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Adrenaline ist eine der Neuheiten auf der Spiel 2016 gewesen und im Verlag Czech Games Edition (CGE) erschienen. Es simuliert einen Ego-Shooter und jeder Spieler steuert eine der fünf Spielfiguren. Wer diese sind, warum sie sich in dieser komischen Basis befinden, oder warum sie sich beschießen? Dazu schweigt sich das Regelheft aus. Im Grunde ist das aber auch total egal, denn bevor man noch Zeit hat, darüber allzu sehr nachzudenken, fliegen schon die Fäuste, Kugeln und Plasmageschosse.

Spielablauf

Die Spieler starten jeweils auf einer von drei möglichen Startpositionen. Die gesamte Basis der Karte ist dabei etwas variabel gehalten, denn das Spielbrett ist zweigeteilt und jede Hälfte gibt es in zwei verschiedenen Varianten (jeweils Vorder- und Rückseite des Bretts), so dass insgesamt vier verschiedene Karten entstehen, die sich auch hinreichend unterscheiden, was Anzahl der Räume und Sichtlinien angeht.

Nachdem die Startpositionen gewählt wurden, wird das Spiel in Runden gespielt und in jeder Runde eines Spielers hat dieser zwei Aktionen, wobei auch zweimal die gleiche gewählt werden kann. Die möglichen Aktionen sind:

  • Bis zu drei Felder bewegen
  • Null oder ein Feld bewegen und dann interagieren (ab drei Schaden bis zu zwei Felder bewegen)
  • Eine Waffe abfeuern (ab sechs Schaden kann man sich zuvor ein Feld bewegen)

Danach können noch Waffen nachgeladen werden, was notwendig ist, um einmal abgefeuerte Waffen wieder verwenden zu können. Dann werden eventuelle Tode von Figuren abgehandelt und der nächste Spieler ist an der Reihe.

Felder sind dabei recht groß gehalten. Die gesamte Karte besteht aus gerade einmal drei mal vier Feldern, wobei zwei der möglichen zwölf Felder sogar fehlen können. Dadurch ist nie viel Abstand zwischen den Figuren und ein völliges Verstecken nicht möglich.

Interagieren bedeutet im normalen Modus, dass man entweder Munition auf seinem aktuellen Feld aufsammelt oder an einem Waffenterminal stehend eine Waffe kauft. Waffen werden dabei mit der gleichen Munition gekauft, die man später auch zum Nachladen braucht, kosten beim Kauf aber etwas weniger als das Nachladen später kostet. Das erscheint auf den ersten Blick sonderbar, ist aber darin begründet, dass das Kaufen eine Aktion kostet, das Nachladen jedoch nicht.

Die Waffen selbst verfügen über die unterschiedlichsten Eigenschaften, die auf den Karten jeweils mit relativ leicht zu lernenden Symbolen dargestellt werden. Dennoch erschließt sich nicht jede Waffe sofort, und so ist es gut, dass es ein extra Waffenhandbuch gibt, das jede vorhandene Waffe detailliert genug beschreibt. Aber die meisten Waffen machen vor allem eines: Schaden auf ein Ziel in Sichtlinie. Sichtlinie bedeutet in diesem Spiel: Im gleichen Raum oder in einem Raum, zu der das eigene Feld eine Tür hat. Das ist zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig, ergibt aber sowohl regeltechnisch als auch logisch durchaus Sinn.

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Schaden wird an den gegnerischen Spielfiguren angerichtet und durch Schadensmarker der eigenen Farbe auf dem Brett der Mitspieler markiert. Sobald ein Spieler mehr als 10 Punkte Schaden genommen hat, ist es Zeit für einen Respawn. Zuvor aber kommt es noch zu einer Wertung. Und genau hier sind die Farbe und Anzahl der Schadensmarker wichtig, denn wer am meisten Schaden angerichtet hat, bekommt auch die meisten Punkte. Bei Gleichstand entscheidet, wer das soeben verstorbene Ziel zuerst verwundet hat. Und für denjenigen, der überhaupt den ersten Schaden angerichtet hatte, gibt es auch noch einmal einen Bonuspunkt.

Nachdem die Wertung abgeschlossen ist, wird einer der zuvor ausgelegten Totenschädel vom Spielbrett auf das Tableau des verstorbenen Spielers gelegt, der dadurch in Zukunft weniger Punkte bei erneutem Ableben wert ist. An die Stelle des Totenschädels kommt ein (oder in manchem Fällen auch zwei) Schadensmarker des Spielers, der das endgültige Ableben verursacht hat. Am Ende des Spiels gibt es für die Tötungen ebenfalls noch eine Mehrheitswertung, die genauso funktioniert wie eben beschrieben.

Nachdem die Wertung abgeschlossen ist, kehrt die soeben verstorbene Figur frisch und munter aufs Spielfeld zurück. Alles nur Fleischwunden.

