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Deckbauspiele gibt es immer wieder in verschiedenen Varianten. Auf der Spiel 2016 ist mit Hero Realms die Fantasy-Variante zum beliebten Star Realms erschienen, die im Gegensatz zum Science-Fiction-Vorgänger direkt auch mit bis zu vier Spielern spielbar ist. Wir haben uns das Spiel für euch genauer angeschaut.

Im letzten Monat haben wir uns mit Aeon’s End ein kooperatives Deckbauspiel angeschaut. Diesen Monat bleiben wir dem Genre des Deckbaus treu, das betrachtete Spiel ist aber alles andere als kooperativ.

Kenner des Spiels Star Realms werden vieles an Hero Realms wiedererkennen und können die ersten Abschnitte des Spielablaufs in dieser Rezension überspringen. Erst im Abschnitt Mehrspielervarianten sind Dinge zu finden, die anders sind als bei Star Realms. Alles vorher heißt vielleicht anders, funktioniert aber exakt gleich.

Spielablauf

Grundlegendes

Gespielt wird Hero Realms mit zwei bis vier Spielern, wobei es verschiedene Möglichkeiten gibt, wie diese mit- oder gegeneinander spielen. Jeder Spieler stellt einen Streiter dar, der zu Beginn über 50 Lebenspunkte und ein Deck aus 10 Karten verfügt. Diese Karten sind 6x 1 Gold, 1x 2 Gold, 1x 1 Schaden und 1x 2 Schaden (die Karten haben auch Namen, diese sind aber im Grunde völlig egal und nur die Werte bleiben im Gedächtnis).

In der Tischmitte liegt ein Kartenstapel (Markt-Deck genannt) von 80 Karten, von dem zu Beginn 5 Karten gezogen werden, die den aktuellen Markt darstellen. Jedes Mal, wenn eine Karte aus diesem Markt entfernt wird, wird sofort eine neue gezogen. Außerdem gibt es 16 Fire Gems zu kaufen, die nicht mit ins Marktdeck gemischt werden, sondern immer zur Verfügung stehen – sofern nicht alle bereits gekauft wurden.

Rundenablauf

Hero Realms wird immer reihum gespielt und ein Spieler vollendet seinen Zug komplett bevor der nächste an der Reihe ist.

Wer am Zug ist, hat im Normalfall fünf Karten auf der Hand und kann diese in beliebiger Reihenfolge spielen. Grundlegend wird dabei zwischen Streitern und Aktionen unterschieden. Aktionen haben einen Effekt und werden am Ende der Runde abgelegt. Streiter hingegen verfügen über eigene Lebenspunkte und bleiben so lange liegen, bis sie vom Gegner besiegt wurden.

Streiter wie Aktionen geben dem Spieler üblicherweise Gold oder Angriffspunkte. Für Gold kann man sich Karten aus dem Markt kaufen, die dann auf dem eigenen Ablagestapel landen. Mit Angriffspunkten kann man den Gegner beziehungsweise dessen Streiter angreifen. Streiter mit weißem Schild sind dabei optionale Ziele, Streiter mit schwarzem Schild – auch Wächter genannt – müssen angegriffen werden bevor irgendwelche anderen Ziele angreifbar werden. Schaden an Spielern bleibt dabei über die Runden erhalten, Schaden an Streitern geht am Ende des Zuges verloren.

Gespielte Aktionen sowie eventuelle nicht gespielte Karten werden auf den Ablagestapel gelegt und abschließend werden fünf neue Karten gezogen. Dann ist der nächste Spieler an der Reihe.

Fraktionen und Allianz-Fähigkeiten

Außer den Startkarten sowie den Fire Gems gehören alle Karten zu einer von vier Fraktionen: Gilde, Necros, Imperiale und Wilde. Viele dieser Karten verfügen neben ihren immer aktiven Effekten noch über Allianz-Effekte (allied effects). Diese werden dann ausgelöst, wenn mindestens eine weitere Karte der entsprechenden Fraktion im Spiel ist. Dabei wird auch die Allianz-Fähigkeit der zuerst gespielten Karte einer Fraktion nachträglich aktiviert, sobald eine weitere Karte dieser Fraktion gespielt wird.

Die Fraktionen haben dabei unterschiedliche Stärken. Dadurch, dass es auf Grund der Allianz-Fähigkeiten sinnvoll ist, sich auf eine bis zwei der Fraktionen zu konzentrieren, entstehen so schnell unterschiedliche Schwerpunkte in den Decks der Spieler.

