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Bereits seit 1999 findet einmal pro Jahr der Anime Marathon statt – länger als jede andere Convention innerhalb der deutschen Szene. Auch die Con geht etwas länger: Satte 48 Stunden ist durchgehend geöffnet. Auch viele andere Details unterscheiden den Marathon trotz überschaubarer Größe recht deutlich von anderen Cons.

Die Maskottchen der Con, gezeichnet von Madyra
Die Maskottchen der Con, gezeichnet von Madyra

Ursprünglich handelte es sich beim Anime Marathon lediglich um das Rahmenprogramm zur Mitgliederversammlung des Anime no

Dirk Döring eröffnet den 19- Anime Marathon
Dirk Döring eröffnet den 19- Anime Marathon

Tomodachi e.V., welcher sich bereits 1997 gegründet hatte. Doch schon im zweiten Jahr hatte das Programm bereits solche Ausmaße angenommen, dass es zu einer eigenen Convention wurde, die fortan getrennt von den Mitgliederversammlungen stattfand.

Zu jener Zeit wuchs die Fanszene beständig und war dabei, die Nische zu verlassen, in der Manga- und Animefans zuvor zu finden waren. Doch größere Fantreffen und Conventions waren noch längere Zeit Mangelware. Der Anime Marathon war als Konsequenz eine Wandercon: Jedes Jahr ging es woandershin, um allen Fans einmal eine Convention in ihre relative Nähe zu bringen. Heute, da es kaum ein Wochenende ohne kleine oder große Events mehr gibt, ist dies nicht mehr nötig, und so hat die Con seit 2014 eine feste Heimat im niedersächsischen Königslutter gefunden, wo sie bereits in Vorjahren zweimal war.

 

Location

In relativer Nähe zu Wolfsburg und Braunschweig gelangt man recht einfach nach Königslutter, wo man vom Bahnhof bequem zu Fuß zum AVALON Hotelpark Königshof gehen kann. Das Tagungshotel beheimatet nicht nur die Convention, sondern bietet auch – bei rechtzeitiger Buchung – für einen Großteil der Gäste angenehme Übernachtungsmöglichkeiten. Dank der vollständigen Buchung durch den Anime no Tomodachi e.V. auch zu äußerst fairen Preisen: Für die zwei Übernachtungen von Freitag bis Sonntag zahlt man lediglich 72 EUR im Doppelzimmer, Frühstücksbuffet inklusive. Die Nutzung der Hoteleinrichtungen wie WLAN, Bowlingbahn, Pool oder Sauna sind dabei inklusive.

Der Pool des Tagungshotels beim Anime Marathon
Der Pool des Tagungshotels beim Anime Marathon

Als Conventionlocation bietet das Hotel viele Tagungsräume in unterschiedlichen Größen, die sich überwiegend im Erdgeschoss befinden, jedoch zum Teil auch darüber gelegen sind. Durch die Weitläufigkeit der Hotelfläche und leichte Verwinkelung benötigt man zunächst ein wenig Gewöhnungszeit, um sich zurechtzufinden. Dass einzelne Räume hinter Gängen mit Gästezimmern sind, macht die erste Orientierung nicht leichter. Hat man sich jedoch erst einmal an die Umgebung gewöhnt, findet man sich gut zurecht – alternativ könnte man natürlich auch in den Raumplan der Con schauen.

Generell präsentiert sich das Hotel als gepflegt, mit hellen Räumen, großer Bühne und angenehm großen Gästezimmern. Neben dem Eingangsbereich gibt es für Raucher und Dampfer sogar eine eigene Lounge mit Sesseln, Sofas und Holztischen – sehr schön, und sehr gemütlich!

In der Umgebung finden sich rund drei Minuten entfernt ein Supermarkt, rund sechs Minuten entfernt ein China-Restaurant (wobei es an Contagen auch im Hotel ein Abendbuffet für 10 EUR gibt) und ungefähr 20 Minuten weiter der äußerst schöne Dompark.

So erhält man hier quasi ein fast perfektes Conpaket: Event, Übernachtung, Frühstück – alles zusammen aus einer Hand, an einem Ort. Was nicht nur spontanes Kurzschlafen ermöglicht, sondern auch völlig von der Abhängigkeit von Öffnungszeiten oder Bahnplänen befreit. Das gemeinsame Chillout – ob in der Lobby, dem Raucherbereich, der Bar oder sonstwo – zu con-untypischen Zeiten darf dabei als Atmosphäre-Highlight gezählt werden. Besucher von klassischen Pen&Paper-Conventions werden wissen, was gemeint ist. Obgleich Hotelzimmer und Pool das Erlebnis doch angenehmer machen als Schlafsäcke und Turnhallen.

Allgemeines Programm

Besucher von Großevents wie DoKomi oder Connichi werden das Programm vielleicht als relativ karg empfinden. Keine Ehrengäste, keine unzähligen Workshops und Programme, zwischen denen man sich kaum entscheiden kann. Stattdessen gab es ein kleines Programmangebot, was zu großen Teilen von engagierten Helfern und Besuchern im Vorfeld vorbereitet und dann angeboten wurde. Ganz klassisch, wie man Cons früher kannte.

