Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Nach massiver Kritik an versteckten Botschaften im neuen X-Men Gold-Comic hat sich der indonesische Zeichner Ardian Syaf auf Facebook entschuldigt. Seine Zeichnungen enthalten Verweise auf einen ethnisch-religiösen Konflikt in Indonesien. Die Hintergründe der Kontroverse erklären wir hier.

Am 5. April erschien Band 1 von Volume 2 des X-Men Gold-Comics, der eine Renaissance für die beliebten Marvel-Mutanten einleiten soll. Nach dem verlustreichen Konflikt mit den Inhumans formieren sich die X-Men neu, mit Kitty Pryde als Anführerin. Die Ausgabe wurde von den Fans generell positiv aufgenommen. Am darauffolgenden Wochenende jedoch wiesen mehrere indonesische Comicleser darauf hin, dass das Heft scheinbar versteckte Codes enthält, die auf einen politisch-religiösen Konflikt in Indonesien hinweisen.

Die eindeutigsten dieser Hinweise sind ein Panel, in dem Colossus ein Baseballtrikot mit der Aufschrift „QS 5:51“ trägt, sowie ein anderes Panel, in dem Kitty Pryde vor einem Gebäude mit der Zahl 212 steht. QS 5:51 bezieht sich auf eine Sure des Koran, in der gläubige Muslime davor gewarnt werden, Juden und Christen als awliya anzunehmen. Dieser arabische Begriff wird unterschiedlich interpretiert und kann unter anderem „Berater“, „Verbündete“ oder „Anführer“ bedeuten.

Die Verbindung zum mehrheitlich muslimischen Indonesien ergibt sich durch Basuki Tjahaja Purnama, den Gouverneur der Provinz Jakarta. Er ist erst der zweite Christ, der dieses Amt bekleidet, und wird daher von einigen konservativen Muslimen abgelehnt. In einer Rede im September 2016 nannte Basuki die Koransure 5:51 als einen der Gründe, warum manche Muslime ihn nicht gewählt hätten. Mehrere muslimische Verbände warfen dem Gouverneur daraufhin Blasphemie und Beleidigung des Islam vor. Es kam in Indonesien zu Massenprotesten gegen Basuki, die größte Demonstration fand am 2. Dezember statt, worauf sich die Zahl 212 bezieht.

Diese beiden Zahlencodes wurden von Comiczeichner Ardian Syaf, einem indonesischen Muslim, als versteckte Kritik an Basuki in die X-Men-Panels eingefügt. Dem Redaktionsteam bei Marvel entgingen die Codes, den indonesischen Fans jedoch nicht. Nachdem deren Hinweise auf Reddit veröffentlicht wurden, schlug die Enthüllung hohe Wellen durch die Comic-Szene. Fans und Kritiker warfen Syaf vor, antisemitische und antichristliche Ressentiments zu schüren. Viele Kommentatoren wiesen auf die Ironie hin, dass Syaf ausgerechnet X-Men für sein politisch-religiöses Statement wählte. Immerhin sind Marvels Mutanten seit über 50 Jahren eine Metapher für unterdrückte Minderheiten, ihr langjähriger Anführer Charles Xavier ein entschiedener Verfechter von Toleranz und Vielfalt. Die neuen X-Men haben mit Kitty Pryde eine jüdische Teamleiterin, zudem haben die Erfinder der Mutanten, Stan Lee und Jack Kirby, ebenfalls jüdische Wurzeln.

Auch bei Syafs Kollegen stieß seine Aktion auf Unverständnis. G. Willow Wilson, muslimische Autorin und eine der Schöpferinnen der (ebenfalls muslimischen) Superheldin Miss Marvel, verurteilte Syaf auf Twitter scharf und schrieb anschließend einen Blogpost, in dem sie auf historische Fehlinterpretationen von Sure 5:51 hinweist. Syaf verteidigte sich unter anderem auf seiner Facebookseite mit den Worten, er hasse Juden und Christen nicht, sondern wolle auf die Blasphemie Basukis hinweisen. Marvel indes reagierte umgehend: Am 8. April erklärte der Verlag, die übrigen an X-Men Gold beteiligten Mitarbeiter hätten nichts von der Bedeutung der verborgenen Statements gewusst, die zudem im Gegensatz zu Marvels Philosophie der Inklusion stünden. Die entsprechenden Codes würden aus zukünftigen Druckausgaben entfernt werden, und man werde disziplinarische Maßnahmen ergreifen.

In Erwartung dieser Maßnahmen schrieb Syaf am 11. April auf Facebook, seine Karriere sei nun am Ende, er akzeptiere die Konsequenzen seiner Handlungen und entschuldige sich dafür. Am darauffolgenden Tag verkündete Marvel, man habe den Vertrag mit dem freischaffenden Künstler gekündigt, zukünftige Hefte ab Ausgabe 4 würden von anderen Zeichnern illustriert werden.

Was sind die Konsequenzen dieser Affäre? Für Ardian Syaf ist die Situation wohl am drastischsten: Westliche Comicverlage werden ihn voraussichtlich in den nächsten Jahren nicht mehr engagieren. Marvel, aber auch Konkurrent DC und andere einflussreiche Comichäuser werden sensibler auf ungewöhnliche Andeutungen in ihren Heften reagieren und möglicherweise genauer hinschauen, mit wem sie zusammenarbeiten. Fans werden sich daran gewöhnen müssen, dass das Medium Comic nie gänzlich frei von realen politischen und gesellschaftlichen Problemen sein wird. Lediglich die Sammler wird es freuen: Die Entfernung der versteckten Statements aus kommenden X-Men Gold-Heften bedeutet eine deutliche Wertsteigerung der existierenden Drucke.

Artikelbild: Marvel Studios

 

3 Kommentare

  1. Ich bin ja prinzipiell der Meinung das ALLES politisch ist, da Politik effektiv in allem steckt. In jeder Frage wie Menschen miteinander umgehen steckt Politik, bzw. ist jede dieser Fragen eine politische.

    Marvel selbst schafft es immer wieder politische Statements zu setzen. Das tun sie in der Regel jedoch geschickt und durch Subtext, der zu den Storys passt, nicht indem man versteckte Codes zu realpolitischen Themen irgendwo im Comic versteckt.

    Niemand hätte vermutlich etwas gegen eine Geschichte gehabt wo X-Men eine politische Intrige aufdecken müssen, die von jemandem aus religiösen Gründen gesponnen wird.
    Aber so etwas? Das ist albern und gehört nicht in einen Comic. Damit hat sich der Autor ins eigene Knie geschossen.

  2. Was ist aber mit Marvel s Guardians of the Galaxy Vol 2? Der Film hat Gott als einen bösen Planeten dargestellt und so indirekt jede Religion, die an Gott glaubt, beleidigt.

    Dazu reagiert Marvel nicht.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein