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Saftige Wiesen auf grünen Hügeln, in der Sonne schimmernde goldene Äcker, tiefe dunkle Wälder, schroffe Berggipfel und dampfende Sümpfe. Einige alte Stämme besiedeln das Land zwischen Höhlen und Minen und magischen Orten. Es könnte so ein friedliches Leben sein! Doch das würde bedeuten, das Spiel in der Schachtel im Regal stehen zu lassen; und das geht nicht!

Und so droht der kleinen Welt Gefahr, wenn die Spieler mit ihren Völkern vom Rande her auf das Brett drängen und sich ausbreiten, die alten Stämme vertreiben und früher oder später aufeinanderstoßen und um die Vorherrschaft ringen. Aufgerieben zwischen den Schlachten oder einfach durch Dekadenz in kulturellen Stillstand geraten kommt früher oder später der Zeitpunkt, an dem sein Volk dem Spieler nicht mehr nützt. Das ist der richtige Augenblick, an dem er es fallen lässt. Das Volk geht unter, nur noch ein Schatten erinnert an seine einstige Blüte. Doch der Untergang des einen Volkes ist die Morgenröte eines neuen.

Und so marschieren am Spielfeldrand neue Truppen auf, um ihre Herrschaft über Small World zu fordern!

Spielablauf

Zunächst einmal ist das Spielprinzip ganz einfach. Jeder Spieler startet mit einigen Plättchen-Einheiten seines Volkes (meist um die zehn) und versucht, sich auf der bunten Fantasiewelt auszubreiten. Ein neues Volk startet immer vom Spielfeldrand und das Erobern einer Region (also eines Feldes) benötigt zwei Einheiten. Für alles, was in der Region bereits vorhanden ist (neutrale Völker, Plättchen anderer Spieler u.ä.) benötigt es eine weitere Einheit. Ist die Region erobert, bleiben die dazu benötigten Einheiten zunächst in ihr liegen und mit den übrigen Plättchen kann sich der Spieler in den Nachbarregionen weiter ausbreiten, bis ihm die Plättchen für weitere Eroberungen ausgehen. Nun darf er alle Plättchen bis auf eines jeder Region noch einmal ganz nach Belieben umverteilen, um damit eine wirksame Verteidigung aufzubauen – z.B. mit vielen Einheiten an den Grenzen, während das Hinterland ohne weitere Verteidigung auskommt. Für jede Region erhält der Spieler einen Siegpunkt und der nächste Spieler ist an der Reihe.

Der erste Zug in einer Zweier-Partie.
Der erste Zug in einer Zweier-Partie.

Ist der Spieler später wieder am Zug, darf er alle Plättchen wieder auf die Hand nehmen und sich weiter ausbreiten. Praktisch lässt er je eines pro Region liegen und nutzt den kleinen Rest zum Weiterspielen. Hier schieben wir ein kleines Rechenspiel ein. Sagen wir, der Spieler ist mit zehn Plättchen gestartet und konnte komplett ungeschützte Regionen einnehmen. Für jede Region brauchte er zwei Plättchen… Abakus rausgeholt… Perlen geschoben… macht fünf Regionen im ersten Zug. In diesen fünf Regionen bleibt je ein Plättchen liegen… Abakus… Perlen geschoben… bleiben für die neue Runde die anderen fünf Plättchen für neue Eroberungen… Abakus… Perlen geschoben… das reicht ja nur noch für zwei neue Regionen! Gerade mal sieben Punkte! Und das auch nur, wenn die neuen Regionen ungeschützt waren und wir im Zug vorher nicht doch ein paar Einheiten verloren haben!

Spätestens im dritten Zug ist der Stillstand eingetreten, durch den sich das Volk nicht weiter ausbreiten kann und wo wahrscheinlich an den Grenzen schon die Nachbarn klopfen.

Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, sein Volk untergehen zu lassen. Alle Plättchen bis auf eines pro Region werden entfernt und diese letzten Plättchen dann auf die graue Rückseite umgedreht. Der Spielzug ist beendet und im nächsten startet der Spieler mit einem neuen Volk. Das untergegangene Volk bringt immer noch die Punkte für seine Regionen, ist nun aber passiv und für die Mitspieler ein gefundenes Fressen. Außerdem verliert es im Normalfall auch alle seine besonderen Eigenschaften.

