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Die Helden erholen sich noch von der letzten Schlacht, da erhalten sie bereits ihren nächsten Auftrag. Ein Artefakt muss in Sicherheit gebracht werden, bevor die besiegten Feinde sich erholen. Doch diese lauern bereits im Schatten und greifen erneut nach der Macht im Bornland …

Einige von euch kennen das sicher von der Arbeit: Ist ein größeres Projekt geschafft, will man eigentlich nur noch die Füße hochlegen und entspannen. Doch dann kommt euer Vorgesetzter oder ein Kollege vorbei und meint mit ernster Miene, dass trotz allem noch kein Wochenende ist und die Arbeit weitergehen muss. Dass auch aventurische (Vollzeit-)Helden davor nicht gefeit sind, lässt sich sehr gut in Die Silberne Wehr Im fünften Band der Theaterritter-Kampagne müssen die Helden noch ein weiteres Mal gegen die Feinde ausrücken, die sie schon besiegt glaubten. Lohnt sich nun dieses weitere Kapitel? Oder sollte der Spielleiter nicht lieber bereits nach Der Grüne Zug zufrieden lächeln und den Spielern zum erfolgreichen Abschluss der Kampagne gratulieren? Schauen wir doch mal rein!

Inhalt

Das Abenteuer knüpft nahtlos an Der Grüne Zug an. Die Truppen des mysteriösen Korsmal-Bundes, die Teile des Bornlands verheerten, wurden geschlagen und die Pläne ihrer Anführer vereitelt. Unter anderem wollten sie die sogenannte Goblinpauke an sich bringen. Doch dieses mächtige Artefakt, das zerstörerische Elementarmanipulation ermöglicht, konnte von den Helden gesichert werden. Nun möchte die bornländische Adelsmarschallin das Artefakt gerne vernichten lassen. Eigentlich eine sehr kluge Entscheidung, denn solche übermächtigen Artefakte haben ansonsten die Angewohnheit, alle paar Jahre von einem größenwahnsinnigen Schurken geraubt zu werden. Leider erweist sich die Goblinpauke als unzerstörbar, weswegen nach einem Experten geschickt wird. Dabei handelt es sich um den Magier Thezmar Alatzer, dem die Helden bereits Das Blaue Buch vorlegen sollten. Erneut entscheiden sich die Meisterpersonen dagegen, das Artefakt in relativer Sicherheit zu belassen, und beauftragen die Helden, den Analysemagier auf halbem Wege in der schwer befestigten Burg Trescha zu treffen, die zu den Festen des Widderordens gehört.

Es folgt eine erfreulich charmante Reiseepisode auf einem Flusskahn, die allerdings mal wieder nach Schema F abläuft: viel Lokalkolorit und Hintergrundinfos, welche die weiteren Ereignisse im Abenteuer andeuten. So wird zum Beispiel ziemlich häufig, aber natürlich mit gedämpfter Stimme vor niederträchtigen Flusspiraten gewarnt, die in der Gegend um Trescha ihr Unwesen treiben sollen. Da überrascht es nicht, dass im weiteren Verlauf des Abenteuers eben jene Flusspiraten eine größere Rolle spielen.

Zum Glück erschöpft sich das Abenteuer nicht darin, das Artefakt vor einigen gierigen Flusspiraten zu beschützen, sondern beinhaltet auch einige mythische Elemente. Denn, das darf man bei all den Kämpfen nicht vergessen, diese Kampagne soll die Geheimnisse der Theaterritter mit dem mythologischen Erwachen des Bornlandes verbinden. Es kommt also vermehrt zu Ereignissen, durch die Legenden im wahrsten Sinne des Wortes zum Leben erwachen und sich uralte Geheimnisse lüften. In diesem Teil der Kampagne wird auch endlich eine schöne Erklärung gegeben, wie die Geschehnisse der vorherigen Abenteuer miteinander in Beziehung stehen. Denn es ist nicht so, dass es in dieser Kampagne nur darum geht, dass einige abtrünnige Erben der Theaterritter in Form des ketzerischen Korsmal-Bundes nach der Macht im Bornland greifen. Es geht auch darum, wie sich das Land selbst gegen den Frevel zur Wehr setzt. Ein erzählerisches Element, das bisher leider etwas kurz kam, in diesem Abenteuer aber endlich stärker zur Geltung kommt.

