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Seit Tagen reißt die Diskussion über Cosplay auf der LBM nicht ab. In gängigen Sozialen Medien wird eifrigst debattiert und reichlich geschimpft. Cosplayer gegen SWR-Redakteur, Cosplayer gegen Cosplayer, SWR-Redakteur gegen Szeneverteidiger. Geht es dabei aber wirklich noch um die streitbare Kritik an Cosplayern? David Jung hat eine ganz andere Theorie.

Er hat geantwortet: Carsten Otte, Literaturredakteur des SWR und dort seit Kurzem auch Voldemort vom Dienst, veröffentlichte jüngst eine Erklärung zu seinem viel diskutierten Kommentar über nackte Hasen auf der Leipziger Buchmesse.

Im Vergleich zum Anlass liest sich die Stellungnahme recht unaufgeregt und ist schnell zusammengefasst: Man möchte Szene oder Genre auf keinen Fall kulturell herabwürdigen, bewundere die Fantasie der Cosplayer, hätte im Rahmen der Messe aber bestimmte Kompatibilitätsprobleme bemerkt. Außerdem wäre der pornographische Anstrich mancher Kostüme eben nicht jedermanns Geschmack, oder wie der Autor launig schreibt: „Es gibt kein Menschenrecht, überall in Unterhose aufzutreten.“

Eine Frage der Diskussionskultur

Natürlich kommt er damit nicht durch. Einige fordern die fristlose Kündigung, andere ergehen sich in Hassfantasien, bevor sie vom Community Management aus den Kommentarspalten geputzt werden. Ein gewisser Xolodrim Xandrosch beklagt beim Autor sogar ganz unzwergisch „eine Sturheit und einen Mangel an Professionalität.“ Ein Anderer bilanziert: „Tut mir Leid, aber ich sehe in diesem Brief keine Entschuldigung.“ Letzteres würde Herr Otte vermutlich sogar unterschreiben, da der Brief tatsächlich keine Entschuldigung ist und auch nicht als solche veröffentlicht wurde.

Stattdessen stellt der Autor klar: „Es ist vollkommen in Ordnung, einen Kommentar zu kritisieren und eine Gegenposition einzunehmen. Doch wie immer bei einem sogenannten Shitstorm, hat sich die anfänglich lohnende Diskussion schnell verselbstständigt und von der Ausgangsthese weit entfernt. In der überhitzten Posting-Spirale ergibt dann eine flugs getippte Hasstirade die nächste. Darüber sollte auch die empörte Szene nachdenken, die für sich stets Toleranz und Akzeptanz einfordert.“

Die Debatte zeigt deutlich, was sich im öffentlichen Diskurs zu einem immer größeren Problem auftürmt: Die Menschen sind (nicht zuletzt durch ihre Filterblasen) immer seltener willens oder in der Lage, gegenläufige Standpunkte konstruktiv oder zumindest mit Respekt vor dem gegnerischen Argument zu diskutieren. Debatten in den Sozialen Medien werden in diesen Tagen beinahe ausschließlich ad hominem geführt – fast immer gegen die Person, ganz selten gegen die Position. In diesem Fall beschränkt man sich im Fall Otte also auch nicht auf seine Meinung (Cosplay und Literatur passen auf einer Messe nicht zusammen), sondern er wird von seinen Gegnern mit höhnischer Verachtung zu einem regelrecht autokratischen Idioten hochgeschrieben, irgendwo zwischen Erdogan, Beckmesser und Lord Helmchen.

Und das ist ein sehr interessanter Punkt an dieser Diskussion, der mich wirklich fasziniert: Woher kommt dieser Zorn? Warum erkennen die Shitstormtrooper nicht die moralische Schieflage, die durch diesen Zorn und ihre zum Teil strafrechtlich relevanten Postings entsteht? Irgendwo muss diese glühende Verachtung ja herkommen, immerhin geht es dabei ja nicht um heikle politische Themen oder ideologische Kontroversen. Aber geht es denn wirklich um Kostüme und einen Platz für’s kreative Hobby? Ich glaube nicht, Tim.

Wo liegt denn nun der Hase im Salz?

Kollegin Laura Birnbaum hat sich diese Frage auch schon gestellt.

