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Ich weiß, das Abenteuer ist schon eine Weile draußen. Aber – jetzt mal ganz unter uns – wolltet ihr es wirklich vor Einbruch des Winters spielen? Klingen der Nacht führt euch immerhin ins ewige Eis und nicht in den sonnigen Süden. Sicher, ihr könnt es auch mit einem Cocktail in der Hand und bei 30 Grad im Schatten genießen, aber so richtig gut wirkt es nur dann, wenn die Sonne am Nachmittag schon untergeht, Kerzen euren Tisch erhellen, ihr euch mit heißem Kakao oder Glühwein aufwärmen müsst und einfach mal die Heizung abschaltet. Na gut, ganz so weit müsst ihr nicht gehen, denn Klingen der Nacht sollte von sich aus für genug Gänsehaut sorgen.

Inhalt

Erst einmal ganz spoilerfrei: Das Abenteuer spielt im hohen Norden Aventuriens, wo beinahe immer Schnee liegt, Nivesen ihre Herden durch die weiten Steppen treiben und Firnelfen arglose Robben jagen. Im beschaulichen Dorf Frisov, das an der Bernsteinbucht liegt und von umtriebigen Händlern bewohnt wird, stolpern die Helden über ein uraltes Mysterium, aber auch über die topaktuellen Ränke undurchsichtiger Gegner.

Auf in den eisigen Norden!
Auf in den eisigen Norden!

Es folgt eine tatsächlich ziemlich epische Reise, die zu verschiedenen Schauplätzen im verschneiten Nordland führt. Hier darf der Spielleiter sich gerne richtig austoben und bekommt viele stimmige Vorschläge geliefert, mit denen er das Abenteuer um weitere kleine Szenarien bereichern kann. Dabei dürfen zwar Kämpfer, Wildniskundige und Gelehrte gleichermaßen glänzen, aber Grundkenntnisse im Nahkampf sind unverzichtbar für einen Helden, der sich gegen die Klingen der Nacht stellen will.

Wer dieses Abenteuer schließlich vernarbt übersteht, darf sich zufrieden auf die schmerzende Schulter klopfen und wird sicher noch lange an viele erinnerungswürdige Szenen und Meisterpersonen denken. Dazu muss aber auch, wie angedeutet, der Spielleiter einiges an gründlicher Vorarbeit leisten. Das liegt nicht nur an der unnötig komplizierten Hintergrundgeschichte, sondern auch an dem Potenzial, das einzelne kleine Handlungsschnipsel beinhalten, wenn man sie richtig schön vorbereitet. Zudem führt das Abenteuer, abgesehen von einem relativ frei gestaltbarem Mittelteil, stellenweise etwas schlauchig von A nach B, wofür eine gute Inszenierung aber völlig entschädigen kann.

Natürlich kann der Spielleiter auch einfach so die Helden durch die Botanik jagen und nur das Nötigste erzählen, aber das würde dem Abenteuer nicht gerecht werden und bei den Spielern den Eindruck einer umständlichen Eisenbahnfahrt mit vielem Umsteigen hinterlassen. Wenn ihr also einen Spielleiter kennt, der sich vor dieser Aufgabe nicht scheut, dann schenkt ihm das Abenteuer nachträglich zu Weihnachten. Als Belohnung dürft ihr euren Nordlandreisenden auf ein unvergessliches Abenteuer schicken. Weiterlesen solltet ihr nun aber nicht mehr.

Spoiler

Wäre ich eine aventurische Siedlung, in der sonst nicht viel los ist, so hätte ich langsam Sorgen um mein weiteres Überleben. Nachdem bereits Tiefhusen niedergebrannt und vor einem guten Jahr Arivor vom Erdboden verschlungen wurde, muss nun auch Frisov dran glauben. Die kleine Siedlung im höchsten Norden wird zu Beginn des Abenteuers von einer Armee Dunkelelfen gebrandschatzt. Dunkelelfen? Diese unscheinbaren Handlanger Pardonas, die im DSA-Metaplot bisher so gut wie keine Rolle spielten? Genau! Es geht um die blassen Typen, die vor Jahrtausenden von Pardona erschaffen wurden und seitdem fröhlich unterseeischen Städtebau betreiben. Auf alle Ewigkeit Aufbau-Strategie spielen und stumpf die eigene Erschafferin zu verehren gefällt einigen Dissidenten unter den Dunkelelfen nun aber nicht mehr. Sie verehren inzwischen direkt Pardonas Herren, den Gott ohne Namen, und wollen nun in seinem Namen Aventurien erobern.

Düstere Erotik findet sich immer öfter in DSA-Abenteuern
Düstere Erotik findet sich immer öfter in DSA-Abenteuern

Zu ihrem Glück ist das aventurische Nordland übersät von hochelfischen Ruinen und omnipotenten Artefakten, die anscheinend nur darauf warten, dass jemand nach ihnen greift. Ich fasse mich hier trotz Spoilerwarnung aber lieber kurz, denn der altvordere Hintergrund zum Abenteuer ist ein wenig sperrig, was ich bei dieser Gelegenheit auch direkt kritisieren möchte. Hier wäre weniger mehr gewesen, zumal die meisten Spieler wahrscheinlich nur mit vielen Hinweisen aus dem Off den kompletten Zusammenhang begreifen werden.

