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Die Aufregung um den Indiegogo und die Ankündigung, dass das polnische College-of-Wizardry-Format, das bereits neun mal auf Englisch stattgefunden hatte, auch auf deutsch inszeniert werden würde, ist in der deutschen LARP-Szene mit großer Begeisterung aufgenommen worden. Ob sich die Fahrt nach Polen gelohnt hat, erzählt Lena Falkenhagen in ihrem Artikel.

Bereits die Welt berichtete im Dezember 2014 über die „Hogwarts-Schule“, die in Polen aufgemacht habe . Tatsächlich geben sich die Macher von den Dziobak Larp Studios alle Mühe, jegliche Harry Potter-Anleihen aus ihrem Setting zu verbannen. Denn die LARPS sind kommerziell und es könnten Lizenzgebühren anfallen.

Im Februar 2017 brachten nun Stefan Deutsch und Justine Jones das Format zum ersten Mal nicht nach Deutschland, denn  das Schloss Zamek Kliczków steht ebenfalls in Polen, doch in die deutsche Sprache. CoW: Nibelungen ist der erste deutsche Durchlauf des College of Wizardry, doch bereits jetzt ist angekündigt, dass es im Februar 2018 eine Wiederholung geben wird.

Erstfazit

Ich gehe bei dieser Rezension teilweise intensiv auf einzelne Punkte ein. Daher möchte ich vorwegschicken, dass ich auf dem College of Wizardry: Nibelungen 1 sehr viel Spaß gehabt und schon seit langem nicht mehr so nachgeglüht habe. Die Universiät für Zaubererstudenten funktioniert auf magischem Niveau, „the hype is real“. Bei aller folgenden Kritik bin ich froh, dass ich teilgenommen habe.

Und wer will nicht gern an einer Zauberer-Universität für drei Tage zwischen den Geistern der Vergangenheit, eilfertigen Heinzeln, die Nachrichten vorsingen und Spiegel putzen, zwischen Werwölfen und Faunen, Dämonen und Feen eine Zauberer-Ausbildung absolvieren? Oder einen Professor für Ritualkunde, Studien der Gewöhnlichen oder Magischen Verteidigung an einer funktionierenden Lehreinrichtung darstellen?

Selten habe ich ein Live gesehen, dass vor und nach dem Ereignis so viel Spielereinsatz verursacht hat. Da wurden Lieder gedichtet und einstudiert, Studientexte verfasst, etliche Gruppen-Hangouts fanden statt, um Beziehungen zu klären und sich in die Häuser einzufinden.

In den Studierenden-Jahrgängen fand (so habe ich mir erzählen lassen) einige Vorspiele statt, um sich schon warmzuspielen, denn manche Leute kannten sich IT ja schon drei Jahre.

Das Besondere Schmankerl des CoW: Nibelungen aber war sicher das Nibelbuch: ein Facebook für Zaubererschüler. Hier konnte man sich Accounts anlegen, Gruppen eröffnen, Beziehungsstatus festlegen und öffentlich oder halböffentlich übereinander herziehen, fast wie im wahren Leben.

Auch nach dem Spiel war die Begeisterung groß: etliche Hangouts, Stammtische und Chats bildeten sich, in denen nachgeglüht, nachbesprochen und weitergeträumt und –gelacht wurde.

Was also ist das Geheimnis?

Teenie-Drama

Der Schwerpunkt des CoW: Nibelungen ist sicher das Teenie (oder Twen-)Drama, das man auf dem LARP getrost und ganz soapartig ausspielen kann. Wer liebt wen? Wer geht mit wem? Wer möchte mit wem gehen und ist eifersüchtig und lässt es an den anderen aus? Wer ist ein Streber, wer ein Rabauke, wer Mitglied des umworbenen Aqua-Drache-Teams?

Das ganze gewürzt mit dem Ehrgeiz, den Hauspokal zu verdienen, von den Professoren nicht mit Punkteabzug bestraft zu werden, als Team trotz aller Konflikte zusammenzustehen, heimlich mit Feenfürsten zu paktieren oder Dämonen zu beschwören ergibt eine köstliche Mischung, die noch lange nachwirkt.

