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„Ein Karten-Rollenspiel für perfekte Helden!“ Ob der Heldentrip sein Versprechen halten kann und euch mit einem einfallsreichen und inspirierenden Abenteuerspiel belohnt, oder ob ihr am Ende doch nur Goblinhorden in dunklen Höhlen niederschnetzeln müsst, das haben wir für euch getestet.

Fangen wir doch gleich mit der guten Nachricht an: Es gibt keine Goblins und keine dunklen Höhlen. Wie es sich für echte Helden gehört, kämpfen wir gegen Drachen, reisen in die Unterwelt, überqueren wilde Flüsse, und retten das Kätzchen der Fürstin (… bitte, wie?!). Leider kommen wir damit auch schon zur schlechten Nachricht: Ob Drache besiegen oder Kätzchen retten, das Questenlösen geschieht immer auf die gleiche Art und Weise.

Spielablauf

Im Heldentrip gibt es drei Sorten von Karten mit je einem eigenen Nachziehstapel: Heldenkarten, Sammelkarten und Questkarten.

Jeder Spieler beginnt mit einem zufällig gezogenen Helden, der in den acht verschiedenen Fertigkeiten Werte zwischen 1 und 6 hat, bzw. die entsprechende Fertigkeit gar nicht beherrscht. Dazu erhält er sechs Sammelkarten, die er im Gegensatz zur Heldenkarte verdeckt auf die Hand nimmt. Die Sammelkarten bestehen entweder aus Erfahrung oder aus Gegenständen (Inventar). Erfahrungskarten gewähren einen Bonus auf eine bestimmte Fertigkeit, wenn der Held sie bereits beherrscht. Gegenstände verleihen nicht nur einen Bonus, der in den meisten Fällen sogar höher ist als bei den Erfahrungskarten, sie bringen die entsprechende Fertigkeit sogar gleich mit.

So ausgestattet beginnt das Spiel bei einem Mitspieler und geht dann reihum. Zu Anfang seines Zuges muss der Spieler eine oder zwei Karten vom Nachziehstapel oder dem offenen Ablagestapel nachziehen. Dann darf er versuchen, eine der drei offen ausliegenden Quests zu lösen. Einer Quest sind eine oder mehre Fertigkeiten mit einem Schwierigkeitsgrad zugeordnet, z. B. „Übersetze die Runen der Wahrheit“: Klugheit 10. Gelingt es dem Spieler, mit seinem Helden und seinen Handkarten auf Klugheit 10 oder mehr zu kommen, kann er die Quest lösen und darf sie einsacken. Der Held begibt sich unverzüglich auf den Helden-Ablagestapel in seinen wohlverdienten Ruhestand, und alle zur Erfüllung der Quest eingesetzten Sammelkarten werden aus dem Spiel genommen. Der Spieler erhält vom Nachziehstapel einen neuen Helden, und eine neue Quest wird aufgedeckt.

Eine Quest, gelöst dank Heldenfertigkeit, Inventar und Erfahrung
Eine Quest, gelöst dank Heldenfertigkeit, Inventar und Erfahrung

Ob der Spieler nun eine Quest bestanden hat oder nicht, er beendet seinen Zug damit, dass er eine oder zwei Karten von seiner Hand auf den offenen Sammelkarten-Ablagestapel abwirft. Kann kein Held mehr nachgezogen werden, endet der Durchgang, und die Spieler notieren sich den Gesamtwert ihrer erfüllten Quests, also die Summe der Fertigkeitspunkte, die sie dazu mindestens ausgeben mussten.

Ein Spiel ohne Ecken und Kanten

Leider war es das auch schon: Karten ziehen, hoffen, dass die richtige Kombination von Werten vorhanden ist, um eine ausliegende Quest zu erfüllen, Karten ablegen, Nächster.

Natürlich kann man Strategien anwenden, doch laufen die eigentlich immer auf das Gleiche hinaus: Möglichst hohe Sammelkarten horten, im besten Fall passend zu einer bereits ausliegenden Quest, und möglichst niedrige Karten abwerfen, die idealerweise gerade nicht zu einer ausliegenden Quest passen.

