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Bei dem Kartenspiel Guildhall dreht sich alles um die Zünfte der sechs verschiedenen Berufsarten. Jede zusätzlich ausgespielte Karte einer Zunft lässt sie stärker und mächtiger werden, bis eine vollständige Zunft schließlich in Siegpunkte umgewandelt werden kann. Ein einfacher, aber cleverer Mechanismus!

Eine gelungene Einleitung ist nicht eben das, worin sich Guildhall Zum Glück ist die auch nicht wichtig, denn das Spielthema ist schon etwas aufgesetzt. Die Spielmechanik hingegen vereint gekonnt ein Set-Sammelspiel mit einem einfachen Spielablauf. Ziel ist es, zu den verschiedenen Kartenarten ein komplettes Set aus den fünf unterschiedlichen Farben zu sammeln. Je mehr Aktionskarten einer Art man bereits besitzt, desto stärker werden die folgenden Karten.

Spielablauf

In unserem Zug haben wir zwei Aktionen und drei verschiedene Möglichkeiten, sie zu nutzen:

  • Eine Berufskarte aus der Hand spielen (das sind die Aktionskarten).
  • Eine vollständige Zunft (das ist ein Aktionskartenset aus den fünf verschiedenen Farben) in eine Prestigekarte tauschen.
  • Beliebig viele Handkarten abwerfen und anschließend auf sechs Karten auffüllen.

 

Die dritte Möglichkeit muss man immer wieder einmal in Kauf nehmen, um neue Karten auf die Hand zu erhalten, auch wenn man sie möglichst selten nutzt, da es Möglichkeiten gibt, ohne eine Aktion zu verbrauchen, die Karten aufzufüllen. Die zweite Möglichkeit verwandelt die gesammelten Sets in Prestigekarten und damit letztlich in Siegpunkte.

Die erste Spielmöglichkeit ist jedoch die interessanteste, denn das Ausspielen der Berufe und das Ausführen der zugehörigen Aktionen machen das eigentliche Spiel aus.

Ein Zunfthaus; nicht alle Berufe sind vertreten
Ein Zunfthaus; nicht alle Berufe sind vertreten

Dazu müssen wir uns die Art und Weise, wie wir Karten ausspielen und wie sie wirken, näher ansehen:

Die Aktionskarten stellen die sechs verschiedenen Berufe in Guildhall dar. Jede Karte gibt es in fünf verschiedenen Farben. Jeder Spieler besitzt einen Aktionsbereich, in den er neue Karten hineinspielt, und sein Zunfthaus, in dem er Karten aus früheren Runden sammelt. Nun kann man sich denken, dass eine mächtige Zunft (also eine Berufsart, von der bereits viele Karten im Zunfthaus liegen), stärker ist als eine kleine oder gar frisch gegründete. Gleichzeitig sind in großen Zünften viele Posten (= Farben) bereits vergeben, und bereits vorhandene Spezialisten (also gleiche Farben) haben dort keinen Platz mehr.

Das heißt: Wir dürfen eine Karte nur dann in unseren Aktionsbereich ausspielen, solange die Farbe dieses Berufs nicht bereits in unserem Zunfthaus vertreten ist. Dann aber dürfen wir ihren Vorteil nutzen (dazu weiter unten mehr). Leider kontrollieren die Zünfte sehr genau die Menge der Arbeit, und in einem Zug darf kein Beruf zweimal ausgespielt werden.

Nachdem wir unsere Aktionen ausgeführt haben, beenden wir unseren Zug, und die ausgespielten Karten wandern in unser Zunfthaus. Ist ein Beruf dadurch in allen fünf Farben vertreten, dann sammeln wir das Set ein und können es mit einer unserer nächsten Aktionen in eine Prestigekarte tauschen.

Eine Prestigekarte bringt einfach fünf Siegpunkte, die andere nur zwei, stiehlt einem Mitspieler aber einen ganzen Berufsstapel aus dessen Zunfthaus
Eine Prestigekarte bringt einfach fünf Siegpunkte, die andere nur zwei, stiehlt einem Mitspieler aber einen ganzen Berufsstapel aus dessen Zunfthaus

Die sechs Berufe

Die verschiedenen Aktionskarten helfen uns, unsere Sets zu ergänzen, oder die Mitspieler davon abzuhalten, ihre eigenen aufzubauen. Auch wenn manche Berufe definitiv häufiger zum Einsatz kommen als andere, haben alle ihre Berechtigung, und auch die weniger beliebten können, zur richtigen Zeit eingesetzt, sehr stark sein. Die sechs Berufe sind:

  • Der Bauer: Die Bauern sind das Fundament der Gesellschaft. Im Spiel bringen uns ausgespielte Bauern unabhängig von kompletten Zünften Siegpunkte ein.
  • Der Händler: Klar, der Händler tauscht. Was tauscht er? Natürlich Karten! Und zwar aus unserem Zunfthaus mit Karten aus einem anderen Zunfthaus.
  • Der Historiker: Er beschäftigt sich mit dem Vergangenen und lässt uns Karten aus dem Ablagestapel in unser Zunfthaus legen.
  • Der Meuchler: Er sorgt dafür, dass der Ablagestapel gefüllt wird, indem er Karten aus den gegnerischen Zunfthäusern dorthin befördert (der Vollständigkeit halber: Komplette Zünfte, die gegen Prestigekarten getauscht wurden, landen ebenfalls auf dem Ablagestapel).
  • Die Tänzerin: Sie bewahrt uns vor der ungewollten dritten Aktionsmöglichkeit (Handkarten auffüllen), indem sie uns erlaubt, Karten vom Nachziehstapel auf die Hand zu nehmen. Mehr noch, ihr Tanz beschwingt uns so sehr, dass wir eine weitere Aktion erhalten.
  • Die Weberin: Sie erlaubt uns, Karten von der Hand direkt in die Zunft zu legen (hier verzichte ich einmal darauf, wie sich diese Aktion aus dem Beruf ergeben könnte, da hier wohl alle Versuche reichlich konstruiert wirken).

