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Im Äußeren Rand der Galaxie soll für ein schmutziges Verbrecherkonsortium die maskierte Königin einer Piratenschwesternschaft zu Fall gebracht werden – klingt nach einem typischen Szenario für das Star Wars-Rollenspiel Edge of the Empire. Leider heißt typisch in diesem Fall häufig generisch, und aus einigen netten Ideen ist hier eine Geschichte entstanden, die wenig Rollenspielinnovation an den heimischen Spieltisch bringt.

Inhalt

Der Band wird, wie bei den Star Wars-Rollenspielen des Fantasy Flight-Verlages üblich, mit einer guten Übersicht über den Verlauf der Handlung und die wichtigsten Charaktere eingeleitet. Unterteilt ist der Band in drei Kapitel, die durch die unterschiedlichen Settings klar voneinander getrennt werden.

Kapitel 1: Ein müder Start auf Saleucami

Den Anfang macht der Planet Saleucami, in dessen größten Krater, vor der unsteten Atmosphäre geschützt, die Hauptstadt Taleucema liegt. Den Spielercharakteren wird durch ihre pantoranische Auftraggeberin und ihren Twi‘lek-Assistenten, die das mächtige Zann-Konsortium vertreten, der Auftrag erteilt, die maskierte Piratenkönigin zu finden und auszuschalten, da ihre Organisation, die Verschleierte Schwesternschaft, Angriffe auf deren Handelsschiffe verübt hat. Dazu werden drei Anhaltspunkte geliefert, von denen zwei wichtige Informationen bieten. Nur die Niete, ein versoffener Ex-Pirat, der keine nennenswerte Information bereithält, kann zu einer interessanten Begegnung ausgebaut werden. Der effektive aber langweilige Hackerangriff, der von jedem normalen Terminal der Stadt möglich ist und auf den eine kurze Schießerei folgt, ist an Innovationslosigkeit kaum noch zu übertreffen, und da viele Spielergruppen diese Option womöglich zuerst in Betracht ziehen, fallen die anderen Möglichkeiten vielleicht schnell flach. Die Informationen führen in einen tiefen dschungelbewachsenen Krater, in dem eine Truppe alter Klonkrieger lauert, welche der Geschichte durchaus Potential bieten, gefolgt von einem Crawl durch die Bunkeranlage der Piratenbande. Die hier gestellte Königin ist, oh Wunder, eine Doppelgängerin. Diese vorhersehbare Tatsache wird nach kurzer Zeit aufgedeckt, und die Truppe wird von der wenig besonderen Metropole Taleucema nach Ord Mantell geschickt, welches immerhin eine gewisse Bekanntheit im Star Wars-Universum hat.

Kapitel 2: Schlechtes Spieldesign in der Schrottwüste

Auf Ord Mantell erreichen die Helden in der ebenfalls nach typischer Äußerer-Rand-Kost anmutenden Hauptstadt Worlport den Gangsterboss, der ihnen die Wahl zwischen zwei Aufträgen lässt, die beide in ihrer Simplizität kaum zu übertreffen sind. Hier folgt der größte Design-Schnitzer des gesamten Bandes. Nur einer der Aufträge soll erfüllt werden. und beide sind einfach. Entweder soll ein Drogenpaket in ein Sklavenlager gebracht oder eine Boxkämpferin möglichst nicht tödlich für den nächsten Kampf außer Gefecht gesetzt werden. Über viele Seiten werden zahlreiche Möglichkeiten und Schauplätze erläutert, die ausnahmsweise, wie im Fall der Schrottwüste von Ord Mantell, einen gewissen Reiz versprühen. Diese beruhen im Endeffekt aber nur auf der Annahme, dass die Charaktere moralische Bedenken hinsichtlich Sklaverei oder Gewaltanwendung haben, was bei deren Arbeit für ein Verbrechersyndikat reichlich konstruiert erscheint. Das ohnehin schon auf die Hälfte gekürzte Kapitel kann somit ein schnelles Ende finden, und auch der Überfall auf den ebenfalls unterirdischen Bunker der Schwesternschaft, in der sich die Königin als Hologramm entpuppt, heizt kaum für das Finale im Weltraumkampf auf. In diesem Kapitel hat der Spielleiter einiges an Arbeit vor sich, um die dürftigen Bausteine zu strecken und neu zu verknüpfen, wenn er seinen Spielern ein lohnenswertes Erlebnis liefern möchte. Das Kapitel enthält keine Charaktere die über bloße Oberflächlichkeit und dröges Rollenspieleinerlei hinauswachsen.

