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15 Millionen Spieler. Diese Zahl muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, vor allem, wenn man bedenkt, dass das Spiel erst knapp ein halbes Jahr auf dem Markt ist. Overwatch ist damit wohl das erfolgreichste Spiel, neben Pokémon Go, im Jahre 2016. Das toppt sogar World of Warcraft mit seinen aktuell rund sechs Millionen Abonnenten.

Wer bisher Soundtracks von Spielen sein Eigen nennen wollte, musste früher meistens eine kostspielige Collector’s Edition erwerben. Doch inzwischen haben fast alle Spieleschmieden das Zusatzgeschäft mit der Musik zum Spiel für sich entdeckt. Infinity Ward, das Studio hinter der Call of Duty-Reihe, konnte sogar Hans Zimmer für sich verpflichten. Blizzard zählt sicher zu den Studios mit den stimmungsvollsten Soundtracks, wenngleich sie sich eine gewisse Eintönigkeit vorwerfen lassen müssen. Entsprechend hoch sind aber die Erwartungen an den Soundtrack von Overwatch.

Um sich dann aber doch ein bisschen abzuheben, spendierte das Studio dem Spiel nebst dem offiziellen Soundtrack noch einen besonderen für die Collector’s Edition, der nun auch käuflich zu erwerben ist.

Über das Album

Für den Soundtrack zu Overwatch bedient sich Blizzard einmal mehr einiger seiner Haus-und-Hof-Komponisten. Allen voran Derek Duke, der das Album als leitender Komponist zu verantworten hat, sowie Neal Acree, Sam Cardon und Cris Valesco.

Derek Duke ist bei Blizzard schon ein alter Hase und hat bereits bei den Soundtracks zu World of Warcraft, Starcraft und Warcraft III mitgewirkt. Wie bei Blizzard üblich, hatte er auch mit seiner Stimme einen Gastauftritt in diversen Titeln.

Neal Acree ist wohl einer der am meisten ausgezeichneten Komponisten unserer Zeit, obwohl er den meisten Lesern unbekannt sein dürfte. Seine Auszeichnungen erhielt er dabei vor allem für seine Soundtracks zu diversen Titeln aus der World of Warcraft-Reihe und Starcraft – so ist auch er ein bekanntes Gesicht bei der Spieleschmiede. Neben seinen Arbeiten für Blizzard hat er auch Musik zum Actionfilm The Mechanic und der Serie Stargate Kommando SG 1 geschrieben. Bei weiteren Teilen aus dem Stargate-Universum war er immer wieder als Komponist tätig.

Sam Cardon ist im Herzen Jazzmusiker und sitzt am liebsten am Piano. Doch schreibt er auch regelmäßig für Film und Fernsehen. Sein erster Beitrag zu einem Videospiel war für Jet Moto 2 im Jahre 1997. Das erste Mal für Blizzard war er 2014 mit einigen Titeln zu Warlords of Draenor zu hören.

Cris Valesco ist schon seit zwölf Jahren in der Videospielbranche und hat unter anderem Musik zu den God of War-Spielen, Mass Effect und Borderlands geschrieben.

Ein ordentliches Quartett für einen Soundtrack, mit beeindruckender Branchenerfahrung, dank Cardon und Acree auch mit viel Wissen aus Film- und Fernsehproduktionen. Also sehr gute Vorrausetzungen für einen ansprechenden Soundtrack.

Tracks

Overture 01:47

Ouvertüre leitet sich vom französischen „ouverture“, Eröffnung, ab. In Konzerten meist als kurzes einleitendes Stück zum gesamten Werk verwendet. Man merkt hier Sam Cardons klassische Ausbildung, denn dieses Stück erfüllt alle Voraussetzungen einer klassischen französischen Ouvertüre. Ein langsamer, schwerer Beginn, der in einen schnelleren und pointierten Mittelteil übergeht, um in einem dramatischen Finale zum Ende zu kommen. „Overture“ macht Lust auf mehr und erfüllt damit voll und ganz seinen Zweck.

Rally the Heroes 02:20

Wie muss eine Rally sein? Treibend! Hier gibt das Album richtig Gas und schafft durch Trommeln und elektronische Einflüsse eine wunderbare Atmosphäre, die die Geschwindigkeit des Spiels wiedergibt. Hier hat man keine Zeit zu verlieren. Das Tempo wird durchgängig gehalten und am Ende nochmal durch Streicher beschleunigt. Zwar meint der Titel eher den Aufmarsch der Helden, doch auch die Motorsport-Rally passt ganz eindeutig.

Temple of Anubis 02:11

Wer auf einen ruhigen Tempel hofft, wird sich täuschen. Das treibende Grundthema des letzten Stückes wird zunächst beibehalten und um orientalische Klänge ergänzt. Nach einigen Sekunden dürfen wir kurz zu Atem kommen, nur um gleich wieder durch schnelle Schlagzeuge und Pauken vorangetrieben zu werden. Fun Fact: Der zweite Teil erinnert mit seinen Pauken an den Soundtrack von Hawaii Fünf-Null.