Mein Tipp: Wir erleben in diesem Fall eine Stellvertreterdiskussion, deren tatsächlicher Konflikt auf einer viel tieferen Ebene ausgetragen wird. In diese Richtung weist auch der vielbeachtete Kommentar von Lena Falkenhagen, die die berüchtigten „alten, weißen Männer“ als Symbol der systemischen Ungerechtigkeit in Stellung bringt. Mal abgesehen von der soziologisch etwas unglücklichen Pauschalisierung (ich würde sogar sagen, dass im Literaturbetrieb hinter den Kulissen mehr Frauen als Männer arbeiten), zeigt er ganz deutlich das Gefühl, das viele Cos- oder Roleplayer beschleicht: Diskriminierung. Mit dieser Leitkodierung behandelt auch Margarete Stokowski das Thema auf Spiegel Online, in ihrer Kolumne „Oben und Unten“. Manche Kommentatoren versteigen sich in diesem Sinne sogar zu Zensurvorwürfen, indem sie gegen Otte die freiheitlich-demokratische Grundordnung aufbieten.

Genau hier liegt der Hase begraben. Denn das Narrativ dieser Story versteht jedes Kind: die Starken gegen die Schwachen. Feuilleton gegen Popkultur, Elite gegen Volk. A true underdog story. Dieser Kampf ist so alt wie der Mensch, und auch dem Liebhaber von Cosplay und Ähnlichem schmerzlich vertraut: Nerdkultur war schon immer Gegenkultur; die klassische Rollenspielerbiographie ist fast immer eine Außenseitergeschichte. Auch wenn das Bild der technikbegabten Brillenschlange, die vom Quarterback in den Müllcontainer geworfen wird, einem amerikanischen Klischee entspricht: Wir Nerds wissen, dass wir in den Geschichten der Kinder von E.T., Stranger Things und den Goonies auch ein Stück weit uns selbst erkennen. Nicht zuletzt deshalb erfreut sich in der populärwissenschaftlichen Debatte im Netz gerade ein anderes Narrativ besonderer Beliebtheit: der Bully – das personifizierte Recht des Stärkeren, dem Adorno seinerzeit die (sehr viel komplexeren) Studien zum autoritären Charakter gewidmet hat.

Die Völkerschlacht in den Kommentarspalten zu Leipzig ist in meinen Augen deshalb zum großen Teil auch ein Phantomkampf, der sich gegen die Widersacher der Vergangenheit richtet. Bei vielen Beiträgen erkennt man ein deutliches Bedürfnis, den eigenen Lebensstil gegen einen vermeintlichen Feind verteidigen zu müssen. Und natürlich eignet sich ein Literaturredakteur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ganz wunderbar dazu: Endlich kann man mit dem ätzenden Deutschlehrer, dem spießigen Universitätsprofessor oder all den anderen Establishment-Knechten abrechnen. All jenen Leute eben, die immer wieder die eigene Glücksgeschichte sabotiert haben. Und ihre Kultur – die Kultur der Wasserglaslesungen, der Opernbesuche, der Salons und Altbauwohnungen – wird dabei gleich mit verhaftet: hier die steifen Eliten mit ihrer Hochkultur, dort die alternativen Freidenker mit ihren Mangas. Dass die Wirtschaftskraft des Manga-Sektors die Bilanzen von Suhrkamp und Co. um Längen überbietet, spielt für die Underdog-Geschichte keine Rolle. Auch die Motive der Messeleitung, sich zur MCC zu bekennen, werden in diesem Sinne interpretiert: Es geht natürlich nur um Solidarität, niemals um Publicity, Besucherzahlen oder Kartenverkäufe.

Aber um unsere Diskussionskultur nicht noch weiter zu versauen, muss ich an dieser Stelle kurz klarstellen, dass meine These gar nicht abfällig gemeint ist. Ich ertappe mich selbst oft dabei, in irgendwelchen Diskussionen die pubertären Kämpfe der Vergangenheit zu reenacten – ob nun im Job, im Netz oder im Hobby. Und dieses Phänomen ist auch ganz sicher nicht auf die Nerdkultur begrenzt. Mein Freund Max würde jetzt sagen: Freud ist fies.

Don’t be a dick

Also, was tun? Vielleicht halten wir es einfach mit Wheaton’s Law: Don’t be a dick. Wenn jemand Cosplay nicht mag, kann das okay sein. Wenn jemand Cosplay und die Literaturbranche nicht zusammenbringt, kann auch das okay sein. Und wenn jemand fordert, beides zu trennen – dann kann man ihm einfach widersprechen, ohne ausfallend, höhnisch oder persönlich zu werden. Eine andere Meinung ist ja kein Weltuntergang – gerade dann nicht, wenn der Opponent sachlich bleibt und trotz Widerspruch seinen Respekt für die Gegenseite bekundet. Man muss ja nicht jede Gegenposition sofort als Angriff auf den eigenen Lebensentwurf interpretieren. Einige Cosplayer haben zum Beispiel im Zuge der Debatte sehr deutlich gemacht, was sie vom SWR und von klassischer Literatur halten: nicht viel, freundlich formuliert. Halte ich für falsch und hochgradig weisheitsmindernd. Aber hey: Don’t be a dick.

