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Nachdem uns Malmsturm – Die Fundamente bereits im Rahmen unserer Vorschau im Mai begeistert hat, ist es mittlerweile auf dem deutschen Rollenspielmarkt erschienen. Es wird also Zeit, das auf Fate Core basierende Sword-&-Sorcery-Rollenspiel einer genaueren Prüfung zu unterziehen und zu schauen, ob sich die anfängliche Begeisterung gehalten hat. Außerdem haben wir die Autoren interviewt, um zu erfahren, welche Designphilosophie sie bei der Entwicklung der zweiten Edition verfolgt haben, und was wir neben dem Regelwerk noch Weiteres von Malmsturm in naher Zukunft zu erwarten haben.

Unsere Interviewpartner waren Bjorn Beckert, Björn Lensig, Dominik Pielarski, Helge Willkowei, Sebastian Pleis und Werner Hartmann – das Autorenteam, das hinter der zweiten Edition von Malmsturm steht und das Produkt teilweise bereits seit der ersten Edition begleitet. Im Interview gibt das Team zunächst Einblicke in die einzigartige Welt von Malmsturm und beleuchtet anschließend Designentscheidungen und den Entstehungsprozess der zweiten Edition.

Interview

Teilzeithelden: Vielen Dank, dass ihr euch Zeit für das Interview nehmt! Malmsturm ist ganz offensichtlich stark von der Sword-&-Sorcery-Literatur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts inspiriert. Woher rührt eure Begeisterung für das Genre?

Werner: Zunächst ist es eher von der klassischen Sword & Sorcery der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts inspiriert. In meinem Fall ist es auch tatsächlich so, dass ich z. B. die Romane über John Carter, ebenso wie Almuric, den ersten Conan-Film und Marvels Conan-Comics deutlich vor dem Herrn der Ringe und dem Kleinen Hobbit rezipiert habe. An diesem Genre mag ich nicht zuletzt, dass es ohne irgendein Bewusstsein von „Genre“ entstand, also etwa kein wirklicher Unterschied zwischen Abenteuern, historischen Abenteuern, Fantasy, Science-Fiction oder Horror gemacht wurde. Man denke hier nur daran, dass Howards Hyborean Age tatsächlich zum Kanon der Cosmic-Horror-Welten von Lovecraft gehört.

Bjorn: Aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stammen natürlich auch ein paar unserer Inspirationen. Das Imperium beispielsweise ist die Ecke der Welt von Malmsturm, in der wir einen ganzen Haufen Anleihen an die Werke von Jack Vance und Michael Moorcock versteckt haben. Allen unseren Vorbildern ist gemein, das Genregrenzen zumeist ziemlich verschwommen sind. Ebenso wenig gibt es minutiös ausgearbeitete Historien, Kunstsprachen oder Ähnliches. Weite Teile bleiben mysteriös, nebelhaft und unklar. Gerade das macht den Sense of Wonder aus. Dieses Element haben wir auch in Malmsturm umgesetzt – denkt bloß nicht, dass wir euch jemals verraten werden, ob es die trisantischen Götter nun gibt oder nicht.

Malmsturm | (c) Uhrwerk Verlag
Malmsturm | (c) Uhrwerk Verlag

Dominik: Mich reizt vor allem, dass Sword & Sorcery eine Form der Fantasy ist, die mit Ecken und Kanten daherkommt. Eben ein Genre mit Profil, an dem man sich reiben kann, das man beachten und bedenken muss, um in diesem auch glaubhaft agieren zu können. Ich tauche gerne dogmatisch in solche Gefilde ab, investiere viel und bekomme dafür dann aber auch etwas, das sich eben nicht nach 08/15-Fantasy anfühlt.

Teilzeithelden: Als ihr das erste Mal an Malmsturm gearbeitet habt, habt ihr eine Fate-Konvertierung für Fantasysettings herausbringen wollen. Warum habt ihr euch für dieses spezielle Setting entschieden, anstatt generische Fantasy zu bedienen?

Björn: Ich fand den Sword-&-Sorcery-Ansatz für eine eigene Welt sofort sehr interessant. Der Clou war ja nicht nur, Sword & Sorcery zu nehmen, sondern dies auch mit einer Metaebene der Musik – dem Metal – zu verflechten.

