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Ihr liebt die Spielwelt eines Tischrollenspiels, aber euch hängen die Regeln des Systems zum Halse heraus und ihr könnt die Lücken mit Hausregeln nicht mehr stopfen? Warum also nicht die geliebte Spielwelt behalten und die besseren Regeln eines anderen Systems adaptieren? Lest, wie aus DSA und CoD ein frischer Mix entstand!

Nach einer längeren Rollenspielpause erzählten mir meine Freunde Florian und Carola von ihrem aktuellen Projekt: CSA (Chroniken des Schwarzen Auges). Dieses häusliche Gebräu, eine Mischung aus WoD (World of Darkness) bzw. CoD (Chronicles of Darkness) und DSA (Das Schwarze Auge) konnte selbst mich, nachdem ich die alte Liebe zu Aventurien lange habe schwelen lassen, wieder nach Dere locken. Grund genug mir von Florian die gesamte Entstehung dieses Projektes erzählen zu lassen, die er vor allem in Kooperation mit seinem Mitstreiter Marius entwickelt hat, und euch davon zu berichten.

Die Spielwelt

Wie entsteht eigentlich der Wunsch, ein so ambitioniertes Projekt anzugehen? Die Initialzündung zur Veränderung des DSA-Regelwerkes gab der Übergang der 4.0 Version zu DSA 4.1. Zuerst wurden lediglich Hausregeln genutzt, um die gefühlten Lücken, damals vor allem im Karma-System, zu stopfen. Die immer stärker auftretenden Störfaktoren im Spiel lösten zusammen mit der Lektüre der new World of Darkness, also den Chronicles of Darkness, den Wusch aus, das System zumindest teilweise zu konvertieren. Bei der Überwindung der anfänglichen Skepsis half allen Mitgliedern der Spielrunde die Enttäuschung über die als nicht ausreichend empfundenen Verbesserungen des neu erschienenen DSA 5.

Wo also beginnen mit dem Mammutprojekt ein riesiges Regelwerk wie dem von Das Schwarze Auge durch ein ebenfalls nicht wenig umfangreiches System wie das der Chronicles of Darkness zu ersetzen? Die Antwort bot sich durch die gruppeninterne Präferenz vermehrt Vollzauberer zu spielen. Also wurde das System von Mage: The Awakening, dem Ableger für zaubernde Charaktere der Chronicles of Darkness, zur Hand genommen und auf die Bedürfnisse einer anderen Spielwelt, eben Aventuriens, zurechtgeschliffen. Die Grundregeln zu konvertieren war dabei die kleinste Hürde. Die Talente und Eigenschaften sowie die Vor- und Nachteile wurden aventurisiert, um den Flair der Welt zu erhalten und so liest sich der Charakterbogen, zumindest was alles Profane anbelangt, schon ziemlich im Stile des DSA-Regelwerkes.

Das Magiesystem zu konvertieren kostete den größten Arbeitsaufwand, da die Welt von Mage: The Ascension den Charakteren nahezu freizauberische Fähigkeiten zur Verfügung stellt, während DSA mit seiner größtenteils spruchgebundenen und durch Astralenergie als Ressource beschränkten Magie einen im Vergleich eher niedrigen Machtstandard bietet. Hier musste also nicht nur ein System verändert werden, sondern beide Seiten gehörig bearbeitet werden. Das Mage-Regelwerk wurde also ebenfalls vereinfacht und auch geschwächt, da frühe Testversionen extreme Stufen arkaner Kraft auf Seiten der Helden enthüllten. Die Astralenergie wurde hinzugefügt, ist dabei allerdings nicht bei jedem Zauber von Nöten, sondern nur, um für besonders mächtige Effekte zu dienen. Trotzdem bleibt dies der größte Eingriff in die DSA-Welt, da die Sprüche zu reinem Beiwerk für die Atmosphäre wurden und Zauber nun im Rahmen der Möglichkeiten des Charakters frei gewirkt werden können.

Einen kleinen Eingriff stellt die Veränderung des Karma-Systems dar: Geweihte benötigen keine Ressourcen, sind aber immer noch fest an ihre Liturgien gebunden. Die profanen Regeln dagegen sind grundlegend sehr einfach, bieten aber auch nicht mehr die Varianz und Feingliedrigkeit des DSA-Regelwerkes. So sind die Talente für Fern- und Nahkampfwaffen in jeweils einem Talent verschmolzen. Allerdings lässt sich über die sogenannten Kampfstile eine große Menge verschiedener Waffenhandwerker abbilden. Das Kampfsystem ist durch die geringe Anzahl an Lebenspunkten CoD-typisch extrem tödlich gestaltet, weshalb man sich in dieser Version Aventuriens lieber zweimal überlegt, ob man wirklich zur Waffe greifen sollte.