Artikelbild: cc-Lizenz (Vladimir Ivanovich Moshkov, 1792—1839, Völkerschlacht zu Leipzig)

Über den Autor

David Jung hat Geisteswissenschaften studiert und macht was mit Wörtern. Er hat viel durchgemacht: Seine Freundin wurde von einem Geisterpiraten entführt, die Familie von Orks erschlagen, und die Reaper möchten immer mal wieder seinen Planeten zerstören. Trotzdem bleibt ihm manchmal Zeit für andere Dinge. Dann liest David ein Buch oder das Netz und macht sich Gedanken. So auch hier.

 

 

51 Kommentare

  1. Ich lehne mich jetzt ganz weit aus dem Fenster, indem ich sage, dass mich Cosplayer auch auf der RPC nerven. Da waren vor Jahren auch noch nicht so viele. Es werden immer mehr, der Fokus der Berichterstattung ist auf CP. Rollenspiel, Literatur und Tabletop werden in Nebensätzen erwähnt. Geht man dort hin wird man mit denen in einen Topf geworfen. Ich meine, ich hasse auch Karneval – aber da gehe ich halt nicht zu entsprechenden Veranstaltungen. Auf der RPC werde ich damit konfrontiert und kann es nicht ignorieren. Diese Leute haben doch ihre eigenen Cons…warum muss alles so vermischt werden. Und nun auch noch die Buchmesse. Ich finde es (aus anderen Gründen als der SWR Hoschi) traurig.

    • Es ist ein Unterschied zwischen „nervt mich“ und „schleichts eich von meiner Messe“. Nerven darf einen natürlich alles woraufg man Lust hat, ich halte es aber für ein Unding unserer Zeit alles, was einem nicht passt verbieten oder abschaffen zu wollen.

    • Etwas zulassen oder den Betrieb dadurch zu stören sind zwei Dinge
      . Cosplayer okkupieren gerne jede Veranstaltung für ihre Darstellung die sich ansatzweise dafür anbietet. Vor ein paar Jahren kam man auf Messen nicht durch die Gänge weil Trauben von „Fotografen“ sich im ihre „Models“ scharten. Wollte man dann durch zu Ausstellern oder Workshops wurde man angepampt.Die RPC hat sich leider dann auf die Seite des schnellen Geldes gestellt und den Fokus dahingehend verändert viele Tickets an Besitzer von Spiegelreflexkameras zu verkaufen die sich sicher sehr für Kostüme interessieren. Die LBM kommt auch klar ohne sich da anzubiedern. Eigene Veranstaltungen zu organisieren scheint niemandem in den Sinn zu kommen.

    • Cosplay auf der RPC unangebracht zu finden, ist allerdings wie Brötchen in der Bäckerei unangebracht finden. Cosplay setzt sich schließlich aus Costume und Play zusammen, was nichts anderes als eine Form von Rollenspiel ist.

    • Ich kann das verstehen. Und wo ist das Problem, wenn ein Veranstalter keine Cosplayer will? ist doch sein gutes Recht… als hätten Cosplayer das Recht, sich überall reinzukämpfen, um ihr Hobby zu betreiben oO

    • Das stimmt schon Florian und ich denke auch, dass es ok ist wenn ein Veranstalter Regeln vorschreibt (zB über die Größe der Waffen etc) aber wenn der Veranstalter es zulässt, hast du für dich als BEsucher zu entscheiden ob du die Veranstaltung meidest oder es zwar für dich blöd findest, aber dennoch hingehst. Ich versteh nicht, was sich hier aufgeregt wird. Hier hat keiner zu entscheiden, was zugelassen wird und was nicht, man kann nur für sich die Konsequenzen zielen. Man kann auch gerne den Veranstalter auf Probleme hinweisen, alles kein Thema, aber wenn ich hier lese, dass Leute auf einer Rollenspielmesser Cosplayer deplatziert finden frage ich mich worüber wir hier eigentlich reden.

    • Sophia SalanderVor 10 Jahren fand ich es auch noch anders. Ein wenig mag ja angemessen sein, zumindest hat es mich nicht gestört. Aber jetzt liegt eben der Fokus voll darauf. Wenn du den Vergleich ziehst sollte Cosplay auf der RPC nicht das Brötchen, sondern die Torte als Sonderanfertigung sein.

    • Die Leipziger Buchmesse will die Cosplayer da haben. Buchmesse und Manga Comic Con laufen dort parallel. Und zwar bewusst. Mangas sind nämlich inzwischen ein fester Bestandteil im Buchhandel und das wollte man mit der Con unterstreichen. Dass besonders Mangas auch Cosplayer anziehen, ist dabei klar und eingeplant.