Die Organisatoren

Stefan Deutsch und Justine Jones haben das deutsche CoW: Nibelungen organisiert und sehr gute Arbeit geleistet. Stefan Deutsch kennt man in der Szene bereits von den LARPs Demeter und Miezen, Messer und Moneten. Er organisiert Liverollenspiele seit 1999, etwa Reihen wie Insomnia und Aldarien und war an fünf Mittelpunkt-Konferenzen zum Thema Liverollenspiel beteiligt. Über Justine Jones ist bislang weniger bekannt; sie ist langjährige Spielerin der internationalen College of Wizardry-Formate und von Nordic LARPs.

Besonders im Spiel waren beide Organisatoren aufopferungsvoll für die Spieler da, spendeten Trost, trafen absprachen, druckten neue Verlautbarungen aus und waren trotzdem stets gut gelaunt.

Den NSC-und Prop-Fundus führten souverän Julia Becker (NSC-Organisation und Szenografie) und Krzysztof Kraus (Ausrüstung und Reparaturen), die von abgesprochenen und vorbestellten Szenen bis hin zu Impromptu-Improvisationen alles beherrschten.

Format

Für mich ist das CoW: Nibelungen das teuerste Live gewesen, an dem ich bislang teilgenommen habe: 425 Euro in der regulären Staffel. Es ist auch das erste kommerzielle Liverollenspiel meines Lebens. Ich bin nicht voreingenommen gegen die Kommerzialisierung dieses Hobbies; doch der Preis führt dazu, dass man eine Kosten-Nutzen-Rechnung anstellt und das Format mit Hobby-Spielen vergleicht. Für den Preis gab es Unterbringung in einem Schlosshotel, Vollverpflegung von Donnerstagabend bis Sonntagmorgen und Leihrobe und –krawatte.

Das Designdokument kündigte einen Nordic LARP-Stil an und erklärte das mit „kokreative Autorenschaft, Immersion, thematische Orientierung und 360° Illusion“ und „wir scheitern voran“. Zusätzlich wurden in den Eingangsbriefings noch „opt-in/opt-out“ (Jeder muss in Szenen die Chance haben sich einklinken zu können, ebenso wie es in Ordnung ist jederzeit eine Szene wieder zu verlassen), „starkes Konsensspiel“, „vorherige Szenenabsprachen“ betont. Das „Voranscheitern“ scheiterte selbst spätestens am Hauspokal, denn natürlich hält dieses Mittel die Spieler dazu an, gewinnen zu wollen.

Die Orga stand im Vorfeld meist für Fragen und Anregungen zur Seite, allein bei den Charakterabsprachen hätte ich mir schnelleres und konstruktiveres Feedback gewünscht.

Insgesamt merkte man, dass die Organisatoren sehr in der Welt des CoW Fuß gefasst haben, es gelang aber nicht immer, Spielern, die neu in der Welt waren, dieses Wissen auch zu vermitteln.

Vorbereitung und Organisation

Die Festlegung der Figuren erfolgte relativ spät. Die Vorbereitung auf bestimmte, rollenspezifische Kleidung konnte man also etwa zwei Monate vorher angehen.

Die Information, dass die SL keinen Plot macht, hätte ich mir allerdings am Anfang beim Kauf des Tickets über Indiegogo gewünscht. Ebenso die Information, dass Spieler die Charakter-Verknüpfungen selbst untereinander machen müssen und dies relativ zeitintensiv ist.

Für diese Verküpfungen und das Preplay (Spiel vor dem eigentlichen LARP) wurden rund dreißig Facebook-Gruppen eingerichtet. Zwar wird gesagt, dass man keine Zeit in diese Verknüpfungen und das Preplay investieren muss; mit der Information, dass SL keinen Plot macht, benötigt man das meines Erachtens doch, um als Altrollenspieler, der Erwartungen an Plot und Handlung hat, die über „Wir spielen eine Zauberer-Universität“ hinausgehen, Spaß zu haben.