Dominik: Die Idee war, zu dem Baukasten eine Fantasywelt als Beispiel mitzugeben.

Wir haben uns Gedanken über das Verhalten von Völkern in einer Sword-&-Sorcery-Welt gemacht, die auf Dogmen verschiedener Metal-Subgenres aufbaut, und haben die Idee verfolgt, bestimmte Fate-Regeln in der Metaebene in der Welt zu verankern. Daraus entstand sehr schnell eine Hintergrundwelt, die den Rahmen eines Beispiels einfach sprengte.

Teilzeithelden: Eure Begeisterung für das Setting von Malmsturm wird schnell deutlich! In Malmsturm – Die Fundamente bietet ihr drei große Regionen als zentrale Spielorte von Abenteuern an: den barbarischen Norden, die mittelalterliche Waismark und das dekadente Imperium. Welches sind denn eure persönlichen Lieblingsregionen in der Welt von Malmsturm?

Werner: Alle natürlich – aber vor allem diejenigen, von denen außer mir noch kaum jemand was weiß, insbesondere Gomgarka und die Narakaná.

Teilzeithelden: Das ist wohl so ein Beispiel für einen mysteriösen Hintergrund, mit dem ihr einen gewissen Sense of Wonder schaffen wollt.

Helge: Ich mag den Norden. Weil er kalt und böse ist.

Dominik: Es fällt mir wirklich schwer, mich zu entscheiden. Das Imperium ist verdammt krank, und ich habe ein Faible für diverse Bereiche der morgenländischen Kultur. Andererseits mag ich auch die Waismark wegen der grimmschen Dunkelheit, die dort lauert. Beide Reiche lassen völlig eigene Geschichten mit eigener Farbe zu, aber ich mag den Norden am liebsten. Einfach, weil er kalt und unerbittlich ist. Die Dinge, die dort lauern, sind dann doch noch einmal ein ganz eigener Stoff, zumal uns zwar daran gelegen ist, Anleihen bei irdischer nördlicher Kultur zu nehmen, aber etwas Eigenständiges zu schaffen, was weit über ein Wikinger-Setting hinausgeht.

Bjorn: Eine eindeutige Lieblingsregion habe ich ebenfalls nicht – alle haben ihre verdammt reizvollen Teile. Bei mir ist das so eine Sache des Tagesgeschmacks.

Teilzeithelden: Könnt ihr uns ein bisschen über eure eigenen Malmsturm-Kampagnen erzählen?

Werner: Ich leite meist mit „rotem Faden“. Etwa eine Kampagne, bei der es um eine politische Bewegung im Imperium geht, die das Exzellente Exil überwinden will. Oder die Geschichte einer Truppe von Geister- und Hexenjägern, die als Wanderzirkus getarnt durch die Waismark reisen.

Teilzeithelden: Das ist ja eine spannende Idee! Gerade die Kombination von Schauergeschichten und humorvollem Zirkus beinhaltet eine interessante Spannung zwischen den beiden Polen. Wie sieht es bei dir aus, Dominik?

Dominik: Wie Werner leite bzw. spiele ich gerne dogmatisch. Ich möchte eine gemeinsame Geschichte erzählen, im besten Fall eine, die ich lesen oder ansehen will. Dazu gehört dann auch, dass man manchmal eine gute Idee zugunsten der Geschichte weglässt. Ich drehe mich gern mit der Gruppe um eine Grundidee und vertiefe diese dann, statt jedem Charakter einen Metaplot zuzusprechen, der dann irgendwie zusammengehalten wird. Wenn man eine Grundidee hat und an dieser festhält, kann jeder Charakter ja dennoch seine eigene Geschichte innerhalb dieser Grenzen spielen, nur eben mit den Farben, die zur Verfügung stehen, um eine konsistente Geschichte zu fabulieren.

Von den Designzielen der zweiten Edition zu ihrer Umsetzung

Malmsturm | (c) Uhrwerk Verlag
Malmsturm | (c) Uhrwerk Verlag

Teilzeithelden: Eure Umsetzung der Regeln in der zweiten Edition zeigt, dass es für euch sehr wichtig ist, dass Setting und Regeln Hand in Hand gehen. Was waren eure Grundgedanken und Designziele bei der Umstellung auf Fate Core?

