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Das auf die Veröffentlichung von Animes spezialisierte Label Anime House hat im März diesen Jahres erstmals einen Roman veröffentlicht – KillerCon. Geschrieben von den „Gesichtern“ des Verlags, Steffi Holzer und Lars Erbstößer, welche vor allem langjährigen Szenegängern bekannt sein dürften, führt der humorvolle Krimi auf eine fiktive Anime-Convention. Dort muss sich die Orga nicht nur mit den Widrigkeiten von Con-Problemen und Szeneleben herumschlagen, sondern auch einem Mord stellen. Gelingt der Spagat zwischen Krimi, Comedy und liebevoller Szene-Parodie?

Story

Der Roman handelt von der fiktiven KiramekiCon, welche zwar erfunden ist, aber eine typische deutsche Anime-Großcon mit fünfstelliger Besucherzahl beschreibt. Die Handlung beginnt am Donnerstag und setzt sich bis Sonntag fort. Hauptfigur Kat, die zunächst eine Conhelferin ist und etwas später Teil der Orga wird, muss sich dabei zusammen mit den anderen Orga-Mitgliedern einigen Widrigkeiten stellen. Neben typischen Problemen wie Vermüllung, Raubkopien und dem Durchsetzen der Brandschutzverordnungen trifft es die Con diesmal noch schlimmer: Der Schatzmeister ist unerreichbar, und auch das Konto ist leer. Die schlechten Nachrichten setzen sich am Freitag fort, als die Hauptrolle einer Showact-Gruppe mit Verdacht auf Lebensmittelvergiftung ins Krankenhaus muss, und lediglich im Con-eigenen Maid-Café etwas gegessen hat. Der traurige Höhepunkt findet sich jedoch erst am Samstag morgen: eine tote Cosplayerin mit Samurai-Schwert im Bauch. Eigentlich ein klarer Fall für die Polizei, doch was würde deren Einsatz auf der laufenden Con auslösen? Das Team beschließt, den Fundort auf der Toilette abzuschließen, zu schweigen und erst einmal selbst zu ermitteln. Nach und nach finden sich mehr Verdächtige sowie Hinweise, dass die ermordete Cosplayerin mitunter doch nicht so perfekt und beliebt gewesen ist.

Die chronologisch erzählte Handlung lässt sich dabei gut verfolgen und schafft es, der Con aus Orga-Sicht Leben einzuhauchen. Die interessanten Charaktere mögen zuweilen etwas überzeichnet wirken, bieten aber vielleicht gerade dadurch einen Wiedererkennungswert und sind für sich alleine genommen nicht unrealistisch, wenn auch in dieser Anhäufung vielleicht eher ungewöhnlich. Im Gegensatz zu einigen Nebencharakteren, die zuweilen eher einen reinen Comedy-Part bedienen. Die Darstellungen der Probleme, der Konflikte mit Händlern und Einzelpersonen sowie den daraus entstehenden Diskussionen lesen sich dagegen so echt und passend, dass sie einfach authentisch wirken, mindestens für Leute, die schon einmal mit solchen Cons und deren Orga oder Helfern zu tun hatten. Hier merkt man deutlich, dass die Autoren auf immense Erfahrungswerte zurückgreifen können, was dem Buch sehr zugute kommt.

Besonders gut gefallen hat mir daneben die Einbindung diverser Probleme und Ereignisse abseits des Mordes. Diese wirken nicht aufgesetzt, sondern fügen sich stimmig in die Handlung ein und lockern diese auf. So schwankt das Buch zwischen ernstem Krimi und komischen, parodistischen Elementen, was insgesamt zu einem humorvollem Krimi führt. Der wahre Kern des Buches sind allerdings auch nicht die Nachforschungen bezüglich des Mordes, sondern die vielen Anekdoten und kuriosen Szenen, die allesamt der Realität entsprungen sein sollen, was durchaus realistisch ist, sowie die liebevolle Darstellung des Innenlebens des Fandoms. Gerade für Besucher von Anime-Cons (und eingeschränkter auch Besucher anderer Cons) und Animefans hat das Buch Wiedererkennungswert. Auch die szenetypischen Verbindungen finden sich wieder: Niemand steht einfach für sich, sondern ist oder war in der einen oder anderen Form mit anderen verbunden, teils öffentlich, teils für die meisten unbekannt.