Es verschwindet wohl doch nicht jeder Held auf dem Ablagestapel
Es verschwindet wohl doch nicht jeder Held auf dem Ablagestapel

Die Dinge, die ich von einem Helden-Abenteuerspiel erwarten würde, finde ich im ersten Anschein zwar, aber leider entpuppen sie sich als Illusionen: Die Erfahrung ist ein zufällig gezogener einmaliger Bonus, und kein Vorteil, der sich aus den bereits bestandenen Quests ergibt. Die Ausrüstung ist nur ein besserer, zufällig gezogener, einmaliger Bonus und nichts, das meinen Helden langfristig besser, schneller, stärker macht. So etwas wie Heldengruppen gibt es gar nicht, dafür sind die Helden selbst nach einmaliger Benutzung verbraucht und damit auch nichts weiter als ein zufällig gezogenes Set von Anfangswerten, von denen am Ende genau einer durch die übrigen Boni erweitert wird. Dabei sind die Quests völlig beliebig. Sie könnten genauso gut: „Löse Karte Nr. 1, 2, 3 …“ heißen und als Anforderung „Wirf Karten mit dem Symbolwert A, B, C … in Höhe von XY ab“ haben.

Zu guter Letzt schlägt die Spielregel drei Durchläufe vor: Auf den Quests sind nämlich immer drei Werte angegeben, die für die drei Durchgänge stehen und nach jedem Durchgang um einen Punkt höher liegen. Ein Durchgang ist aber nichts weiter, als alle Karten zu mischen und noch einmal anzufangen. Es wird keine Erfahrung oder Ausrüstung mit in den nächsten Durchgang genommen, sodass der höhere Schwierigkeitswert nicht mehr ist als eine künstliche Verlängerung des Spiels.

So muss man leider sagen, dass der Heldentrip eine ziemlich langweilige Angelegenheit ist.

Ausstattung

Der Heldentrip ist ein Indie-Spiel, ihm fehlen also die professionellen Kontakte eines gestandenen Verlages. Dennoch hat der Heldentrip mit Elif Siebenpfeiffer eine erfahrene Illustratorin gewonnen, die auch schon für Fantasy Flight und Ulisses tätig war und dem einen oder anderen vertraut sein könnte. Der Heldentrip hat zwar nicht die aufwendigen Vollfarbgemälde bekommen, aber die Cartoons sind trotzdem gelungen und dem kleinen Indie-Game angemessen. Schade ist nur, dass es Bilder nur für Helden, Quests und Inventar gibt. Zugegeben, Erfahrung ist eine schwer greifbare Angelegenheit, da die Erfahrung aber etwa die Hälfte aller Karten ausmacht, ist die Kartenhintergrundfarbe auf Dauer etwas trist.

Erfahrung ist eine durchsichtige Angelegenheit
Erfahrung ist eine durchsichtige Angelegenheit

Nicht so gut ist das Kartenmaterial gelungen. Die Kartonstärke ist zwar mit den üblichen Werten angegeben, da die Stärke aber nicht allein Steifheit und Griffigkeit der Karten bestimmt, scheint es an anderer Stelle zu mangeln. Auf jeden Fall fühlen sich die Karten zu dünn an und lassen sich leicht biegen. Der Heldentrip wird in einer „Plastikstülpschachtel“ geliefert, die leider die 119 Karten nicht so gut zusammenhält und beim Transport leicht aufgeht; ich habe sie daher immer noch einmal in eine Tüte eingewickelt.

Auch die Spielanleitung hätte überarbeitet und klarer, kürzer und präziser gestaltet werden können; das fällt allerdings nicht allzu schwer ins Gewicht, da die Regeln nicht sonderlich schwierig sind und so ein gewisser Indie-Charme transportiert wird.

Die harten Fakten:

  • Verlag: MettlerMedia
  • Autor(en): Andreas Mettler
  • Erscheinungsjahr: k. A.
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Karten in „Plastikstülpschachtel“
  • ISBN/EAN: k. A.
  • Preis: 9,50 EUR
  • Bezugsquelle: kartenspiel-kompakt.de

 

Bonus/Downloadcontent

Zu dem Spiel Heldentrip gibt es keine weiteren Extras.

Fazit

Der Heldentrip greift eine nicht eben originelle, aber schon oft gelungen umgesetzte Idee auf: Helden lösen Quests und geben dem Spieler dafür Siegpunkte. Leider schafft es der Heldentrip nicht, die Idee ebenfalls gelungen umzusetzen. Das Spiel funktioniert zwar in sich, kommt aber nicht über das reine Sammeln und Abwerfen von Karten hinaus; das ist einfach zu wenig. Als Spieler würde ich sagen, zurück ans Reißbrett und das Ganze noch einmal überarbeiten.

Wenn ich nach einer Zielgruppe suchen müsste, die vielleicht ein wenig Zerstreuung durch den Heldentrip erwarten kann, dann sind es Rollenspieler, die sonst eigentlich nichts mit Brett- und Kartenspielen am Hut haben, aber einen Zeitvertreib suchen, während sie auf den Rest der Truppe warten.

 

Artikelbild: MettlerMedia
Fotografien: Detlef Schroedter
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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