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Computec, bekannt für Magazine wie PC Games oder Buffed, hat ein „Bookazine“ zum Thema Cosplay veröffentlicht. Der „ultimative Guide“ soll auf 164 Seiten in einem Format zwischen Buch und Magazin begeistern. Leider gelingt das nur eingeschränkt, und stellenweise ist man doch sehr enttäuscht.

Man merkt schnell, dass es sich im Wesentlichen um eine Übersetzung handelt, was auch dem Impressum zu entnehmen ist. Das Original erschien im letzten Jahr beim britischen Verlag Imagine Publishing, einer Tochterfirma von Future plc, denen selbst der Begriff „Bookazine“ gehört. Die deutsche Ausgabe (im Rahmen der Reihe PC Games Insider) wurde scheinbar lediglich um einen kurzen Part „Cosplay in Deutschland“ erweitert. Was natürlich nicht bedeutet, dass es automatisch schlecht ist. Enttäuscht sind wir am Ende aber leider doch.

Inhalt

Im Inhaltsverzeichnis finden sich insgesamt neun Punkte. Rechnet man die Bildverweise ab und fasst die fünf eigenen Bereiche, die nach einer jeweiligen Einleitung lediglich Bildersammlungen sind, bleiben letztlich übrig: Drei Artikel und 114 Seiten reine Bilderschau. Was bei für ein Sonderheft der Art „Traumhafte Cosplays“ oder Ähnliches auch schön wäre. Für einen „ultimativen Guide“, wie es auf dem Cover zu lesen ist, spricht es allerdings nicht gerade – vor allem, wenn man beim Ersten reinblättern die große Schrift und das Layout sieht. Lediglich 48 Zeilen schafft man dort auf einer Seite, die zudem teils recht großzügig mit Bildern versehen wurden.

Über Cosplay

Das Bookazine beginntmit der obligatorischen Übersicht, was eigentlich Cosplay ist. “Der Ursprung des Cosplays & Die Kunst des Rollenspiels” nennt sich der zehnseitige Abschnitt, der es effektiv auf rund vier Seiten Text bringt. Der Artikel blickt zurück auf die “ersten Cosplayer” auf der World Science-Fiction Convention 1939 und die erste Nennung des Kunstbegriffes 1984, und geht bis hin zur 2013er Fernsehsendung Heroes of Cosplay. Auch Gründe, das Hobby zu betreiben oder Wettbewerbe werden kurz angerissen. Insgesamt alles kurz und straff, aber für einen ersten Überblick völlig ausreichend. Eingestreute Zitate machen das Ganze lebendiger, und generell wird (wie auch im gesamten Werk) sehr deutlich betont, dass Cosplay keine Grenzen kennt: Alter, Geschlecht, Figur, Ethnie – nichts hindert daran, zu cosplayen.

Im zweiten Artikel, „11 wichtige Cosplay-Fragen und ihre Antworten“, widmet sich das Bookazine dem Thema auf sechs, textreicher gefüllten Seiten weiter. Von Standardfragen der Art „Wie kommt man zu Cosplay?“ oder „Muss man seine eigenen Kostüme herstellen?“ geht es auch in den Bereich der Sorgen, Klischees und Vorurteile. Beispiele: „Aber was, wenn man zu schüchtern ist, um sich öffentlich so zu zeigen?“ oder „Aber Cosplay ist doch nur so eine schräge Sex-Sache, oder?“. Bei der Frage nach männlichen Cosplayern wird das Geschlechterverhältnis übrigens als „fast 50:50“ bezeichnet, was zumindest für Deutschland nicht zutrifft.

Insgesamt darf man bei den Antworten natürlich keine zu große Tiefe erwarten – dafür ist der vorgesehene Platz einfach nicht ausreichend. Wie im vorherigen Beitrag geht es vielmehr darum, Außenstehenden oder Interessierten einen Überblick zu geben, was durchaus gelingt. Traurigerweise schafft das Bookazine es bereits hier, sich zu widersprechen: In diesem zweiten Beitrag wird der Ursprung des Cosplay auf 1908 datiert – was der vorherigen Aussage über die „ersten Cosplayer“ 1939 zuwider läuft.

Auch die Artikel sind teils sehr bildlastig. (Bild aus dem englischen Original)
Auch die Artikel sind teils sehr bildlastig. (Bild aus dem englischen Original)

Dennoch sind die sechzehn Seiten geeignet, Szenefremden einen Überblick zu geben, der im Gesamten sehr positiv für das Hobby und die Szene ausfällt, und somit allemal besser ist als das, was man sonst oft von fachfremden Medien geboten bekommt.