Ein Blick in die Manga-Bibliothek
Ein Blick in die Manga-Bibliothek

Als klassischsten Kern gab es dabei zunächst drei Videoräume und den Manga-Raum. In ersterem wurden diverse Filme und Serien auf Leinwand gezeigt, von aktuellen Titeln bis hin zu Jahrzehnte alten Klassikern – und nachts sogar mit Wunschprogramm. In zweiterem hatten mehrere Aktive Teile ihrer privaten Sammlung mitgebracht, die dort ordentlich sortiert zum Lesen bereitstanden. Insgesamt kam man so auf über 3.000 Bände!

Der Bring&Buy bot eine schöne Mischung
Der Bring&Buy bot eine schöne Mischung

Fast ebenso klassisch sind Händler, die einfach zu einer Con gehören. Die anwesenden Shops hatten zwar allesamt viele hübsche Sachen dabei, allerdings unterschied sich das Angebot gefühlt nur recht marginal, und war ebenso Standard wie bei vielen anderen Cons und Geschäften. Viele hübsche Figuren, niedliche Plüschis und Merchandise zu Sailor Moon, Zelda und Co. Äußerst schade! Da hätte ich mir einfach mehr Besonderes und Abwechslung gewünscht. Mehr alte Sammlersachen, mehr japanische Artbooks, mehr mit Wow!-Effekt. Das vorhandene Angebot hat mich nicht davon überzeugt, abseits von Losen etwas zu erwerben, was ich dann noch nach Hause bringen müsste, wenn ich die gleichen Sachen ebenso dort in meiner Nähe kaufen könnte. Da waren sowohl der Bring&Buy als auch die Auktion wesentlich spannender, gab es hier doch durchaus einen interessanten Mix, der mich dann doch zum Geld Ausgeben gebracht hat.

Ein Blick in den Games Room
Ein Blick in den Games Room

Als festes Programm gab es zudem auch im oberen Bereich einen Gamesroom, der ein üppiges Videospiel-Spektrum von der 80er-Jahren bis zur Gegenwart bot, einen gemütlichen Brett- und Kartenspielbereich, sowie eine Teestube, bei der es neben Waffeln und Tee auch japanisches Essen wie Onigiri, Okonomiyaki oder diverse Reisgerichte gab. Höhepunkt dabei: Das Essen war kostenlos! Es handelte sich zwar um kleine Portionen, und es gab eine Spendendose – aber wer wollte, konnte völlig kostenfrei snacken und japanische Köstlichkeiten probieren. Dabei wurden einige Gerichte, wenn sie fertig waren und nicht genug Interessenten vor Ort waren, sogar fertig portioniert auf einem Tablett durch die Gegend getragen und in die umliegenden Räume gebracht – auch so etwas gehört zu den Details, die einen Anime Marathon ausmachen.

Nachts wurde der Klassiker Werwölfe gespielt
Nachts wurde der Klassiker Werwölfe gespielt

Als zeitlich begrenztes Programm gab es natürlich noch Workshops, Wettbewerbe und Bühnenprogramm. Die angebotenen Workshops stammten dabei von Besuchern und Helfern – jeder Besucher kann etwas anbieten (sollte dies jedoch vorab kommunizieren). Mit dabei waren in diesem Jahr Kyūdo-Bogenschießen, Amigurumi häkeln, Japanisch sprechen und singen, Bannergestaltung, oder auch Einführungen in das Schreiben von Geschichten oder Vocaloid. Hier wäre, auch angesichts der vorhandenen Workshopräume, sicher noch mehr möglich gewesen. Da das Angebot aber mit dem Engagement von Besuchern und Fans steht und fällt, war wohl nicht mehr möglich. Hier kann man nur hoffen, dass sich vielleicht im nächsten Jahr mehr Workshopleiter finden.

Einführung in Kyudo-Bogenschießen
Einführung in Kyudo-Bogenschießen

Bei den Wettbewerben gab es zu vielen Themen etwas – allen voran natürlich Videospiele, Brettspiele und Trading Card Games. Aber auch zu Anime Music Videos gab einen Wettbewerb, wie es auch ein Fanquiz gab, und einiges mehr.

Mit zu den mutmaßlichen Höhepunkten zählte das Bühnenprogramm. Dank guter Technik waren Licht, Effekte und Ton ebenso gut wie die Bühne mehr als ausreichend groß war. Neben der Auktion, dem Quiz und den Cosplaywettbewerben traten insgesamt vier Showact-Gruppen auf. Ein fünfter Auftritt musste leider aus gesundheitlichen Gründen abgesagt werden. Leider war es mir nicht möglich, alle Gruppen anzusehen, doch jene, die ich gesehen habe, waren durchaus unterhaltsam, und dank der guten Technik auch schön inszeniert.

