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Von der Plotidee zum Plot Backlog

Die ersten Schritte, um den Plot auf der Veranstaltung umzusetzen, sind dem herkömmlichen Weg nicht unähnlich. Zunächst muss der angestrebte Handlungsbogen in einzelne Teilstücke zergliedert werden, die dann mit mehr Inhalt gefüllt werden.

Eine Hilfestellung, wie man bestehende Handlungen für Rollenspiele  adaptieren kann, haben wir vor einiger Zeit hier veröffentlicht.

Schon bei der Aufteilung der Handlungselemente wird darauf geachtet, dass diese im Zeitrahmen des Cons durchführbar sind, wobei die Zeiten, die die Spieler für einzelne Teile der Geschichte brauchen, grob eingeschätzt werden.

Alle Handlungselemente, die wir so identifiziert haben, fassen wir zusätzlich in einem kurzen Satz zusammen, der nicht mehr als 10 Worte enthalten sollte.

Wo sammelt man die Informationen?

Für das Zusammentragen der Handlungsteile eignen sich Wikis oder andere Programme, auf die im Verlauf der Con jeder Zugriff hat, der ihn braucht, recht gut.

Das Sammeln in der Textverarbeitung und der daraus ausgedruckte Stapel Papier ist zwar auch eine bewährte Methode, allerdings erlaubt die elektronische Form mehr als einer Person gleichzeitig, an den Informationen zu arbeiten, was im folgenden noch nützlich wird.

Es hat sich ebenfalls bewährt, den einzelnen Handlungselementen Nummern zuzuweisen. Diese müssen kein System haben, es reicht aus, jedem neuen Element die nächsthöhere Nummer zu geben. Die Nummern schreibt man im Wiki beispielsweise einfach vor die Überschriften. Auch diese Nummern werden später noch nützlich.

Plot Backlog

Die erarbeiteten Handlungselemente heißen ab jetzt Plot Backlog. Das Plot Backlog ist immer die Summe der noch verbleibenden Handlungselemente, um die sich aktiv nicht gekümmert wird (die also erst in Zukunft erspielt werden.)

Die Handlungselemente im Plot Backlog heißen in Folge Stories.

Groomings: Das Ausarbeiten der Handlungselemente

Die Stories müssen jetzt weiter verfeinert werden, um sie spielbar zu machen. Dies findet normalerweise bestenfalls in der gesamten Vorlaufzeit der Convention statt, mit leichten Anpassungen vor Ort. Der komplette Plot wird dann als Plotbuch gedruckt und verteilt.

Beim agilen Ansatz funktioniert das ähnlich, mit einer Ausnahme: Das Abändern von Stories zur Laufzeit der Convention ist von vorn herein mit angedacht. Das Plotbuch kann hier also nur eine sehr grobe Orientierung sein, da die Informationen mitunter aktualisiert werden müssen.

Dies stellt einen Nachteil des agilen Ansatzes dar, denn es reicht nicht aus, das Plotbuch an die Spielleiter zu verteilen. Die Spielleiter werden in die aktive Pflicht gesetzt, sich vor ihren Schichten über geänderte Stories zu informieren.

Der mit diesem einhergehende Vorteil ist, wesentlich flexibler mit den Lösungsansätzen der Spieler umgehen zu können – oder dem Fehlen derselben.

Im besten Falle steht den Spielleitern das Plot-Wiki elektronisch zur Verfügung, so dass sie während der Veranstaltung jederzeit darin nachlesen können.

Wer ist dabei?

An den Treffen zum Ausarbeiten der Stories, den sogenannten Backlog Groomings, kann jeder teilnehmen, der etwas zu den Stories beitragen kann. Die Treffen werden vom Plot Owner geleitet, und es werden neben den Plot-Autoren je nach besprochenen Stories auch Spielleiter, Techniker, Festrollen-NSC und so weiter hinzugezogen.

Auch bei den Groomings ändert sich – zunächst – nicht viel gegenüber dem normalen Vorgehen. Der Unterschied ist, dass die Arbeit wesentlich formeller stattfindet – was, wie ich den Kommentaren bereits entnehmen konnte, nicht jedermanns Sache ist. Ich möchte hier trotzdem eine Lanze für den formelleren Ansatz brechen: Die Arbeit, die hier investiert wird, zahlt sich später auf der Con aus, denn sie erlaubt wesentlich spontanere Anpassungen des Plots ans tatsächliche Spiel und vermeidet damit zu extremes Railroading.

Die Hauptfragen, die für jede Story geklärt werden müssen, sind folgende:

Voraussetzungen: Ist diese Story umsetzbar?

Ist es zeitlich, räumlich oder technisch überhaupt möglich, die geforderten Effekte zu erzeugen? Stehen die erforderliche Deko und die benötigten Gegenstände zur Verfügung? Was muss vorher noch gekauft oder gebastelt werden?

Last, but not least: Ist der erzielte Effekt den Arbeitseinsatz wert oder schießt man hier aus Coolness-Gründen massiv übers Ziel hinaus?