    • Nein, ist es nicht Florian. Wenn sich viele entscheiden Cosplay zu betreiben, dann ist das so. Du kannst den Leuten ja nicht ihr Hobby verbieten. Ich habe vor allem die RPC immer als sehr angenehme Con empfunden, bei der alles und jeder seinen Platz gefunden hat. Ein harmonisches Miteinander von Larp, Tabletop, Rollenspiel und eben auch Cosplay. Deswegen wundert es mich ungemein, dass jetzt über die Anzahl der Cosplayer gemoppert wird.

  2. Zuerst einmal, ich habe von Postings gehört in denen sich Cosplayer im Ton vergriffen und ogar gedroht haben. Glaube ich sofort, solche Leute hast du überall (daher erübrigt sich in meinen Augen die Frage woher dieser „Hass“ kommt). Die Diskussionen an denen ich mich beteiligt habe fand ich hingegen sehr konstruktiv und daher finde ich auch den Rundumschlag von Herrn Otte in seiner Stellungnahme unangebracht. Er hat einfach nur die Extremfälle angesprochen ohne auf die sehr unaufgeregten und nüchternen Gegendarstellungen einzugehen. Er ist weder auf Lenas Artikel noch über den des Spiegels etc eingegangen. In dem Punkt macht er es sich sehr einfach und ich orte auch ein gewisses Desinteresse an einer tatsächlich konstruktiven Diskussion von Seiten Herrn Ottes. Tatsächlich hat er Otte mit seinen Sagern zB der „pornoigraphischen Darstellung mancher Kostüme“ für mich eine Grenze überschirtten, die nicht mehr als rhetorische Übertreibung gesehen werden kann. Gerade wenn man die oft noch sehr jungen Leute bedenkt schwingt nämlich da auch in gewisser Weise die Pädophilie mit. Ich mag es eigentlich nicht schreiben, aber ich finde Herr Otte sollte ob seines größtenteils ungerechtfertigten Rundumschlags nicht überraschen, dass er so massiven Gegenwind bekommen hat, nicht nur in Form von inakzeptablen Hohnpostings, sondern auch von „alten Hasen“ und vernünftig und unaufgeregt formulierten Gegendarstellungen.
    Man darf nicht vergessen, dass eine sehr sehr großer Teil der Community aus noch recht jungen Leuten besteht. Ich will jetzt garnicht das Alter als Vorwand für solche Postings geltend machen, aber ich denke, dass da sehr viel jugendliches Ungestüm reinmischt. Wie gesagt, keine Entschuldigung. Gerade junge Leute identifizieren sich sehr mit ihren Hobbies (und auch Musikgeschmack). Diese Dinge anzugreifen ist für viele junge Leute ein persönlicher Angriff und gepaart mit der oben erwähnten Unerfahrenheit und Ungestüm kann das eine explosive Mischung werden. Ich glaube auch, dass dein Beitrag der Szene unrecht tut, wenn du es auf den Schauplatz Nerd-Bully verlagerst. Ich denke der Großteil der Szene ist zu jung um die Zeit noch miterlebt zu haben, wo man für sein Interesse an Comics, Mangas und andere „Nerd“Sachen gehänselt wurde. Heute ist das alles im Mittelpunkt unserer Popkultur und die meisten Cosplayer sind denke ich bereits in dieser Gesellschaft aufgewachsen. Und es geht auch nicht um Popkultur vs. Hochkultur und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es der Umstand ist gegen einen öffentlich rechtlichen Journalisten zu wettern zusätzlich entfacht hat. Die Sache ist glaub ich viel einfacher: Herr Otte hat provoziert und hat eingeschenkt bekommen.
    Das diese Diskussion aber einiges Gutes hervorgebracht hat soll bitte auch erwähnt werden: Cosplayer die andere Cosplayer zur Contenance mahnen und damit den Ruf der Szene „sauber“ halten, eine Stellungnahme sowohl des Veranstalters der LBM als auch von der Frankfurter Buchmesse FBM, die sich eindeutig für die Vielfalt und für Cosplay entschieden haben (auch wenn hier der Vorwurf, dass es sich hier um kommerzielle Interessen handelt im Raum steht. Jedoch ändert es nichts an der Tatsache, dass der Veranstalter hier klar Stellung bezogen hat) und schließlich hat es auch eine Diskussion losgetreten ob man vielleicht sich selbst szeneintern etwas reglementiert (und wenn dies nicht möglich ist mit Regeln von Seiten des Veranstalters) nämlich bzgl des Platzbedarfs mancher Kostüme. Vielleicht ist eine Bewusstseinsschaffung in der Szene um gegenseitige Rücksicht und auch um das anpassender Kostümauswahl an die räumlichen Möglichkeiten der verschiedenen Messen eine längst überfällige. In der Szene der Messefotographen habe ich sowas gelesen von wegen, dass man vielleicht nicht mit 15 Reflektorschirmen antanzen muss.
    Ich finde es schade, dass hier die Möglichkeit nicht genutzt wurde, ein absolutes Gegenbild von dem Abzugeben, was Herr Otte gezeichnet hat. Es wäre schön gewesen, wenn die angeblich so literaturferne Cosplay Community geschlossen gezeigt hätte, dass man mit ihr konstruktiv und auf einem höheren Niveau, wie es Herr Otte in seinem Ursprungsartikel gemacht hat diskutieren kann. Dies hätte Herrn Otte vermutlich viel eher getroffen als seine Behauptungen wahr werden zu lassen. Klar, das ist ein frommer Wunsch von mir und ich bin mir auch bewusst, dass eine Szene, gerade wenn sie so groß ist nicht als ein geschlossener Organismus reagieren kann. Wie schon eingangs erwähnt, Pfosten hast du in jeder Szene. Man kann nur versuchen mit gutem Beispiel voran zu gehen und man sollte die Deppen nicht überbewerten, da schenkt sich keine Szene was, weder Cosplay, LARP, Autofan, Schach- oder Sportfanclub

    • „Die Sache ist glaub ich viel ein­fa­cher: Herr Otte hat pro­vo­ziert und hat ein­ge­schenkt bekom­men.“

      Genau diese Haltung führt dazu, dass es der Shitsorm losging. Er hat nicht provoziert, er hat seine (durchaus nachvollziehbare) Meinung geäußert. War das alles absolut korrekt? Irrelevant, es war seine Meinung, deswegen war es ja auch ein Kommentar und kein Artikel. Ich stimme Herrn Otte in einigen Punkten durchaus zu, finde seine Darstellung allerdings auch zu einseitig. Aber einfach zurückschießen führt nur zur Eskalation. Und ich habe eine Menge der Kommentare gelesen – ich kann Herrn Otte verstehen, wenn er da von „Verbalausfällen und strafrechtlich tatsächlich relevanten Beleidigungen“ spricht. So geht es eben nicht. Mehr in meinem Kommentar weiter unten ;)

    • “ Die Menschen sind (nicht zuletzt durch ihre Filterblasen) immer seltener willens oder in der Lage, gegenläufige Standpunkte konstruktiv oder zumindest mit Respekt vor dem gegnerischen Argument zu diskutieren“

      Das ist es… Otte bringt ein Beispiel und sagt, dass man in so einem Kostüm auch nicht unbedingt auf eine Beerdigung ginge. Prompt verdrehen hier Leute das wieder und meinen er vergleiche die LBM mit einer Beerdigung. Die vielen Cosplayer und Leute, die so empört reagiert haben, sind keinen Deut besser und lesen nichtmal ordentlich. Ausnahmen dazwischen geben Hoffnung… aber konstruktive Diskussion? Wo ist die denn Bitte noch zu finden in einer Gesellschaft, wo das exzentrische Aufregen und der Shitstorm zum Guten Ton gehört?

    • Nanana jetzt mal nicht übertreiben. Die Sache zB mit der Beerdigung war mehr in den Diskussionsbeispielen zu finden und weniger in Herrn Ottes Stellungnahme. Abgesehen davon habe ich in Herrn Ottes ersten Beitrag auch wenig von gegenseitigem Respekt gefunden. In dem Fall, auch wenn ich das nicht mag, dürfte ein „wie du mir, so ich dir“ entstanden sein.
      Und nicht alles wo hitzig diskutiert wird ist gleich ein Shitstorm.

    • Klar stand das in seiner Antwort. Was ist denn daran nun übertrieben?^^

      “ Nein, es gibt kein Menschenrecht, überall in Unterhose aufzutreten, und man geht auch nicht im Sexual Fantasy Outfit auf eine Beerdigung.“

      Schrieb er. Und ich habe mehrere Antworten bzw Kommentare darauf gesehen wie „der Depp vergleicht die LBM mit einer Beerdigung“… Das ist einfach dumm und zeugt entweder von fehlender Methodenkompetenz im Lesen und Texte verstehen… oder ist pure Absicht.

