Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Auf Nachtschatten war ich aufmerksam geworden, als ich die Liste der Sieger vom Seraph 2016 durchging, einem Buchpreis, der jedes Jahr auf der Leipziger Buchmesse vergeben wird. Zum ersten Mal wurde dabei auch der Indie Autor Preis für Selfpublisher vergeben.

Was lag also näher, als den Siegertitel einmal einer genaueren Lektüre zu unterziehen?

Story

Shivari lebt auf den Straßen von Vesontonio, stiehlt, um zu überleben, aber auch, um den Nervenkitzel zu spüren. Für die Aufnahme in die Gilde der Schwarzen Drachen verlangt der Gildenführer als Prüfung einen riskanten Diebstahl aus dem Haus des Bürgermeisters. Dabei geht etwas schief, und Shivari macht sich neue, überaus mächtige Feinde. Auf der Flucht stolpert der junge Dieb jedoch auch in Junicus, den Gott des Wassers. Dessen göttlicher Funke sucht sich ausgerechnet Shivari als neuen Träger – nicht unbedingt zu dessen Freude. Göttliche Kräfte sind schließlich nicht das, was sich Shivari für die Zukunft vorgestellt hatte.

Fuchs ist der einzige Sohn und Erbe eines Großfürsten, verbringt seine Zeit jedoch lieber damit, sich vom Wind tragen zu lassen. Als sein Vater ihn zu einer Zweckehe zu zwingen droht, flieht Fuchs. Sein Weg führt ihn nach Vesontonio, wo er der Gilde der Schwarzen Drachen beitritt und in die Position des Meisterdiebs aufsteigt, eben jene Position, die Shivari innehaben wollte. Während Fuchs und Shivari konkurrieren, und schrittweise die Geheimnisse verschiedener Figuren enthüllt werden, arbeiten im Hintergrund die Schatten daran, Vesontonio zu übernehmen.

Der Verlauf der Geschichte bietet immer wieder unerwartete Wendungen, wobei der Spannungsbogen eher wellenförmig ansteigt und immer wieder kleine Ruhepausen enthält. Dabei bleibt es bis zum Ende spannend und actionreich.

Schreibstil

Die Autorin erzählt mit leichter Hand aus unterschiedlichen Perspektiven. Die Szenen, in denen Shivari im Mittelpunkt steht, sind in der Ich-Perspektive geschrieben, die anderen aus der Sicht eines außenstehenden Erzählers. Ihre Sprache ist dabei frisch und modern und versucht keinerlei gestelztes Historisieren.

Die Figuren sind sympathisch gezeichnet, auch wenn ihnen hin und wieder etwas mehr Tiefe nicht schaden würde. Denn leider bleibt die Autorin dem Leser immer wieder Einiges schuldig, was zum Figurenverständnis beitragen würde und sicher auch Spaß gemacht hätte zu lesen. Ich persönlich hätte mir mehr Szenen gewünscht, die Charakterentwicklungen und -beziehungen ausarbeiten, besonders zwischen Shivari und Fuchs.

Selbstverständlich sind die Grundmotive nicht neu: der gesellschaftliche Underdog, der zu ungeahnten Kräften kommt, der rebellische Prinz, der zum Dieb wird. Auch einige der Nebenfiguren weisen vertraute Muster auf. Dabei bricht Hanna Kuhlmann jedoch immer wieder mit den Erwartungen. Shivari bekommt zwar göttliche Kräfte, ist aber kein von einer Prophezeiung Auserwählter. Fuchs ist rebellisch, liebt aber dennoch seinen Vater sehr. Shivari ist ein Dieb, aber kein Meuchler. Fuchs ist gebildet, aber nicht über-intelligent. Klischees und bekannte Motive werden aufgegriffen, doch immer wieder abgewandelt und gebrochen.

Selbst göttliche Kräfte sind nicht unbegrenzt in dieser Welt, über die der Leser im Ganzen jedoch nicht viel erfährt. Allerdings stört der Mangel an ausufernden Beschreibungen von Welt, Gebäuden und Kleidung nicht. Im Gegenteil gelingt es der Autorin schnell, Bilder im Kopf zu erzeugen. Nur Shivaris Verbindung zum Wasser hätte dabei noch etwas mehr Raum verdient.

