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Lassen wir die Katze gleich aus dem Sack: Mit Phantastik hat Cortex Challenge nicht viel zu tun. Aber nach einem harten Abenteuer, einem verregneten Con oder zum Abschluss eines erfolgreichen Mittelalterwochenendes ist etwas Zerstreuung vielleicht einfach mal das Richtige?

Rasches Wahrnehmen, abstraktes Denken, freie Assoziationen und der kurzfristige Stress, schneller als alle anderen zu sein, können nach einer langen, konzentrierten Episode in einer anderen Welt den Knoten im Kopf platzen lassen, uns wieder ins Hier und Jetzt holen und die wohlverdiente Entspannung einleiten. Vielleicht gibt es sogar Studien, die das belegen. Hier greife ich jedoch auf meine natürlich absolut objektive und verallgemeinerbare eigene Erfahrung zurück.

Das Ganze funktioniert aber nur, wenn das zugehörige Denkspiel auch Spaß macht. Die Geo!-Variante von Cortex Challenge haben wir getestet.

Spielablauf

Cortex Challenge erfindet das Rad nicht neu: Die Rückseite der obersten Karte eines Stapels gibt eine Rätselkategorie vor, auf die sich die Spieler schon einmal einstimmen können. Dann wird die Karte aufgedeckt und zeigt einige Abbildungen. Nun heißt es, den Bildinhalt schnell erfassen, in den Kontext der an und für sich simplen Aufgabe einordnen und diese dann schneller als die Mitspieler zu lösen.

Die nächste Aufgabe ist bekannt, hier etwa: Was gehört nicht dazu?
Die nächste Aufgabe ist bekannt, hier etwa: Was gehört nicht dazu?

Die meisten der Rätsel hat man schon auf die eine oder andere Weise gesehen, zum Beispiel:

Eine Gruppe von Dingen gehört irgendwie zusammen – bis auf eines, das es zu benennen gilt.

Oder andersherum: In einem Haufen Bilder gibt es ein Paar, das Gemeinsamkeiten teilt.

Je drei Paare sind sich gegenübergestellt und durch einen „Fadenwirrwarr“ miteinander verbunden. Nur eines der Pärchen ist korrekt verbunden, welches?

Wer jeweils als erstes auf die Karte schlägt, darf seine Lösung nennen. Ist sie richtig, kassiert er die Karte ein, wenn nicht, hat er eine Chance vertan und darf in der nächsten Raterunde nicht zuschlagen.

In der Geo!-Variante dreht sich dabei natürlich alles um Länder und ferne Orte. Das gibt den meisten Rätseln zunächst einen extra Kniff. Im Fadenwirrwarr muss man nicht nur den richtigen Weg finden, sondern vorher noch schnell überlegen, welche der abgebildeten Flaggen eigentlich zu welchem Land gehört. Im Finde-das-Pärchen muss man sich zunächst darüber klarwerden, dass die Pizza so italienisch ist, wie der schiefe Turm von Pisa, und nicht etwa zu Big Ben gehört.

Auch gibt es einige ganz geospezifische Rätselvarianten. Zum Beispiel ist von drei symbolisch abgebildeten Ländern das Land mit der größten Bevölkerungszahl zu finden.

Die Cortex-Reihe bietet darüber als besonderes Extra die Tasträtsel: Ein Satz der Karten ist mit einer Oberflächenstruktur versehen. Der Spieler, der in der vorigen Runde gewonnen hat, darf nun alleine mit geschlossenen Augen eine der „plastischen Karten“ befühlen und überlegen, was abgebildet ist. Ohne Vorgabe ist das aber kaum lösbar, die Spieler sollten sich mit den vorhandenen Karten daher vorher vertraut machen.

Je zwei gewonnene Karten einer Kategorie darf man in eines der beigelegten „Hirnviertel“ umtauschen. Wer zuerst sein buntes Hirn zusammen, also vier mal zwei Rätsel einer Kategorie gelöst hat, gewinnt das Spiel.

Welcher Faden verbindet die richtigen Abbildungen?

Warum in die Ferne schweifen?

Bei der Umsetzung in die Geo!-Variante strauchelt das Spiel leider an einigen Stellen. Es fängt mit den Ländersymbolen an: Für ein Reaktions-Denkspiel müssen die Symbole schnell und eindeutig erkennbar sein. Der Eiffelturm für Frankreich oder ein Omega für Griechenland erfüllen diese Bedingung. Dass die Flasche vermutlich eine Champagnerflasche ist, und damit wieder auf Frankreich verweist, braucht hingegen schon ein, zwei Augenblicke der Besinnung. Bei einigen Symbolen weiß ich aber selbst jetzt noch nicht sicher, warum sie wohl zu diesem oder jenem Land gehören, und kann sie nur dank meiner vorigen Partien richtig zuordnen.

Auch spielt die Orientierung der aktuellen Karte oft eine wichtige Rolle. Länderumrisse sind manchmal wirklich prägnant – bis man sie von der falschen Seite sieht (und bei weniger prägnanten Umrissen wird es nicht leichter).

Selbst die Größe der Karten macht zu schaffen. Einige Ländersymbole könnte man vermutlich leichter einordnen, wenn sie auf den Karten nicht zu klein abgebildet wären. Auch das löst sich erst, wenn man die Symbole nach einigen Partien „gelernt“ hat. Allerdings erkennt man die Symbole dann im Kontext von Cortex und weniger im Zusammenhang mit dem Land, was ein bisschen an der Idee des Spiels vorbei geht.

