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Seit 2005 produziert das ZDF Märchen der – erst später als solchen betitelten – Reihe Märchenperlen. Das neueste davon ist Die weiße Schlange, welches erstmalig im Dezember 2015 auf ZDFneo zu sehen war und am 25. November 2016 als DVD erscheint.

Story

Der Bauernsohn Endres ist mit seinem Leben unzufrieden. Immer wieder widersetzt er sich seinem Vater. So lernt er lieber, anstatt wie vom Vater befohlen das Dach zu flicken, Lesen und Schreiben. Nach einem Unwetter kommt es zum Streit, der darin endet, dass Endres hinausgeworfen wird und nun versuchen muss, in der Welt sein Glück zu finden.

Da kommt es gerade recht, dass der alte Leibdiener des Königs Konrad zu alt geworden ist, um seine Aufgaben noch erfüllen zu können. Der König ist auf der Suche nach einem neuen Leibdiener, und der bisherige Kandidat hat sich als Dieb erwiesen. Als Endres durch einen Zufall den Schlüssel des Königs erhält und diesen zurückgeben will, erkennt dieser, dass er einen ehrlichen Menschen vor sich hat, und ernennt ihn kurzerhand zu seinem neuen Leibdiener.

Vom alten Leibdiener erfährt Endres, dass seine wichtigste Aufgabe ist, dem König nach jedem Abendmahl eine verschlossene goldene Schale zu bringen, die dieser immer erst öffnet, sobald er alleine im Raum ist. Der alte Diener warnt ihn auch, diese Schale niemals zu öffnen, denn das Leben sei zu kostbar, um es zu verschwenden.

Außerdem erblickt Endres auch alsbald Leonora, die schöne Tochter des Königs. Diese ist unverheiratet, und der für die Leibwache des Königs zuständige Ritter Arnold versucht, ihre Hand zu erlangen, was ihm jedoch bisher verwehrt geblieben ist.

Was ist in der Schale, und ist es vielleicht der Grund für das sagenhafte Wissen des Königs? Wird Neugier oder Pflichtgefühl und Ehrlichkeit obsiegen? Und gelingt es Arnold, die Hand der Prinzessin zu erobern, und zu welchen Mitteln ist er bereit dafür zu greifen?

All diese Fragen sind nur die Grundmotive einer für ein Märchen recht komplexen Geschichte. Und wenn man sich das Originalmärchen anschaut, stellt man auch bald fest, dass der Film und das Märchen nur wenige Gemeinsamkeiten besitzen. Ein paar Motive wurden übernommen, aber die komplette Grundstruktur der Geschichte sowie die Motivationen der Charaktere sind vollkommen andere.

Da es sich bei Die weiße Schlange jedoch um ein eher obskures Märchen der Gebrüder Grimm handelt, und noch dazu eines, das eine nur mäßig interessante Geschichte hat, ist diese Änderung eher als positiv anzusehen.

Darsteller

Endres wird gespielt von Tim Oliver Schultz (Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen, Club der roten Bänder). Der junge Schauspieler verkörpert gekonnt den Bauernsohn, der voller Erstaunen in eine Welt kommt, die ihm völlig unbekannt ist. Die Gefühlsregungen und Verwirrungen der Figur sind stets gut und glaubwürdig an seinem Gesicht abzulesen.

Ihm gegenüber steht mit Reiner Schöne ((T)Raumschiff Surprise – Periode 1, Die vierte Macht) als König Konrad ein gestandener Schauspieler, der nicht nur in deutschen Produktionen zu sehen war, sondern auch Rollen in diversen amerikanischen Serien hatte (Matlock, MacGyver, Babylon 5, Star Trek TNG, etc.). Seine Darstellung des Königs ist so wandelbar wie der König selbst. Mal sympathisch, mal bedrohlich, und immer irgendwie enigmatisch.

Weniger überzeugend hingegen sind die meisten anderen Darsteller, die jedoch auch erheblich flachere Rollen verkörpern. Frida-Lovisa Hamann (bisher keine größeren Rollen) wirkt als Prinzessin Leonora stets etwas zu distanziert und gelangweilt, selbst wenn die Szene etwas Anderes erwarten lassen würde. Dominik Raneburger (Tatort, Vorstadtweiber) als Ritter Arnold wirkt von der ersten Sekunde auf dem Bildschirm an wie ein finsterer Geselle, und man fragt sich, warum die offensichtlich gutherzige Prinzessin sich mit ihm abgibt. Und Jutta Fastian (Tatort, Verbotene Liebe), die als Königin über weite Strecken des Films nicht viel zu tun hat, außer ihren Rubinring zu bewundern. Hier hätte ein wenig mehr Tiefe den Charakteren gutgetan und den Schauspielern die Chance gegeben, mehr aus ihnen zu machen als die Abziehbilder, die sie so geworden sind.

Die weisse Schlange
Die weisse Schlange

Inszenierung

Optisch fällt Die weiße Schlange in eine Falle, der viele Filme erliegen: Er ist zu sauber. Selbst die ärmlichen Bauern zu Beginn des Films haben blitzblanke Kleidung, sind frisch gewaschen und rasiert. Und auch im späteren Verlauf des Films gibt es nicht eine Figur, die ungepflegt ist oder dreckige Kleidung trägt. Überhaupt wirkt die Kleidung des Films wenig authentisch. Das ein oder andere Mal war ich an die berüchtigten Piratenhemden aus der LARP-Szene erinnert, wenn ein Kameraschwenk über Komparsen erfolgte.

