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Seit im Jahr 2009 das Spiel Dominion diesen bis dato unbekannten Mechanismus erfand – und zurecht mit allerlei Preisen dafür belohnt wurde – ist Deckbau aus der Welt der Brett- und Kartenspiele kaum noch wegzudenken. Jedes Jahr erscheinen dutzende neue Varianten, in denen es das Ziel der Spieler ist, innerhalb des Spiels selbst, ihre Decks durch den Kauf von Karten stetig zu verbessern und dann irgendwie Siegpunkte zu generieren. Das eine oder andere findet dabei, wie zum Beispiel auch Thunderstone, in einem fantastischen Setting statt.

Alle Spiele haben dabei ein paar Grundmechanismen gemeinsam: Wer an der Reihe ist, hat eine bestimmte Anzahl Karten auf der Hand, spielt davon einige oder alle aus, kauft dabei aus verfügbaren weiteren Karten die eine oder andere für sein Deck, legt dann nicht gespielte Karten ab und zieht danach wieder die gleiche Anzahl Karten von seinem Deck, wie jede Runde. Ist das Deck leer, wird der Ablagestapel gemischt und wird zum neuen Deck. So gelangt man nach und nach an immer stärkere Karten, eventuell kann man auch schwächere entfernen, und es steigt die Chance, dass die Handkarten so gut sind, dass hilfreiche Kombinationen von Effekten ausgelöst werden können. Was man mit diesen Karten, abgesehen vom Kauf weiterer, noch machen kann, ist von Spiel zu Spiel unterschiedlich, aber ansonsten ähneln sich die Spiele im Normalfall recht stark. Umso spannender ist es ab und zu mal Variationen dieser Mechanismen zu erfahren und dabei zu sehen, wie sich das Grundprinzip dadurch ändert.

Spielablauf

Aufbau und Spielende

In Aeon’s End stellen die zwei bis vier Spieler die letzte Verteidigungslinie von Gravehold dar, der letzten verbliebenen Siedlung von Menschen in einer ansonsten von Dämonen überrannten Welt. Die dabei dargestellten Helden haben gelernt, sich die Magie der Dämonen nutzbar zu machen und gegen sie zu wenden und müssen nun die immer wieder angreifenden Horden aufhalten, bevor diese Gravehold zerstören können.

Zu Beginn jeder Partie hat jeder Charakter ein festgelegtes Deck aus zehn Karten, zehn Lebenspunkte, mindestens einen geöffneten Breach, also Platz um einen Zauber zu wirken, sowie eine Spezialfähigkeit, die jedoch erst noch aufgeladen werden muss. Gravehold verfügt über 30 Lebenspunkte sowie einen Markt, auf dem die zur Verfügung stehenden Karten liegen

Die Startauslage eines Helden
Die Startauslage eines Helden

Aus den im Grundspiel vorhandenen vier Bösewichten wird einer ausgewählt, dessen Deck nach festgelegten Regeln zusammengestellt wird. Einige Elemente des Decks sind dabei zufällig, andere stehen fest. Auch sind die Karten des Gegners in drei Stärken unterteilt und werden entsprechend sortiert, so dass die anfänglichen Angriffe weit weniger schrecklich sind, als die zum Ende der Partie hin. Das Spiel kann auf mehrere Arten enden:

  • Sobald Gravehold keine Lebenspunkt mehr hat, ist die Stadt verloren und die Spieler verlieren
  • Sollten zu einem Zeitpunkt alle Spieler keine Lebenspunkte mehr haben, verlieren sie ebenfalls
  • Sobald der Oberbösewicht über keine Lebenspunkte mehr verfügt, ziehen sich seine Horden zurück und die Spieler haben gewonnen
  • Zu guter Letzt können die Spieler noch gewinnen, wenn es ihnen gelingt, alle Karten des Gegners abgehandelt zu haben. Das heißt, das Deck des Gegners ist leer und er hat auch keine Karten mehr im Spiel. In unseren Testspielen ist es dazu aber nie gekommen.

 

Die einzelnen Runden

Anders als bei vielen anderen Spielen gibt es bei Aeon’s End keine feste Zugreihenfolge. Stattdessen gibt es ein kleines Deck, über das jede Runde die Reihenfolge neu und zufällig ausgelost wird. Das Deck enthält zwei Karten für den Bösewicht sowie vier Karten für die Spieler. Bei vier Spielern wäre das je eine pro Spieler, bei zwei Spielern dann je zwei. Bei drei Spielern ist jeder einmal vertreten, dazu noch ein Joker, bei dem die Spieler selbst entscheiden, wer dran ist. Die Reihenfolge ist im Übrigen nicht vorher bekannt, stattdessen werden die Karten jeweils einzeln aufgedeckt und der entsprechende Zug sofort abgehandelt.