Spoiler

Nicht, dass dieses Element vorher völlig fehlte, aber bisher wirkte zum Beispiel die Episode mit den intriganten Hexen im Bornwald in Der Schwarze Forst, die den Riesen Milzenis gefügig machen wollen, als würde sie abseits der großen Rahmenhandlung stattfinden. In Die Silberne Wehr erfahren wir jedoch, dass diese Geschehnisse als Reaktion auf die Angriffe des Korsmal-Bundes zu verstehen sind. Das Land „spürt“ die drohende Gefahr und gibt diese Ahnung an naturverbundene Wesen wie etwa Feen, Hexen, Druiden und Milzenis weiter, die allerdings ungeordnet und intuitiv reagieren.

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Ich will hier nicht zu viel von der Handlung verraten – das mache ich ein paar Zeilen weiter unten im Spoilerkasten – aber soviel sei gesagt: Die Helden kommen schließlich wohlbehalten in Trescha an, doch dann beginnt der Ärger so richtig. Als alles ausweglos erscheint, hilft nur noch ein waghalsiger Plan, der in eine Feenwelt und damit in den mythischen Mittelteil des Abenteuers führt. Dieser dürfte eine Tortur für abergläubische Helden werden, bringt aber fantasievolle Farbtupfer in die vorhergegangenen stahlgrauen Gewitter.

Auch das Ende des Abenteuers ist nicht mehr verzweifeltes Gehacke, sondern fühlt sich tatsächlich nach wagemutigem Heldenwerk an. Dadurch zeigt sich auch sehr gut, dass Epik nicht mit der Masse der Gegner und der Größe ihrer Reittiere wächst. Diese Formel hatten die Autoren bisher verwendet, doch sie war leider nicht immer ganz aufgegangen. In Die Silberne Wehr dürfen die Helden aber ziemlich tollkühn in die Höhle des Löwen eindringen, mehr über das große Ganze erfahren, den Ernst der Lage erkennen und alles in die Waagschale werfen, um den Tag zu retten.

Spoiler

Die Schwarzfee - eine tödliche Bedrohung
Die Schwarzfee – eine tödliche Bedrohung

Wie versprochen gibt es in diesem Kasten mehr Details zur Handlung. Die Helden kommen zwar mitsamt der Goblinpauke auf Burg Trescha an, nachdem sie und ihre Begleiter von Flusspiraten unter Mjesko Einhand angegriffen und zur Flucht gezwungen wurden, doch Thezmar Alatzer ist noch nicht da. Während die Helden auf ihn warten, taucht zuerst der ehemalige Adelsmarschall und betagte Abenteurer Jucho von Dallenthin und Persanzig auf, der mit dem Magier unterwegs war und mitteilen muss, dass sie angegriffen wurden und jener nun anderswo festsitzt. Schließlich marschiert eine große Gruppe Flusspiraten vor der Burg auf und beginnt, diese zu belagern – mit freundlicher Unterstützung des Korsmal-Bundes.

Die Autoren geben dem Spielleiter hier genug an die Hand, um einen erbitterten Kampf darzustellen, der für die Helden zunehmend aussichtsloser wird. Den einzigen Ausweg bietet die überstürzte Flucht in eine Feenwelt, die scheinbare Sicherheit bietet. Dabei handelt es sich um das Reich des Walsachkönigs, einem alten Feenwesen und der Personifikation des Flusses, an dem Trescha liegt. Durch ihn erfahren die Helden mehr über den mythologischen Hintergrund des Abenteuers.

Die Wehr, die dem Abenteuer seinen Namen gibt, ist der Walsach selbst. Seit vielen Jahrtausenden stellt der Fluss eine wichtige Linie zur Abwehr von Heerscharen aus dem Riesland dar, die dem Namenlosen dienen. Zuletzt brach dieser Konflikt zur Zeit der Theaterritter hervor, die damals bereits von Dienern des Namenlosen unterwandert waren. Zur Sühne verpflichteten sich die Aufrechten unter ihnen gegenüber dem Walsachkönig dazu, die Wacht zu übernehmen. So entstanden vier Burgen, von denen eine Trescha war.

Kaum scheint jedoch etwas Licht ins Dunkel, wird der Walsachkönig vom Flusspiraten Mjesko Einhand, der ebenfalls einen Weg in die Feenwelt gefunden hat, ermordet. Im darauffolgenden Chaos und Gerangel um seine Nachfolge haben die Helden mit Alt-Adelsmarschall Jucho zum Glück einen kompetenten Staatsmann an ihrer Seite. Um die Krönung eines finsteren Feenwesens zu verhindern, wirft er ebenfalls seinen Hut in den Ring und kann mit Unterstützung der Helden zum neuen Walsachkönig gekürt werden. Eine etwas skurrile, aber auch charmante Idee, um eine der ältesten Meisterpersonen des DSA-Kosmos in den Ruhestand zu schicken.