    • Die „pornographischen Darstellungen“ sind vielleicht bewusst zugespitzt und übertrieben. Es gibt nun mal auch Cosplayer, die sehr viel sehr freizügig machen und sich auch entsprechend in Szene setzen (lassen). Was natürlich deren gutes Recht ist – solange die Hausregeln nich überschritten werden ist das ja deren Freiheit. Aber man könnte das schon hinterfragen, wenn teils sehr junge Leute das auch so machen.
      Und ja – Pädophilie ist ein gutes Stichwort. Auch wenn es manche vielleicht nicht wahr haben wollen – eine Szene, wo tausende Minderjährige teils relativ freizügig zusammenkommen und für Fotos posieren ist für Pädophile ansprechend. Heutzutage wird ja teils mehr drauf geachtet und zuweilen auch Leute mittels Gespräch „gecheckt“. Es gab aber auch Zeiten, wo das noch nicht so war und zB die Animagic in entsprechenden Kreisen im Darknet weiterempfohlen wurde.

    • Öhm, ím Schwimmbad sehe ich Leute im Badeanzug… oO oder ggf FFK Leute… und das ist alles weit weg von selbstdarstellerischen Mädels, die sich bewusst freizügig und lasziv in entsprechende Monturen werfen. Nicht, dass das Gang und Gebe gewesen wäre oder mir persönlich jetzt irgendein Problem bereiten würde. Aber ein paar Mal dachte ich mir schon: Joa, kann man machen, kann aber verstehen, wenn sowas nicht so gut kommt.

    • Da bin ich ganz bei dir. Wie gesagt ich muss es auch nicht haben und ich finde gerade weibliche Cosplayer, die sich halb nackt regelmäßig präsentieren halt auch lächerlich (zumal es für mich den Anstrich schon fast von Like-Prostitution hat, vor allem in Kombination mit Patreon Buttons). Dennoch, am Ende hat der Veranstalter das letzte Wort.
      Und bitte hören wir auf, als ob die Cosplay Szene entweder aus rücksichtslosen oder halbnackten Leuten bzw ausladenden riesenkostümen besteht. Was ich auch nicht ganz verstehe ist, warum sich in den ganzen Diskussionen auf Cosplayer eingeschossen wird. LARPer sind genauso in Kostümen anzutreffen. Kostümträger (egal ob LARP oder Cosplay) gehören für mich nunmal zu so einer Messe und solange Veranstalter nicht sagen „nö“ wird es auch so bleiben. Über gewisse Spielregeln kann man sich aber gern unterhalten. Wenn zB der Passus mit dem „ausreichend bedeckt“ rigoros durchgezogen wird, wird sich vielleicht eh was ändern. Vermutlich ist die Gruppe der wenig Bedeckten aber klein genug (auch wenn sie in diesen Diskussionen recht hochgebauscht werden) um da ein strikteres Einschreiten des Veranstalters zu brauchen.

    • Da bin ich auch ganz bei dir. Die Mehrheit der Cosplayer ist nicht nur kreativ, sondern auch sehr nett und rücksichtsvoll. Ich bin generell gegen einseitige Darstellungen – sowohl von Medien und Co gegen Cosplayer im Allgemeinen wettern als auch wenn in einer Szene Negatives ignoriert wird.

  3. Aber dieses beständige Abgrenzen von anderen Subkulturen zur Sicherung der eigenen Identität hab ich so oft gesehen:
    – über LARPer lästern über Cosplayer
    – Reenacter lästern über LARPer
    – Living History lästert über Reenacter

  4. Uh, das wird eine lange Antwort… :D

    Ein schöner Artikel, der versucht in eine schon lange ins Lächerliche abgerutschte Diskussion etwas Vernunft zu bringen. Leider wird das nicht funktionieren, solange den vielen digitalen Marktschreiern auf allen Seiten nicht endlich klar wird, dass man Meinungen nicht mit „Ja oder Nein“ Argumenten (auch als binäre Kommunikation bekannt) diskutieren kann.

    Das ist ein bisschen wie mit dem Essen: Ich mag keine Zucchini. Schmeckt mir einfach nicht. Und egal, was der Rest der Welt meint, egal wie nahrhaft und Bio Zucchini auch sein mag, kein Kommentar der Welt wird mich dazu bringen zu sagen „Hey, jetzt, wo du es sagst, mag ich Zucchini auf einmal doch.“ Oder?

    Natürlich kann man von Meinungen anderer lernen und vielleicht sogar eine Meinungsänderung bewirken, aber dafür muss man die soziale Kompetenz besitzen, die Meinung seines Gegenüber als genauso wichtig, wie seine eigene anzusehen. Oder wieder zurück zum Essen: Sagt mir jemand: „Doch, Zucchini ist voll lecker, du hast doch keine Ahnung!“ (eine binäre Aussage), dann hat er damit nur eines erreicht: Er hat mich und meine Meinung angegriffen, ohne Ausweg und vor allem ohne möglichen konstruktiven Ausgang. Schreibt mir aber jemand: „Kann ich verstehen, ich mochte die auch nie, aber dann habe ich folgendes Rezept probiert, das fand ich voll lecker.“ sieht die Sache anders aus. Es wird Verständnis gezeigt. Alternativen und Kompromisse geboten.