Dass die Rätsel um Bevölkerungszahlen keine Denk- sondern Wissensrätsel sind, und die Tasträtsel dank der Vorgaben auch mehr über ein Ausschlussverfahren gelöst werden, als über ein wirkliches Erkennen des Reliefs, fällt da kaum noch ins Gewicht.

Da Cortex Challenge eher ein flottes Spiel für zwischendurch ist, sind meine Testspieler die Partien insgesamt eher locker angegangen, wodurch Hemmschwellen herabgesetzt werden. Dennoch habe ich es kaum einmal vorher erlebt, dass mir Spieler aus einer laufenden Runde ausgestiegen sind.

Anfassen geht, trinken nicht...
Anfassen geht, trinken nicht…

Das Gute liegt so nah!

Alles in allem habe ich den Eindruck, dass die Cortex-Reihe recht erfolgreich ist und in der „relevanten Zielgruppe“ der Bedarf nach mehr Abwechslung besteht. Da ist es nur legitim, dass der Spieleverlag diese Abwechslung liefert. Leider ging bei der Adaption des Geo-Themas einiges am ursprünglichen Spielreiz verloren. Das Original konnte ich leider noch nicht testen, aber ein bisschen in der Spielanleitung stöbern. Die Rätselvarianten kennt man ebenfalls, sind aber allesamt an keinerlei Vorkenntnisse oder Orientierung der Karte gebunden, und haben mich viel mehr angefixt. Das Original werde ich bei nächster Gelegenheit sicher einmal anspielen, die Geo!-Variante wird wohl in den hinteren Regalschatten verschwinden.

Okay, ein bisschen Phantastik ist doch dabei: Hiiiiiirn! Leider können die Hirnstückchen schon mal im Schachtel-Inlay verschwinden
Okay, ein bisschen Phantastik ist doch dabei: Hiiiiiirn! Leider können die Hirnstückchen schon mal im Schachtel-Inlay verschwinden

Ausstattung

Die Karten sind in einer relativ kleinen Schachtel verpackt, die zwar nicht in die Hosen- oder Jackentasche passt, aber trotzdem gut für unterwegs eingesteckt werden kann. Die Karten haben eine gute Qualität, könnten aber für das Spiel ein gutes Stück größer sein. Die Reliefkarten sind ein kleines Highlight und auch wirklich eine schöne Idee. Die Hirnviertel als Zählmarker sind einfach bunte Pappstückchen; nett, dass sie dabei sind, aber in der Schachtel fliegen sie nur umher. Alles in allem also eine solide Ausstattung, aber keinen Sonderpreis wert.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Asmodee, Captain Maquace
  • Autor(en): k.A.
  • Erscheinungsjahr: 2016
  • Sprache: sprachunabhängig (Spielanleitung: französisch, spanisch, englisch, italienisch, deutsch, niederländisch)
  • Format: kleine Spielschachtel
  • ASIN: B01G76GH9I
  • Preis: ca. 15 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Neben der Geo!-Variante gibt es Cortex Challenge in der Kids!-Variante und natürlich das Original. Im französischen Heimatverlag (Captain Maquace) gibt es zudem die Variante Solo!, die dann vielleicht auch bald ihren Vertrieb auf dem deutschen Markt findet.

Fazit

Erfasse schnell eine Abbildung, erfülle eine simple Aufgabe und das schneller als deine Mitspieler. Ein erfolgsversprechendes Grundrezept, das von der Idee auch lustig und stimmig ist. Die Geo!-Variante scheitert aber leider.

Das hat vor allem zwei Gründe: Bei vielen Symbolen muss man erst einmal wirklich aktiv nachdenken, zu welchem Land sie wohl gehören sollen und zu oft hat der Spieler, zu dem die Karte richtig ausgerichtet ist, einen klaren Erkennungsvorteil. Beide Nachteile verschwinden nach einigen Runden, weil man dann die Symbole einfach kennt. Mit einer Geo-Challenge hat das dann aber nichts mehr zu tun, sondern ist einfach ein Gewöhnungseffekt.

Cortex Challenge Geo! ist daher eigentlich nur für echte Fans des Originalspiels geeignet, die das Spiel regelmäßig und immer wieder auf den Tisch bringen. Die werden sicher auch Spaß an der Geo!-Variante haben, da die Schwächen des Spiels schnell durch den Lerneffekt bereinigt werden. Aber allen anderen rate ich, Cortex Challenge Geo! links liegen lassen und zu einem anderen Spiel greifen.

Kleiner Nachtrag: Inzwischen konnte ich das Original einmal antesten. Wie vermutet, funktionieren die Spiele dort erheblich besser und auch die Kartenausrichtung spielt kaum noch eine Rolle. Nur die plastischen Karten fallen auch dort durch, sogar mehr als in der Geovariante. Sehr schade, da die Idee schon reizvoll ist.

Artikelbild: Asmodee, Captain Maquace
Fotografien: Detlef Schroedter
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

1 Kommentar

  1. Kleiner Nachtrag: Inzwischen konnte ich das Original einmal antesten. Wie vermutet funktionieren die Spiele dort erheblich besser und auch die Kartenausrichtung spielt kaum noch eine Rolle. Nur die plastischen Karten fallen auch dort durch, sogar mehr als in der Geovariante. Sehr schade, da die Idee schon reizvoll ist.

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