Insgesamt wurde an den Komparsen offenbar gespart, denn nicht viele Szenen zeigen überhaupt Menschen im Hintergrund, wodurch das Schloss und die Welt an sich seltsam menschenleer wirken.

Im späteren Verlauf des Films gibt es auch ein paar wenige Spezialeffekte. Diese sind relativ dezent und wirken weder störend, noch werten sie den Film nennenswert auf. Die Animationen sind glaubwürdig, aber nicht überragend.

Gut gefallen hat mir die Filmmusik, die die Stimmung des Films gut untermalt hat, und in einigen Szenen deutlich dazu beigetragen hat, die Spannung aufzubauen oder aufrechtzuerhalten.

Erzählstil

Der Fokus der Erzählung liegt vollständig auf Endres. Nur sehr wenige Szenen existieren, in denen er nicht vorkommt, und diese dienen auch nur dazu, die Dinge zu erklären, die später in seinem Umfeld passieren. Das führt dazu, dass die Zuschauer stets im gleichen Tempo wie der Protagonist die Geheimnisse der Geschichte entdecken und so gut mitfiebern können. Kenntnis des zu Grunde liegenden Märchens hilft dem Zuschauer dabei auch nur wenig. So gelingt es über weite Strecken, eine interessante und spannende Geschichte zu stricken. Einzig gegen Ende des Films geschehen einige Dinge, die nicht weiter erklärt werden, und die wenig Sinn ergeben.

Für einen Märchenfilm ist die Geschichte erstaunlich komplex, und trotz seiner FSK-Freigabe ab sechs Jahren würde ich den Film nicht für Kinder unter zehn empfehlen. Denn jüngere Kinder werden Probleme haben, der Geschichte vollständig zu folgen.

Etwas störend im insgesamt doch recht ernsten und fast schon düsteren Ton des Films wirkten die Stimmen der Tiere, die trotz ihrer teils prekären Lage nur allzu fröhlich klangen.

Preis-/Leistungsverhältnis

Die DVD bekommt man bei Amazon für 9,99 EUR. Ein normaler Preis für eine DVD. Dafür bekommt man einen Film von 91 Minuten Länge, der bereits mehrfach und ohne weitere Kosten im Fernsehen zu sehen war.

Für etwa den gleichen Preis bekommt man auch DVDs großer und aktueller Hollywood-Blockbuster mit teils erheblich längerer Laufzeit und breiterer Zielgruppe, also auch mehr Gelegenheit, den Film gemeinsam mit Anderen zu sehen.

Erscheinungsbild/Umfang

dieweisseschlange_2dDer Film wurde uns als Presse-Screener zur Verfügung gestellt, weswegen wir weder über die Gestaltung der DVD-Box noch über die Extras, die auf unserer Kopie nicht enthalten waren, etwas sagen können.

Die harten Fakten:

  • Regie: Stefan Bühling
  • Darsteller: Tim Oliver Schultz, Reiner Schöne, Frida-Lovisa Hamann, Dominik Raneburger, Jutta Fastian
  • Erscheinungsjahr: 2015 (Fernsehen) / 2016 (DVD)
  • Sprache: Deutsch
  • Format: DVD
  • Preis: 9,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon (erscheint am 25.11.2016)

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der DVD sind folgende Extras enthalten:

  • Interview mit Tim Oliver Schultz und Regisseur Stefan Bühling
  • Making-of
  • Diashow

 

Diese waren auf der uns zugesandten DVD nicht enthalten und können entsprechend nicht bewertet werden. Davon abgesehen gibt es auf das Originalmärchen vollständig und kostenlos im Netz zu lesen: Die weiße Schlange. Ebenso findet man es als kostenloses Hörspiel: Die weiße Schlange

Gewinnspiel

Natürlich gibt es auch etwas zu gewinnen, denn wir verlosen drei DVD-Exemplare des Filmes Die weiße Schlange. Beantworte einfach die folgende Frage und schicke deine Antwort mit dem Betreff „Die weiße Schlange“ bis zum 25. November 2016 an kontakt@teilzeithelden.de  Es gelten unsere üblichen Teilnahmebedingungen.

Was muss der Diener im Originalmärchen aus dem Meer holen?

Fazit

Die weiße Schlange ist eines der weniger bekannten Märchen der Gebrüder Grimm. Und das nicht ganz zu Unrecht, denn die Geschichte ist an sich relativ unspektakulär und nicht besonders spannend. Entsprechend ist es erfreulich, dass aus ein paar Grundmotiven dieses Märchens eine spannende Geschichte gestrickt werden konnte, die über weite Strecken den Zuschauer in seinen Bann ziehen kann. Erst im finalen Akt löst sich die Geschichte ein wenig auf, und es passieren zu viele zu schlecht erklärte Dinge. Dies trübt den positiven Gesamteindruck, den der Film ansonsten hinterlassen würde.

Insgesamt stehen diesen zehn mäßigen Minuten aber 80 Minuten solider Spannung und Unterhaltung entgegen, die aber auf Grund der Komplexität der Geschichte für jüngere Kinder nur schwer verständlich sein könnten. Als Familienfilm für Kinder ab etwa zehn Jahren eine gute Wahl.

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Mit Tendenz nach Oben

Artikelbilder:  Rough Trade Distribution GmbH
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

 

 

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