The World Could Always Use More Heroes (Cinematic Intro) 05:50

Etwas ungewöhnlich folgt an dieser Stelle ein erneutes Intro. Mit einem schweren bedrohlichen Anfang baut es eine gute Stimmung auf, um dem Titel gerecht zu werden. Schnell schwenkt diese Stimmung in etwas Grundpositives um, und man fühlt sich an Superhelden erinnert. Langsam führt uns dieses Stück nun an das Spiel heran, und ruhige Passagen mit Xylophon erzeugen eine ruhige Grundstimmung. Diese wechselt jäh in das treibende Hauptthema, das hier abwechslungsreich variiert wird. Eindeutig wurden die vier Komponisten von den aktuellen Superheldenfilmen inspiriert. Am Ende führen uns E-Gitarren zu einem Höhepunkt, der ruhig ausklingen darf und zum Schluss nochmal mit dem Hauptthema aufwartet.

King’s Row 01:13

„King’s Row“ ist eine der ersten Karten des Spiels und schon aus der Beta-Phase bekannt. Die erneut dominierenden Schlagzeuge erinnern an Soundtracks von Modern Warfare, und ein entferntes Glockenläuten führt uns nach London, was zweifelsohne Vorbild der Karte im Spiel ist.

Obwohl Angriff und Eskorte das Thema des Settings sind, werden wir nicht ganz so getrieben wie im Tempel des Anubis.

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Legacy 01:52

Hier haben wir ein vergleichsweise ruhiges Stück, das mit Streichern eröffnet. Posaunen steigen dann nach gut einem Drittel ein, aber es bleibt ruhig. Selbst das Schlagzeug im letzten Drittel treibt nicht an, sondern baut eine sehr heroische Stimmung auf.

Prepare to Attack 05:31

Ganz eindeutig hört man zu Beginn die Blizzard-Erfahrung von Acree und Duke. Die verzerrten Schreie und düstere Stimmung könnten auch aus Diablo stammen. Dies hält jedoch nur kurz an, und es beginnt eine Treibjagd mit schnellen Streichern, elektronischen Einschlägen und Trommeln. In Gänze jedoch fast ruhig und ordentlich gehalten, wie eben auch ein Angriff vorbereitet sein will. Jedes Instrument scheint seinen Platz zu haben. Im letzten Drittel leiten Choräle dann den Angriff ein. Es wird lauter und fordernder, auch dank Posaunen und tiefer Trommeln.

Hanamura 01:58

Wo die Karte spielt wird dem Hörer sofort klar: Japan. Die klassischen Klischee-Japano-Klänge begleiten fast das ganze Stück, nur manchmal werden sie kurz überlagert. Auch hier geben Schlagzeuge den Takt vor und lassen auf einen schnellen Angriff hoffen.

Old Soldier 01:48

Nachdem man eine Runde durch japanische Gartenanlangen hetzen musste, gönnt uns dieser Titel wieder etwas Ruhe. Diese trügt jedoch, die schweren Trommeln und tiefen Posaunen erzeugen eine ganz besonders düstere und bedrohliche Stimmung. Diese klart am Ende ein klein wenig auf, lässt den Hörer aber zwischen Bedrohung und Hoffnung hängen.

Watchpoint: Gibraltar 00:56

Mit nicht mal einer Minute Spielzeit das kürzeste Stück auf dem Album. Es entstammt dem gleichnamigen Spielgebiet. Sphärische Klänge und viel Elektronik erinnern an den einen oder anderen Science-Fiction-Streifen. Leider war es das dann auch schon, und man hat nicht das Gefühl, dass es diesen Titel braucht.

Numbani 01:10

Auch Afrika ist im Fokus der Kämpfe in Overwatch. Mit Xylophon und vermutlich afrikanischen Gesängen wird der Hörer in die weiten Steppen der Westküste entführt. Leider ist er zu kurz, um nachhaltig eine Stimmung zu erzeugen und teilt damit das Schicksal von Gibraltar.

Situation Critical 04:35

Nach zwei eher schwachen Stücken, die uns zumindest musikalisch in eine kritische Situation stürzen lassen, folgt ein Titel, der die Stärke vorangegangener Stücke wieder aufgreift. Schlagzeug und Bläser bauen eine dramatische Stimmung auf und halten diese konsequent das ganze Stück durch.

Hollywood 01:23

Dieses Stück klingt einleitend etwas nach einem Intro für eine Nachrichtensendung und passt ganz gut zum Namen. Ein etwas ruhigerer Mittelteil hat durchaus Anleihen von Nintendo Wii Sports.

A Future Worth Fight For 02:18

So melodramatisch der Titel des Stückes wirkt, so ist auch das Stück selbst. Streicher, Posaunen und Trommeln schaffen ein zuversichtliches, ja hoffnungsvolles Szenario, das versucht, sich an Epik von Takt zu Takt zu überbieten. Vielleicht ist das zu viel des Guten, jedoch ist es ein solides Stück.