Ist dieses Problem gelöst, können sich die Helden mithilfe der Feenpfade nach Neu-Arivor begeben. Diese Festung ist das Hauptquartier und auch der letzte Rückzugsort der Nachfahren der abtrünnigen Theaterritter, die hinter dem Korsmal-Bund stecken. Mithilfe der Goblinpauke sollen die Helden diesen Ort in Schutt und Asche legen, um die Bedrohung durch die Diener des Namenlosen endgültig zu bannen. Denn diese bereiten nach ihrer Niederlage in Der Grüne Zug bereits den nächsten Schlag vor: die Öffnung einer Dunklen Pforte ins Riesland, wo bereits eine Armee aus Dienern des Namenlosen abmarschbereit ist. Sind die Helden siegreich, gibt es wie üblich ein paar Abenteuerpunkte und immerhin auch die Gewissheit, eine größere Katastrophe verhindert zu haben.

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Erscheinungsbild

Bei den Illustrationen gibt es mal wieder nichts zu meckern. Allerdings möchte ich anmerken, dass das Bild eines Trolles doch stark dem widerspricht, was ich in früheren DSA-Veröffentlichungen sehen konnte. Ich sehe da eher einen etwas zu groß geratenen Zwerg mit leichten Haut- und Gewichtsproblemen. Kurios zumal, da es sich um einen Gegner der Helden handelt. Da hätte sich der Zeichner lieber an früheren Darstellungen orientieren sollen, die Trolle als hagere und undurchschaubare Hünen zeigten. Aber ernsthaft, darüber meckere ich nur, weil es hier sonst nichts zu meckern gibt. Lagepläne und Illustrationen sind alle superb. Vor allem die Feenwelt wird ansprechend und fantasievoll dargestellt.

Abseits von den Zeichnungen wirkt dieses Abenteuerheft mal wieder etwas überladen durch zahlreiche Nebenkästen mit wichtigen Informationen zur Handlung, die unsortiert über das Abenteuer verteilt sind. Das scheint bei DSA 5 inzwischen so üblich zu sein. Hat das früher nicht auch mal anders funktioniert? Vielleicht sollten sich zeitgenössische Autoren angewöhnen, am Anfang des Abenteuers eine kompakte Übersicht der Handlung zu platzieren, anstatt dort nur einen Klappentext plus Meisterinformationen zu hinterlegen und die wirklichen Knackpunkte der Handlung über das Abenteuer zu verstreuen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Ulisses Spiele
  • Autoren: Daniel Heßler, Niklas Forreiter
  • Erscheinungsjahr: 2016
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover / PDF
  • Seitenanzahl: 64
  • ISBN: 9783957522740
  • Preis: 14,95 Euro (Softcover) / 7,95 Euro (PDF)
  • Bezugsquelle: Amazon, Ulisses Spiele, Sphärenmeisters Spiele

 

Fazit

Im Gegensatz zu den vorherigen vier Kapiteln der Kampagne startet Die Silberne Wehr nicht wieder mit einem gemütlichen Abschnitt, in dem die Helden erst einmal in aller Ruhe bornisches Flair schnuppern können und einen kräftigen Meskinnes genießen dürfen. Nach dem hart erkämpften Sieg in Der Grüne Zug geht es direkt mit schweren Gefechten weiter, wodurch spürbar wird, wie zerbrechlich die bisherigen Erfolge sein können. Zudem haben die Autoren verschiedene Handlungsverläufe bedacht, wodurch die Ereignisse dynamischer wirken und das Gefühl entsteht, eine falsche Aktion könnte tatsächlich den Untergang des Bornlands bedeuten. Davon profitiert die Atmosphäre dieses Abenteuers enorm.

Leider werden die Helden trotz aller Dynamik wieder zum Finale gehetzt. Dem kann der Meister hier allerdings leicht entgegenwirken, wenn er den Spielern auf Burg Trescha oder in der Feenwelt einige Freiräume lässt.

Deswegen ist das Abenteuer meiner Meinung nach auch etwas besser, als es nach dem ersten Eindruck erscheinen mag. Nach der übertriebenen Action des Vorgängers tut es gut, mit Die Silberne Wehr wieder ein etwas klassischeres Abenteuer zu erleben. Und abgesehen von ein paar kleineren Macken weiß es auch sehr gut zu unterhalten – wenn auch der Spielleiter dazu ein bisschen Arbeit reinstecken muss. Kaufen und Weiterspielen lohnt sich hier also auf jeden Fall.

Artikelbilder: Ulisses Spiele
Dieses Produkt wurde kostenlos als PDF zur Verfügung gestellt.

 

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