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Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie schwer ich mir damit getan habe, zum ersten Mal Fate zu spielen. Wir haben ganze Spielabende damit zugebracht, das Konfliktsystem zu verstehen und herauszufinden, wie wir spannende Kämpfe erleben können. Mittlerweile ist Fate das einzige Spielsystem, zu dem ich regelmäßig greife, wenn ich spannende und dramatische Geschichten erleben möchte.

Wenn ihr noch gar nicht viel über Fate wisst, wird euch dieser Artikel allerdings verwirren, weil er voraussetzt, dass ihr euch schon ein wenig mit Fate beschäftigt habt. Schaut euch in diesem Fall zuerst unsere Rezensionen von Fate Core und Turbo Fate an und werft einen Blick auf das frei zugängliche Fate Roleplaying Games System Reference Document. Der Artikel setzt voraus, dass ihr mit den Grundmechaniken von Fate (Aspekten, Aktionen und Fatepunkten) vertraut seid.

Um anderen den Einstieg in Fate ein wenig zu erleichtern, habe ich eine Liste der für mich wichtigsten Erkenntnisse für einen sorgenfreien Einstieg zusammengestellt. Im ersten Teil der Artikelserie erfahrt ihr, welche Augenöffner mir die Charaktererstellung und den Aufbau von Konflikten vereinfacht haben. Im zweiten Teil werde ich euch ein paar Anregungen an die Hand geben, wie Konflikte bunter und interessanter werden können, und erklären, warum Charaktere trotz Fatepunkten nicht alles erreichen und immer gewinnen können.

1. Lies Turbo Fate, nicht Fate Core

Ja, Fate Core ist das umfassendere Regelwerk, das vermutlich deutlich besser für langfristige Kampagnen geeignet ist als Turbo Fate. Turbo Fate ist aber nicht einfach nur eine Schmalspurversion von Fate Core, sondern ein eigenständiges Regelwerk, das noch ein wenig stärker von klassischen Rollenspielsystemen entfernt ist als Fate Core. Durch diesen größeren Abstand schafft es das Regelwerk, die Kernideen von Fate präziser und verständlicher zu vermitteln als sein großer Bruder. Das 72-Seiten dünne Regelwerk illustriert die Grundmechaniken knapp, aber immer verständlich, während sich das mit 312 Seiten deutlich dickere Fate Core-Regelwerk manchmal in Unklarheiten, Modulen oder optionalen Regelanpassungen verliert. Lies Turbo Fate, spiel ein paar Oneshots, und schau dir dann Fate Core an, um Fate zu genau dem Regelwerk zu machen, das du immer haben wolltest.

2. Charaktererschaffung ist ein kreativer Gruppenprozess

Turbo Fate ermöglicht einen schnellen Einstieg in Fate
Turbo Fate ermöglicht einen schnellen Einstieg in Fate

Früher habe ich mich zum Charaktererstellen immer in ein stilles Kämmerlein zurückgezogen und stundenlang an den Werten meiner Charaktere geschraubt, bis sie endlich perfekt waren. Wenn ich Fate spiele, lege ich aber großen Wert darauf, die Charaktere gemeinsam am Spieltisch zu erstellen. Am einfachsten gelingt die Charaktererschaffung, wenn sie von der Spielleitung moderiert wird. Es bietet sich an, die verschiedenen Phasen der Charaktererschaffung wie vom Regelwerk vorgegeben durchzugehen und die Spieler der Reihe nach zu einem bestimmten Aspekt und dessen Hintergrund zu befragen. So können die anderen einspringen, wenn einem der Spieler gerade keine gute Idee oder keine wirklich passende Formulierung für einen Aspekt einfällt. Der schöne Nebeneffekt dabei ist, dass alle direkt in die Erschaffung der anderen Charaktere involviert sind und ihre Ecken und Kanten kennen.