Im Anschluss geht es zum Hauptteil: den Bildern beziehungsweise Themen. Moment, was ist denn mit Herstellung, Tipps und allem, was den geneigten neuen Cosplayer da interessieren könnte? Tja, da gibt es nicht viel. Man erfährt im Verlaufe der 164 Seiten, dass viel mit Schaumstoffen gemacht wird, sehr viel Arbeit drin stecken kann, es fertige Kostüme und Zubehör zu kaufen gibt, und dass es sowohl Wettbewerbe als auch eine hilfreiche Community gibt. Informationsgehalt Ende – mehr ist da leider nicht. Beispielhafte Arbeitsschritte, Vorher-Nachher-Bilder oder Einsteigertipps sucht man vergebens. Soviel zum „ultimativen Guide“, der übrigens auf dem Cover wirbt: „Finde den perfekten Look“. Wo und für wen wird leider nicht verraten.

Themen und Bilder

Satte 134 Seiten widmen sich den verschiedenen Themen/Stilen, in denen Cosplay zu finden ist. Beginnend mit Manga/Anime, über Comic/Science-Fiction, Videospiele, Fernsehen/Popkultur bis zu „Kreatives Cosplay & selbst entworfene Outfits“. Teilweise überschneiden sich die Bereiche mehr oder weniger deutlich, und so finden sich beispielsweise Iron Man oder der Joker im Bereich Fernsehen und Popkultur.

Jeder Abschnitt beginnt dabei mit einer vierseitigen Einleitung, welche erste Bilder zeigt und auf rund zwei Seiten effektivem Text sowohl das Genre vorstellt, als auch Hintergründe zu den thematisch passenden Cosplay-Szenen bereithält. Als Einstieg ins Thema ausreichend, zudem werden nochmals ein paar Informationen und Zitate gestreut. Allerdings auch mit Patzern – leider. So wird im ersten Abschnitt (Manga und Anime) beispielsweise von Cosplay-Cafes berichtet: „Die (…) Kellnerinnen sind oftmals als Magd (…) verkleidet“. Nicht falsch übersetzt – allerdings gibt es hierzulande bereits seit Jahren auf Conventions „Maid-Cafes“, sodass diese Bezeichnung auch üblich ist.

Da wurde offenbar zu korrekt übersetzt, ohne den gängigen Jargon zu kennen. Wie man auf „Nagoya-Cosplay-Gipfel“ als Bezeichnung für das Finale des auch hierzulande World Cosplay Summit betitelten Wettbewerbs kommt, können wir uns aber auch nicht so recht erklären. Zwar ist das Bookazine nicht prall gefüllt mit solchen Aussetzern, aber sie sind deutlich lesbar vorhanden, was die sonst zwar kurzen, aber eigentlich gar nicht schlechten Texte runterzieht. Selbst Namen bleiben davon nicht verschont: Die bekannte Cosplayerin Yaya Han wird einmal als Yaya Hans genannt, was vermutlich auch auf eine schnelle und unkundige Übersetzung zurückzuführen ist. Was es nicht besser und weniger obskur macht.

Abgesehen von den fünf Einleitungen werden ausschließlich Bilder gezeigt. Diese sind durchaus ansehnlich und professionell, auch die Druckqualität geht völlig in Ordnung. Auf jeder Doppelseite finden sich zwei oder drei Bilder, versehen mit kurzer Info (Cosplayer, Fotograf, Charakter teils Convention und Jahr). Teilweise findet sich dabei auch ein wenig Wissen zu Kostüm oder Outfits, wie beispielsweise Verwendung von LEDs oder Extensions. Dies sind jedoch eher Ausnahmen als die Regel – letztlich handelt es sich im Kern nur um eine schöne Bildersammlung mit den nötigsten Angaben. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Der überwiegende Teil des Bookazines besteht aus Bildern. (Bild aus dem englischen Original)
Der überwiegende Teil des Bookazines besteht aus Bildern. (Bild aus dem englischen Original)

Cosplay in Deutschland

Zuletzt folgt der landesspezifische Teil: „Cosplay in Deutschland“. In den vorherigen Abschnitten findet sich hierzu nämlich tatsächlich nichts, weder an Infos noch an Bildern. Der Deutschland-Part ist jedoch nur traurige fünf Seiten kurz, was schon enttäuschend klingt. Nach dem Lesen ist er allerdings noch enttäuschender, denn die fünf Seiten sind nur eine Farce, die man schon als Etikettenschwindel bezeichnen kann. In einer Einleitung erfährt man, dass Cosplay auch hierzulande immer beliebter wird, es viele Communitys im Internet gibt und diese auch sehr hilfreich sind und man dort Fragen stellen kann.