Diese Charakterverknüpfungen sind sehr zeitintensiv und erfordern neben einem Facebook-Konto eine gewisse Toleranz gegenüber intensiver Chat-Kommunikation. Auf dem LARP versteht man dann schließlich den Nutzen davon, denn man springt direkt in eine Welt, die so schon teilweise seit Jahren, bei manchen Kollegiumsmitgliedern seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten, zusammenhängt.

Als Professorin erfuhr ich dann irgendwann, dass ich einen Beitrag für „mein“ Fach für das Studienbuch schreiben sollte. Das war mir vorher nicht bekannt und ein weiterer Punkt, in den Zeit investiert werden musste, während im Indiegogo vorher das Stretchgoal „Studienbuch“ angekündigt gewesen war. Immerhin gab es so mit Hilfe vieler  Spieler das gedruckte Studienhandbuch, obwohl das Stretchgoal eigentlich nicht erreicht worden war. Insgesamt habe ich vor einem LARP als Spielerin noch nie so viel Zeit investiert.

Auf der absoluten Plusseite steht, dass das Spiel sehr LARP-Einsteigerfreundlich ist. Man kann theoretisch im Schlafanzug dort auftauchen, das einzige wirklich wichtige Stück Ausrüstung, das man selbst kaufen oder basteln muss, ist der eigene Zauberstab. Roben, Hausschlipse und sehr viele Materialen (ein Alchemielabor, diverse Bücher, Dekomaterialien) werden von den Veranstaltern gestellt.

Strukturierung der Teilnehmer

Kennen und Kennenlernen von Kollegium und Schülern ist bei der Masse an Leuten schwierig. Manche Leute sind bei mir einfach untergegangen, weil man sie nur selten sieht und sich auch einfach nicht so viele Namen gleichzeitig merken kann.

Die Strukturierung der Spieler in Jahrgänge, Häuser, Uni-Clubs und Interessensgruppen führt dazu, dass man „seine“ Bezugsgruppe vorher leichter kennenlernen kann, wenn man auf Facebook die Zeit investiert. Je mehr man sich vorher miteinander beschäftigt, desto tiefer wird die Immersion sein, das Spielerlebnis und das Nachglühen; identifiziert man sich doch irgendwann intensiv mit „seinem Haus“ und seiner Crowd.

Designdokument

Das Designdokument, das im Dezember vollständig war, fand ich mit 107 Seiten zu lang. Es enthielt zu viel Unwichtiges und zu wenig Inhalt zum Hintergrund der Spielwelt. Zwanzig Seiten Einführung, Designprinzipien und Wappen, zwanzig Seiten darüber, wie man die einzelnen Rollen spielt (das könnte auch in die Charakterdokumente oder Rollendokumente ausgelagert werden), zwanzig Seiten über die Grundschulen der Zaubererwelt, bei denen ich mich gefragt habe, warum es so viele sein müssen. Hier würde eine Trennung in OT-Informationen, „Neuspieler-Fibel“ und Weltenhintergrund helfen.

Besonders mehr Weltenbau braucht es; hier zeigt sich, dass das Spiel für die Zaubererstudenten ausgelegt ist. Das Kollegium, deren Hintergründe deutlich mehr Weltenerfahrung aufweisen, hängen etwas in der Luft, sie brauchen mehr Verortung, um Erfahrungen auf dem Spiel einordnen zu können.

Die Location – Burg Klitschko

Die polnische Burg Zamek Kliczków ist eine fantastische und wundervolle Renaissance/Rokkoko-Burg. Die Zimmer, meist Doppelzimmer, hatten Hotel-Standard und waren für ein LARP sehr komfortabel. Bei der Auszeichnung von IT- und OT-Zimmer gab es im Vorfeld einige Verwirrungen (wir hatten IT-Zimmer erbeten, lagen aber im OT-Flügel, so dass das Zimmer IT nie relevant wurde. Alle IT-Zimmer in denselben Flügel zu legen (und alle OT-Zimmer ebenfalls in den eher abseitigen Seitenflügel) würde das Problem beim nächsten Mal leicht beseitigen.