Kapitel 3: Der erstaunlich spannende Knall im Weltraum

Das eigentliche Schlusskapitel bietet einiges an Spannungspotential, denn hier geht es in eine fulminante Raumschlacht mit anschließender Kaperaktion und Schießerei auf der Brücke eines halb zerschossenen Schiffes. Dank der erzählungsfördernden Mechaniken des Systems fällt es leicht, die Schlacht in der Leere des Alls nicht zur Würfelorgie verkommen zu lassen. Der endgültige Sieg über die zweimal gestellt geglaubte Königin dürfte wohl auch ein wenig Befriedigung verschaffen, das Angebot, sich der Schwesternschaft, die auch männliche Mitglieder in geringen Positionen aufnimmt, anzuschließen, kommt allerdings aus dem Nichts, da die Piraten weder moralisch, noch in sonst irgendeiner Weise im Laufe des Abenteuers geglänzt haben. Das endgültige Ende der seichten Handlung bildet aber der Verrat der anfänglich und über den Verlauf der Erzählung blass bleibenden Vertreterin des Konsortiums. Dieser Verrat beinhaltet die Entscheidung zwischen ihr und ihrem Assistenten, der dem Konsortium treu dient. Allerdings wirkt auch diese Entscheidung irrelevant, und zwar aufgrund der Tatsache, dass es mit diesen Charakteren kaum Berührungspunkte gab. Der Ausklang beschreibt noch kurz die Folgen der möglichen Entscheidungen und entlässt sowohl Spielleiter als auch Spieler dann mit unterdrücktem Gähnen.

Preis-/Leistungsverhältnis

Der Preis von 28,95 Euro ist für ein Abenteuermodul mit dieser Seitenzahl ein überaus stolzer Betrag. Allerdings bewirkt das ungeschickte Design, dass eine große Menge Inhalt vermutlich nicht an den Spieltisch gerät, was den Umfang in der Spielpraxis deutlich mindert. Im Endeffekt ist der Band damit vor allem eines: überteuert!

Erscheinungsbild

star-wars-edge-of-the-empire-mask-of-the-pirate-queen-review-coverDas Erscheinungsbild ist, wie auch von den restlichen Star Wars-Rollenspielen von Fantasy Flight Games, sehr hochwertig. Die Illustrationen sind hervorragend und saugen den Leser durch die dichte Star Wars-Atmosphäre erheblich mehr in das Geschehen als es der Text tut. Das Layout ist themenbasiert an den Text angepasst und sucht damit im Rollenspielbereich nach seinesgleichen. Die Illustrationen sind mit dem Layout zu einem wirklich ansehnlichen Ergebnis verwoben worden. Die Schriftart und Textgröße sorgen für gute Lesbarkeit. Die Materialqualität ist ebenfalls hoch, und der Hardcover-Einband ist sicherlich beständiger als broschierte Abenteuerhefte.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Fantasy Flight Games
  • Autor(en): Katrina Ostrander, Andrew Fischer und Tim Huckelbery
  • Erscheinungsjahr: 2015
  • Sprache: Englisch
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 96
  • ISBN: 978-1-63344-189-7
  • Preis: ab 28,95 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon, Sphärenmeister

 

Bonus/Downloadcontent

Keine Bonusinhalte verfügbar.

Fazit

swe13_12111_coverfigure_jasonrainvilleDas Hauptproblem dieses Szenarios sind die irrelevanten Charaktere, wobei der größte Fehler im Design darin liegt, dass das Abenteuer über große Strecken wahrscheinlich übersprungen wird und damit einige potentiell interessante Orte gar nicht erst besucht werden. Die Möglichkeiten, die von einer solchen Geschichte erwartet werden könnten, sind an keinem Punkt ausgenutzt worden. Ein Konflikt der Spieler in der Entscheidung zwischen den rivalisierenden Parteien wird an keiner Stelle gefördert, schließlich aber vom Abenteuer schlichtweg angenommen. Am Ende hält man ein nicht zu empfehlendes Buch in den Händen, dessen Material zur halbwegs unterhaltsamen Darstellung einiges an Arbeit von Seiten des Spielleiters erfordert.

Die Artworks sind allerdings, wie von diesem System zu erwarten ist, äußerst professionell, und die Darstellung schön und übersichtlich. Schlussendlich ist das Szenario viel zu generisch. Es fehlt jegliche Innovation im raubeinigen Setting des Äußeren Randes. Ein generisches Abenteuer wäre natürlich noch zu verzeihen gewesen und hätte bei guter Umsetzung eine Menge Spaßpotential bieten können. Die schwache Umsetzung sorgt aber insgesamt für einen eher schlechten Abenteuerband.

Daumen2maennlichNeu

Artikelbilder: Fantasy Flight Games

Über den Autor

nick-randackNick Randack ist bei Tischrollenspielen mit erzählerischem Tiefgang und starker Hintergrundwelt schnell Feuer und Flamme. Das Regelkonstrukt des System sieht er mehr als notwendiges Übel für ein erfolgreiches Zusammenspiel, denn als wirkliche Bereicherung. Bei der Auswahl der Spielwelten ist er prinzipiell offen, wobei zu abstruse und schillernde Realitäten ihn eher schrecken und bodennahe und am besten an echter Mythologie angelehnte Kosmen seinen mentalen Geschmacksorganen munden.

 

 

 

4 Kommentare

  1. Wir haben es gerade durch und tatsächlich alles von dem hier beschriebenen mitgenommn und einiges mehr. Highlight war, dass wir die Kämpferin rausgenommen haben und irgendwie unser Charakter sich als Ersatzkämpfer rekrutieren ließ und den Mann des Gangsterbosses mit einem Schlag erledigte … Glücklicherweise hatten wir erst das Paket überbracht und die Infos schon, denn da war jemand recht böse auf uns …

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