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Sucht man Musik für seine allabendliche Rollenspielrunde, tut man sich mitunter schwer. Hat man endlich das Passende gefunden, so tendieren viele Alben und Stücke dazu, selber eine Geschichte zu erzählen. Damit stehen sie oft in Konkurrenz zum Abenteuer. Kris Flacke will das mit seinem Album ändern.

Musik ist ein beliebtes Stilmittel, um Rollenspielrunden zu unterstützen. Inzwischen haben sich einige Komponisten darauf spezialisiert, Musik für den Einsatz beim Pen & Paper zu produzieren. Einer der bekanntesten Vertreter ist wohl Erdenstern, die wir schon ein paar Mal für euch anhören durften. Auch Filmmusik wird gerne eingesetzt, um den Szenen die richtige Stimmung einzuhauchen. Gerade Filmmusik hat aber einen großen Nachteil: Sie ist bereits für bestimmte Szenen komponiert worden und erzählt damit bereits eine Geschichte. Ähnlich ist es bei Erdenstern, denn die meisten ihrer Alben erzählen, nach eigener Aussage, eine Geschichte, die noch nicht geschrieben wurde.

Kris Flacke war jedoch auf der Suche nach Musik, die eben keine Geschichte erzählt, und damit die Gefahr birgt, von der Geschichte der Helden abzulenken. Besonders problematisch wurde es aus seiner Sicht, wenn Gesang hinzukommt. Denn evolutionär sind wir dazu veranlagt, auf eine menschliche Stimme zu achten, wenn wir sie wahrnehmen. Doch damit ist unsere Aufmerksamkeit kurz vom Spiel abgelenkt, und es droht, die Immersion zu brechen. Gleiches gilt aus seiner Sicht für die Stimmung vieler Soundtracks. Diese verändert sich häufig mitten im Titel, um einen Spannungsbogen zu erzeugen, das passt jedoch oftmals nicht zur Szene und birgt damit eine ähnliche Gefahr wie Gesang.

Für den Diplom-Tontechniker und Komponisten lag es also nahe, selbst mal Hand anzulegen. Erfahrung in der Vertonung von Geschichten sammelte der passionierte DSA– und Shadowrun-Spieler bereits vor vielen Jahren. Seiner Feder entstammen dabei die Stücke für das Kindermusical Die fantastische Reise des Bastian Blue oder der Soundtrack zu Christoph Paolinis Aurora Alagaesiae. Während seiner Studienzeit war er zudem in der Indie-Band Black Inck und der Krautrock-Band Waniyetula aktiv.

Neben seinem Projekt zu DSA-Musikstücken arbeitet er derzeit noch musikalisch an zwei Videospielprojekten mit: Forest Heart von Green Dot Games und Missing Stars von Somnova.

Mit seinem ersten Solo-Projekt Die Chroniken des Blauen Salamanders möchte er nun Musik anbieten, die wirklich nur der Rahmen für die Handlung ist, und nicht selbst erzählen will.

Mit Kapitel 1 – Die Reiche am Ingval führt uns die Reise in ein altbekanntes Land.

Über das Album

So ganz von jeder Inspiration kann sich Kris Flacke dann doch nicht lösen, und er widmet sein erstes Album zwei beliebten Schauplätzen in Aventurien: Andergast und Nostria. Ganz passend also zu den Veröffentlichungen von Ulisses Spiele zu den „streitenden Königreichen“. Doch allein steht Kris Flacke nicht da. Das Orkpack hat bereits 2016 seinen Beitrag zum Zwist geliefert und wurde von uns intensiv begutachtet.

Kris Flacke stellt hohe Ansprüche an sich und möchte sich deutlich abheben von den anderen Werken, die gerne zur Untermalung der Tischabenteuer genutzt werden. Dazu präsentiert er uns in seinem Rollenspiel-Erstlingswerk fünf Titel, die es zusätzlich noch jeweils in einer „Atmo“-Version gibt. Hier wurden noch Hintergrundgeräusche, wie Vogelzwitschern oder das Rauschen des Windes, eingefügt und der Titeleingang sanfter gestaltet.

Tracks

Die Auen von Joborn (5:55)

Als ob die Sonne sich langsam über die Auen erheben würde, so beginnt dieser Titel. Sanft und weich scheinen die Tautropfen über die Grashalme zu perlen. Das Cembalo gibt dabei eine schöne spätmittelalterliche Anmutung, die ganz gut zu den Königreichen passt. Wohldosierte Trommeln sorgen für Abwechslung, und sanfte Flötentöne, um unauffällige Rasseln ergänzt, führen einen durch die Landschaft. Recht fröhlich kommt der Titel daher und wäre für Kämpfe oder spannungsgeladene Szenen wohl nicht ganz optimal. Als Hintergrund für den Heldenalltag jedoch hält der Titel, was das Album verspricht.

Flussträumerei (5:08)

Passend zum letzten Titel verweilen wir nun ein bisschen am Fluss Ingval, der die umkämpfte Grenzstadt Joborn passiert. Gleichmäßig, wie der ruhige Fluss fließt, plätschert auch das zugehörige Stück vor sich hin. Varianzen in den Instrumenten sorgen für Abwechslung, die jedoch nicht aufdringlich ist. Die Flöte dominiert das Stück und lädt zum Verweilen ein. Ganz anders als „Die Auen von Joborn“, aber doch ähnlich, begleitet das Stück den ruhigen Alltag der Helden.