Anfangs habe ich mit der Idee des Phasentrios nichts anfangen können. Ich fand den aus dem ersten Abenteuer entstehenden Aspekt immer interessant, aber irgendwie wirkte es überflüssig, dass sich zwei weitere Charaktere in diese Geschichte hineinschreiben und daraus eigene Aspekte generieren sollten. Mittlerweile weiß ich, dass das Phasentrio einen wichtigen, wenn auch stark verregelten Mechanismus zur Verknüpfung der Charaktere darstellt. Als Spielleiterin versuche ich meine Spieler durch das gesamte Phasentrio hindurchzuführen und mache Vorschläge, wie die Konsequenzen der Geschichte eines anderen Charakters zu einem neuen Abenteuer für den eigenen Charakter geführt haben könnte. Dabei ist wichtig zu verstehen, dass der eigene Charakter nicht direkt in der Geschichte des anderen Charakters auftreten muss. Es genügt völlig, wenn sich der eigene Charakter mit den Konsequenzen der Handlungen des anderen Charakters auseinandersetzen muss.

Für die Spielleitung ist dieser Moment gemeinsamen Charaktererschaffens auch wichtig: Sie kann sich Notizen über das Beziehungsnetz der Charaktere machen und überlegen, welche gemeinsamen Motive, Themen, Ängste oder Feinde die Charaktere verbinden. Fate ist immer ein charakterzentriertes Spiel und die gemeinsame Charaktererschaffung ist eine gute Gelegenheit, die Protagonisten der Geschichte kennen und lieben zu lernen.

3. Von der Kunst, gute Aspekte zu formulieren

Es ist nicht einfach, gute Aspekte zu formulieren, und ich kenne niemanden, dem dieser Schritt der Charaktererschaffung besonders leicht fällt. Einen guten Aspekt zu formulieren ist ein Balanceakt zwischen zu profanen und zu nebulösen Formulierungen. „Kriegsveteran“ ist kein guter Aspekt, weil er keinerlei Informationen darüber liefert, welche Rolle der Charakter in welchem Krieg gespielt hat, wie diese Erfahrung ihn geprägt hat und durch welche tapferen, grausamen oder feigen Taten er sich als Soldat einen Namen gemacht hat. „Schatten der Vergangenheit“ ist ein genauso schlechter Aspekt für den Kriegsveteranen, weil er keinerlei Aufschluss darüber gibt, welche Kriegserlebnisse den Heimkehrer verfolgen oder ob sich die Schatten auf seine eigenen Taten beziehen. „Ging als Junge in den Krieg, kam als Monster zurück“ könnte ein guter Kompromiss zwischen den beiden Vorschlägen sein: Dieser Aspekt beschreibt, dass der Charakter ein Kriegsveteran ist, welche Erfahrungen er im Krieg gemacht hat und wie ihn diese Erlebnisse geprägt haben.

Robert Hanz schlägt vor, dass gute Aspekte mindestens eines und idealerweise mehrere der folgenden Kriterien erfüllen: 1.) Sie erlauben Charakteren etwas zu tun, das außer ihnen nur wenige Personen vermögen; 2.) Sie lassen Charaktere in etwas glänzen; 3.) Sie hindern sie in bestimmten Situationen daran zu glänzen; 4.) Sie bringen Charaktere in bestimmten Situationen in Schwierigkeiten oder verkomplizieren ihr Leben; 5.) Sie machen die Spielwelt lebendig.

Meiner Erfahrung nach ist es wichtig, dass Charakteraspekte nicht zu kompliziert sind und alle am Tisch verstehen, was sie bedeuten. Wählt eure Aspekte so, dass eure Spielrunde eine realistische Chance hat, sich die Aspekte aller Charaktere merken und darunter etwas Konkretes vorstellen zu können. Als Spielleitung finde ich einen Übersichtszettel hilfreich, auf dem die Aspekte aller Spielercharaktere zusammengefasst sind. Oft bitte ich meine Spieler auch zu elaborieren, wie sie sich vorstellen, dass die Aspekte ihrer Charaktere genutzt oder gereizt werden. Wenn ihr eine längerfristige Kampagne spielt, könntet ihr einen solchen Übersichtszettel gut lesbar ausdrucken und während des Spielabends zentral auf dem Tisch auslegen oder an einem gut einsehbaren Platz an der Wand aufhängen.

