Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

In meiner Kolumne „Die letzte Seite“ möchte ich in regelmäßigen Abständen Schlaglichter auf Fantastik und Co. werfen. Heute: Wie funktioniert das Vielschreiben eigentlich?

Nicht mehr lange bis zum NaNoWriMo. Und nachdem ich im Februar bereits etwas dazu geschrieben habe, möchte ich heute einmal nachlegen, wenn auch aus einer etwas anderen Perspektive. Denn angesichts des bevorstehenden Buchjahres 2017 und dem Umstand, dass binnen dieser Jahresfrist – so denn alles klappt – gleich acht Bücher von mir erscheinen werden, werde ich häufiger gefragt, wie ein solcher Output möglich sei. Ich will an dieser Stelle gerne Rede und Antwort stehen und ein bisschen Einblick gewähren. Und wer weiß? Vielleicht ist ja auch der ein oder andere Tipp für den geneigten Leser dabei?

Also: Acht Bücher innerhalb von zwölf Monaten? Wie ist das möglich? Im Grunde über drei Faktoren, wie der Titel dieses Artikels bereits verrät, nämlich über Routine, Produktivität und Kreativität. Der Output wäre dann schlichtweg das Ergebnis.

Am Anfang steht die Sichtweise

Alles ist bekanntlich eine Frage der Einstellung. Was dem einen schmeckt, muss dem anderen überhaupt nicht schmecken. Was der eine gerne macht, ist für den anderen eine echte Qual. Wir alle haben eben Vorlieben und auch ganz unterschiedliche Arten und Weisen, wie wir uns mit Dingen beschäftigen.

Wenn ich mir die schreibende Zunft ansehe, dann glaube ich, im Grunde zwei Typen ausgemacht zu haben: Die Künstler und die Handwerker. Künstler haben eine sehr innige Beziehung zu ihren Werken, ihren Charakteren und den Welten, die sie erschaffen. Sie haben mitunter eine Menge Herzblut und Zeit in ihre Welten gesteckt und streben vor allem eins an: Perfektion. Eine Geschichte, die sie der Öffentlichkeit präsentieren, muss perfekt sein. Hier fängt es schon an: Ab wann ist ein Werk denn perfekt? Bestenfalls legt der Autor für sich den Maßstab fest – und die meisten dürften die Latte relativ hoch hängen. Oftmals erlebe ich lange Überarbeitungen von Texten, Feilen an Dialogen und an Szenen, manchmal sogar das Umkrempeln ganzer Passagen und Kapitel.

Handwerker hingegen gehen anders dran. Sie haben von Anfang an einen Plan, kennen den Anfang, den Mittelteil und das Ende ihrer Geschichte. Sie wissen also nicht nur, wohin sie wollen, sondern wie sie dort hinkommen. Ein Handwerker macht sich im Vorfeld Gedanken, erarbeitet einen Pitch und arbeitet sich dann daran ab. Ich möchte nicht unbedingt sagen, dass Handwerker weniger mit ihren Werken verbunden wären – aber sie haben oftmals keine Probleme mit Streichungen und Umbauarbeiten am Text, wenn diese notwendig werden sollten.

Beides sind Herangehensweisen an die Textproduktion, und ich würde niemals sagen wollen, die eine sei besser als die andere. Es ist eben eine Frage der bevorzugten Arbeitsweise.

Ich selbst? Ich würde mich bei den Handwerkern einordnen wollen. Ich bin überzeugt, dass der Moment, in dem ich einen Text geschrieben habe, eh schon der beste Moment war. Die Kreativität des Augenblicks, in dem ich beispielsweise einen Dialog verfasst habe, kann ich nicht kopieren, werde ich wahrscheinlich nicht noch einmal erreichen. Also ist meine grundlegendste Annahme, dass das, was ich zu Papier gebracht habe, das im Augenblick bestmögliche ist. Und ja, vielleicht fallen mir während des Schreibens Dinge ein, mit denen ich den Plot vielleicht hätte spannender gestalten können – doch in den seltensten Fällen baue ich sie dann in das laufende Projekt ein. Ich notiere sie mir und spare sie für das nächste Buch auf. Schreiben ist eben auch ein Lernprozess, und Lernen kostet Zeit. Die wiederum muss man sich selber nehmen oder geben. Persönlich ist mir also lieber, drei Bücher zu schreiben und mich dabei von Werk zu Werk zu verbessern, als unter dem Druck des Perfektionismus zu arbeiten. Denn eines ist so oder so klar: Was ich heute für perfekt halte, muss diesen Anspruch morgen für mich nicht mehr erfüllen.

Routine

Neben der generellen Sicht auf die Schreibarbeit, ist das A und O in meinen Augen die Routine. Ohne Routine und die dazugehörige Selbstdisziplin ist es wahrscheinlich unmöglich, jemals ein Buch fertig zu bekommen.

Für mich bedeutet das: Ich muss täglich schreiben. Und nicht nur eine halbe Stunde, tatsächlich habe ich zwei bis drei Stunden am Tag für die Textarbeit reserviert. Im Moment sieht das so aus: Gegen 22 Uhr schalte ich auch gedanklich auf den Schreibmodus, wähle die entsprechende Musik, gönne mir eine Zigarre und beginne mit dem Tippen. Oftmals bis 0 Uhr, eher sogar bis 1 Uhr, manchmal sogar bis 2 Uhr. Bevor jemand fragt: Ich kann von diesem Handwerk nicht leben. Gegen 2 Uhr gehe ich mit dem Wissen ins Bett, dass mein Wecker um 6 Uhr klingeln wird und der Brot-&-Butter-Job ruft.