Der Puls Sumus (4:59)

Wenn ein Titel schon Puls im Namen hat, dann erwartet man natürlich auch etwas Pulsierendes. Da die Erdriesin Sumu wohl eher für die Wiege des Lebens steht, ist ihr Puls nicht allzu hoch. Doch geben hier die bereits beschriebenen wohldosierten Trommeln den Takt deutlich an. Ergänzt um fröhliche Flöten und Saiteninstrumente schafft der Titel eine Melodie, die gut zu Sumu passt. Zwischendrin hört man schnellere Passagen, die den Puls versinnbildlichen. Doch auch dieses Stück bleibt weiter unaufdringlich.

Steineichenholz (6:26)

Noch ruhiger beginnt dieser Titel. Fast eine Minute braucht man, bis er richtig wahrgenommen wird. Vor dem Hintergrund des Albums ist dies sicher sehr passend. Die Trommeln haben auch hier einen führenden Part und muten gar etwas militärisch an. In einigen Passagen vermeint man den Marsch von Soldaten zu hören. Auch sonst ist er in Gänze etwas zügiger und plätschert weniger vor sich hin, als die ersten drei Titel des Albums.

Grüne Eiche, Silberfisch (5:32)

Silberfische scheinen fixe Zeitgenossen zu sein. Denn der Titel mutet ungewohnt flott für das Album an. Beginnt der Titel etwas kräftiger, wird er nach etwa 1:30 Minuten deutlich ruhiger und gleicht eher einem Traum, in den man entführt wird. Erst in der letzten Minute gewinnt er wieder etwas an Fahrt, aber ohne dabei zu übertreiben.

Verwendbarkeit im Rollenspiel oder LARP

Im LARP wird eine Verwendung schwer, vielleicht noch als Hintergrundmusik in einer Taverne, in Ermangelung echter Spielleute. Für Rollenspielrunden ist das Album weitaus besser geeignet, aber das ist ja auch der Anspruch des Komponisten. Die leisen Töne und sanften Instrumente schaffen eine schöne Atmosphäre, ohne dominant zu wirken. Die Komposition von Cembalo und Flöten muten mittelalterlich an, und das beschränkt den Einsatz auch auf entsprechende Settings. Sobald man das Fantasy-Mittelalter verlässt, dürfte die Musik dann nicht mehr die Immersion fördern. Die Bonus-Titel mit „Atmo“ begünstigen sicher viele Szenen. Aber das muss man mögen. Das Vogelzwitschern könnte einen sonst ebenso irritieren, wie Gesang es tun würde.

Preis-/Leistungsverhältnis

Für 5 EUR erhalt man fünf Titel und fünf „Atmo“-Versionen der Titel. Das entspricht, je nach Betrachtungsweise, 1 EUR oder 0,50 EUR pro Titel. An vergleichbaren Alben gemessen, erscheint der Preis dann leicht höher. Schaut man aber auf die Spielzeit von 57 Minuten, bewegt man sich beim Preis durchaus in ähnlichen Regionen, wie andere Alben es tun. 

Erscheinungsbild/Umfang

Das Album gibt es derzeit nur als MP3. Es enthält, neben den zehn Titeln, auch ein Booklet als txt-Datei und das Artwork des Albums. Andere Komponisten stecken auch in digitale Booklets mehr Aufwand. Für ein Erstlingswerk zu diesem Preis ist das aber absolut angemessen, und das Artwork ist wirklich schön.

Die harten Fakten:

  • Komponist: Kris Flacke
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Format: MP3
  • Spieldauer: ca. 57 Min
  • ASIN: –
  • Preis: 5 EUR (MP3)
  • Bezugsquelle: Shop von Kris Flacke

 

Fazit

Kris Flacke hat sich ein hohes Ziel gesteckt: Musik die keine eigene Geschichte erzählt, aber dennoch immer die eigentliche Geschichte unterstützt. Fünf Titel sollen richten, was sonst Alben mit 20 Titeln erreichen wollen. Es mag zwar stimmen, dass das musikalische Kurzzeitgedächtnis kürzer ist, als die nicht mal 30 Minuten der Titel, doch die Gefahr, sich zu überhören, besteht trotz der Abwechslung trotzdem. Auch dass die fünf Titel eher dahinplätschern, als Stimmung aufzubauen, kann manche Szenen eher stören als fördern. Zu einem Kampf, Verhör oder gruseligen Schlachthaus wird diese Musik kaum passen.

Dennoch abseits spannender Szenen erfüllen die Titel voll und ganz ihren Zweck. Dank der wirklich unaufdringlichen Art schieben sie sich nie vor die Geschichte der Helden, geschweige denn dass sie eine eigene erzählen wollen. Die Namen der Titel mögen zwar Assoziationen wecken, im Spiel selber sind diese aber schnell vergessen, und Die Reiche am Ingval helfen einem schnell und entspannt dabei, ins Spiel zu finden und auch dort zu bleiben.

Mit Tendenz nach unten

 

 

Artikelbild:  Kris Flacke
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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