Durch den kurzen Zeitraum ist eine wirkliche Charakterentwicklung verständlicherweise nicht möglich. Auch die Darstellung und Hintergründe der Personen beschränken sich darauf, sie soweit wie nötig zu beschreiben und lebendig werden zu lassen, ohne ihnen übertriebene (und für den Roman unnötige) Tiefe zu geben. Der Fokus liegt allerdings auch nicht auf einzelnen Charakteren, sondern der Fanszene als solcher. Hier könnte man durchaus behaupten, sowohl die Handlung rund um den Mord als auch die Hauptfiguren stellen lediglich einen roten Faden dar, um durch die Szene und das Erlebnis Anime-Con zu führen.

Durch das Ende der Erzählung zum Con-Ende finden einige Handlungsstränge jedoch leider keinen richtigen Abschluss. Zwar handelt es sich dabei nur um Randepisoden, dennoch kann es für den Leser etwas enttäuschend sein, wenn diese halb offen, halb abgeschlossen zurückbleiben. Kenner der Szene dürften sich daneben mitunter wünschen, dass bestimmten Aspekten mehr Aufmerksamkeit gewidmet würde. Zwar werden viele Elemente angesprochen, einige finden sich jedoch nur in Form weniger Worte oder Zeilen wieder. Eine weitere Ausbreitung von Themen und Elementen wäre aber meiner Meinung nach auch zuviel gewesen, so dass hier durchaus ein guter Mittelweg gefunden wurde.

Schreibstil

Die Autoren überzeugen grundsätzlich mit einem einfachen, verständlichen Sprachstil, der zuweilen bis in umgangssprachliche Formen geht. Der Lesefluss stellt sich schnell ein und passt zur locker-humoristischen Ausgestaltung der Handlung.

Potenziell schwieriger für den Leser ist jedoch die szenetypische Verwendung japanischer Nicknamen und Bezeichnungen. Angesichts der Thematik ist dies zwar authentisch und passend, könnte bei Szenefremden jedoch ungewohnt wirken. Zusammen mit den Szeneeigenheiten, welche in der Regel kurz erklärt werden, könnte sich gegebenenfalls eine dezente Überforderung einstellen. Leser, die sich halbwegs im Fandom auskennen, dürfen sich dagegen genau darüber freuen, dass sehr viele Szeneelemente zumindest am Rande auftauchen. Auch finden sich einige Anspielungen auf Serien oder Charaktere, die naturgemäß auch nur den entsprechenden Fans auffallen dürften.

Generell gelingt es den Autoren in ihrem Erstlingswerk nicht nur einen konstanten Spannungsbogen aufzubauen, sondern vielmehr eine liebevolle Darstellung des Innenlebens der fiktiven Con-Orga und Fanszene darzustellen. Dies ist durchaus eine Leistung, thematisiert das Buch schließlich auch Kritik an und Problematiken innerhalb der Szene, auch wenn kein zu starker Fokus hierauf gelegt wurde.

Die Autoren

Steffi Holzer, geboren 1969 in Neustadt an der Weinstraße, und Lars Erbstößer, geboren 1970 in Köln, haben zwar zuvor keine Romane veröffentlicht, sind allerdings durchaus schreiberfahren. So waren beide von 1994 (Lars) beziehungsweise 1996 (Steffi) bis 2000 bei dem damals einzigen Anime-/Manga-Magazin Animania tätig, Lars Erbstößer sogar als deren Chefredakteur. Entsprechend waren beide auch 1999 aktiv an der ersten deutschen Anime-Großcon, der Animagic, beteiligt, die durch die Animania ausgerichtet wird. Von 2001 bis 2007 gaben beide gemeinsam das Magazin MangasZene heraus und veranstalteten von 2001 bis 2006 zudem die jährliche Convention Bonenkai. Sowohl durch die Arbeit beim Verlag Anime House als auch als Händler auf Comicbörsen (bereits in der Zeit vor der Animania) haben sie zudem auch in diesen Bereichen Erfahrungen aus erster Hand gewinnen können.

 Autorin Steffi Holzer mit der Synchronsprecherin Vivian Faber als Vorleserin auf der Feencon.
Autorin Steffi Holzer mit der Synchronsprecherin Vivian Faber als Vorleserin auf der Feencon.