Besondere Eigenschaften?

Ja! Bis eben war Small World noch ein einfaches, überschaubares, funktionierendes aber auch etwas langweiliges Spiel; „Old School“. Die Eigenschaften der Völker machen es erst zu einem wirklich gelungenen Spiel!

Wohlhabende Trolle? Die haben wohl einen Drachenschatz gefunden!
Wohlhabende Trolle? Die haben wohl einen Drachenschatz gefunden!

Dazu gehen wir jetzt etwas tiefer in den Mechanismus hinein, mit dem die Spieler ihr Volk wählen. Dem Spiel sind vierzehn „Volksplättchen“ und zwanzig „Eigenschaftsplättchen“ beigefügt (bei der Gelegenheit: ich halte mich hier nicht an die offiziellen Bezeichnungen, die teils etwas technisch klingen oder gar Stoff für politische Diskussionen liefern könnten). Jedes Plättchen modifiziert die Grundregeln auf irgendeine Art. So gibt es z.B. Orks, die Extrapunkte bekommen, wenn sie Einheiten besiegen, Zauberer, die in magischen Regionen mehr Punkte machen oder die Wassermänner, die Küstenregionen mit einem Plättchen weniger erobern. Als Eigenschaften gibt es berittene, die in Äcker und Hügelland leichter einfallen oder fliegende, die nicht Region für Region erobern müssen, sondern einfach irgendwo angreifen dürfen.

Was hatten die Rattenmenschen wohl einst für eine Fähigkeit?
Was hatten die Rattenmenschen wohl einst für eine Fähigkeit?

Man kann sich vorstellen, dass sich fliegende Orks (wollen Einheiten bekämpfen und dürfen kämpfen wo sie wollen) anders spielen als Helden-Menschen (die auf Äckern extra Punkte generieren und durch ihre Helden an einigen Regionen vor allem Unbill geschützt werden). Und hier setzt der wirkliche Spaß ein: Herauszufinden, wie man welche Kombination wann am besten einsetzt.

Vier Spieler streiten sich um das Land
Vier Spieler streiten sich um das Land

Die Plättchen werden zu Beginn des Spiels gemischt und je fünf zufällig kombiniert in einer Reihe ausgelegt. Die übrigen bleiben zum Nachrücken auf einem (offenen) Stapel. Ist ein Spieler an der Reihe und hat er kein Volk, so wählt er sich eines aus den ausliegenden aus. Dabei darf er das erste in der Reihe umsonst nehmen. Entscheidet er sich für das zweite, muss er auf das erste einen seiner Siegpunktemarker legen. Entscheidet er sich für das dritte, muss er auf beide vorherigen einen Siegpunktemarker legen usw. So wird relativ simpel garantiert, dass auch schwächere Kombinationen (die es natürlich gibt, bei so vielen Möglichkeiten ist das nicht zu verhindern) früher oder später interessant werden. Denn natürlich erhält der Spieler, der schließlich das so oft verschmähte Volk wählt, die darauf liegenden Siegpunktplättchen.

Übrigens habe ich häufiger gesehen, dass Small World als Strategiespiel bezeichnet wird. Das ist es meiner Ansicht nach jedoch nicht. Wenn das erste Untergehen anfängt können innerhalb einer Runde auch schon mal drei oder vier neue Völker auf dem Brett auftauchen und alles auf den Kopf stellen. Strategische Planungen sind da nur sehr begrenzt möglich. Taktisch kann das Spiel aber den Spielern dennoch einiges abverlangen.

Der Hexenmeister vom flammenden Berg?
Der Hexenmeister vom flammenden Berg?

Das Spielende ist eher unspektakulär: Je nach Spieleranzahl werden acht bis zehn Runden gespielt, die Punkte ausgezählt und fertig. Schnelle Spieler schaffen das durchaus in einer Stunde, wer sich gerne Zeit zum Überlegen und Durchrechnen lässt, kann auch mal bei zwei Stunden landen.