    Generell weist der Rückfall auf binäre Kommunikation auf zwei wenig schmeichelhafte Dinge hin: auf mangelnde soziale Kompetenz und/oder auf das Fehlen von stichhaltigen Argumenten. Nach dem Lesen des Kommentarverlaufes muss ich leider sagen, viele Anhänger der Cosplayszene (und nicht wenige ihrer Gegner) haben sich hier ganz klar disqualifiziert. „Don’t be a dick“ – guter Ratschlag, leider viel zu spät.

    Die Frage ist jetzt: Was nun? Die Kommentare und der Konflikt sind da, das lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Wie geht es also weiter?
    So schade ich es finde, nach diesem Shitstorm hat die LBM eigentlich keine andere Wahl mehr, als beim nächsten mal die Cosplayer auszusperren – und ich kann es ihnen nicht verübeln. Wer will schon einer Szene, in der so gedroht und mit Beleidigungen um sich geworfen wird, auch nur einen Zentimeter Raum geben? Da muss mal wieder eine ganze Community die Handlungen von ein paar Hooligans ausbaden – fragt mal die Fußballfans zu diesem Thema.
    Is das fair? Nein. Aber wann ist das Leben schon mal fair?
    Es gibt da nur eine Möglichkeit: Akzeptiert die Regeln der nächsten Veranstaltung. Seid nett und konstruktiv, vor Ort und im Netz. Und nicht wieder meckern: „Warum wir, die anderen haben doch auch…!“
    Zeigt Größe, schluckt den Ärger herunter und beweist den nun verständlicherweise zahlreichen Skeptikern, welche die Szene nicht kennen, dass Cosplayer ein Haufen freundlicher, kreativer, verständnisvoller Menschen ist, kein Mob pubertierender Nein-Doch-Sager. So und nur so wird sich die Lage entspannen.

  5. Ein sehr schöner Artikel, insgesamt. Aber den einen Satz, den will ich hier gerne nochmal heraus nehmen und betonen, weil ich den auch sehr wichtig empfinde und als Schlüssel für eine bessere Kommunikationskultur: „Man muss ja nicht jede Gegenposition sofort als Angriff auf den eigenen Lebensentwurf interpretieren.“

    Grüße Melebert

  6. Nun, ich finde es persönlich Schade, wenn man so tief geht und einen alten Konflikt, welcher nichts mit dem Aktuellen zu tun hat aufgreift.

    Das Problem was ich während der Gesamten Diskussion mitbekommen habe ist, dass es einige wenige Menschen mit Macht gibt die „Anti Cosplay“ sind und die Masse aber „Pro Cosplay“ ist. Während der gesamten recherge ist mir abgesehen von den Beiträgen von Herrn Otte kein weiterer „Anti Cosplay“ Beitrag im Bezug zur LBM vor die Augen gekommen. Und dass die „Kollegen“ von denen er in seinem Beitrag spricht welche angeblich ebenfalls „Anti Cosplay“ seien nicht hinter ihm stehen hat der SWR mit 2 weiteren Beiträgen bereits bewiesen. Viele Autoren welche nicht zur Manga Szene gehören haben sich für die Cosplayer auf der LBM ausgesprochen.
    Wo ich ihm allerdings beipflichten muss, dass ist die fehlende Zensur mancher Kostüme. In den Regeln steht zwar „Brust und Po müssen ausreichend bedeckt sein“ und daran halten sich neuerdings auch viele. Ich erinnere mich an ein Mädel vor 2 Jahren welche vollkommen nackt auf die Messe kam nur Verdeckt von ein wenig Watte und einer Papp Wolkenattrappe. Auch wenn das den Medien nicht so sehr bewusst ist aber unter Cosplayern sind die „nackten Hasen“ auch ein heiß diskutiertes Thema. Es gibt Cosplayer die erfolgreich oder berühmt geworden sind in dem sie ihre weiblichen Reize geschickt in Szene setzen. Diese Cosplayer verdienen aber weniger Anerkennung von anderen Cosplayern sondern eher von der allgemeinen Facebook Twitter und co. Community.
    Ich finde man sollte hier in der Zensur ein wenig weiter gehen. Grade verpönte Themen können wirklich je nach Auge des Betrachters zu anstößig sein. Es gibt Cosplayer die sich als „Ebola-Chan“ verkleiden. Im Gespräch mit einer wurde mir sehr schnell klar, dass dieses Mädchen keine Ahnung hat was Ebola ist sie fand einfach nur das Char Design interessant. Grade in diese Richtung muss mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden. Aber hier sind unsere Medien und dementsprechend auch die öffentlich Rechtlichen verantwortlich.