Das Essen war verglichen mit dem Hotelstandard leider eher eine Enttäuschung. Beinahe jeden Tag gab es Fisch und Schweinefleisch, aber auch Gemüse und Aufläufe. Ich empfehle weniger Sauna, mehr Geld für das Essen. Positiv war, dass beinahe jede Essensbesonderheit berücksichtigt wurde: sowohl Vegetarier und Veganer als auch Laktose intolerante Spieler konnten zulangen. 

Workshops und Verhaltenskodex

Die Briefings und Workshops, die vor dem Spiel stattfanden, behandelten hauptsächlich die Sicherheit, Do’s und Don’ts, die man für Neulinge vor dem Spiel klären muss, aber auch CoW-spezifische Regeln wie „Wie duelliere ich mich?“ und Verhaltensregeln für den Umgang miteinander (Anfassen nur mit Zustimmung, „Ja heißt Ja“). Es gab nicht nur eine Medikamenten-Kiste, sondern auch eine Hygiene-Kiste mit Tampons, Kondomen und der Pille danach. Dieses Mitdenken sollte Schule machen. Wenngleich natürlich in Deutschland der Umgang mit Medikamenten deutlich restriktiver ist als in Polen.

Von erfahrenen LARPern kritisch aufgefasst wurde hingegen der „Cut“-Befehl, mit dem sich wie bei einem Filmdreh die Szene unterbrechen ließ, um OT-Absprachen für das weitere Spiel zu tätigen. Das führte des Öfteren zur Unterbrechung von Gruppenszenen, weil sich einzelne Neuspieler nicht wohlfühlten und per OT-Diskussion korrigieren wollten, anstatt die Szene zu verlassen und anderen ihren Spielspaß zu lassen, um sich im Anschluss mit dem entsprechenden Spieler zu besprechen.

Was nicht stattfand und dringend notwendig gewesen wäre, waren aktive Übungen zum „Ausspielen von einwirkenden Zaubern“, eine Einführung ins LARP und das Aus-sich-Herausgehen für Erstspieler gewesen. Zwar wurde gesagt, dass man bei Verzauberung irgendeine Reaktion zeigen sollte, aber die Geistesgegenwart und Extrovertiertheit, die man braucht, um eine realistische Reaktion für die Mitspieler zu zeigen, sollte wohl doch geübt werden. Ich habe viele Fälle gesehen, in denen auf teilweise krasse Einwirkungen keine Außenreaktion gezeigt wurde. Durch den hohen Anteil von Erstspielern wurde insgesamt mehr „nach innen“ gespielt und wenig aus sich herausgegangen.

Im Spiel

Spieler machen Plot

Mir selbst Plot zu machen fühlte sich zunächst merkwürdig an. Wenn eine SL Szenen für andere macht, hat sie den Blick frei und kann mehr „Fan“ sein. Hier kann das Format im Vorfeld noch eindeutiger kommuniziert werden, nämlich dass „dein“ Plot der Teil der Geschichte ist, über den nur du Kontrolle hast – und eben auch die Verantwortung, ihn zu steuern. Auch das kann und sollte man für LARP-unerfahrene und Umsteiger vorher klar machen und in Workshops praktisch an Beispielen üben.

Eine praktische Erfahrung vom CoW: Nibelungen ist, dass man Szenen, die man sich vor dem Spiel über das Google-Formular oder auf dem LARP direkt im Fundus bestellt, unbedingt vorher mit dem exakt darstellenden NSC durchsprechen sollte. Bei rund 150 Spielern, deren Charakterprofile dem Fundus zumindest auf diesem Spiel nicht direkt vorlagen, können die NSC nicht präsent haben, wer warum welche Szene bestellt und wohin sie gehen soll. Bezieht sich die Szene auf den Hintergrund, muss man die Szene durch ein Vorgespräch klären, um sie in eine bestimmte Richtung zu steuern, ansonsten wird man vermutlich nicht erhalten, was man wünscht.