Ein wertender Blick

Den eigentlichen Reiz des neu entstandenen Systems machen nicht nur seine größere Einfachheit und der geringere Regelumfang, sondern vor allem die hohe Flexibilität aus. Fast alles lässt sich mittlerweile nach kurzer Überlegung sinnvoll in die Regeln integrieren. So wollte ich einen Runenschnitzer spielen, da ich das Charakterkonzept immer schon mochte, aber in den normalen DSA-Regeln nie als gut abgebildet empfand. Nach der Charaktergenerierung setzten wir uns zusammen, überlegten uns Kosten und Effekte, sodass ich nach kurzer Zeit einen Helden erschaffen hatte, der meiner Vorstellung eines Runenschnitzers entsprach und tatsächlich nützliche und leicht zu verwendende Effekte hervorrufen konnte. Was im Positiven gilt, gilt auch im Negativen: Fehler können sehr schnell nachjustiert werden. Das ganze Projekt wird immer ein Prozess sein, der nie einen Abschluss zu finden braucht, was gleichzeitig den Vorteil dieser Konvertierung ausmacht.

Die Nachteile liegen vor allem bei der Balance. Der Powerlevel ist wie schon gesagt sehr hoch. Das gilt vor allem für magische und geweihte Helden, die profanen Charakteren deutlich voraus sind. Doch hier ist eben die Runde der Maßstab und in eben dieser Gemeinschaft ist das kein allzu großes Problem. Viel Fingerspitzengefühl ist vor allem dann gefragt, wenn man in Regeln spricht. Hier muss aktiv auf den aventurischen Slang geachtet werden, um das Flair nicht zu beschädigen.

Insgesamt empfand ich meinen eigenen Spieleindruck als sehr positiv. Dieses Hausgebräu schmeckt mir in vielen Noten besser, als das reichhaltige und schwere Alt-DSA. Es punktet durch gute Flexibilität und wenig Regel-Ballast. Doch manchmal schlägt auch das Nostalgiker-Herz noch hoch, die ewige Heldenerstellung und das letzte noch so kleine Talentchen und ich merke, ich vermisse den Regelwust in seiner ganzen deutschen Schwere doch ein wenig. Trotzdem: Ich habe hohen Respekt vor dieser Eigenleistung und freue mich auf viele gute Abende in den Chroniken des Schwarzen Auges, die noch folgen werden.

Artikelbild: Ulisses Spiele
Logos: Ulisses Spiele, Onyx Path Publishing

Über den Autor

nick-randackNick Randack ist bei Tischrollenspielen mit erzählerischem Tiefgang und starker Hintergrundwelt schnell Feuer und Flamme. Das Regelkonstrukt des System sieht er mehr als notwendiges Übel für ein erfolgreiches Zusammenspiel, denn als wirkliche Bereicherung. Bei der Auswahl der Spielwelten ist er prinzipiell offen, wobei zu abstruse und schillernde Realitäten ihn eher schrecken und bodennahe und am besten an echter Mythologie angelehnte Kosmen seinen mentalen Geschmacksorganen munden.

 

 

 

4 Kommentare

  1. Klingt super. Aber ich hab ne kurze Frage: Wo und ggf. wann kann man denn das Ergebnis bestaunen? Wollen die Autoren das im Scriptorium Aventuris veröffentlichen? Bin jetzt neugierig geworden und sehe im Bericht irgendwie nirgends nen Link oder ne Info, wie man an das Regelwerk rankommt.

    • @Roger: Mmh. Wäre es dann nicht sinnvoll gewesen erst etwas vorzuweisen zu haben, bevor man die Leute heiß macht? ;)
      So steht das hier quasi als Teaser-Trailer und man weiß als Nichteingeweihter gar nicht, worum es geht. Der Bericht geht ja an einigen Stellen auch sehr ins Detail. Wäre schön, wenn man den Kontext nachvollziehen könnte. :)
      Na ja, spannend ist es dadurch allemal.

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