Es geht jedenfalls um einen an zwei Orten eingesperrten Dämon, den die Dunkelelfen befreien wollen. Zum Glück gibt es aber auch eine Ansammlung hochelfischer Relikte, die Himmelslichter genannt werden. Diese – ihr ahnt es – müssen von den Helden gesammelt werden. Dabei müssen aber nicht unbedingt alle Helden zu Trägern dieser Artefakte werden. Das Abenteuer setzt genug andere Träger fest, die von den Helden gesucht und vereint werden müssen. Hierbei spielen übrigens auch die nomadischen Nivesen eine größere Rolle und dürfen somit das erste Mal seit Jahren wieder etwas mehr tun, als vor dem nahenden Unheil zu warnen – dieses Mal ist das Unheil bereits da!

Was etwas ausgelutscht klingt, erweist sich als potenziell sehr epische Reise durch Aventuriens Norden, gespickt mit abwechslungsreichen Schauplätzen und sehr interessanten Meisterpersonen. Der Autor hat hier ein fantasievolles Händchen bewiesen und vielen bunten Stoff in die kühle Landschaft gewebt. Da dieser Stoff auch die Spieler erreichen muss, sei dieses Abenteuer aber wirklich nur erfahrenen Spielleitern ans Herz gelegt.

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Typisch für die ersten Abenteuer einer neuen Regeledition gibt es in diesem Band auch grundlegende Infos zur Region. Das ist ganz gut so, denn den Spielern werden für diese Reise Helden aus dem Nordland empfohlen. Dementsprechend gibt es hier auch wieder, teilweise munter im Abenteuer verteilt, neue Sonderfertigkeiten und Berufsgeheimnisse. Etwas unpraktisch, aber leider typisch für die neuesten DSA-Veröffentlichungen.

Preis-/Leistungsverhältnis

24,95 EUR sind für diesen Band völlig in Ordnung. Wer mag, kann das Abenteuer nämlich massiv ausgestalten und sich eine kleine Kampagne für Aventuriens Norden basteln. Hier stecken gefühlt dutzende Spielstunden drin, wenn der Spielleiter etwas Mühe nicht scheut. Aber auch das Grundgerüst an vorgeschlagenen Szenen bietet sicherlich sehr viel Spielzeit am Tisch.

Auch in Anbetracht der guten Verarbeitung und der qualitativ hochwertigen Illustrationen erscheint mir der Preis gerechtfertigt.

Erscheinungsbild

Das vorab: Für die Rezension hatte ich leider nur eine PDF-Datei, durfte den Band aber bei einem Bekannten mal in der Hand halten. Also kann ich euch zumindest meinen ersten Eindruck zur Verarbeitung mitteilen. Das Buch wirkt stabil, das Papier ist sehr reißfest und sogar zu einem gewissen Grad wasserabweisend, was ich aber eher unbeabsichtigt getestet habe.

Das Innere überzeugt mit wunderbaren Illustrationen der Landschaft und der Meisterpersonen, die im Gedächtnis bleiben und den Spielern keinesfalls vorenthalten werden sollten. Gerade die Antagonisten haben einprägsame Porträts bekommen und erhalten somit etwas mehr Leben.

Auch die Karten sind gut gelungen und bieten übersichtliche Orientierungshilfen für den Spielleiter und die Spieler. Hier hat Ulisses mal wieder nicht gegeizt und hält das optisch sehr hohe Niveau der DSA 5-Produktreihe.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Ulisses Spiele
  • Autor: Dominic Hladek
  • Erscheinungsjahr: 2016
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Hardcover, PDF
  • Seitenanzahl: 120
  • ISBN: 978-3-95752-333-4
  • Preis: 24,95 Euro (Hardcover) / 12,99 Euro (PDF)
  • Bezugsquelle: AmazonUlisses eBooksSphärenmeisters Spiele 

 

Fazit

Hut ab! Dieses Abenteuer ist trotz kleinerer Mängel ein rundum gelungenes Paket, um eine spannende und epische Reise kreuz und quer durch Aventuriens Norden zu erleben. Dadurch, dass der große Mittelteil modular aufgebaut ist und die einzelnen Stationen in beliebiger Reihenfolge abgehakt werden können, wirkt Klingen der Nacht sehr dynamisch, obwohl Anfang und Ende vorab bereits feststehen. Alles dazwischen kann der Spielleiter frei nach Belieben und abhängig von den Entscheidungen seiner Spieler anpassen.

Und die dürften – meinetwegen auch erst im Frühling – einen frostig-kalten Spaß an diesem Abenteuer haben, das in seinen besten Momenten wohlige Erinnerungen an Klassiker wie die Phileasson-Saga oder auch neuere Werke wie die Quanionsqueste weckt. Hier sollten aber nur Rollenspielveteranen zugreifen, die größere Vorarbeit nicht scheuen. Dafür bekommen neugierige alte Hasen, die keine Lust auf überschaubare Einsteiger-Abenteuer haben, aber auch einen guten Eindruck von DSA 5. Kleinere Mängel verzeiht man da sehr gerne.

Artikelbilder: Ulisses Spiele GmbH
Dieses Produkt wurde kostenlos als PDF zur Verfügung gestellt.

 

 

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