Dieses Vorgehen führt allerdings zum Bruch der Immersion, weil man in den Fundus gehen muss, in dem sich vielleicht der Werwolf-Spieler für die nächste Szene umzieht oder gerade NSC lachend und diskutierend aus einer Szene zurückkehren. Mir als harter IT-Spieler fällt das schwer, ich möchte nicht hinter die Kulissen schauen, denn es bricht meinen Spielfluss.

Insgesamt führt dieses Format dazu, dass man es weniger mit einem Liverollenspiel zu tun hat. Ein Teilnehmer, mit dem ich das Spiel im Nachhinein diskutierte, bezeichnete es als „Improvisationstheater mit hoch partizipativem Publikum“.

Und wenn 150 Teilnehmer Plot machen, der nicht zentral zusammenläuft, dann hat das einen riesigen Vor- und einen riesigen Nachteil. Der Vorteil ist sicherlich die Explosion von Ideen unglaublich vieler kreativer Menschen. Das führt zu einem summenden Bienenstock, wo immer etwas passiert. Der Nachteil ist allerdings der, dass niemand den Hut aufhat oder nachsteuern kann – es kommt zu inhaltlichen Widersprüchen, die man wegerklären muss und die im Zweifel zu (ludo-narrativen) Dissonanzen führen.

Gender-Inklusivität

Besonders positiv aufgefallen ist mir die Berücksichtigung aller Gender und der offensiven Ansage, dass sexuelle Identitäten in der Welt der Zauberer völlig gleichberechtigt sind. Das führte auf dem Abschlussball bei dem Frauenüberschuss zu etlichen Damenpärchen und einigen Herrenpärchen. Es fand sich eine großartige männliche Meerjungfrau, und ich durfte selbst im halbbetrunkenen Zustand zwei Spielerinnen miteinander verheiraten. Das habe ich so explizit noch nicht auf einem Spiel erlebt und finde es nachahmenswert. Man wurde wegen seines mangelnden Hex(en)blutes gedisst, aber nicht wegen seiner Hautfarbe, seiner sexuellen Identität oder seines Geschlechtes. Das rückt diesen wichtigen Bestandteil des Spiels in eine fiktive Ferne, durch die man damit gut umgehen kann.

Telling

Áuf die Darstellung von Zaubern wird grundlegend verzichtet. Entweder man wählt selbst nur Zaubersprüche, die man nicht visuell gestalten muss, oder man lässt sich darauf ein, dass auf dem LARP viel „Telling“ stattfindet.

Das Hauspunktesystem

Das Harry-Pottereske Hauspunktesystem ist immens identitätsstiftend. Es motiviert die Spieler gut, am Schulsystem teilzunehmen und auf Universitätslevel mit dem Kollegium zu kooperieren. Es ist also ein gutes Werkzeug, die Hierarchie zwischen Kollegium und Studenten herzustellen. 

Leider und glücklicherweise ist es nie fair und wird bei Leuten, die versuchen, zu gewinnen, zu Enttäuschungen führen. Gleichzeitig ist es unglaublich schwer zu steuern und lädt zum Exploiten ein wie in einem Computerspiel.

Spieler werden immer versuchen, das System „zu knacken“, um zu gewinnen. Das hat leider dazu geführt, dass einige Spieler am Samstag nicht mehr zum Unterricht eher als böse und hart bekannter Professoren gegangen sind, bei denen Punkteabzüge zu erwarten waren.

Gleichzeitig schweißt die Motivation, den Hauspokal gewinnen zu können, die Häuser intensiv zusammen und versorgt sie mit einem gemeinsamen Feindbild – den anderen Häusern. Das Zusammengehörigkeitsgefühl ist so sehr hoch und hallt noch nach dem Spiel nach.