Volskaya Industries 01:11

Die Balalaika entführt uns ganz unverkennbar nach Russland. Wie in den anderen Länderthemen wird auch hier das Setting durchgängig beibehalten. Doch ganz passend wirkt es etwas schwermütiger als die restlichen Stücke.

Dorado 01:11

Als krassen Kontrast verschlägt es uns nun nach Mexiko. Ein schneller Start in das Stück lässt uns kaum Zeit zum Durchatmen. Der Mittelteil wirkt gleich wie eine Siesta und man fühlt sich in die brütende Mittagshitze der mexikanischen Wüste versetzt. Am Ende gewinnt das Stück erneut an Fahrt und endet so schlagartig wie es begonnen hat.

Victory 03:05

Für Siegesmusik ist auch Blizzard weithin bekannt und führte diese schon in den ersten Warcraft-Teilen ein. Wie viele Hymnen baut sich der Titel langsam auf und schwankt zwischen den treibenden Hauptelementen des Albums und klassischen ruhigen und epischen Posaunen, um sich dann zu einem beeindruckenden Stück zu vereinen. Die Trommeln nehmen etwas Geschwindigkeit heraus, um sich den Posaunen anzupassen. Das letzte Viertel gleitet dann geradezu sanft aus.

Route 66 01:10

„Hell yeah!“ ist wohl der erste Gedanke, der einem durch den Kopf schießen wird. Inspiriert von Western-Musik gleiten wir flott über die legendäre Route 66. Ein anspornender Titel, bei dem man sich auch als Nicht-Reiter auf einen Pferderücken wünschen dürfte. Das Banjo und die Peitsche sind liebevolle Anspielungen auf diese Szenerie.

We Are Overwatch 01:16

So ein Titel verspricht viel Pathos, doch leider braucht das gute 40 Sekunden, was bei 76 Sekunden über die Hälfte ist. Damit reiht er sich in die Reihe der viel zu kurzen Titel ein.

Nepal 2:07

Asiatische Themen für europäische Ohren unterschiedlich zu gestalten ist keine leichte Aufgabe.

Dieser Titel schafft das auf eine beeindruckende Weise. Dieses langsame und würdevolle Stück passt gut zu dem mythischen Setting in Nepal.

…And Overwatch for All 2:05

Hier zeigen die vier Komponisten noch einmal all ihr Können und, angeführt von Sam Cardon, gelingt dies auch. Das Overwatch-Thema wird erneut aufgegriffen und bildet einen würdigen Abschluss für dieses Album.

Verwendbarkeit im Rollenspiel oder LARP

Das Album hat nicht den Anspruch, für Rollenspiele oder LARP taugen zu wollen. Es richtet sich vornehmlich an die Spieler, die auch musikalisch der Welt von Overwatch verfallen sind. Aber dennoch wollen wir diesen Punkt nicht außen vor lassen, denn das Album ist durchaus geeignet.

Leider sind einige Stücke etwas kurz und eignen sich daher eher für kurze Szenen oder Intros im Pen&Paper. Die längeren Stücke könnten aber durchaus Verwendung in Science-Fiction- oder Gegenwart-Settings finden, die nicht zu düster sind.

Im LARP könnte das eine oder andere Stück, gerade aufgrund der hohen Dramatik und der treibenden Elemente, für Kämpfe eine Bereicherung sein – „Rally the Heroes“ und „The World Could Always Use More Heroes“ bieten sich hier an.

Preis-/Leistungsverhältnis

overwatch-soundtrack-cover-reviewAls digitaler Download kostet das Album 9,99 EUR. Das ist für 21 Titel und knappe 47 Minuten Laufzeit vollkommen in Ordnung und bewegt sich damit im Durchschnitt neuer Veröffentlichungen.

Die harten Fakten:

  • Komponist: Derek Duke, Neal Acree, Sam Cardon, Cris Velasco
  • Erscheinungsjahr: 2015
  • Format: CD oder MP3
  • Spieldauer: ca. 47 Minuten
  • Preis: 9,99 EUR (digital)
  • Bezugsquelle: iTunes

 

Fazit

Das Album hat alles was ein guter Soundtrack braucht: Ein einprägsames Thema, das immer wieder aufgegriffen wird, Stücke, die einen an den Ort des Geschehens und die Szene versetzen und genug Abwechslung bieten, um nicht zu langweilen. Leider sind einige Titel sehr kurz, dies ist aber die Krux an Soundtracks, beziehen sie sich doch in ihren Titeln oft auf einzelne Szenen. Ob dies bei einem Videospiel, in dem ich wesentlich länger in einer Szene verharre, auch so sein muss, sei mal dahingestellt.

Doch dies ist bei einem tollen Album wie diesem leicht zu verschmerzen, wenngleich es Abzüge in der B-Note gibt. Auch dass einige Stücke im Grunde nicht nötig wären, kratzt ein wenig an dem sonst großartigen Album. Wer aber gute Soundtracks zu schätzen weiß, wird mit einem Kauf garantiert nichts falsch machen.

Daumen4maennlichNeu

Artikelbild: Activision Blizzard

 

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