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In Japan ist die Serie schon lange Kult, und auch in Deutschland werden immer mehr Fans vom Attack on Titan-Fieber (AoT) gepackt. Vor gut einem Jahr, am 14. Juli 2015, feierte dann der erste Realfilm, der den Stoff der Serie aufarbeitete, in Los Angeles seine Premiere. Bereits am 19. September folgte der zweite Teil: Attack on Titan: End of the World.

Während Carlsen hierzulande für die Veröffentlichungen der Manga-Vorlage verantwortlich ist, sicherte sich Kazé, seines Zeichens einer der größten Namen im deutschen Anime-Business, die Rechte für die Anime-Serie und nun auch für die Realverfilmung. Am 27. September kommt der Film im Rahmen einer Kooperation mit Kinobetreibern und Kazé in Deutschland und Österreich in 127 Kinos. Grund genug für uns, für euch einmal in den Realfilm zu schauen und zu vergleichen, ob er mit der Vorlage mithalten kann.

Story

Vor 100 Jahren erschienen die Titanen auf der Welt, hünenhafte Wesen zwischen circa vier und 25 Metern Höhe, die zwar vage menschenähnlich aussahen, aber die vor allem eines im Sinn zu haben schienen: Menschen fressen. Die Menschheit verlor den Kampf gegen die Titanen und zog sich in ein von drei konzentrischen, riesigen Mauern eingezäuntes Gebiet zurück. Seit 100 Jahren hat nun niemand mehr die Titanen gesehen, und viele Leute glauben nicht einmal mehr an deren Existenz. Die Zeit des Friedens und der Untätigkeit scheint vorbei, als Titanen plötzlich eine Siedlung angreifen, die an der äußersten Mauer liegt, und diese vernichten. Es ist die Siedlung von Eren Jäger, dem Protagonisten der Serie, der daraufhin zusammen mit seinem Freund Armin Arlert, dem Denker des Duos, zur Armee geht, um gegen die Titanen zu kämpfen.

Man merkt auch ohne die Vorlage zu kennen, dass hier viel Geschichte in den recht kurzen Zeitrahmen eines Films gepresst werden muss. So wird über die Welt nur das Notwendigste erzählt und vieles in der Exposition hängen gelassen oder erst (hoffentlich) im zweiten Film aufgeklärt. Erzählt wird eine Kriegsgeschichte zwischen ungleichen Gegnern: David gegen Goliath, Menschen gegen Titanen. Werden die Menschen weiter und weiter zurückgedrängt oder findet sich ein Weg, die Titanen zu besiegen? Schlussendlich endet der Film in einem Cliffhanger und lässt leider mehr Fragen offen, als er beantwortet. Da er als Zweiteiler konzipiert ist, ist dies durchaus nachvollziehbar. Der Twist am Ende, den Fans der Vorlage schon lange kennen, da er bereits in den ersten Kapiteln geschieht, wäre zwar an sich ein guter Abschluss für den Film, doch mit so vielen offenen Fragen, von denen man erwartet hatte, dass der Film sie beantwortet, bleibt man doch ein wenig enttäuscht zurück.

Darsteller

Dem Asia-Film-Fan bereits bekannt, aber dennoch immer ein wenig komisch, sind die scheinbaren Extrema, durch die sich japanische Schauspielkunst auszeichnet. Charaktere haben entweder überhaupt kein Minenspiel oder werden vollkommen überdreht dargestellt. Meist wechseln sich beide Varianten ab. Auch AoT hat dieses Problem. Die Charaktere wirken für uns westliches Publikum schlaff, da sie keine wirkliche Beteiligung zeigen oder ihre Reaktionen oftmals so überzogen sind, dass sie nicht ernst genommen werden können. Dazu kommt, dass die Charaktere oftmals sehr eindimensional wirken, da die Zeit, die in der Vorlage dafür aufgebracht wird, diese zu charakterisieren, hier einfach nicht vorhanden ist.

Das führt zu Abziehbildern, deren Tiefgang man eigentlich nur erahnen kann. Armin ist „der Denker“ und Eren „der Wilde“, Mikasa „die Gezeichnete“, Sascha „der Vielfraß“ und Zoë „der Bully“. Leider wird auf die meisten Charaktere nur detaillierter eingegangen, wenn es wichtig ist, um die Story voranzutreiben. Schade, hier wurde meiner Meinung nach viele Möglichkeiten verschenkt, die Stimmung der Welt für den Zuschauer erlebbarer zu machen. Davon abgesehen sind die Charaktere durchaus gut getroffen und wiedererkennbar.

Inszenierung

Hier punktet AoT auf (fast) ganzer Linie. Die titelgebenden Titanen sehen wunderbar monströs und zugleich doch irgendwie menschlich aus. Ihre Angriffe auf die unterlegenen Menschen sind erschreckend und vertraut zugleich. Hier ist den Machern des Films wirklich eine Gratwanderung gelungen. Sicher, in den Szenen, in denen man Menschen und Titanen zugleich sieht, sieht man die CGI-Effekte im Übergang zwischen den übergroßen Titanen-Darstellern und den normalgroßen Menschen-Darstellern, aber das lässt sich ignorieren, wenn man sich herrlich davor ekeln kann, wie Körperteile abgebissen werden und Blut literweise spritzt. Das kennen Fans der Vorlage bereits, für Neulinge im AoT-Universum dürfte diese Brutalität dann aber doch erst einmal ein Schock sein. Hier sei auch zeitgleich eine Warnung angebracht: Der Film wurde hierzulande als „ab 16 Jahren“ eingestuft, und es geht wirklich blutig zur Sache. Im Vergleich zu wirklichen Horror-Filmen und Gore-Streifen ist es zwar immer noch weniger explizit, aber das ist auch der einzige Grund, warum ich einer „ab 16 Jahren“-Einstufung zustimmen kann. Jedenfalls ist der Film nichts für Zartbesaitete.