Die Länge des Spiels kann hierbei dadurch beeinflusst werden, wie viele Totenschädel überhaupt ausliegen. Für das erste Spiel werden fünf Schädel vorgeschlagen, der normale und zugleich maximale Wert sind acht.

Nachdem der letzte Schädel entfernt wurde, folgt noch eine letzte Runde (die laut Regelwerk in der ersten Partie ausgelassen werden sollte), in der die Spieler besonders effektiv sind und noch einmal einen letzten Punktespurt einlegen können: die sogenannte Final Frenzy.

Ist auch diese letzte Runde abgeschlossen, werden alle Spielertableaus noch einmal gewertet, dann gibt es die bereits erwähnte Wertung für die meisten Tötungen. Danach werden die Punkte zusammengezählt und verglichen und der Spieler mit den meisten davon gewinnt die Partie. Gibt es hierbei einen Gleichstand, so gewinnt der Spieler, der in der Tötungswertung am weitesten vorne lag.

Das klingt alles relativ simpel und im Grunde ist es das auch. Aber durch die unterschiedlichen Waffeneigenschaften, die Knappheit der Munition, sowie die Power-Up-Karten, die man ebenfalls zusammen mit Munition aufsammeln kann, verfügt das Spiel über weit mehr Tiefe als es auf den ersten Blick erscheint. Und auch wenn das Spielgefühl eines Ego-Shooters im Deathmatch-Modus gut getroffen ist, so offenbaren sich die Mechanismen bei genauerem Hinsehen als alte Bekannte aus dem Eurogame-Bereich: Munition/Ressourcenwürfelchen gibt es in drei verschiedenen Farben. Man kauft/baut unterschiedliche Waffen/Gebäude, mit denen man für diese unterschiedlichen Ressourcen Einflusspunkte generiert. Die Tatsache, dass diese Einflusspunkte hier Schaden heißen und dass die Gebiete, in denen man den Einfluss sammelt, die Lebenspunktebalken anderer Spieler sind und diese zurückschießen, ändert nichts daran, dass Adrenaline mechanisch gesehen ganz klar ein Area Control Spiel ist. Und auch der Glücksfaktor ist relativ gering. Es gibt keine Würfel, die geworfen werden wollen, und die einzigen Zufallsfaktoren sind, wo welche Munition verfügbar wird und wann welche Waffe an welchem Terminal gekauft werden kann.

Adrenaline - Wildes Getümmel auf dem Spielplan
Adrenaline – Wildes Getümmel auf dem Spielplan

Spielbar ist Adrenaline mit drei bis fünf Spielern, wobei es nicht mit jeder Spieleranzahl gleich gut funktioniert. Zu dritt wäre der Kampf um Mehrheiten relativ langweilig, da ja jeweils ein Spieler nicht beteiligt wäre, da es sich um seinen eigenen Lebenspunktebalken handelt. Also muss mit einem Bot eine weitere Komponente eingeführt werden. Dieser Bot wird jeweils vom aktiven Spieler gesteuert und generiert Schaden in einer neutralen Farbe, wodurch man den eigentlichen Gegnern wichtige Punkte streitig machen kann. Was zuerst wie eine Krücke erscheint, funktioniert nach einer kurzen Eingewöhnungsphase ordentlich, ist aber weniger spannend als ein echter weiterer Spieler.

Mit fünf Spielern hingegen ist die kleine Karte recht überfüllt. Auch ist die Partie dann insgesamt zu schnell vorbei, denn acht Tode sind im Schnitt weniger als zwei pro Figur. Das Spiel funktioniert, es macht auch Spaß, aber es wirkt weniger taktisch, da zwischen den eigenen Zügen potenziell einfach zu viel passiert.

Als ideal hat sich eine Spieleranzahl von vier erwiesen. Hier stimmen sowohl die Größe der Karte, als auch die Länge des Spiels.

Da die Länge einer Partie von der Anzahl der Tode und damit nicht maßgeblich von der Anzahl der Spieler abhängt, ist sie in allen möglichen Fällen relativ ähnlich und beträgt etwa 60-80 Minuten.

Ausstattung

Adrenaline - das Spielbrett
Adrenaline – das Spielbrett

Adrenaline kommt in einer länglichen Schachtel beachtlicher Größe daher. Geziert wird diese von einem stimmungsvollen Bild, auf dem einige der Spielfiguren mitten im Gefecht zu bewundern sind. Derartiges Artwork findet sich im gleichen Stil sowohl im Regelheft, als auch im Waffenhandbuch.

Interessant ist hierbei, dass beim Artwork komplett auf Blut verzichtet wurde, und so das Spiel, wenn man es bei der Erklärung etwas verharmlost, theoretisch auch mit älteren Kindern spielbar ist.