4. Fiction first!

Viele Spieler, die vorher klassische Rollenspiele gespielt haben, empfinden Fate als zu abstrakt. Während die einen von Fate wegen seines klaren Fokus auf dramatische Geschichten schwärmen, wundern sich die anderen, wo neben all dem Überwinden, Vorteile Erschaffen und der Fatepunkte-Ökonomie noch Platz für eine interessante Geschichte bleibt. Für mich sind diese Erzählmechanismen nicht die zentralen Elemente des Spiels, sondern Hilfsmittel und Techniken, mit deren Hilfe ich bestimmte Spielinhalte gezielt modellieren kann. Als Spielleitung halte ich meine Spieler daher immer dazu an, im ersten Schritt zu beschreiben, was ihre Charaktere in einer Szene erreichen möchten und wie sie dies tun. Wenn sich ein Spieler an diese Reihenfolge hält, ergibt sich die richtige Aktion oft ganz automatisch. Ein Beispiel: In einem Kampf in einer Sprengstofffabrik möchte eine Spielerin ihren Gegner davon abhalten, eine Treppe zu erklimmen und den verwundeten Wissenschaftler zu erreichen. Um dieses Ziel zu erreichen, wirft sie ein Fass voller Chemikalien um, das in Flammen aufgeht. Hier ist deutlich, dass die Spielerin eine Barriere errichten möchte und daher den Vorteil „Flammenwand“ erschafft.

Nicht so einfach wäre der Fall, wenn die Spielerin einfach nur beschreibt, dass ihr Charakter das Fass umwerfen und eine Feuerlanze auslösen möchte. Ich weiß nicht, ob ihr Ziel darin besteht, den Gegner damit anzugreifen (was ich als Attacke abbilden würde), den Gegner in Flammen zu setzen (was ich als Vorteil erschaffen abbilden würde, gegen den sich der Gegner mit seiner Athletik und einem beherzten Sprung zur Seite wehren kann) oder eine Barriere zu erschaffen (was ich als Vorteil erschaffen gegen eine passive Schwierigkeit abbilden würde). Hier fehlt das zweite Element der Erzählung – das Ziel. In solchen Fällen frage ich einfach kurz nach, was das Ziel des Charakters ist. Wenn unklar ist, welche Aktion sich daraus ergibt, schlage ich meinen Spielern häufig zwei Alternativen vor, wie wir diese Handlung mechanisch abbilden könnten. Meistens nehmen sie einen der Vorschläge an und gelegentlich beginnt ein kurzer Verhandlungsprozess, bis wir mit der gefundenen Lösung zufrieden sind.

Die vier Aktionen bilden die Ziele und Handlungen der Charaktere ab
Die vier Aktionen bilden die Ziele und Handlungen der Charaktere ab

Wichtig ist dabei, dass die Handlung und das Ziel dieser Handlung die Mechanik vollständig bestimmen. Ich sehe Aktionen in Fate als einen Raum niedriger Dimension, auf den der höherdimensionale Raum der Handlungen und Ziele abgebildet wird. Gerade zu Beginn kann dieses Abbilden durchaus einige Diskussionen erfordern, aber die meisten Spieler haben bereits nach ihrer ersten Spielrunde ein gutes Gefühl dafür, welche Handlung in welcher Aktion abgebildet werden könnte.

5. Aspekte sind wahr

Dass Aspekte wahr sind bedeutet, dass ein Spieler keinen Würfelwurf durchführen, Fatepunkte zahlen oder auf die Gnade der Spielleitung hoffen muss, um etwas tun oder besitzen zu können, das einer seiner Aspekte erlaubt. Es handelt sich dabei um eines der Kernkonzepte von Fate, das meist ohne größere Probleme bereits in der ersten Spielsitzung umgesetzt wird.

Dieses Konzept beinhaltet jedoch zwei Seiten: Einerseits erlaubt es Charakteren bestimmte Handlungen aufgrund ihrer Aspekte, andererseits verbietet es jedoch auch bestimmte Handlungen. Auf Charakterebene wirkt auch diese zweite Seite des Konzepts trivial: Der „ehrenhafte Ritter“ ist durch seine Ehrhaftigkeit daran gehindert, unredlich zu handeln. Wenn ihn diese Weigerung in ernsthafte Schwierigkeiten bringt, erhält er dafür einen Fatepunkt – die Spielleitung reizt den Aspekt des Charakters. Der Spieler kann sich jedoch auch weigern den Aspekt reizen zu lassen und bezahlt dann einen Fatepunkt dafür, dem Reizen zu widerstehen. So kann der Spieler des ehrenhaften Ritters seinen Charakter in einer brenzligen Situation ausnahmsweise unehrenhaft handeln lassen, bezahlt damit jedoch mit Fatepunkten (der Währung harter Entscheidungen, wie ich im zweiten Teil weiter ausführen werde).

Etwas knifflig wird das Konzept erst dann, wenn wir uns mit Situationsaspekten beschäftigen. Situationsaspekte wie eine „brennende Wand“, eine „fallengespickte Ebene“ oder eine „gähnende Schlucht“ sind wahr, ohne dass die Spielleitung oder die Spieler sie aktiv einsetzen müssen. Sie stellen Hindernisse dar, die Charaktere überwinden oder umgehen müssen, um ihre Ziele zu erreichen. Diese Aspekte aktiv einzusetzen erschwert es, sie zu überwinden, aber überwunden werden müssen sie auch ohne das aktive Einsetzen des Aspekts. Ein Charakter, der durch ein grelles Licht oder einen Zauber „geblendet“ wurde, kann mit seiner Fernkampfwaffe nicht zielen – er sieht ja nichts. Stattdessen muss er eine Handlung wählen, die seinem momentanen (geblendeten) Zustand in der Fiktion entspricht. Genauso kann ein „geknebelter“ Magier keinen Zauberspruch sprechen, wenn seine Tradition das Aussprechen von Zauberformeln vorsieht, bis er den Knebel aus seinem Mund genommen hat. Ein „gefesselter“ Charakter muss sich erst von seinen Fesseln befreien, ehe er sich mit gezogener Waffe auf seine Gegner stürzen kann. Ein Charakter, der sich „im Berserkerrausch“ befindet, kann keinen Vorteil erschaffen, indem er die Umgebung vorsichtig auskundschaftet, sondern wird sich auf den nächstbesten Feind stürzen. Wenn er sich hingegen auf einen Freund stürzt, handelt es sich um ein Reizen des Aspekts.

Situationsaspekte können auch nützliche Mechanismen sein, um andere Charaktere zu verteidigen. Nachdem die Magierin einen „Schild gegen Dämonen“ um die Gruppe herum errichtet hat, kann sie jeden Angriff eines Dämons auf eines der Gruppenmitglieder innerhalb des Schildes aktiv verteidigen (scheitert die Verteidigung jedoch, ist es die Magierin, der den Angriff des Dämons wegstecken muss). Genauso kann ein Schütze, der seinen Kameraden mit „Sperrfeuer“ den Rücken freihält, diese gegen Angriffe anpreschender Nahkämpfer verteidigen. Schaffen diese es jedoch seine Verteidigung zu überwinden, ist es wiederum der Schütze und nicht seine Kameraden, die eine Axt in der Schulter stecken haben. Richard Bellingham gibt in seinem hervorragenden Artikel „Richard’s Guide to Blocks and Obstacles in Fate Core“ weitere Hinweise, wie das Prinzip „Aspekte sind wahr“ Konflikte interessanter werden lässt.

Der Einstieg in oder Umstieg auf Fate ist nicht einfach, aber lohnenswert

Ich hoffe, dass euch diese fünf Tipps zum Einstieg in Fate einige Anregungen geliefert haben, die euch zum Nachdenken bringen. Letztlich ist die beste Methode mit Fate zu beginnen, loszuspielen und bereit zu sein, während des Spielabends oder danach mit der eigenen Gruppe zu diskutieren: Was gut lief, wo das Spiel ins Stocken geraten ist und was man beim nächsten Mal anders probieren könnte. Ich sehe Fate-Spielrunden anfangs oft als Experimentalraum, in dem eine Gruppe neuer Spieler ausprobieren muss, was für sie als Gruppe funktioniert. Wichtig ist es dabei nur, gemeinsam an dem Ziel zu arbeiten, einen gelungenen Spielabend zu erleben.


Welche Erfahrungen habt ihr mit dem Einstieg in Fate gemacht? Was waren die größten Stolpersteine und welche Erkenntnisse haben euch immens geholfen?

Artikelbilder: Evil Hat Productions, Björn Lensig/Dominik Pielarski

 

17 Kommentare

  1. Aller Anfang ist schwer und das gilt auch für Fate. Aber eigentlich nur, wenn man als „Alter-Hase“ mit Fate anfängt. Für meine Frau, die viel liest aber mit Rollenspielen vorher keinen Kontakt hatte, war Fate viel intuitiver als die anderen Systeme die ich ihr später gezeigt habe. Also für den Rollenspiel-Leien ist Fate einfach perfekt, weil der sich gar nciht erst Gedanken macht, mit welcher Regel jetzt was abzubilden ist, sondern eh immer mit Ficition First an die Sache ran geht.
    Mein aller wichtigster Tipp: Mein Gott, lass los! Die Regeln sind nur zur Unterstützung da. Hab einfach Spaß! Und wenn du alle Regeln falsch anwendest und ihr trotzdem einen super Abend hattet, dann hast du alles richtig gemacht! Es soll eine tolle Geschichte erzählt werden, sonst nichts.

    Wenn ich dann 5 weitere Tipps nennen sollte, wären das aber genau die von dir Anna-Lena. Vielen Dank für den Artikel!

    Viele Grüße
    Michael

    • Ja, diese Erfahrung habe ich auch gemacht, Michael! Personen, die noch nie Rollenspiele angefasst haben, kommen damit super zurecht. Auch Personen, die bislang eher Computerrollenspiele gespielt haben fühlen sich in Fate schnell zu Hause und können schnell selbstständig mit den ganzen Metamechaniken umgehen. „Klassische“ Rollenspieler scheinen sich mit der Umstellung am Schwersten zu tun…

  2. Sehr schöner Artikel! Als ich Fate Core durch hatte, war mir sofort klar: Das ist das Rollenspiel, mit dem man das Eis zu Nicht-Rollenspielern (aber vielleicht eifrigen Romanlesern und TV-Serien-Guckern) brechen kann. Ein Klasse-System, das noch dazu das unselige Powergaming abschafft und für eine echte Gruppendynamik sorgt. Bin gespannt auf die Fate-Welten, die da noch kommen. Fiction first! :-D

  3. Da ich von Systemen zu Fate kam, die viel Fokus auf Kampfwerte legen, habe ich sehr lange gebraucht bis mir klar wurde, dass man Konflikte, Herausforderungen, Wettkämpfe und Überwindungsaktionen nicht nach Typ der Auseinandersetzung wählen sollte, sondern danach wie viel Spielzeit man der Auseinandersetzung einräumen möchte.

    Es sollen Gegner besiegt werden? Ganz klar ein Konflikt!
    Es gibt eine Verfolgungsjagd? Das muss dann ja wohl ein Wettkampf sein!
    Jemand muss zu etwas überredet werden? Na dann labern wir mal minutenlang ohne auf die Charakterwerte zu gucken und eventuell lasse ich es einfach gelingen und möglicherweise fordere ich noch eine Überwindungsaktion auf Rapport!

    Das ist aber völliger Unsinn. Das Fate Core Regelwerk hat mir das leider nicht deutlich gemacht. Ich schiebe das auf die stiefmütterlichen Erläuterungen zu sozialen Konflikten. Um zu entscheiden, welchen Rahmen ich für die Würfelwürfe wähle, sollten einzig das Pacing, die Konsequenzen und der Gefahrenlevel relevant sein.

    Ein paar Stadtwachen wollen Conan den Barbaren aufhalten? Ganz klar eine Überwindungsaktion!
    Die Investigatoren führen einen mehrtätigen juristischen Prozess vor Gericht gegen ihren Erzfeind? Das ist ein epischer Konflikt!
    Eine Reise durch das ewige Eis, ständig kurz vor dem Verhungern? Klingt nach einer langen Herausforderung!
    Der Kampf gegen einen Eisbären im ewigen Eis, der zwar ein dramatischer Höhepunkt ist, aber nicht das Hauptaugenmerk der Szene? Wir haben einen Wettkampf!

    Nachdem ich angefangen hatte mir mehr über das Pacing und weniger über die beteiligten Fertigkeiten Gedanken zu machen, wurden meine Fate-Abenteuer viel bunter.

  4. Vielen vielen Dank für den Artikel !

    Ich bin ebenfalls ein alter Hase im klassischen Rollenspiel, der vor 1 Jahr angefangen hat Fate Core und Malmsturm zu lesen. Ich war auch sofort begeistert, allein weil Fate dich zwingt die Frage zu beantworten, welche Schwerpunkte du im Rollenspiel setzen willst. Nachdem ich sehr viel Text gelesen und noch mehr darüber nachgedacht habe, ist die Begeisterung in das Gefühl umgeschlagen, dass da zwar unter der Oberfläche ein tolles System lauert, aber ich es einfach nicht schaffe den Eingang zu finden. Situationsaspekte und vor allem das Erschaffen / Entdecken von Aspekten hat mir das meiste Kopfzerbrechen bereitet. Gleich danach kommt die Magie.

    Umgekehrt glaube ich (wie Michael geschrieben hat) auch sehr gerne, dass Laien ohne den Ballast anderer Systeme leichter den Zugang finden, vor allem, wenn ein guter SL sie zwingt sich auf die Geschichte zu konzentrieren statt ihnen in Schritt 0 die Regeln zu erklären. Schönes Beispiel: Judith Vogt, die Autorin von Eis & Dampf, spielt mit Kindern im Grundschul-Alter (!) Fate im Star-Wars-Universum (http://www.jcvogt.de/fate-core-elementary/).

    Meine Fragen wäre jetzt:
    1. Hat jemand ein Let’s Play (Video, Podcast), in dem man mal live sehen kann, wie Rollenspiel mit Fate in der Praxis funktioniert ? Sind die Deponia-Videos von orkenspalter.tv empfehlenswert ? Fate Core hat zwar viele anschauliche Beispiele, die aber natürlich zwecks Regeldemonstration konstruiert sind.
    2. Was wäre eine gute Empfehlung für ein Fate-Einstiegs-System (World-of-Adventure ?), wenn ich mir keine Welt selbst ausdenken möchte ?

    Ansonsten bin ich gespannt auf den nächsten Artikel der Serie :)

    • 1. So etwas scheint es nicht zu geben, wird aber immer wieder nachgefragt – eine echte Lücke :). Und ich scheue den Aufwand, eins selbst (vernünftig) aufzunehmen.
      2. Ich würde ein jedem Spieler bekanntes Setting nehmen (Star Wars, Harry Potter, …) und es mit Vanilla-Fate-Core oder Turbo spielen. Dann finden sich alle sofort in der Welt zurecht …