Werner: Auf jeden Fall diesmal gründliche Magieregeln zu integrieren und dabei Heilmagie zu berücksichtigen. Außerdem haben wir ein besonderes Augenmerk auf die Malmsturm-Regeln gelegt. Das waren (gefühlt) die Hauptkritikpunkte an der ersten Edition.

Helge: Ein wichtiger roter Faden war es, der Versuchung zu widerstehen, Fate Core durch neue Regeln aufzublasen, um Malmsturm damit abzubilden. Wir haben sehr viel Zeit darauf verwendet, Lösungen zu finden, die dem Geist von Fate Core folgen.

Teilzeithelden: Das merkt man dem Regelwerk auch auf jeder Seite an. Ich persönlich mag es, wenn Settings möglichst nah an den Originalregeln bleiben und nur wenige, sehr zentrale, neue Regeln einführen – viele dieser Zusatzregeln lassen sich häufig auch einfach in den Originalregeln abbilden. Wie habt ihr es geschafft, dieser Versuchung, wie Helge es nennt, zu widerstehen?

Dominik: Eines der Ziele war, die Regeln immer und immer wieder auf den Prüfstand zu stellen und meistens die zweite oder dritte Idee zu nehmen. Keine Angst davor zu haben, schon gesetzte Regeln nochmal zu diskutieren, um letztendlich durch die Anstrengung ein rundes, durchdachtes Produkt zu liefern.

Sebastian: Mir war wichtig, dass wir alle aus unserer Sicht wichtigen Elemente der Sword & Sorcery im Allgemeinen und von Malmsturm im Speziellen mit Regeln unterfüttern. Sword-&-Sorcery-Protagonisten haben häufig enge Beziehungen zur ihren Begleitern, aber auch zu ihren Feinden, und dem tragen wir mit der Gruppenerschaffung Rechnung. Regeln für Schätze, Gefolge und Artefakte dürfen natürlich auch nicht fehlen.

Teilzeithelden: Wenn ich mir euer Stammteam, bestehend aus sechs Autoren, anschaue, bin ich davon beeindruckt, dass das entstandene Produkt ein derart konsistentes Regelwerk ist. Es ist sicherlich nicht einfach, die Arbeit so vieler Autoren in ein einheitliches Produkt zu integrieren. Wie habt ihr es geschafft, dass alle Autoren einer gemeinsamen kreativen Vision gefolgt sind?

Helge: Es gibt unter den Teammitgliedern zwar verschiedene Interessensschwerpunkte, aber gerade die Ideen zur Regelumsetzung wurden immer vom gesamten Team ausgiebig diskutiert. Die Ergebnisse dieser Diskussionen wurden dann wiederum in fertige Regeltexte umgesetzt oder flossen in die Flufftexte ein. Echte Widersprüche konnten so auch nicht entstehen. In so einem Prozess, der sich über Jahre hinzieht, kommt es aber natürlich immer wieder zu Inkonsequenzen und Unstimmigkeiten, denen wir durch sehr intensive Lektoratsdurchgänge zu Leibe gerückt sind.

Sebastian: Prinzipiell hat jeder zu jedem Teil des Regelwerks etwas beigetragen. Zu Beginn habe ich ziemlich viel mit den anderen über Sword & Sorcery und die Welt von Malmsturm diskutiert, um ein Gefühl für einen gemeinsamen kreativen Vorstellungsraum zu bekommen. Und dann habe ich jede Menge Vorschläge für alle möglichen Regelteile gemacht.

Teilzeithelden: Wie haben die anderen auf deine Vorschläge reagiert?

Sebastian: Mindestens die Hälfte davon wurden mit Entsetzen abgelehnt, einige wohlwollend aufgenommen und ein paar enthusiastisch gefeiert. Dann haben wir die Vorschläge diskutiert, verworfen oder überarbeitet. Diesen Prozess haben wir immer wieder wiederholt, bis wir letztendlich ein zehnseitiges Alpha-Dokument zusammenhatten. Von da an haben wir dann die grundlegenden Ideen in konkrete Regeln und Texte gegossen. Kreativen Input gab es dafür meistens von Werner und Bjorn, und Helge und ich haben diese Ideen dann in Regeltexte umgesetzt. Natürlich hatten wir aber auch Ideen für bestimmte Regelelemente, die wiederum Bjorn und Werner zu neuen Ideen inspirierten. Und dann hatten wir natürlich noch Dominik als Advocatus Diaboli, der uns immer wieder zurückgepfiffen hat, wenn wir uns verrannt hatten, und der darauf geachtet hat, dass wir da am Ende ein stimmiges Gesamtwerk abliefern.