Die Regeln insgesamt sind gut strukturiert und verständlich geschrieben und, typisch für ein Spiel aus dem Hause CGE, sehr lustig und locker gehalten. So gibt es so manche Passage in den Regelwerken, die überhaupt nicht lesbar ist, da die Sprechblasen der Figuren über dem Text liegen und dem Leser mitteilen, dass das darunter Geschriebene eigentlich auch total unwichtig sei. Wenn man sich mit einem PDF-Bearbeitungsprogramm die Mühe macht und mal schaut, was dort eigentlich steht, merkt man, dass die Designer hier sogar den ein oder anderen Witz versteckt haben, der in der gedruckten Ausgabe der Regeln unmöglich gefunden werden kann. Eine lobenswerte Liebe zum Detail!

Die fünf Spielfiguren sind Plastikminiaturen, jeweils einfarbig in Spielerfarbe. Die Miniaturen sehen gut aus und machen aus dem ansonsten recht simpel gehaltenen Spiel durchaus einen Hingucker.

Die Totenschädel und Munitionswürfel sind aus transparentem Plastik und von ordentlicher Qualität. Sowohl die kleinen Power-Up-Karten als auch die großen Waffenkarten sind ebenfalls hochwertig produziert und werden viele Partien überstehen. Insbesondere auch, da sie nur relativ selten gemischt werden müssen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Czech Games Edition (CGE)
  • Autor(en): Filip Neduk
  • Erscheinungsjahr: 2016
  • Sprache: Englisch (Spielmaterial ist sprachneutral)
  • Format: 37 x 25,5 x 7 cm
  • ISBN/EAN: keine gefunden
  • Preis: 50 EUR (Messepreis auf der Spiel 2016)
  • Bezugsquelle: auf Deutsch noch vor Weihnachten vom Heidelberger Spieleverlag

 

Preis-/Leistungsverhältnis

Fünf hochwertige Plastikminiaturen, zwei Hochglanzregelhefte, insgesamt etwa 150 Plastikmarker, unzählige Pappmarker und Spielbretter, dazu noch knapp 50 Karten. Eine Menge Material. Aber 50 EUR sind auch kein geringer Preis. Insgesamt empfinde ich den Preis für angemessen. Kein Schnäppchen, aber auch nicht so teuer, dass man sich beschweren müsste.

Bonus/Downloadcontent

Auf der Webseite des Spiels beim Hersteller kann man die Regeln herunterladen, die zum derzeitigen Zeitpunkt nur in englischer Sprache vorhanden sind. Auch bekommt man dort das Heft mit den Erklärungen der Waffen, sowie die Regeln zur Promokarte „Kettensäge“, die es auf der Spiel beim Kauf des Spiels dazugab.

Im Regelheft selbst sind noch zwei weitere Spielmodi aufgeführt: Domination und Turret Mode. Beide haben jeweils eine halbe Seite eigener Regeln. Ich bin noch nicht dazu gekommen, diese Modi auszuprobieren. Nach dem Durchlesen der Sonderregeln denke ich, dass Domination Mode, in dem die Spawnpunkte kontrolliert werden müssen, das Spiel signifikanter verändert, der Turret Mode dafür witziger und zugleich auch taktischer sein könnte, da man hier Gegnern den Weg verbauen oder durch bestimmte Waffen neue Kombis schaffen kann.

Fazit

Adrenaline schafft es geschickt, das Gefühl von Ego-Shootern im Deathmatch Modus auf ein Brettspiel zu übertragen. Es fühlt sich zu jeder Zeit dynamisch, explosiv und spannend an. Und das, obwohl unter der Haube primär ansonsten eher trockene Mechanismen aus dem Eurogame Bereich ihr Werk verrichten. Dadurch bedingt ist das Spiel auch wesentlich taktischer, als es zu Anfang den Anschein hat und erst nach und nach werden die meisten Spieler feststellen, was da eigentlich genau passiert. Das ist aber im Grunde gar nicht schlimm, denn selbst wenn man diese taktische Tiefe nicht erfasst, sondern einfach nur wild drauflosballert, kann man eine Menge Spaß mit diesem Spiel haben.

Einziges kleines Manko ist, dass die Spieleranzahl den Spielspaß maßgeblich beeinflusst. Zu dritt braucht es eine Krücke um gut zu funktionieren und zu fünft ist das Spiel zu kurz und es passiert zu viel bis man selbst wieder an der Reihe ist. Aber sowohl die Krücke bei drei Spielern als auch das Spiel zu viert funktionieren jeweils sehr gut, wenn auch auf durchaus unterschiedliche Art und Weise. Das Spiel zu dritt ist durch den Bot taktischer und komplexer, das Spiel zu viert unberechenbarer und dadurch in einem Spiel dieser Art spannender.

Insgesamt ist Adrenaline eine lohnenswerte Anschaffung. Sowohl für Freunde von Ego-Shootern, als auch für Spieler, die eine Möglichkeit suchen, Freunde in komplexere Mechanismen einzuführen, ohne dass es dabei zu trocken wird. Und natürlich für Spieler, die selbst diese Mechanismen bereits lieben und die dennoch ab und zu ein thematisch dichtes Spiel genießen wollen.

Daumen4maennlichNeu

Mit Tendenz nach Oben

Artikelbilder: Czech Games Edition (CGE), BoardGameGeek
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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