Für ein solches Pensum braucht man Disziplin. Oftmals ist es natürlich ziemlich verlockend, vor der x-ten Folge irgendeiner Serie auf Netflix zu versinken, irgendein Spiel zu zocken oder andere Dinge zu machen. Und ja, es gibt auch Tage, da gebe ich diesem Drang nach. Aber auf das Jahr betrachtet, gibt es wohl erheblich mehr Tage, an denen ich abends schreibe, als solche, an denen ich das nicht tue.

Für den einen oder anderen mag ein solches Zeitfenster zu umfassend sein. Aber ich sehe das so: Jemand, der wirklich Sport machen will, macht auch mehr als nur eine halbe Stunde am Tag. Jemand, der gerne zockt, wird mehr als eine Stunde vor dem Rechner sitzen – und so weiter, und so fort. Natürlich bin ich in der glücklichen Lage, aktuell noch keine Kinder zu haben und mir meine Zeit so einteilen zu können. Aber im Grunde sehe ich dem gelassen entgegen, denn, wenn ich es schaffe, in Freiberuflichkeit und mit acht bis zehn Stunden Arbeit am Tag so zu arbeiten, wird es anderweitig sicher auch gehen.

Kreativität

Es ist die zugleich simple wie schwere Frage, welche Geschichte ein Publikum denn interessieren könnte. Die kritische Frage, die zu Beginn eines jeden Projekts stehen sollte: Ist die Geschichte spannend genug, um erzählt zu werden? Nun sind Geschmäcker bekanntlich verschieden, und nur, weil der eine eine Geschichte spannend findet, muss der andere nicht unbedingt der gleichen Meinung sein.

Dennoch: Wenn ich veröffentlichen will, werde ich um diese Frage nicht herumkommen. Mit der Zeit entwickelt sich ganz automatisch ein Gespür dafür, und ein Blick in die Welt kann da helfen. Im Grunde geht es bei jeder Geschichte, die man erzählt, um Konflikte, und diese wiederum üben eine starke Anziehungskraft auf den Menschen an sich aus. Die Kunst ist also, so von Konflikten zu erzählen, dass ein Spannungsbogen entsteht. Mir persönlich hat es immer sehr geholfen, eine wie auch immer geartete Geschichte einmal auf ihre Grundlagen herunter zu brechen. Wer gegen wen? Warum? Äußere Einflüsse? Wenn einem diese Dekonstruktion gelingt, hat man ein ordentliches Gerippe, einen Rohbau, der nur noch mit „Fleisch“ zu füllen ist. Also mit Charakteren, Orten und einer Welt. Für mich jedenfalls war diese Herangehensweise bisher immer die beste.

Aber woher stammt das „Fleisch“? Das ist relativ einfach zu beantworten. Ein täglicher Blick in die Presse reicht aus, um zahlreiche Ideen zu bekommen. Manchmal verbringe ich ein bisschen Zeit damit, mir Bilder zu einem Thema anzusehen oder einfach Wikipedia zu lesen. Das ist kein Scherz: Dieses Nachschlagewerk ist so vernetzt, dass man im Endeffekt Stunden dort verbringen kann, von Artikel zu Artikel springt, seinen Horizont erweitert und dabei neue Ideen sammelt. An anderen Tagen reichen Musik, ein Film oder eine Serie, ein Trailer oder auch nur ein Blick aus dem Fenster. Und über die Jahre sammeln sich eben alle Eindrücke an, sodass man aus einem reichhaltigen Fundus schöpfen kann, wenn es dann darum geht, das Gerippe einer Geschichte mit Fleisch zu behängen.

An dieser Stelle möchte ich auch noch mal ein Wort zum Anspruch verlieren. Denn es gibt zahlreiche Kollegen, die den Anspruch haben, eine einzigartige Geschichte schreiben zu wollen. Das kann man machen – jedoch muss man immer im Kopf haben, dass im Grunde jede Geschichte schon einmal erzählt wurde. Es geht nicht um Einzigartigkeit, sondern darum, unterhaltsam zu schreiben. Das ist der ganze Trick.

Produktivität

Dieser Punkt wiederum ist schnell erklärt, hängt er doch mit der Routine zusammen. Ich glaube einfach, dass es hilft, jedes geschriebene Wort, jede gelöschte Seite und jede verworfene Idee auf die Habenseite zu stellen. Es wird also deutlich: Produktivität hat auch etwas mit der Sichtweise zu tun.

Ich möchte das mit einem Beispiel schildern: Es kann vorkommen, dass man den ganzen Abend (und die Nacht) an etwas sitzt, schreibt als wäre der Teufel persönlich hinter einem her. Und dann schaut man sich am nächsten Tag an, was man da produziert hat und ist – aus welchen Gründen auch immer – unzufrieden. Es gibt nun mehrere Möglichkeiten, mit dieser Situation umzugehen, vom Überarbeiten bis hin zum rigorosen Löschen und neu Schreiben. Für was auch immer man sich entscheidet, wichtig ist, zu verinnerlichen, dass man überhaupt nicht „umsonst“ (also ohne Ergebnis) gearbeitet hat. Denn im Grunde weiß man jetzt mindestens einen Weg, wie man eine Szene, einen Dialog oder einen Aspekt nicht beschreiben sollte. Und auch das ist, im Sinne der Produktivität, ein Mehrgewinn.

Artikelbild: maglara | fotolia.de

 

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein