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Im Jahr 2012, nach dem Event Flashpoint, starteten DC Comics ihr Comicuniversum neu. Seitdem sind nur wenige Jahre vergangen, doch mit den New 52 war die Atmosphäre in den Welten von Superman, Batman und Co. eine andere. Nun erinnert sich DC wieder an seine eigene Vergangenheit und wagt einen Neuanfang, oder besser: eine Wiedergeburt.

Es ist bekannt, dass die beiden großen amerikanischen Comichäuser ab und an versuchen, durch einen Neustart ihrer Universen auch Neulesern den Einstieg in die Geschichtslinien zu ermöglichen und gleichzeitig Ballast abzuwerfen. DC vollzog diesen Stunt zuletzt mit der viel gerühmten Reihe Flashpoint, die im Zusammenbruch des bisherigen, und dem Beginn eines neuen DC-Universums endete.

Nun steht also erneut ein Umbau des überspannenden Metaplots an. Und DC wagt diesmal einen sehr mutigen Schritt. Anstelle eines kompletten Neubeginns besinnt man sich auf die Handlungsstränge und Charaktere vergangener Tage und verknüpft das alte mit dem neuen Universum. Und so beginnt die Wiedergeburt.

Handlung

Als ich in den 1980er Jahren anfing, die Jungen Giganten zu lesen, kämpfte an der Seite von Dick Grayson (Robin) ein gelb gekleideter, rothaariger Kid Flash namens Wally West. Doch wer erinnert sich heute noch an ihn? Keiner, zumindest in der Geschichte, die den Auftakt des DC-Events Rebirth darstellt. Denn Wally West wurde vergessen. Er fiel der Speedforce anheim, und ihrer Macht, das Universum zu verändern. So gleitet er durch einen Strudel von Zeit und Raum, während ihn die Kräfte der Speedforce zu zerreißen drohen. Verzweifelt versucht er, seine Freunde und Verbündete von einst zu kontaktieren, und ihnen klar zu machen, dass in ihrem Universum etwas nicht stimmt.

Denn nicht nur er selbst ist durch das Vergessen in seiner Existenz bedroht. Da draußen, so meint er, müssen noch viele weitere Charaktere darauf warten, dass die durch das Flashpoint-Ereignis gestörte Realität wieder in ihre Bahn zurückkehrt. Doch wer soll ihm helfen, wer sich an ihn erinnern? Die Auswahl der Charaktere, die er auf seiner Reise besucht, stellt gleichzeitig eine Vorschau auf das Programm der Rebirth-Ära dar. Denn man trifft neue, alte und sehr alte Bekannte. Darunter sind auch Figuren, die es im New 52-Universum gar nicht mehr gegeben hat. Die Handlung ist so voller Querverweise und Anspielungen, dass Panini dem Band eine Erklärung kredenzt hat, die fast Seite für Seite die Vorgänge erklärt und hilft, sie in ihre richtige Position einzuordnen. Ich persönlich konnte dem Meisten auch ohne Erklärung folgen und finde diese Erfahrung faszinierend. Ein etwas weniger passionierter Comicfan wird jedoch etwas verwirrt zurückbleiben. Trotzdem ist die Grundgeschichte auch für Neuleser durchaus fesselnd.

Charaktere

In vielerlei Hinsicht ist dieser historische Comicband etwas Besonderes. Das zeigt sich auch daran, dass sich mehr Worte über die in ihm vorkommenden Charaktere verlieren lassen, als über die eigentliche Handlung. Wir befinden uns an einem Punkt der DC-Geschichte, in der Bruce Wayne wieder in die Bathöhle zurückgekehrt ist, und Maske und Umhang des dunklen Ritters wieder angelegt hat. Das ist sehr schön zu sehen, und die brütende Atmosphäre der Batman-Comics lässt sich auf den entsprechenden Seiten deutlich spüren. Batman starrt auf seinen Computer, auf dem sich die Gesichter von gleich drei Jokern zeigen. Es ist unklar, ob sich im Rebirth-Universum tatsächlich gleich drei Personen als Gothams Clownprinz des Verbrechens herumtreiben.

 Es folgt eine Vielzahl von Begegnungen, aus denen ich nur einige besondere Highlights auswählen kann. Denn die Anzahl der Charaktere ist einfach zu groß. Von Thunderbolt, der in einem Seniorenheim sitzt, und dessen erstes Superheldenteam aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges nach Flashpoint komplett aus dem Universum verschwunden war, über Saturn Girl von der legendären Legion der Superhelden, bis hin zu Atom haben es einige klassische Helden in das neue Zeitalter geschafft, die bislang fast oder ganz verschwunden waren.

Dr. Fate, der große mystische Magier mit dem goldenen Helm, John Constantine und Swamp Thing wecken Erinnerungen an die alten Vertigo-Titel, die in der bisherigen Zeitlinie stark verharmlost und an die Hauptlinien angepasst wurden. Es scheint, als plante DC hier, wieder mehr Gewicht auf die düstere und erwachsene Atmosphäre dieser Titel zu legen.

Green Arrow und Black Canary, die sich irgendwie wieder ihrer Liebe aus der Zeit vor Flashpoint zu erinnern scheinen, stehen stellvertretend dafür, dass auch alte Beziehungen und Charakterverflechtungen wiederbelebt werden. Das klingt sehr vielversprechend.

Bei Superman tut sich wohl auch einiges, denn neben Lois und Clark von einer Parallelerde, einem neuen Superboy-Kostüm auf dem Cover, und Szenen von der Trauerfeier des Mannes aus Stahl deutet sich mit Mr. Oz ein neuer, interessanter Schurke an.