Dazu werden drei Anlaufstellen genannt, wovon eine jedoch englischsprachig ist, da es sich nicht um eine spezifische deutsche Seite handelt. Dann wird übergeleitet zur deutschen Cosplayerin Rowena Schultz aka Raiu-chan, die kurz vorgestellt und auf den folgenden vier Seiten interviewt wird. Dabei geht es jedoch nicht um Cosplay in Deutschland, sondern um sie als Cosplayerin – woher sie ihre Ideen nimmt, wie andere auf ihr Hobby reagieren, wie sie ihre Kostüme macht, was es kostet oder auf welche Cons sie als nächstes geht.

So ein Interview wäre als Abrundung sicherlich schön gewesen. Das aber als „Cosplay in Deutschland“ zu bezeichnen kann eigentlich zu nichts anderem als Enttäuschung führen. Denn die eigentlichen Fragen wären doch: Was gibt es hier für Events? Was gibt es für Wettbewerbe? Wie hat sich die Szene hier entwickelt? Dazu findet sich aber nichts. Sonderlich viel Recherchearbeit wäre es sicher nicht gewesen, denn so allgemeine Informationen lassen sich leicht im Netz finden. So endet das Bookazine, welches im Grunde nichts anderes als ein einmaliges Magazin (nannte man früher „Sonderheft“) ist, leider mit einem Tiefpunkt, da man sich hier etwas anderes versprochen hat.

Erscheinungsbild

Die 164 Seiten sind angenehm dick, wenn auch nicht auf dem Niveau von Bildbänden, für das gewählte Format aber durchaus in Ordnung. Die Druckqualität ist ebenso anständig. Die große Schrift, die außerhalb der Beiträge in der Schriftart Comic Sans oder Ähnlichem scheint, wirkt jedoch nicht so schön, was durch die durchgehende Großschrift noch verstärkt wird. Davon abgesehen ist das Layout zwar schlicht, aber noch in Ordnung. Der Fokus soll schließlich auf den „mehr als 100 Bildern“ liegen, welche durchaus gut sind und überwiegend zu gefallen wissen.

Preis-/Leistungsverhältnis

Für 12,99 EUR erhält man das „Bookazine“ genannte Heft im Zeitschriftenhandel oder online. Für eine schöne, breit gefächerte Cosplay-Bildersammlung geht das völlig in Ordnung. Wer jedoch tiefer gehende Informationen erwartet hat (nicht vergessen – es ist „der ultimative Guide“), dürfte eher enttäuscht sein. Da der beworbene Inhalt sich nur teilweise in den 164 Seiten wiederfindet, kann man das Preis-/Leistungsverhältnis auch als unzureichend ansehen. Letztlich kommt es auf die eigene Perspektive an, und was man sich vom Inhalt verspricht.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Computec Media GmbH
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover/Heft, etwas breiter als A4
  • Seitenanzahl: 164 inkl. Umschlag
  • ISBN: 4190802612993
  • Preis: 12,99 EUR
  • Bezugsquelle: Zeitschriftenhandel

 

Bonus-/Downloadcontent

Kein Bonus-/Downloadcontent vorhanden.

Fazit

Ich bin enttäuscht. Gerade von einer so sehr in der Videospielszene verankerten Firma wie Computec hätte ich einfach mehr erwartet. Mehr als eine reine Übersetzung, mit Fehlern und Kuriositäten. Mehr als Etikettenschwindel bei einzelnen Punkten. Mehr als eine mit ein paar kurzen Texten angereicherte Bildersammlung. Schade! Zugutehalten muss man, dass die Bilder durchaus gut sind, das Thema durch den Vertriebsweg einem breiteren Personenkreis zugänglich gemacht wird (insbesondere den Videospielern, in dem Segment sollte das Heft im Handel auch zu finden sein) und die Texte durchaus eine sehr positive Darstellung des Hobbys sind und Szenefremden so einen grundsätzlich guten Überblick verschaffen.

Sofern man keine Informationen über Cosplay hierzulande sucht, denn diese finden sich ebenso wenig wie konkrete Tipps oder Bastelbeispiele. So bleibt es ein nettes Heft mit vielen Bildern und grundlegenden Informationen, was unter diesem Aspekt gar nicht schlecht wäre, auch wenn der Eindruck durch einige Fehler im Detail getrübt wird. Als das, was es sein will – „der ultimative Guide für die besten Kostüme & Outfits“ – versagt es jedoch, was sich entsprechend auf die Bewertung auswirkt.

Mit Tendenz nach Oben

Artikelbild: Computec Media GmbH
Beitragsbilder: Imagine Publishing Ltd

 

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