Ist der Gegner an der Reihe, werden zuerst alle seine ausliegenden Karten abgehandelt, dann wird eine neue Karte von seinem Deck gezogen. Diese kann entweder einen sofortigen Effekt haben, ein Scherge sein, oder aber eine Karte, die in einigen Runden in Kraft treten wird, wenn die Spieler das nicht zuvor verhindern. Schergen verfügen über Lebenspunkte, können also erschlagen werden, die anderen Karten beschreiben jeweils, wie man sie ablegen kann. Der Oberbösewicht selbst verfügt dann noch über eigene Fähigkeiten, die je nach Gegner unterschiedlich sind und auch durchaus unterschiedliche Strategien erfordern, um das Spiel zu gewinnen.

Ist ein Spieler an der Reihe, so kann er zunächst entscheiden, welche seiner ausliegenden Zauber er auslösen möchte. Danach spielt er eine beliebige Anzahl Karten aus seiner Hand. Dadurch gelangt er im Normalfall an Aether, was die Währung ist, mit der man neue Karten kauft und Effekte aktiviert. Jeder Charakter verfügt über eine Spezialfähigkeit, die vier bis sechs Mal für jeweils zwei Aether aufgeladen werden muss, bevor sie verwendet werden kann. Einmal verwendet, gehen alle Ladungen verloren und die Fähigkeit kann anschließend neu aufgeladen werden. Auch neue Breaches kann man mit seinem Aether öffnen, was das Ausspielen von mehr Zaubern ermöglicht. Und natürlich gibt es neue Karten, die gekauft werden wollen, um stärkere Effekte zu erzielen. Mehr Geld, mehr Schaden, die Fähigkeit, sein eigenes Deck auszudünnen; die Karten bieten kaum eine Überraschung, die man nicht schon aus anderen Deckbauspielen kennt. Diese Überraschungen kommen allerdings an anderen Stellen: Zum einen behält man Karten, die man nicht gespielt hat, am Rundenende auf der Hand. Zum anderen wird der Ablagestapel nicht gemischt, sondern stattdessen einfach komplett umgedreht, um zum neuen Zugstapel zu werden. Hierdurch kann man Kombinationen aus Karten sehr viel zuverlässiger auf die Hand bekommen, als in anderen Spielen üblich. Aber es erfordert auch, dass man stets im Gedächtnis behält, wie das eigene Deck aufgebaut ist, denn nachsehen darf man nicht, sobald das Ablagestapel erst einmal umgedreht ist.

Besonderheiten

Die Regeln von Aeon’s End sind für Veteranen anderer Deckbauspiele schnell erfasst. Aber gerade durch die Änderung, dass sich die Reihenfolge der Karten im Deck steuern lässt, spielt es sich ein gutes Stück weit anders, als man es bei anderen Spielen dieses Genres gewohnt ist. Das Glück spielt an dieser Stelle weniger eine Rolle als üblich. Umso erstaunlicher, dass es dann an anderer Stelle dafür erhöht wurde: bei der Zugreihenfolge. Wenn die Spieler Pech haben, ist der Gegner bis zu vier Mal in Folge an der Reihe, was auch die besten Pläne ziemlich schnell zerschmettern kann. Auch kann es passieren, dass viel Zeit zwischen den eigenen Spielzügen vergeht, da man in einer Runde sehr früh und in der nächsten sehr spät zum Zug kommen kann. Ich verstehe, dass eine komplette Planbarkeit das Spiel zu vorhersehbar und damit zu einfach gemacht hätte. Aber eine komplett zufällige Reihenfolge ist etwas, woran man sich erst einmal gewöhnen muss.

Die Interaktion der Spieler findet bei Aeon’s End hauptsächlich durch das Besprechen des besten Vorgehens statt. Direkte Effekte, die andere Helden beeinflussen, gibt es zwar, aber viele sind es nicht gerade.

Um der unterschiedlichen Spieleranzahl Herr zu werden, gibt es verschiedene Mengen an Karten von jeder der drei Stärken, die in das Deck des Gegners gelangen. Je weniger Spieler teilnehmen, desto schneller gelangt man zu den härteren Karten des Gegners. Da die Spieler aber auch häufiger am Zug sind, sind auch ihre eigenen Decks stärker als es sonst der Fall wäre. Unsere Testspiele haben gezeigt, dass Aeon‘s End mit jeder der möglichen Spielerzahlen gut spielbar ist, aber das beste Spielerlebnis bei drei Spielern erzielt wurde. Bei zwei Spielern ist das Spiel ein wenig zu schnell und bei vieren sind die guten Karten nicht in ausreichender Zahl vorhanden, damit alle ein ordentliches Deck zusammenbekommen. Hinzu kommt, dass der Joker in der Spielreihenfolge bei drei Spielern mehr taktische Möglichkeiten erlaubt, als die fest zugewiesenen Karten bei zwei oder vier Spielern.

Mit seinen vier Gegnern, die sich stark voneinander unterscheiden, den acht möglichen Helden und ihren unterschiedlichen Eigenschaften sowie ca. 20-25 verschiedenen Karten, die zu kaufen sind, gibt es eine Menge unterschiedlicher Möglichkeiten, Aeon‘s End zu spielen. Ebenso bietet das Regelbuch Ideen dafür, wie man das Spiel einfacher oder härter gestalten kann, so dass es ausreichend Abwechslung bietet für weitere Partien. Auch zwei Erweiterungen kann man zusätzlich erwerben, so dass es einem nicht zu schnell langweilig werden sollte.

Ausstattung

Das Artwork von Aeon’s End ist durchgängig recht düster und damit dem Setting angemessen. Die Karten sind gut lesbar und verfügen über das übliche Layout, das man aus anderen Spielen bereits kennt. Die Schachtel bietet reichlich Platz für alle Inhalte, aber leider keine ausreichenden Sortierungsmöglichkeiten für die Karten. Trenner für die einzelnen Karten hätten hier viel ausgemacht. Auch die Pappcounter für die Lebensenergie von Gravehold und des Gegners hätten noch eine Überarbeitung vertragen, denn sie sind schon nach dem ersten Zusammenbau sehr locker, so dass es schnell vorkommen kann, dass die Zahlen sich verstellen.

Die Regeln sind in Ordnung, um das Spiel zu erlernen, taugen aber wenig als Nachschlagewerk, um bei Unklarheiten noch einmal nachzuschauen. Auch der vorgeschlagene Aufbau für das erste Spiel ist nicht noch einmal abgedruckt, so dass man ihn aus dem Kopf rekonstruieren muss, wenn man ihn für weitere Einführungspartien verwenden will.

Eine Partie mit zwei Helden gegen den Rageborne, der kurze Zeit später ausgeschaltet werden konnte
Eine Partie mit zwei Helden gegen den Rageborne, der kurze Zeit später ausgeschaltet werden konnte

Die harten Fakten:

  • Verlag: Action Phase Games / Indie Boards & Cards
  • Autor(en): Kevin Riley
  • Erscheinungsjahr: 2016
  • Sprache: Englisch
  • Format: ca. 28x28x11 cm
  • ISBN/EAN: 792273251301
  • Preis: 50 EUR (Messepreis auf der Spiel 2016)
  • Bezugsquelle: Webshop des Produzenten

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Homepage des Herstellers gibt es ein paar Videos, die verschiedene Aspekte des Spiels beleuchten. Ebenso kleine Grafiken, die zeigen, was im Grundspiel bzw. den Erweiterungen enthalten ist. Das endgültige Regelheft gibt es dort aktuell nicht zum Download, wohl aber die vorläufige Version, die auch im Kickstarter veröffentlicht war, über den das Spiel finanziert wurde.

Fazit

Aeon’s End ist ein kooperatives Deckbauspiel für zwei bis vier Spieler. OK, die Schachtel sagt, dass man es auch alleine spielen kann, aber die Regeln dafür besagen dann, dass man eben zwei bis vier Helden darstellt und dann den Regeln für die entsprechende Spieleranzahl folgt. Also simuliert ein Spieler dann mehrere Spieler, so dass nicht von einem wirklichen Einzelspielermodus die Rede sein kann.

Von den üblichen Deckbaumechanismen findet man nahezu alle auch hier wieder. Ungewöhnlich ist, dass die Decks nicht gemischt werden, so dass die Reihenfolge der Karten besser beeinflusst werden kann. Die Reihenfolge der Spieler hingegen ist jede Runde zufällig, so dass das Mehr an Planbarkeit, dass man durch die Decks erhält, mehr als ausgeglichen wird. An welcher Stelle den Spielern der Zufall besser gefällt ist dabei Geschmacksache. Ich für meinen Teil bin jedoch kein besonders großer Fan der zufälligen Zugreihenfolge, auch wenn ich die Notwendigkeit im Design des Spiels sehe. Zum Glück gibt es aber zwei Helden, die mit ihren besonderen Fähigkeiten dieses Zugdeck beeinflussen können.

Hat man die Regeln von Aeon’s End einmal verstanden, was im Normalfall schon nach wenigen Runden der Fall ist, spielt sich das Spiel flüssig und zügig. Eine Partie dauert grob 60 bis 90 Minuten.

Für Freunde von kooperativen Spielen und / oder Deckbauspielen ist Aeon’s End sicherlich mehr als nur einen Blick wert. Die vorgenommenen Abwandlungen der üblichen Deckbau-Mechanismen sorgen für ein angenehm anderes Spielgefühl, das Artwork ist gelungen und die Helden, Karten und Gegner abwechslungsreich, so dass man eine Menge Spielspaß für sein Geld erhält.

Leider ist das Spiel aktuell nur auf Englisch verfügbar und hat erhebliche Mengen Text auf den Karten, so dass es für Leute ohne ausreichende Kenntnisse der englischen Sprache kaum spielbar sein wird.

Artikelbild: Action Phase Games
Fotografien: Holger Christiansen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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