Aber es tummeln sich noch unzählige andere Figuren auf den Seiten dieses Bandes: Pandora, Nightwing, Captain Boomerang, Aquaman, Aqualad und viele, viele mehr. Es versteht sich von selbst, dass bei einem solchen Massenauftritt von Helden keiner von ihnen wirklich hundertprozentig zur Geltung kommen kann. Am besten dargestellt sind definitiv Wally West, der Flash und Batman. Der Band kann sich nicht auf die einzelnen Figuren konzentrieren, weil er sich viel eher wie ein Schaufenster versteht, das einen Blick auf all die vielen Dinge erlaubt, die da kommen werden. Und diese Funktion erfüllt er mit seiner Rahmenhandlung auf brillante Weise.

Zeichenstil

Maßgeblich für die Zeichnungen verantwortlich ist Gary Frank, unterstützt von einem ausgezeichneten Team von weiteren Talenten. Dabei war man sich sicherlich der Tatsache bewusst, wieviel Aufmerksamkeit die Leser der Darstellung der Kostüme in diesem neuen, als „farbenfroh“ und „bunter“ beworbenen Kosmos schenken würden. Bereits das Standardcover (die Variant-Versionen lagen nicht vor) ist eine klare Ansage: naturalistischer Stil, klare, saubere Farben und lebendige Action prägen das Cover, genauso wie das Innenleben des Bandes.

Dabei gelingt es Brad Anderson, die Farben so zu wählen, dass sie den Figuren gerecht werden. Ich selbst hatte Sorge, dass insbesondere das neue Batman-Kostüm mit der gelb unterlegten Fledermaus albern wirken könnte. Dem ist nicht so. Alles wirkt stimmig und zur Atmosphäre der jeweiligen Szenen voll passend.

Erscheinungsbild

Der Comicband präsentiert sich in der gewohnt hohen Qualität der Panini-Softcover. Dies gilt sowohl für Optik wie Haptik. Glänzendes, schweres Papier lässt die Farben strahlen, die schwarzen Stellen sind so gut versiegelt, dass man nicht gleich jeden Fingerabdruck sieht.

Wer sich allerdings wegen der Ankündigung von „über 80 Seiten“ darauf verlässt, dass hier auch 80 Comicseiten gemeint sind, wird eines Besseren belehrt. Der Comic selbst umfasst 69 Seiten, der Rest ist der oben erwähnte Fußnotenteil, ein Interview mit Geoff Johns, eine Menge Werbung und ein sehr gut geschriebener, redaktioneller Teil von Panini. Sieht man von dieser kleinen Irreführung ab, präsentiert Panini hier ein Comicheft, das dem historischen Ereignis im DC-Universum voll angemessen ist.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor(en): Geoff Johns u. A.
  • Zeichner(in): Gary Frank, Brad Anderson u. A.
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Heft
  • Seitenanzahl: 80
  • Preis: 4,99 EUR
  • BezugsquelleAmazon (erscheint am 28. Februar 2017)

 

Bonus/Downloadcontent

Neben dem eigentlichen Comic enthält der Band ein sehr lesenswertes Interview mit Geoff Johns, dem kreativen Kopf von DC.

Fazit

Panini präsentiert mit dem Rebirth Special einen historischen Wandel des DC-Universums. Eingebettet in eine sehr mitreissende und emotionale Rahmenhandlung um Wally West, den ehemaligen Kid Flash, wird eine große Parade von Charakteren geboten, die dem Leser einen klaren Ausblick auf das bietet, was er vom verbesserten Comic-Kosmos zu erwarten hat. Viele Charaktere sind farbenfroher und lebendiger geworden. Außerdem besinnt sich DC auf seine Geschichte, und lässt alte Charaktere, alte Beziehungen und Handlungsstränge wieder aufleben. Es scheint so, dass die einstigen Vertigo-Titel ihre düstere Atmosphäre zurückerhalten. Zudem wird an mehreren Stellen angedeutet, dass zum ersten Mal auch der Kosmos der Watchmen mit dem DC-Universum in Kontakt tritt. Der Band eignet sich für Neueinsteiger in die Comic-Welt.

Allerdings wird nur der wahre Fan, der vielleicht sogar das Golden Age und das Silver Age mitbekommen hat, auf jeden Fall aber die 1980er und 1990er Jahre mit den Helden erlebt und das Flashpoint-Ereignis verfolgt hat, so richtig in Nostalgie und Genuss schwelgen können. Für mich ist dieser Band überaus gelungen und wird durch die erklärenden Fußnoten sowie durch das Interview mit Geoff Johns bereichert. Der Zeichenstil und die neuen Kostüm-Designs sind sehr ansprechend. Alles in allem macht dieser Band Lust auf die weiteren Rebirth-Titel und das Entdecken des überarbeiteten DC-Universum.

Artikelbilder : Panini Comics
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

2 Kommentare

  1. Lieber Hero,

    Du hast natürlich recht und kaum ein Leser wird die Zeit aktiv miterlebt haben, als Wonder Woman und Superman sich den Nazis im Kampf stellten.
    Aber mancher Fan wird diese Zeit anhand von Sammlungen und Anthologien nacherlebt haben. Ich selbst begann das Sammeln aktiv mit den letzten Ausläufern des Bronze Age 1884. Aber wie viele Fans habe ich alte Bände nachgesammelt. Das war hier gemeint.

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