    Zu den Kommentaren auf der Seite von Herrn Otte, kann ich nur sagen. Er hat sich dieses Ei selbst gelegt und nun ist es geschlüpft. Er kann gerne versuchen einen ähnlichen Artikel zu einem Fußballverein 2-4 Liga seiner Wahl zu verfassen. Da ist der „Shitstorm“ der Cosplayer ein angenehmer Frühlingstag. Es gibt nun mal in jeder Szene Menschen die aus der Reihe tanzen. Er ist zum Beispiel einer aus der Szene der Hochliteraten.

    Abschließend kann ich nur sagen. Wenn Herr Otte seinen Beitrag sachlich und ohne Beleidigungen verfasst hätte. Und wenn er in seinem Nachtrag nicht weiterhin beleidigt hätte dann wäre die gesamte Situation schon längst aufgeklärt.
    Zugegeben hat er es sich auch sehr leicht gemacht. Indem er die vielen Konstruktiven Beiträge ignoriert und nur die wenigen Hass Kommentare liest.

    • „Er hat sich dieses Ei selbst gelegt und nun ist es geschlüpft. Er kann gerne versuchen einen ähnlichen Artikel zu einem Fußballverein 2–4 Liga seiner Wahl zu verfassen. Da ist der „Shitstorm“ der Cosplayer ein angenehmer Frühlingstag.“

      Und deswegen ist es okay so zu reagieren? Er macht es, also dürfen wir auch? Das ist doch Sandkastenlogik. Ich finde es eher arm, wenn Reaktionen aus der Cosplayszene mit Hooligans zu vergleichen ist (wenn auch nur ansatzweise). Aber es stimmt – dort ist es nämlich leider genauso. Einige wenige benehmen sich daneben – auf allen Seiten des Konfliktes (auch in dieser Diskussion hat es von Seiten der Hochliteraten (sic) mehr als genug Gegenstimmen gegeben) – alle leiden.
      Was hier passieren wird, ist das Gleiche, was auch im Stadion passiert – die Veranstalter werden die Regeln verschärfen. Und warum? Weil sich ein paar Cosplayer von einem mäßig provokativen Kommentar einer Redakteurs einer öffentlich rechtlichen Anstalt haben provozieren lassen, sie sich auf dessen Niveau und deutlich darunter begeben haben.

      Und nur aus Interesse (wirklich, ich möchte das wissen, das würde der Sache einen ganz anderen Anstrich geben) – wo genau kommt die Info her, dass die Mehrheit der Besucher auf der LBM oder irgendwo sonst Pro Cosplay waren/sind? Gibt es da irgendwelche belegbaren Zahlen?

  7. Ich weiß nicht was es da zu diskutieren gibt. Wer Cosplay machen will soll es halt machen. Natürlich gibt es ungeeignete Orte wie KZ-Gedenkstätten oder dergleichen. Aber auf einer Buchmesse oder sonstwo ist doch alles egal. Ich glaube hier mangelt es einfach an Toleranz.

    • Florian Schäfer Ich bin seit vielen, vielen Jahren auf jeder Buchmesse in Frankfurt. Da ist es am Sonntag zum Teil zum Brechen voll. Aber es war noch nie so, dass die Cosplayer in der Überzahl waren oder das Bild bestimmt haben. (ich bin da übrigens auch nicht als Cosplayer)

  8. Ich war jetzt nicht auf der LBM, aber wenn man die Frankfurter Messe zum Vergleich heranzieht, dann liegt der Anteil der Literatur, die Otte meint verteidigen zu müssen, im einstelligen Prozentbereich. Daneben gibt es eine riesige Menge an Kinderbüchern, Kochbüchern, Reisebüchern, Kunstbüchern, Sprachbüchern, Spielbüchern und so weiter. Und während mehr oder weniger ernsthaft über inhaftierte Autoren oder ausgepeitschte Blogger referiert wird, wird in den Publikumsströmen, die an solchen Veranstaltungen – die ja nicht abgeschottet sind – vorbeiziehen, gleichzeitig über glasierten Schweinebraten, Urlaubsreisen nach Samoa, Sinn und Unsinn moderner Kunst, oder notfalls auch über die Lokation der nächsten Toilette oder des nächsten Imbissstandes gesprochen. Das mag einem auch ganz ohne Cosplayer unpassend erscheinen. Die gern zitierte Beerdigung, zu der man schließlich auch nicht in Unterhosen gekleidet erscheine, findet eben mitnichten auf einem Friedhof statt, sondern auf einer Kirmes. Man muss Cosplayer nicht wertschätzen, um sich an der Argumentation gegen sie zu stören.

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