Dass die beiden, wie man erkennen kann, zu den erfahrensten und profiliertesten Menschen im deutschen Anime-/Manga-Fandom zu zählen sind, macht sich beim vorliegenden Werk positiv bemerkt. Die gesammelten Erfahrungen dürften das Buch erst so lebhaft und authentisch machen, und die Anekdoten sollen so oder so ähnlich auch wirklich passiert und erlebt worden sein.

Preis-/Leistungsverhältnis

Der Preis von 12,95 EUR ist für ein Softcover-Buch mit 312 Seiten Umfang angesichts des recht großen Formats angemessen, ohne sonderlich günstig oder teuer zu sein. Die Geschichte unterhält und bietet durch die liebevollen Details und Anspielungen, zusammen mit dem flüssigen Lesevergnügen, durchaus einen Grund den Roman ein zweites Mal zu lesen. Durch den leichten und unterhaltsamen Stil dürfte sich das Buch auch gut als Vorlesematerial eignen.

Überteuert ist dagegen die Ebook-Version: Diese kostet mit 12,99 EUR sogar wenige Cent mehr als die Druckfassung.

Erscheinungsbild

Killer Con Manga Anime Roman CoverDas 312-seitige Buch hat die Maße 22 x 14 cm, womit es zu den größeren Taschenbüchern gehört. Die eigentliche Geschichte ist 305 Seiten lang, hinzu kommen Impressum, Nachwort und eine Einführung in die Aussprache japanischer Namen und Begriffe. Die Schrift ist ausreichend groß, insgesamt passen 42 Zeilen auf eine Seite. Struktur findet der Roman in der Aufteilung auf die Tage Donnerstag, Freitag, Samstag und Sonntag, sowie nummerierte Abschnitte innerhalb der vier Kapitel. Auch dank des stabilen, matten Papiers macht das Buch einen soliden Eindruck. Die stimmige Illustration des Covers der Künstlerin Yaya-chan findet sich auf dem Backcover noch in einer Skizzenversion. Weitere Illustrationen sind nicht enthalten.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Anime House
  • Autoren: Steffi Holzer und Lars Erbstößer
  • Erscheinungsjahr: 2016
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover, 22 x 14 cm
  • Seitenanzahl: 312
  • ISBN: 9783981786200
  • Preis: 12,95 EUR
  • BezugsquelleAmazon

 

Bonus/Downloadcontent

Bei Amazon kann man mittels „Blick ins Buch“ in eine Vorschau reinlesen.

Fazit

In der Gesamtbetrachtung ist die Story sowohl unterhaltsam als auch fesselnd, was sich in ihrem Verlaufe weiter steigert, wenn die diversen Verbindungen deutlicher werden. Die Auflösung(en) sind schlüssig, wenn auch nicht jeder Nebenstrang befriedigend abgeschlossen wird. Abseits der Haupthandlung finden sich äußerst viele Anekdoten, kuriose Episoden und Stereotypen, die sich auflockernd und passend einfügen. Das Erlebnis „Con-Orga“ wird greifbar, wie auch der Blick in eine funktionierende Szene, mit allen Vor- und Nachteilen einer solchen. Ernsthaften Lesestoff darf man jedoch nicht erwarten. Der Roman ist in erster Linie eine humorvolle, unterhaltsame Darstellung, die durch den Mord und die Ermittlungen einen roten Faden erhält. Für Besucher von Anime-Cons dürfte der Roman am besten geeignet sein, aber auch Besucher anderer Cons dürften das Eine oder Andere wiedererkennen.

Für Leser ohne jeglichen Bezug zu Animes, Mangas und der drumherum existierenden Szene könnte das Vergnügen durch die vielen Begriffe, ungewohnten Namen und Details mitunter etwas anstrengend oder fremdartig wirken. Wer sich dieser kleinen Hürde aber stellt, darf sich über ein gut geschriebenes, unterhaltsames Werk freuen, dass sich sowohl zum Zweit- als auch Vorlesen eignet und auch den Wahnsinn „Con-Orga“ zum Leben erweckt.

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Artikelbild: Anime House
Fotografien: Michael Fuchs

Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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