Sonderrollen

Das Spiel ist für Studenten-Charaktere designt; spielt man einen Professor oder Haussprecher, muss man sich auf mehr OT-Zeit und Organisatorisches gefasst machen. Als Mitglied des Kollegiums habe ich hauptsächlich Szenen für andere gemacht, Unterricht vorbereitet, Materialien zusammengesucht, Texte für das Studienbuch geschrieben und vor Ort als Hauslehrer für eines der Häuser als Ansprechpartnerin gedient. Das Gefühl, ein halber NSC zu sein, war vorhanden.

Von den Haussprechern habe ich teilweise noch extremere Zahlen gehört – angeblich machten da 40% des Spiels Orga- und OT-Absprachen aus, sind die Haussprecher doch für das Preplay, die Hausidentität der Studenten (die mit jedem Spiel neu definiert wird), die Auslese der neuen Studenten sowie deren Aufnahmerituale, Verteilung von Aufgaben, die Motivation der Häuser für den Gewinn des Hauspokals, die Verlierer-/Gewinnerreden und noch vieles mehr zuständig.

Man hat eine herausragende Stellung in diesen Rollen, sollte aber genug Zeit mitbringen, um sie auch auszufüllen. Organisationstalent, die Fähigkeit, den Überblick zu behalten und Kreativität für den Szenenentwurf sollte man ebenfalls besitzen.

Und natürlich gibt es die Möglichkeit, einen schlechten Haussprecher oder einen faulen Professor zu spielen – das lindert aber nicht den Erfolgsdruck, dass man für das Wohl und Wehe dutzender Spieler und Spielerinnen zuständig ist und diese nicht enttäuschen möchte.

Fazit

Als kommerzieller LARP-Anbieter muss man sich mit anderen Spielen vergleichen lassen. Ich musste viel Zeit im Vorfeld investieren, um mir Spielspaß selbst aufzubauen.

Die hauptsächliche „Arbeit“ wird hier vom Spieler gemacht: Plot schreiben, Charaktere verknüpfen, Szenen designen, die IT-Dokumente und Handouts gestalten, das Studienbuch (und damit Weltenbau) schreiben oder übersetzen. Im Vergleich ist ein solcher Aufwand gegenüber anderen Spielen hoch.

Wer sich aber darauf einlässt, viel Zeit zu investieren, auch mal aus dem Spielfluss auszubrechen und seinen Spaß selbst mitzubringen, dem verspreche ich ein wahrhaft zauberhaftes Spielerlebnis, das noch lange nachhallen wird. Das ganze Spiel fühlte sich an wie der Zug nach Hogwarts, der schnell Fahrt aufnahm, die Teilnehmer mit sich riss und irgendwann mit geradezu lächerlicher Geschwindigkeit an der Zaubererschule einrauschte.

Ich bedanke mich bei den Organisatoren für das schöne Erlebnis!

Bilder: © Przemysław Jendroska & Dziobak Larp Studios

Über die Autorin

Falkenhagen2Lena Falkenhagen studierte im echten Leben Germanistik und Anglistik an der Universität Hannover und arbeitet seitdem als freischaffende Autorin, Lektorin, Übersetzerin und Computerspiele-Designerin. Über das Rollenspiel DSA betrat sie bereits mit elf Jahren die Welt der Geschichten und verliebte sich tief ins Erzählen. Sie gehörte von 1994 bis 2011 der DSA-Redaktion an und schrieb neben vielen Abenteuerbänden und Hintergrundbüchern vier Romane für Aventurien.

Von ihren vier historischen Romanen beim Wilhelm Heyne Verlag wurde Die Lichtermagd mit dem DeLiA-Preis 2010 ausgezeichnet. Für Markus Heitz’ Justifiers-Romanserie (Space Fiction) wechselte sie mit Undercover in eine ferne, zukünftige Welt. Seit 2012 gestaltet sie Welt und Story des deutschen Computerspiels Drakensang Online. Auch wenn die Reise in der Phantastik begann, wechselt Lena heute fließend zwischen vielen Welten hin und her und fühlt sich in jeder gleichermaßen zuhause. So auch in der Wahlheimat Berlin.

 

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