Cosplay

Ein Blick in das CosBase-Fotostudio
Ein Blick in das CosBase-Fotostudio
Die Cosplayerinnen ReiChanSensei, Britty und Chocora
Die Cosplayerinnen ReiChanSensei, Britty und Chocora (WorldCosplay-Namen)

Der wichtigste Höhepunkt für viele Con-Besucher ist aber sicherlich die Anwesenheit von Cosplayern. So auch auf dem Marathon, wenngleich der Anteil hier wesentlich geringer ist als auf anderen Cons. Für die, die dennoch nach Königslutter fanden, gab es ein Fotostudio vom CosBase e.V., in dem sich jeder zu bestimmten Zeiten ablichten lassen konnte. Hier gab es zudem nachts ab Mitternacht weitere Shootings, welche sich insbesondere an jene richteten, die nicht während des Tages wollten, oder sich nicht trauten, als auch für die, welche einfach mal reinschnuppern wollten. Für diese Besucher gab es eine ordentliche Sammlung an Kostümen und einigen Perücken, um das Hobby einfach mal auszuprobieren, und sich nach ein wenig Styling ablichten zu lassen. Ein Angebot, das gut genutzt wurde, und einigen Besuchern auch offenkundig viel Freude bereitete. So entstanden dort sowohl erste Cosplay-Bilder von Gästen, die noch nie zuvor Cosplay probiert hatten, als auch humorvolle Bilder mit bärtigen Schneewittchen und ähnlichem.

CosBase-Fotograf Christoph Gerlach in Aktion
CosBase-Fotograf Christoph Gerlach in Aktion

Am Samstag und Sonntag gab es zudem gesonderte Shootings von CosBase im nahe gelegenen Domgarten, welcher einige schöne Kulissen bot. Zudem gab es natürlich auch den obligatorischen Cosplay-Wettbewerb, welcher jedoch mit nur vier Teilnehmern eher enttäuschend gering besetzt war. Ein möglicher Grund hierfür ist jedoch sicherlich der erste Vorentscheid zur Deutschen Cosplaymeistgerschaft gewesen, welcher ebenfalls am Samstag stattfand, und den hauseigenen Wettbewerb eher in den Schatten stellte.

Die Teilnehmer des 1. DCM-Vorentscheids 2017
Die Teilnehmer des 1. DCM-Vorentscheids 2017

Jener Vorentscheid war dafür aber auch qualitativ hervorragend und zog deutlich mehr Besucher an, als ich bei anderen Programmpunkten gesehen habe. Die neun teilnehmenden Duos boten alle ansprechende Aufführungen, und natürlich begeisternde Kostüme, die mit vielen Details aufwarteten – allesamt selbst gefertigt. Gerade bei näherer Betrachtung beeindruckend, was und mit welchem Detail- und Perfektionsgrad dort geschaffen wurde.

Fazit

Der Anime Marathon ist nicht nur die älteste noch existierende Con der Szene – sie ist mutmaßlich auch jene, die sich am meisten von anderen unterscheidet. Sie ist zunächst einmal durch das Tagungshotel als Location komfortabler, als auch durch das 48-Stunden-Programm einzigartig. Aber der wahre Kern der Con erschließt sich erst vor Ort. Die Altersstruktur der Besucher ist ganz anders – viele Besucher und Helfer sind deutlich über dem Szenedurchschnitt. Es finden sich teils drei Generationen einer Familie, und ein großer Teil der Besucher ist schon viele Jahre oder gar Jahrzehnte als Fan unterwegs. Dazu kommen die Details, die den Charme unterstützen – sei es die kostenfreie Teestube, die privat organisierte Manga-Bibliothek, oder das gemeinsame Frühstück. Es ist familiär, es ist liebevoll handgemacht, es ist ein gemeinsames Event, das verbindet.

Andere Cons haben Ehrengäste, mehrere Bühnen, zehntausende Besucher, hektischen Messetrubel, und sind auf Hochglanz getrimmt – der Marathon hat dagegen eine Herzlichkeit, eine Offenheit gegenüber neuen Leuten, eine gemütliche Atmosphäre, eine Fankultur, wie sie auf Großevents nie möglich sein würde. Den kaum in Worte fassbaren Charme einer Con, bei der man zusammen frühstückt, nachts in der Lobby übermüdet mit neuen Freunden rumhängt, und als Besucher gerne mal für eine Stunde bei Helferbedarf einspringt. Und gerade das Zusammensein steht hier im Fokus – ganz so, wie es früher auf Cons war, und zum Beispiel im Rollenspielbereich noch heute ist. Viele Besucher und Helfer sind heute schon über 40 Jahre alt, und viele gehen auch nur noch auf diese Con: kein Messetrubel, keine Hektik, sondern ein großen Treffen leidenschaftlicher Fans. Und so sehr sich die wachsende Fanszene auch verändert – der Marathon ist auch heute noch genau wie vor über zehn Jahren, mit zum großen Teil den gleichen Besuchern. Und man stellt fest: Die alte Fanszene, es gibt sie noch. Sie ist woanders kaum noch sichtbar, aber hier findet man sie. Fast könnte man glauben, die Vergangenheit zu besuchen. Und das ist rein positiv gemeint.

Artikelbilder: Michael Fuchs oder wie genannt

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