Auch ansonsten wurde die Optik der Vorlage äußerst gut umgesetzt, seien es nun die Uniformen, die zugrundeliegende Ästhetik, oder das 3D-Manöver-Gear, das vor allem im letzten Drittel des Films einige coole Actionszenen ermöglicht und für mich neben den Titanen das Highlight des Films war. AoT ist ein Popcorn-Actionfilm, das merkt man hier sehr stark. Die Erwartung, die ich an diese Teile des Filmes hatte, wurde vollkommen erfüllt.

Die Welt selbst sieht, abgesehen vom Anfang, vor dem Angriff der Titanen, sehr trostlos und graubraun verwaschen aus. Sie gibt damit sehr gut die Grundstimmung wieder, die in den Herzen der Bewohner dieser Welt herrschen muss. Hierin ist auch eine der größten Änderungen im Vergleich zur Vorlage zu sehen, nämlich die Darstellung der Welt, doch dazu gleich mehr.

Die harten Fakten:

  • Regie: Shinji Higuchi
  • Darsteller: Haruma Miura, Kiko Mizuhara, Kanata Hongo, Rina Takeda
  • Erscheinungsjahr: 2015
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Kinofilm

 

Unterschiede zur Vorlage

Dieser Text enthält Spoiler zur Handlung des Filmes, wie auch der der Anime-/Manga-Vorlage (bis zum aktuellen Kapitel).

Spoiler

Die Welt

Der wohl auffälligste Punkt, in dem sich der Film von der Vorlage unterscheidet, ist die Darstellung der Welt. In der Vorlage ist die Außenwelt bewusst undefiniert, und auch der Grad an Technologie, der zur Verfügung steht, ist nicht weiter besonders. Erst mit dem Fortschreiten der Geschichte kommt das Bestreben der Machthaber zutage, die Vergangenheit und ihre Errungenschaften begraben zu lassen. Am Ende des aktuellen Kapitels taucht sogar ein Foto auf, doch niemand weiß, was ein Foto ist. So schält sich die Vorgeschichte erst ganz sachte aus der Undefiniertheit heraus, und man beginnt, diese zusammen mit den Protagonisten zu erfahren. Im Film ist dies ganz anders. Bereits von Anfang an werden hier Bezüge zur Außenwelt und zur Vergangenheit ins Spiel gebracht. Seien es Blindgänger von Bomben, die gefunden werden, oder die Häuserschluchten, die aus Neubauten zu bestehen scheinen, zwischen denen später atemberaubenden Luftkämpfe ausgefochten werden. Auch die Hinweise, dass Technologie durch die Machthaber reglementiert wird, sind sehr präsent. Zu guter Letzt sieht man, dass die Truppen auf der Mauer nicht nach außen auf potentielle Titanen zielen, sondern ihre Kanonen auf die Menschen im Inneren gerichtet haben, um die Mauern vor ihnen zu schützen. Hier wird von Anfang an aufgrund der fehlenden Zeit der Metaplot über die totgeschwiegene Geschichte und die Unterdrückung durch die Herrscher mit in den Fokus gerückt. Das ändert natürlich auch die Sichtweise auf die Welt und verändert den Ton, in dem die Geschichte erzählt wird, massiv.

Die Charaktere

Darüber, dass die Charaktere meist nur Abziehbilder ihrer Vorlagen sind, habe ich bereits oben berichtet. Doch auch einige grundlegende Änderungen in den Charakterisierungen sind zu sehen. So ist Armin eben nicht nur ein ausgefeilter Stratege, sondern auch ein Bastler, der die verschiedensten Gerätschaften bauen kann. Eren, der in der Vorlage eher zurückhaltend ist und von der Geschichte mitgerissen wird, ist hier das komplette Gegenteil. Er ist ein Draufgänger, der nicht weiter eingesperrt sein will, anstatt Angst vor dem Unbekannten zu haben. Auch dass mit Levi eine der treibenden Figuren der Vorlage gestrichen und durch einen bisher sehr undurchsichtigen Anführer ersetzt wurde, mag für Fans der Vorlage ungewohnt sein und dem Film Minuspunkte geben.

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Fazit

14372090_1405403092820894_8755793909603149828_oUm Attack on Titan wirklich genießen zu können, muss man zu einer von zwei Gruppen von Leuten gehören. Entweder man ist ein Hardcore-Fan der Serie, erfreut sich an der visuell gelungenen Umsetzung und verschlingt ohnehin alles, was damit zu tun hat, oder aber man hat gerade so schon mal etwas davon gehört und nutzt die Gelegenheit, sich das Ganze einmal in kompakter Form anzuschauen. Alle dazwischen laufen Gefahr, zu sehr über die Unterschiede zwischen Vorlage und Film zu stolpern. Dazu sollte man außerdem ein Fan asiatischer Filme und ihrer Eigenheiten sein.

Attack on Titan ist ein guter Popcorn-Film, dessen Stärken ganz klar in der optischen Umsetzung der Vorlage, allen voran der Titanen, liegen. Die Luftkämpfe mit dem 3D-Manöver-Gear sehen schön schnell und wild aus, ohne unübersichtlich zu sein, dafür darf man keine wirklich tiefschürfenden Dialoge oder starke Charakterentwicklung erwarten. Im Abspann wird direkt der Trailer für den zweiten Teil mitgeliefert, der Lust auf mehr macht und die Beantwortung einiger der vielen offen gebliebenen Fragen verspricht. Rundum also ein Film, den man sich durchaus anschauen kann, der aber auch seine Schwächen hat.

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Artikelbilder: Kazé
Dieses Produkt wurde kostenlos finanziert.

 

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