Malmsturm | (c) Uhrwerk Verlag
Malmsturm | (c) Uhrwerk Verlag

Teilzeithelden: Eines der eindrücklichsten Elemente jeder Malmsturm-Publikation sind die tollen Artworks. Björn, woher nimmst du deine Inspirationen dafür?

Björn: Die Inspirationen sind wirklich vielfältig. An einem Tag ist es ein bestimmter Song, an einem anderen ist es eine Szene aus einem Film oder einer Serie, die mich gefesselt hat. Aber genauso oft sind es auch schöne Erlebnisse aus Rollenspiel- oder Computerspiel-Abenden, die mich inspirieren. Natürlich tragen auch die Jungs sehr viel zu den Illustrationen bei, sei es durch ihre Texte oder durch den gemeinsamen Austausch. Danach sind die meisten Bilder eh schon in meinem Kopf und müssen dann nur noch auf Papier gebannt werden.

Teilzeithelden: Vielen Dank für diesen spannenden Einblick in die Entstehung von Malmsturm – Die Fundamente. Welche weiteren Produkte in der Welt von Malmsturm erwarten uns denn noch?

Helge: Ein kleiner Band mit drei Szenarien (Malmsturm – Stätten der Verdammnis) ist bereits so gut wie abgeschlossen und steht damit als nächstes in der Pipeline. Der zurückgestellte Szenarienband Malmsturm – Wege aus Blut und Eisen wird überarbeitet und an das Regelwerk der zweiten Edition angepasst Der neue Weltenband Malmsturm – Länder des Sturms wird derzeit auch überarbeitet. Einige Teile des alten Weltenbands werden wegfallen (die bereits im Grundregelwerk vorhandenen Archetypen) oder stark verändert (das Bestiarium, das wir in der Neuauflage auf alle Bücher verteilen). Ansonsten werden nur offensichtliche Fehler der Erstauflage korrigiert oder Details umgeändert, um Unstimmigkeiten zu den Fundamenten zu vermeiden. Hier sind wir derzeit noch in der Anfangsphase. Mittelfristig kommen noch die Chronik-Bände, die sich jeweils eine der Regionen der Welt genauer zur Brust nehmen.

Fazit: Malmsturm – Die Fundamente ist eine gelungene Sword-&-Sorcery-Adaptation für Fate Core

Unsere ausführliche Rezension von Malmsturm – Die Fundamente findet ihr hier. Die Adaptation der Fate Core-Regeln ist vorbildlich, da versucht wurde, alle Eigenheiten des Settings möglichst innerhalb der Originalregeln abzubilden. Das Regelwerk ist damit ein Paradebeispiel dafür, wie sich settingspezifische Elemente, wie bestimmte Formen der Magie oder übernatürliches Wirken, ganz einfach in Fate Core abbilden lassen. Damit ist es, ebenso wie die erste Version, nach wie vor auch für Rollenspieler interessant, die mit dem eigentlichen Setting nichts anfangen können, aber Inspiration für ihr eigenes Fantasysetting suchen.

Wenn ihr euch aber für Sword & Sorcery begeistern könnt, werdet ihr Malmsturm – Die Fundamente lieben. Die zahlreichen vorgeschlagenen Archetypen und die kurze Weltbeschreibung ermöglichen es sofort, in der wundersamen, unerforschten Welt loszuspielen und eigene Abenteuer zu erleben. Die Weltbeschreibung baut auf der intelligenten Analyse der Genrekonventionen von Sword & Sorcery auf und bietet zahlreiche Ansätze, die besonderen Elemente dieses Genres am Spieltisch erlebbar zu machen. Schließlich helfen euch die tollen Illustrationen sowie die zahlreichen kurzen Erzählungen und Sagen, die über das Buch verteilt sind, ein Gefühl für das Setting zu bekommen.

Artikelbilder: Björn Lensig

 

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