Mir persönlich fiel der Umgang mit Gewalt positiv auf. Während unter dem Eindruck von Game of Thrones aktuell in der Phantastik oft Gewalt bis zum Exzess verwendet wird, verschont Nachtschatten den Leser damit. Gewalt wird nicht ausgeklammert, doch wird sie weder zelebriert, noch verkommt sie zum Selbstzweck.

Die Autorin

Hanna Kuhlmann schreibt seit ihrer Kindheit und veröffentlichte als Studentin mit Nachtschatten ihr Debüt über die Selfpublishingplattform neobooks. Entgegen den Erwartungen der Autorin gewann Nachtschatten auf der Leipziger Buchmesse 2016 den Indie Autor Preis in der Kategorie Fantasy.

Preis-/Leistungsverhältnis

Leider ist das Buch momentan nicht mehr im Handel, die Autorin hat es aus dem Netz genommen. Sie begründet diesen Schritt damit, einen Verlag für Nachtschatten gefunden zu haben, der dieses 2017 in gedruckter Form herausbringen wird. Sollte es dann nicht völlig überteuert sein, ist es sein Geld sicher wert.

Erscheinungsbild

hannah-kuhlmann-nachtschatten-review-coverDas Cover zeigt auf grau-schwarz eine Textur, die an Stein erinnert. Auf diesem Stein prangt ein Drache aus Wasser, der sich aufgrund der von Flügeln und Hals spritzenden Tropfen schnell zu bewegen scheint. Darüber stehen der Name der Autorin und der Titel in stumpfem Weiß mit leichtem Schattenwurf der Schrift. Leider ist das Cover etwas nichtssagend, auch wenn Wasser eine wichtige Rolle im Buch spielt und es in der Welt des Buches Drachen gibt.

Illustrationen gibt es ebenso wenig wie ein Personenverzeichnis, aber das Buch ist dankenswerterweise in etliche Kapitel unterteilt, die sich alle vorne einzeln anwählen lassen. Der Innensatz ist, wie so oft bei Romanen, absolut schlicht. Nur die fehlenden Seitenzahlen und einige Rechtschreibfehler stören das Bild.

Die harten Fakten:

  • Verlag: neobooks
  • Autor(en): Hanna Kuhlmann
  • Erscheinungsjahr: 2016
  • Sprache: Deutsch
  • Format: E-Book
  • Seitenanzahl: 291
  • ISBN: momentan leider vergriffen
  • Preis: momentan leider vergriffen
  • Bezugsquelle: momentan leider vergriffen

 

Bonus/Downloadcontent

Bonus- oder Downloadcontent zu Nachtschatten gibt es nicht.

Fazit

Nachtschatten erzählt die Geschichte des Diebes Shivari, der überraschend zum Träger eines göttlichen Funkens wird, wandeln doch Götter verschiedenster Aspekte unter den Menschen in der Welt von Autorin Hanna Kuhlmann. Ein anderer Handlungsstrang erzählt von dem Prinzen Fuchs, der aus dem Palast seines Vaters geflohen ist und ebenfalls zum Dieb wird.

Die Geschichte wird in moderner Sprache mit leichter Hand voll Action und guter Ideen erzählt. Viele Figurentypen scheinen auf den ersten Blick vertraut zu sein, um dann auf erfrischende Weise mit dem Klischee zu brechen. Leider werden dabei einige Aspekte nicht so weit vertieft, wie es möglich wäre, um mehr aus den Figuren herauszuholen. Auch dem Spannungsbogen hätten einige Details mehr sicher gut getan. Doch auch so präsentiert Nachtschatten immer wieder unerwartete Wendungen und überraschende Geheimnisse, während sich die Bedrohung im Hintergrund langsam aufbaut.

Nachtschatten erfindet das Rad sicher nicht neu, bietet aber eine unterhaltsame Lektüre, die immer wieder die vertrauten Motive streift, aber nicht sklavisch an ihnen festhält. Leider ist das Buch aktuell nicht im Handel, doch dem Wiedererscheinen kann mit Vorfreude entgegen geblickt werden.

Daumen4weiblichNeu

Artikelbild: Hanna Kuhlmann
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein