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Der Roman Bluescreen ist eine der Science-Fiction-Neuerscheinungen dieses Herbstes. Nachdem es auf dem Piper-Bloggertreffen auf der Frankfurter Buchmesse die Möglichkeit gab, abseits des Messetrubels, den Autor zu treffen und ihm Fragen zu stellen, erschien es passend das überaus spannende Buch auch hier vorzustellen. Also Bahn frei für einen Science-Fiction-Thriller.

Story

Marisa Carneseca lebt im Los Angeles des Jahres 2050 und verbringt ihre Freizeit vorwiegend in der virtuellen Realität des Spiels Overworld. Die meisten Menschen tragen ein kleines Implantat, Djinni genannt, im Hirn, das permanent mit dem Netz verbindet, Nachrichten auf die Netzhaut einblendet und dazu genutzt werden kann, das Smarthome und andere technische Geräte zu steuern, seine Hausaufgaben zu erledigen und zu bezahlen. Außerdem dient es als Identifikation, Menschen ohne Djinnis existieren quasi nicht. Marisa nutzt ihr Djinni nicht nur, um Overworld zu spielen, wo die Jugendliche gemeinsam mit ihren Freunden versucht in eine höhere Liga aufzusteigen, sondern manipuliert es auch, um möglichst wenig zur Schule zu müssen, während ihre Eltern ein Restaurant betreiben und ihr älterer Bruder Mitglied einer lokalen Gang ist.

Auf einer Party erlebt Marisa mit wie Anja, eine ihrer Freundinnen, eine Droge namens Bluescreen konsumiert, die über das Djinni wirkt und dieses, ebenso wie das Gehirn des Nutzers, für einige Minuten komplett ausschaltet. Doch schnell stellt sich heraus, dass Bluescreen gefährliche Nebenwirkungen hat und innerhalb kurzer Zeit befinden sich Marisa und ihre Freunde in einem Wettlauf gegen die Zeit und unerwartete Gegner, wenn sie verhindern wollen, dass sie Anja verlieren und eine grausame Verschwörung ihren geplanten Lauf nehmen wird.

Bluescreen liest sich spannend und wartet mit immer wieder unerwarteten Wendungen auf, ohne den Leser dabei zu verwirren. Jede Veränderung passt zu den jeweiligen Figuren, die allesamt glaubhaft und stimmig sind. Auch haben alle zentralen Figuren um Marisa herum die Möglichkeit sich zu entwickeln, diese Fähigkeit ist nicht allein ein oder zwei Hauptfiguren vorbehalten.

Marisa als Hauptfigur besitzt ein großes Talent darin das Djinni zu manipulieren, ist jedoch keine strahlende Heldin ohne Fehler, die alles beherrscht. Sie muss sich mit Zweifeln ebenso herumschlagen wie mit Schulanwesenheitszeiten, Erziehungsberechtigten und körperlichen Einschränkungen, fehlt ihr doch seit einem Unfall in Kindertagen ein Arm.

Der Aufbau ist gut durchdacht, manches Detail erweist sich später als wichtig und bedeutsam, ohne dass der Leser mit einer Fülle an Informationen überfrachtet würde. Die Spannungskurve steigt schnell an und reißt mit immer neuen Entwicklungen mit, so dass es immer schwerer wird, das Buch aus der Hand zu legen.

Erzählt wird letztlich auf einer Handlungsebene, auf der sich jedoch verschiedene Stränge immer wieder miteinander verknüpfen, seien es die privaten Schwierigkeiten verschiedener Figuren, einige gesellschaftliche Streitigkeiten und natürlich die Gefahren und Verschwörungen, die mit einem Bluescreentrip ihren Anfang nehmen.

Schreibstil

Der Roman ist aus der Perspektive eines dritten Erzählers geschrieben und begleitet dabei die ganze Zeit Marisa, so dass der Leser nie mehr weiß als sie. Nur hin und wieder werden ganz knapp Erläuterungen eingeschoben, die zum Verständnis der Welt beitragen. Wortwahl und Ausdrucksweise des Autors sind unkompliziert und gut verständlich, auch wenn es zwischendurch um Computercodes oder das VR-Spiel Overworld geht, wird der Leser weder mit Fachausdrücken erschlagen noch mit zu viel Oberflächlichkeit gelangweilt.

Hin und wieder verwenden Figuren im Buch Spanisch und auch wenn immer verständlich ist, was sie gemeint haben, fehlt leider eine Übersetzung, die viel dazu hätte beitragen können Feinheiten oder Scherze besser zu verstehen.

Ungewöhnlich ist der Einstieg, der in Overworld stattfindet und im Leser erst einmal eine komplett andere Erwartung schürt, als das Buch letztlich bietet. Auf die Frage, warum er ausgerechnet diesen untypischen Einstieg gewählt habe, antwortete der Autor auf dem Bloggertreffen, er habe es getan, weil man es üblicherweise eben nicht täte.

Die entworfene Zukunftsvision ist glaubhaft und in weiten Teilen realitätsnah, wenn zum Beispiel kleine Drohnen Essensbestellungen liefern und Fenster putzen, Autos selbst fahren und Werbung den an ihr vorbeigehenden Passanten personalisiert angeboten wird. Auch die permanente Onlinepräsenz wirkt wie eine konsequente Weiterentwicklung unseres aktuellen Umgangs mit entsprechenden Möglichkeiten. Lediglich die Hirn-Technik-Schnittstelle ist aus heutiger Sicht noch Science-Fiction, die Gefahren der Abhängigkeit von permanenter Onlinepräsenz und Vernetzung dagegen sind alles andere als Zukunftsmusik.

Leider verpasst es der Autor dabei einige Problematiken in ihrer ganzen Tiefe auszuloten, was angesichts der klaren Fokussierung auf die Thrillerhandlung jedoch verzeihbar ist. Eine Sache bleibt jedoch völlig unklar: Einerseits wird betont, wie sehr die Technisierung die Menschen um ihre Arbeit gebracht hat, auf der anderen Seite wird aber leider nicht geklärt, wovon die meisten Menschen denn eigentlich leben.

Der Autor

Dan Wells wurde am 4. März 1977 in Utah geboren und studierte Englisch. Bücher und fantastische Geschichten begleiten ihn nach eigenen Angaben seit Kindertagen. 2009 erschien mit Ich bin kein Serienkiller sein Romandebüt, einen Thriller um einen soziopathischen Teenager, der damit ringt, seinen mörderischen Trieben nicht nachzugeben und dennoch in Mordfälle verstrickt wird. Auf Ich bin kein Serienkiller folgten weitere Serienkiller-Romane um die Hauptfigur John Cleaver und die Science-Fiction Reihe Partials.

Der fünffache Vater liebt Brett- und Sammelkarten genauso wie Tabletops, wie Warhammer 40k, Magic: The Gathering und das Brettspiel zu Battlestar Galactica. Seine offizielle Webseite findet ihr hier, außerdem ist er einer der Hosts des preisgekrönten Podcasts Writing Excuses. Bluescreen ist der erste Band seiner neuen Mirador-Reihe.

Preis-/Leistungsverhältnis

Bluescreen kostet in der gedruckten Version 12,99 EUR, was für ein Taschenbuch dieses Umfangs und Formats ein gängiger Marktpreis ist. Die digitale Version ist für einen Preis von 9,99 EUR erhältlich, was ebenfalls im üblichen Bereich liegt. Da es für das Geld eine spannende Geschichte mit sympathischen Figuren und einem hohen Wiederlesenswert bietet, halte ich den Preis für angemessen.

Erscheinungsbild

dan-wells-bluescreen-piper-fantasy-coverDas Cover ist in dunklem Blau gehalten und zeigt in hellerem Blau ein grafisches Muster aus Linien, das an die Oberfläche einer Computerplatine erinnert. Während Autoren- und Verlagsname an die  Seiten geschoben sind, prangt der Titel Bluescreen mitsamt dem Untertitel Ein Mirador-Roman recht zentral auf der Platine. Die Schrift ist in weiß gehalten, der Titel wurde zusätzlich noch mit einem Lichtschatten versehen. Alles an dem Cover zeigt sofort, dass es sich um einen Titel aus dem Genre der Science-Fiction handelt.

Das Innenlayout ist schlicht, der Satz unaufgeregt und gut lesbar, auch störten keine Fehler seitens des Korrektorats den Lesefluss. Das Papier ist stabil und die Klebebindung erweist sich auch nach ausgiebiger Lektüre als haltbar. Nur die Pappe von Deckel und Rücken steht mittlerweile etwas nach oben ab, was jedoch bei einem Taschenbuch alles andere als unüblich ist.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Piper
  • Autor(en): Dan Wells
  • Erscheinungsjahr: 2016
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Taschenbuch
  • Seitenanzahl: 368
  • ISBN: 978-3492280211
  • Preis: 12,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Kostenlosen Content zum Download zu diesem Buch gibt es nicht.

Fazit

Dan Wells entwirft in Bluescreen eine wahrscheinliche Zukunftsvision, in der jeder dank eines kleinen Hirnimplantats immer online ist. Mit flüssiger Sprache, mit gelegentlichen spanischen Einsprengseln, die leider nicht übersetzt werden, erzählt der Autor eine Thrillerhandlung in einem Science-Fiction-Setting.

Dabei geht es zuerst nur um das Problem, dass eine gute Freundin und Online-Sport-Teamkameradin der Hauptfigur Marisa sich mit einer digitalen Droge Implantat und Gehirn hat abstürzen lassen. Aber nach und nach wächst sich das zu einer Verschwörung aus, die deutlich weitreichender ist, als es sich Marisa je hätte träumen lassen.

Bluescreen ist eine spannende Lektüre, bei der nur Kleinigkeiten den insgesamt sehr guten Eindruck trüben können. Für Freunde von Krimis und Science-Fiction können wir eine klare Leseempfehlung aussprechen.

Daumen4weiblichNeu

Mit Tendenz nach Oben

 

Artikelbild: Piper Verlag
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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