Spielende und Sieg

Das Spiel endet, sobald alle Feinde besiegt sind, also keine Lebenspunkte mehr haben. Gewonnen hat dann natürlich, wer überlebt hat.

Die Schadenswerte können dabei in einer einzelnen guten Runde durchaus im Bereich 20-30 oder noch mehr liegen, so dass das Spiel auch sehr plötzlich und schnell vorbei sein kann. Und da eine Runde nicht noch zu Ende gespielt wird, ist im Vorteil, wer eher dran war. Um diesen Vorteil des Startspielers auszugleichen, zieht dieser zu Beginn des Spiels nur drei Karten statt fünf. Bei drei oder mehr Spielern zieht der zweite nur 4 Karten, alle weiteren Spieler fünf.

Mehrspielervarianten

Wird Hero Realms mit mehr als zwei Personen gespielt, gibt es verschiedene Varianten:

  1. Jeder gegen Jeden: Die einfachste Variante. Es wird einfach so lange gespielt, bis nur noch ein Spieler übrig ist und dieser hat das Spiel dann gewonnen. Jeder darf jeden angreifen, das Ausschalten eines Spielers hat direkt erst einmal keine Auswirkungen für alle anderen.
  2. Jäger – erstes Blut: Jeder Spieler hat eine Jagdbeute – den Spieler links von sich – und darf nur diesen angreifen und auch nur ihn für andere negative Karteneffekte auswählen (Wirf eine Karte ab, etc.). Der erste, dessen Beute ausgeschaltet wurde, gewinnt das Spiel.
  3. Jäger – letzter Überlebender: Diese Variante funktioniert ähnlich wie die vorgenannte. Der Unterschied ist, dass Spiel nicht nach dem ersten eliminierten Spieler endet, sondern dessen Jäger einen Bonus von 10 Lebenspunkten erhält und das Spiel danach fortgesetzt wird, bis nur noch ein Spieler überlebt hat.
  4. Hydra (Teamspiel): In dieser Variante für genau vier Spieler (oder optional sechs, wenn mehr als ein Spiel vorhanden ist) spielen jeweils zwei (drei) Spieler in einem Team. Sie verfügen über einen gemeinsamen Lebenspunktevorrat von 75 (100), haben jedoch jeder ein eigenes Deck, eigene Handkarten, etc.

Alle Spieler eines Teams spielen jeweils gleichzeitig und können ihre Gold- und Angriffspunkte kombinieren, um damit das andere Team beziehungsweise dessen Streiter anzugreifen. Solange dabei ein Spieler des gegnerischen Teams einen Wächter im Spiel hat, muss dieser angegriffen werden. Kartenzieheffekte, Fraktionssymbole und damit Allianz-Fähigkeiten, etc. werden dabei nicht unter den Teamgefährten geteilt.

Die unterschiedlichen Modi haben jeweils unterschiedliche Stärken und Schwächen. Bei Jeder gegen Jeden bringt es dem aktiven Spieler keinen Vorteil, einen Gegner komplett aus dem Spiel zu nehmen. Viel mehr reduziert er damit die Anzahl der Ziele für alle anderen, so dass er selbst ebenfalls mehr zum Ziel wird. Somit ist die sinnvollste Taktik, alle Gegner gleichmäßig anzugreifen um sie dann irgendwann alle in einem Zug ausschalten zu können. Da aber alle diese Taktik verfolgen, ist es bisweilen sehr zufällig und unkontrollierbar, wer in der Lage ist, diesen finalen Schlag zu setzen.

Die beiden Jäger-Varianten gehen dieses Problem an, indem man jeweils nur ein mögliches Ziel hat. Aber da man nicht seinen eigenen Jäger oder dessen Streiter angreifen darf, kann man eventuell von dort kommenden Druck auch nicht reduzieren und muss versuchen, schneller zu sein. Streiter mit weißem Schild, die nur Angriffspunkte verleihen, bleiben hierdurch deutlich länger im Spiel als üblich.

Das Teamspiel umgeht diese Probleme elegant damit, dass es doch wieder nur zwei Seiten gibt. Jedoch braucht man hier exakt vier Spieler, und in Teams spielen ist vielleicht auch nicht jedermanns Sache. Wenn sich aber alle am Tisch damit anfreunden können, ist es die Variante, die am besten funktioniert.

Spieldauer und Wiederspielbarkeit

Eine Partie Hero Realms dauert etwa 20-30 Minuten. Ein schnelles Spiel also, von dem man auch mehrere Partien direkt hintereinander spielen kann. Durch die zufälligen verfügbaren Karten auf dem Markt ist dabei jede Partie unterschiedlich, was den Anreiz weiterer Partien erhöht.

Durch die enorm hohen erreichbaren Schadenswerte gehen Partien bisweilen sehr abrupt zu Ende und langfristige Strategien haben kaum eine Chance, Früchte zu tragen.

Ausstattung

Die Schachtel, in der die Karten geliefert werden, ist klein, relativ schlicht, aber absolut funktional. Es gibt einen Trenner in der Mitte, so dass die Karten nicht verrutschen. Die Karten selbst sind von üblicher Qualität.

Das Artwork sowohl auf der Schachtel als auch auf den Karten ist etwas generisch, liefert aber insgesamt auch keinen wirklichen Grund für Klagen. Die auf den Karten verwendeten Symbole sind gut erkennbar und nach spätestens drei oder vier Runden einer Partie für jeden verständlich.

Die harten Fakten:

  • Verlag: White Wizard Games
  • Autor(en): Robert Dougherty, Darwin Kastle
  • Erscheinungsjahr: 2016
  • Sprache: Englisch
  • Format: ca. 15x10x4 cm
  • ISBN/EAN: 8-52613-00526-8
  • Preis: 20 EUR (Messepreis auf der Spiel 2016)
  • Bezugsquelle: Aktuell nur über den Hersteller

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Webseite des Herstellers gibt es das Regelheft zum Download.

Neben dem Basisspiel gibt es aktuell noch fünf verschiedene Heldenpacks zu kaufen, die jeweils einen alternativen spielbaren Helden enthalten. Für jeden Spieler wird hiervon eines benötigt, da die alternativen Helden deutlich stärker sind als der Basisheld. Diese Heldenpacks liegen uns ebenfalls vor und werden in den kommenden Tagen in einem eigenen Artikel genauer beleuchtet werden.

Für Anfang des Jahres 2017 ist des Weiteren eine Kampagnenerweiterung angekündigt, mit Hilfe derer die Spieler kooperativ oder alleine drei aufeinander aufbauende Missionen bewältigen und dazwischen mit Hilfe von Erfahrungspunkten ihre Decks verbessern können.

Fazit

Hero Realms ist ein kompetitives und gelungenes Deckbauspiel in fantastischem Setting. Das Setting ist hierbei durch die Kartennahmen und Bilder definiert, hat aber im Grunde keinen Einfluss auf das Spiel an sich. Das offenbart sich auch dadurch, dass die Mechanismen komplett und teilweise auch die Karten eins zu eins aus dem Science-Fiction Spiel Star Realms übernommen wurden. Die Fraktionen sind etwas unterschiedlich, die Startdecks haben bereits etwas stärkere Karten, und es sind genug Karten sowie Regeln für bis zu vier Spieler enthalten. Wer aber Star Realms bereits hat und nicht vorhat, mit mehr als zwei Personen zu spielen oder weitere Erweiterungen zu kaufen, für den gibt es keinen Grund, sich Hero Realms zuzulegen. Für neue Spieler, die sich nur ein Basisspiel kaufen wollen, ist Hero Realms auf Grund der Spielbarkeit mit mehr Spielern die bessere Wahl. Zumindest wenn man des Englischen mächtig ist, denn aktuell gibt es noch keine deutsche Version.

Wer tiefer in das Spiel einsteigen und noch Erweiterungen kaufen will, steht vor einer schwierigeren Wahl, denn hier unterscheiden sich Star Realms und Hero Realms recht stark. Für Star Realms gibt es bereits eine ganze Reihe Erweiterungen, für Hero Realms bisher nur die Heldenpacks. Aber diese, sowie die angekündigte Kampagnenerweiterung, zeugen deutlich davon, dass hier eine andere Richtung eingeschlagen wird als bei Star Realms.

Insgesamt ist Hero / Star Realms ein ordentliches Deckbauspiel, das sich schnell spielt, leicht zu lernen ist, und durch die zufällige Auslage über viele Partien hinweg Abwechslung bietet. Leider ist es meist recht abrupt zu Ende und es ist kaum möglich, längerfristige Strategien zu entwickeln. Ein behutsamerer Aufbau hätte die Spieldauer erhöht, das Spiel insgesamt aber weniger glückslastig gemacht. Für Fans von schnellen Deckbauspielen auf jeden Fall empfehlenswert. Leute, die Spiele mit viel Tiefe bevorzugen, werden hingegen weniger Spaß an Hero Realms haben.

Mit Tendenz nach oben

Artikelbilder: White Wizard Games
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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