Diese Informationen werden bei der Story vermerkt, am besten ganz oben auf der entsprechenden Seite, damit man sie später auf einen Blick finden kann.

Aufwand: Wen brauchen wir, um die Story zu spielen?

Welche Personen sind konkret beteiligt, um diese Story umzusetzen, und wie lange werden sie damit beschäftigt sein?

Auch diese Informationen werden ganz am Anfang der jeweiligen Story vermerkt.

Beispielsweise kann eine Story zwei NSC und den Techniker für zwei Stunden binden. Die Story kann also nur durchgeführt werden, wenn gerade genügend NSC verfügbar sind und (einer) der Techniker ebenfalls ausreichend Zeit hat.

Die Ermittlung des voraussichtlichen Aufwandes nenne ich im folgenden “Schätzen”.

Details: Was soll passieren

Eine gut geschriebene Story sagt allen beteiligten Personen klar, was von ihnen erwartet wird. Sie enthält also nicht nur die Voraussetzungen, sondern auch die Handlungsanweisungen. Wichtig ist, dass diese unmissverständlich sind. Groomings sind auch dafür da, die Formulierung dieser Anweisungen durchzusprechen und so zu formulieren, dass sie verständlich sind.

Hier wird natürlich nicht jeder Dialog vorgegeben, aber wenn es notwendig ist, dass eine Person einen Händler ablenkt, während eine andere seine Gattin bestiehlt, dann sollte das auch genau so, wenn auch in kurzen Sätzen, in der Story stehen.

Beispielsweise:

  • Ein Springer-NSC verwickelt den Händler in ein Gespräch.
  • Sobald das passiert ist, stiehlt [Festrolle hier eintragen] der Gattin den Rubin.

 

Aufgeschrieben wird auf jeden Fall, was im besten Fall passieren soll. Es ist aber durchaus auch möglich, Pläne für einen negativen Ausgang der Story mit zu integrieren.

In unserem Beispiel kann dies beinhalten:

  • Wenn der Diebstahl fehlschlägt, wird der Versuch nicht wiederholt.
  • Achtung: Wenn [Festrolle] erwischt und festgesetzt wird, fällt die Rolle bis zur Befreiung aus!

 

Der Letzte Satz muss natürlich in die Aufwandsschätzung eingehen: Diese Story blockiert die Festrolle für den kompletten Sprint, weil der NSC nach der Festsetzung nicht mehr einsatzfähig ist.

Mehrfach groomen

Es kann durchaus sein, dass man keine abschließende Aussage über den Aufwand der Story treffen kann, weil beispielsweise der Techniker keine Zeit hatte, zum Treffen zu kommen.

In diesem Fall ist es durchaus legitim, die Story schon einmal grob zu besprechen und zu schätzen, sie aber dann noch einmal zurückzustellen, um sie bei einem späteren Treffen zusammen mit dem Techniker zu besprechen.

Das Grooming abschließen

Wenn sich alle beteiligten darauf einigen können, dass die Story in der Form bespielbar und ausreichend detailliert ist, wird irgendwo oben bei den anderen erarbeiteten Informationen festgehalten, dass ihr Status jetzt “groomed” ist.

Groomings während der Veranstaltung

Auch während der Veranstaltung können noch weitere Groomings stattfinden. Dies sind die üblichen Absprachen mit allen relevanten Personen, ob eine bestimmte Änderung machbar ist oder nicht.

Hierbei sind nur zwei wichtige Änderungen zu beachten:

1.) Wenn die Story verändert wird, wird sie auch neu geschätzt.

Die Story verliert also ihren “groomed”-Status, bis sie neu eingeschätzt worden ist. Ein einfaches “Wir brauchen da einen NSC mehr für” reicht da allerdings völlig aus als Anpassung der Schätzung. Hauptsache, oben auf der Seite stehen nach der Schätzung wieder die richtigen Informationen, wer und was benötigt  wird.

2.) Stories im laufenden Sprint werden nicht verändert

Hier liegt ein großer Unterschied zum bisherigen Vorgehen. Eine Story, die einmal im Sprint ist, wird bespielt, und ihre Ressourcen sind geplant. Hier ist der agile Ansatz tatsächlich unflexibler – zurecht, meiner Meinung nach, denn spontan Leute von Punkt A abzuziehen, um sie bei B einzusetzen, bringt meist mehr Chaos als Nutzen.

Übertragung der Stories in den Sprint

Damit die fertigen Stories bespielt werden, müssen Sie einer Timebox zugewiesen werden. Sie müssen in einen Sprint aufgenommen werden.

So, wie das Plot Backlog alle Stories für den gesamten Plot beinhaltet, beinhaltet das Sprint Backlog alle Stories, die in einem Sprint bespielt werden sollen.

Das Sprint Backlog zusammenstellen

In der Software-Entwicklung wird der Sprint immer vom kompletten Team geplant. Für unseren Einsatzzweck schlage ich aber vor, dass diese kurzen Treffen von wenigen Verantwortlichen gehalten werden, so dass man nicht alle NSC dafür zusammentrommeln muss.

Im Planungstreffen wird zunächst festgestellt, wie viele NSC, Räume, Props und Ressourcen man im nächsten Sprint zur Verfügung hat. Dabei wird auch berücksichtigt, dass die NSC-Spieler Ruhezeiten benötigen oder noch in längeren Einsätzen gebunden sind.

Die Aufnahme von Stories in den Sprint geschieht in der Reihenfolge, in der der Plot Owner die Stories angeordnet hat – die oberste Story landet zuerst im Sprint.

Dabei wird jeweils auf die Schätzung der Story geschaut, auf der steht, welche Personengruppen, Props, Räume oder technischen Gimmicks benötigt werden. Sind diese im geplanten Sprint noch verfügbar, wird die Story in den Sprint aufgenommen.

Dies wird solange wiederholt, bis eine Story nicht mehr aufgenommen werden kann. Der Plot-Owner kann an dieser Stelle auch noch die Priorisierungen ändern, beispielsweise aufwendige Stories zurückstellen, die irgendwann passieren können, damit andere Stories noch in diesem Sprint Platz finden. Außerdem kann er die Reihenfolge der Stories im Sprint noch anpassen.

Um weitere Zeit zu sparen, kann der Plot Owner den Sprint auch schon komplett alleine vorbereiten, also die Auswahl der Stories treffen und die Reihenfolge festlegen. Trotzdem sollte diese Auswahl in einer kurzen Sprintplanung durchgesprochen werden, damit alle im Planungsteam wissen, was in diesem Sprint passiert.

Sobald das Sprint Backlog auf diese Weise gefüllt wurde, kann der Sprint gestartet werden.

Agil? Nicht ohne Post-Its!

Der Zweite Teil einer Sprintplanung ist der Task Breakdown. In diesem Teil entstehen eine Menge Post-it-Karten, die später zur Übersicht über den Status des Spiels dienen.

Zunächst schreibt man Story-Karten. Auf Story-Karten wird – meist oben links – die Nummer der Story vermerkt, und dann der Titel oder ein Stichwort zur Story groß und lesbar auf die Karte geschrieben.

Danach werden für alle Aufgaben innerhalb der Story eigene Karten geschrieben, die ebenfalls jeweils die Nummer der Story bekommen (Damit man sie später einfacher zuordnen kann) und kurze Stichworte zur jeweiligen Aufgabe.

Es hat sich als nützlich erwiesen, Aufgaben für verschiedene Gruppen von Personen farblich zu kennzeichnen. Beispielsweise könnte man die Story-Karten auf grüne Post-its schreiben, Aufgaben für die NSC auf gelbe, Aufgaben für die Festrollen auf orange,  Aufgaben für die Technik auf pinke und Aufgaben für Springer, SL und sonstige auf blaue. Die Farbverteilung wird dabei natürlich an die Bedürfnisse der eigenen Con angepasst.

Das Board

Nachdem die Post-its geschrieben sind, können wir uns daran machen, den kommenden Sprint zu visualisieren. Dazu bedarf es noch einer ebenen senkrechten Fläche, an der wir die Post-its anbringen können. Hier tun es Schränke, Türen, Fenster, Spiegel oder was man gerade zur Hand hat. Es gibt auch Folien, die man mit Heftzwecken aufhängen kann und auf denen Post-its haften.

Diese Fläche teilt man mit Krepp-Band in mehrere Bereiche ein. Ganz links ein schmaler Bereich für die Story-Karten (der auch nicht viel breiter sein muss). Daneben gibt es mindestens drei Bereiche, die traditionell mit TO DO, IN PROGRESS und DONE beschriftet sind. Alle Aufgaben, die noch erledigt werden müssen, hängen natürlich in TO DO. Aufgaben, die gerade erledigt werden, hängen in IN PROGRESS, und Aufgaben, die erledigt sind, hängen in DONE.

Die Story-Karten werden jetzt in ihren Bereich gehängt, und zwar von oben nach unten in der Reihenfolge, die der Plot Owner bei der Planung festgelegt hat. In den TO DO-Bereich neben jede Story werden die dazugehörigen Aufgabenkarten gehängt. (Wenn die Nummer der jeweiligen Story auch auf den Aufgabenkarten steht, geht das etwas schneller.)

Jetzt ist das Board fertig und das Spiel kann weitergehen.

Wie genau dieses Board funktioniert und wie die Karten bewegt werden, schauen wir uns in Sprint 2 an.

Klar soweit?

Fragen, Anregungen und Kritik dürft Ihr gerne in den Kommentaren hinterlassen. Auch wenn ich nicht immer sofort antworte, nehme ich die Anregungen auf und gehe in späteren Artikeln darauf ein.

Artikelbild: Kristina Schlemmer

 

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