predigten haben in der Regel ein moralisches Momentum und können im Rollenspiel sowohl sinnstiftend wirken als auch besondere emotionale Situationen erzeugen beziehungsweise unterstützen. Wer mehr über Predigten LARP erfahren möchte, wird in einem unserer Artikel fündig.

Selbstkonzipierte Religion versus bespielte Religion

Vorteile und Nachteile mögen bei diesem Thema auf der Hand liegen. Doch für ein vollständiges Bild lohnt sich eine Betrachtung.

Der wohl größte Vorteil der selbstkonzipierten Religion liegt darin, dass man bis in die kleinsten Details fit ist, und egal, was man im Rollenspiel plötzlich neu erdenken muss, es wird sofort zur Doktrin. Ein weiterer, nicht unerheblicher Vorteil ist, dass niemand anderes einem in sein Konzept redet. Nie wird jemand sagen „Du spielst das nicht richtig.“ oder eine andere Interpretation bespielen. Man hat stets die Deutungshoheit, was auch mit sich bringt, dass Erwartungen nicht enttäuscht werden. Schließlich wird die Masse der Spieler nicht mit dem Glauben OT oder IT vertraut sein. Da kommt auch schon ein Nachteil ins Spiel: Man wird genau deswegen auch ziemlich sicher nie oder nur extrem selten auf Gläubige der selbst erfundenen Religion treffen. Wenn man einen eher klassischen und auf Ambientespiel bedachten Ansatz für seinen Priestercharakter wählt, lebt die Rolle auch von Gläubigen, denen man seine Dienste angedeihen lassen kann. LARP-Ökumene hin oder her, wenn möglich, nehme ich auch im Rollenspiel den eigenen Priester statt irgendeines Fremden. Mit dem Seelenheil ist schließlich nicht zu spaßen.

Bei bereits bespielten Religionen wird man immer wieder auf Gläubige treffen, und der Aspekt der Gemeinschaft wird sofort zu einem Vorteil, auch wenn ich die Charaktere noch nicht kenne. Zudem habe ich schöne neue Anspielpunkte. Nachteil ist hier, dass ich von Beginn an eingeschränkt werde. Die Glaubensdoktrin ist bereits ausdefiniert und geht mit IT- und OT-Erwartungen einher, die schnell mal zu Unmut führen können.

Welche Variante man auch wählt, man sollte sich der Vor- und Nachteile bewusst sein und erwägen, was zu seinem Spielstil am besten passt.

Gedanken zum Schluss

Priesterkonzepte bieten dem Spieler vielfältige Möglichkeiten, sich am Tisch und im LARP einzubringen: vom reinen Ambientecharakter über den plotlösenden Detektiv bis hin zum schwertschwingenden Kriegsprediger. Zudem bietet dieser Charaktertypus den großen Vorteil, von Haus aus integrativ zu wirken oder Konflikte zu schüren oder gar als Antagonist zu wirken. Besonders fanatische bzw. intolerante Konzepte eignen sich jedoch in der Regel nur in geschlossenen Settings oder als NSC, sind sie in offenen Settings als Spieler doch kaum umsetzbar. Wer sich für einen Glauben entscheidet, der einen deutlichen Exklusivitätsanspruch beinhaltet, wird also immer eine Gratwanderung vollziehen müssen, um seinem Konzept auf der einen Seite nicht untreu zu werden, aber auf der anderen Seite keinen Frust zu produzieren.

Wer also einem Setting mehr Spieltiefe verschaffen und eine Welt lebendiger wirken lassen will, wird mit einem klerikalen Charakter viele Ansätze finden.

Bilder: © Lenora Gewandungen, Moritz Jendral Photography, Fotografie Sebastian Hilpert, Martha Moeller, EsoAndy, Ingo, Witiko Lyn-x, Nabil Hanano, Wyvern e.K., Das Pantherbanner, Sanjalina Picaro, Aurelia Creative, Dragonflies, Starz

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