    • 1. Vielleicht mal im englischsprachigen Raum schauen, aber ich kenne leider auch keines. Ansonsten kann ich dir die Drachenzwinge (www.drachenzwinge.de) sehr ans Herz legen, dort werden gerade Fate-Einsteigerrunden veranstaltet und auch sonst findest du im Spontanrundenbereich gelegentlich interessante Fate-Runden, in denen du als Neuling problemlos mitspielen kannst.
      2. Das was Christian sagt — allerdings würde ich, wenn möglich, eine Welt ohne Magie wählen, weil Magie bei Fate oft für Schwierigkeiten sorgt, wenn man noch kein gutes Gefühl für das System hat. Ansonsten sind The Secrets of Cats (https://www.teilzeithelden.de/2014/11/29/rezension-the-secrets-of-cats-ein-fate-core-setting/) und Nest (https://www.teilzeithelden.de/2016/01/27/rezension-nest-rueckkehr-in-die-fantasiewelten-der-kindheit-fate-core/) zwei Settings, die ich für sehr einsteigergeeignet halte. Mit The Demolished Ones (http://ritepublishing.com/thedemolishedones.html) gibt es sogar ein dediziertes Einsteigerabenteuer: Die Charaktere wachen mit Amnesie in einer dystopisch-viktorianischen Welt auf und erinnern sich erst nach und nach an ihre Aspekte und Fertigkeiten. Das Abenteuer ist allerdings recht lang (wir haben etwa fünf Spielabende gebraucht).

      Generell würde ich dir empfehlen, anfangs nur mit Aspekten und Fertigkeiten zu arbeiten und Stunts erst in einer zweiten Spielsitzung einzuführen, um deine Spieler nicht zu überfordern. Außerdem ist es nicht einfach gute Stunts zu erstellen, wenn man noch kein Gefühl für das System hat.

    • Zu 1: Eigentlich schade, aber ich kenne auch keine passenden Videos.
      Zu 2: Meiner Erfahrung nach eignet sich Masters of Umdaar sehr gut für einen schnellen und rasanten Einstieg, nicht zuletzt auch, weil es das auch auf Deutsch gibt. Dort sind auch Stunts bereits greifbar bereit gelegt. Du kannst Dich aber auch anderer Welten bedienen. Wenn Du Deinen Mitspielern den Einstieg in diese erleichtern willst, bastelst Du ein paar Schablonen für die Erschaffung der Helden. In denen finden sich Aspekte, Fertigkeiten und Stunts, aus denen sich die Spieler bedienen können. Siehe auch https://www.teilzeithelden.de/2015/12/21/fate-core-hacknslay-mal-anders-mit-starslayers/ oder http://sprawldogs.blogspot.de/2015/10/neulich-gab-es-im-kreise-der-familie.html

    • zu 1.) Eine perfekte Lösung habe ich nicht, aber ich fand die beiden Episoden des „One Shot Podcast“ zu Atomic Robo ziemlich gut. Immerhin sitzt da auch Mike Olson als einer der Autoren des Systems mit am Tisch. Darüber hinaus wird es in der aktuellen Staffel von Wil Wheaton’s Tabletop eine Folge mit Fate Core geben, die auf Youtube aber voraussichtlich erst 2017 verfügbar sein wird.

    • Zu 2: Ich finde, dass sich Turbo-Fate auch wunderbar eignet um Geschichten in seinem liebsten Klischeegenre/Fernsehserie/Film/Computerspiel zu erleben. Da braucht es gar nicht mal ein spezielles Setting in das man sich einlesen muss. Dadurch, dass du deine Aspekte so frei wählen kannst und dir bei Turbo Fate auch keine großen Gedanken um eine Anpassung der Fertigkeitenliste machen musst, geht das ziemlich gut.

      • Ganz klares +1 von mir dazu Odonel. Ich würde mit Einsteigern IMMER Turbo Fate spielen. Der Grund ist einfach: Fate Core ist ein Gerüst, aus dem du dir dein Fate für ein spezielles Setting erst noch herausarbeiten sollst. Turbo Fate ist hingegen schon eine spezielle Implementierung von Fate, die vor allem auf Einfachheit setzt. Turbo soll man so wie es ist spielen können, ohne noch an den Regeln schrauben zu müssen und damit ist es immer meine erste Wahl, wenn ich einfach drauf los spielen will.

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