Am Ende geht es wie so oft um schnöden Siegpunkte-Mammon
Am Ende geht es wie so oft um schnöden Siegpunkte-Mammon

Ausstattung

Days of Wonder ist für die sehr gute Ausstattung seiner Spiele bekannt und so ist auch Small World eine kleine Augenweide. Letztlich besteht das komplette Spielmaterial zwar nur aus Pappmarkern, diese sind aber hochwertig, sehr schön gezeichnet, die Symbolik ist relativ schnell verinnerlicht und für die Völker gibt es eine eigene Sortierbox, die für Ordnung sorgt. Auch die Spieleschachtel selbst hat ein Plastikinlay für die übrigen Marker bekommen, aber da scheiden sich ein bisschen die Geister: Erfahrungsgemäß funktionieren die Inlays nie so wie sie sollen und einzelne Teile springen doch aus ihren Fächern. Ich persönlich bin da eher ein Fan von einfachen Zipperbeuteln.

Alles hat seinen Platz!
Alles hat seinen Platz!

Das Spiel ist in einem typischen bunten Comic-Fantasy-Stil gehalten, mit Witz und Selbstironie.

Die Regeln sind übersichtlich und gut nachvollziehbar geschrieben, für jeden Spieler ist eine Übersicht beigelegt worden, in der die Regeln und Fähigkeiten zusammengefasst sind. Ein Anhang beschreibt vor allem die Fähigkeiten noch einmal ausführlich – hier sollte man unbedingt einmal reinschauen, da die Zusammenfassung einige Details aus Platzgründen übergeht.

Die etwas hilfreiche Sortierbox für die verschiedenen Völker.
Die etwas hilfreiche Sortierbox für die verschiedenen Völker.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Days of Wonder; Asmodee
  • Autor(en): Phillipe Keyaerts
  • Erscheinungsjahr: 2009
  • Sprache: Deutsch
  • Format: 30,3 x 7,9 x 30 cm
  • ISBN/EAN: 0824968726617
  • Preis: 40,95 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Preis-/Leistungsverhältnis

Mit etwa 40 EUR gehört das Spiel schon in den oberen Preis-Leistungs-Bereich, insbesondere da es überwiegend aus Pappmarkern besteht und Days Of Wonder-Spiele im Allgemeinen sehr preisstabil sind. Das Spiel ist aber auch sehr gelungen und sehe ich mir den aktuellen Trend zu wirklich teuren Miniaturenspielen an, dann gibt es an den 40 EUR nicht wirklich etwas auszusetzen.

Bonus/Downloadcontent

Small World hat es inzwischen zu einem ganzen Haufen Erweiterungen und Nachfolgespielen geschafft:

  • Frauenpower
  • Verflucht
  • Anführer
  • Die Insel des Geisterbeschwörers
  • Keine Panik
  • Royal Bonus
  • Im Netz der Spinne
  • Fabeln und Legenden
  • Realms
  • Underground
  • River World
  • Tunnels

 

Ich möchte keine Witze über noch eingeschweißte Spiele lesen!
Ich möchte keine Witze über noch eingeschweißte Spiele lesen!

Vor allem fügen diese der Small World-Welt neue Völker und Eigenschaften hinzu, aber auch einige ganz neue Spielelemente werden dem Spiel spendiert. Manche davon lassen sich sogar als eigenständiges Spiel nutzen.

Darüber hinaus bietet Days of Wonder eine Community und eine englischsprachige Onlineversion an.

Fazit

Small World ist zunächst ein einfaches Eroberungsspiel mit einfachen Kampfregeln. So ausgestattet dürfen die Spieler dann aus einigen Einheiten-Sets wählen, die diese Grundregeln modifizieren und damit eine Fülle an immer wieder neuen taktischen Optionen ermöglichen.

Spieler, die gerne aus dem Bauch heraus ihre Züge spielen, werden genauso ihre Freude haben wie hartgesottene Taktiker. Die einen können einfach aus den gerade verfügbaren Möglichkeiten wählen, die anderen wissen genau, warum die Amazonen besser früh im Spiel ausschwärmen, wohlhabende Völker schnell untergehen und niemand Zwerge mag.

Damit gelingt es Small World schwer vereinbare Merkmale zusammenzufügen, auch noch in einem schönen Gewand aufzutreten und dann auch noch mit seiner überschaubaren Spieldauer gleich zu einer Folgepartie einzuladen! Zu Recht gehört Small World zu den ganz Großen seines Genres!

Daumen5maennlichNeu

Artikelbilder: Asmodee
Fotografien: Detlef Schroedter

 

 

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