 

Auf jeder Karte steht eine kleine Übersicht, wie stark die Fähigkeit des Berufes in Abhängigkeit von der eigenen Zunft ist. Spielt man etwa den ersten Historiker, darf man einfach die oberste Karte des Ablagestapels in die eigene Zunft legen. Besteht die Zunft bereits aus zwei Historikern, darf man sich eine beliebige Karte aus der Ablage heraussuchen, und hat man gar vier, dann darf man sich gleich zwei Karten aussuchen.

 

Einige Aktionen funktionieren dabei nur, wenn wir selber ebenfalls eine Karte aus unserer Zunft abgeben. Hier können wir besonders trickreich spielen: Denn auch wenn das Abgeben von eigenen Karten zunächst nach einem Nachteil klingt, können wir ihn sogar in einen zusätzlichen Vorteil nutzen. Schließlich haben wir oft Karten auf der Hand, die wir sehr gerne spielen würden, aber nicht können, da die Berufskarte in dieser Farbe bereits ausliegt. Durch die Tauschaktionen können wir in unseren Zünften aufräumen und Platz schaffen, um den Effekt einer starken Zunft noch einmal in aller Macht zu nutzen.

20-Punkte-Plan

Das Spiel endet, sobald ein Spieler mindestens 20 Punkte hat, und zwar sofort. Ganz untypisch wird die laufende Runde nicht mehr zu Ende gespielt. Ob das zu einem Startspielervorteil führt, will ich hier nicht beurteilen – denn der Startspieler hat zwar ggf. einen Zug mehr, andererseits kann er auch das erste Opfer von den aggressiven Aktionskarten werden. Neben den vereinzelten Punkten durch die Bauern erhalten wir unsere Siegpunkte vor allem durch die Prestigekarten. Diese sind meistens nicht nur Siegpunkte wert, sondern besitzen oft noch eine zusätzliche Aktion: etwa beliebig Karten der eigenen Hand in das eigene Zunfthaus legen, Karten mit den Mitspielern tauschen und ähnliches. Wie bei den Berufskarten kann hier die richtige Aktion zur richtigen Zeit uns richtig weit vorantreiben.

Tatsächlich kommt es vor, dass zum Spielende einzelne Mitspieler noch im einstelligen Siegpunktebereich dümpeln, genauso wie es manchmal ein wirkliches Kopf-an-Kopf-Rennen ist. Aber in beiden Fällen sind die Partien meist spannend. Bei dem knappen Ausgang erklärt sich das von selbst, aber auch beim klaren Sieg eines Spielers geht diesem oft ein heftiger Punktespurt voran, der beeindruckend anzusehen ist. Nach meiner Erfahrung spielt sich das Spiel übrigens recht flott und braucht selten länger als eine halbe Stunde. Die Schachtelangabe von 30 bis 45 Minuten ist da untypisch großzügig (und auf der Verlagsseite werden sogar 30 bis 60 Minuten angegeben).

Ausstattung

Inhaltlich besteht das Spiel ausschließlich aus Karten in drei Sorten: die Berufs-, die Prestige- und die Siegpunktkarten. Jeder Beruf wird immer durch das gleiche Bild und ein kleines Symbol repräsentiert. Die Motivwahl ist dabei klassisch und weckst schon ein bisschen Mittelaltermarktfeeling. Die unterschiedlichen Kartenfarben werden durch ein über alle Berufe gültiges Banner unterstützt (das dürfte Spielern mit Farbschwächen sehr entgegenkommen). Die Symbolik ist sehr klar und verständlich – zumindest, nachdem man sie komplett verstanden hat.

Das Spiel kommt in einer kleinen Standardkartenschachtel daher, die Karten sind in üblicher guter Qualität und Stärke. Ebenfalls üblich fliegen die Karten in der Schachtel im wahrsten Sinne des Wortes bunt umher; auch wenn das Chaos schnell geordnet ist, hoffe ich doch jedes Mal, wenn ich die Schachtel öffne, dass sich die Verlage irgendwann dazu durchringen können, dieses Standardformat in ein etwas kompakteres, tieferes Format zu wechseln, in dem die Karten sicher gestapelt werden können (was aber vermutlich nicht so bald passieren wird).

Die harten Fakten:

  • Verlag: Pegasus, AEG
  • Autor(en): Hope S. Hwang
  • Erscheinungsjahr: 2013
  • Sprache: Deutsch/Englisch
  • Format: Standard-Kartenschachtel
  • ISBN/EAN: 4250231705007
  • Preis: ca. 8 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Es gibt neben den Zünften & Intrigen noch Guildhall: Neue Ränkespiele. Beide Spiele sind komplett unabhängig voneinander spielbar, aber auch beliebig kombinierbar. In den neuen Ränkespielen gibt es dabei vor allem neue Fähigkeiten, die die Handkarten und den Nachziehstapel mehr einbeziehen. Für meinen Geschmack verliert das Spiel allerdings an Planbarkeit, wenn die Handkarten plötzlich nicht mehr sicher sind.

Als Trivia ist vielleicht zu erwähnen, dass bei PegasusGuildhall im Gegensatz zur originalen AEGGuildhall eine der Prestigekarten leicht verändert wurde. Der Einfluss auf das Spiel dürfte minimal sein, dennoch war ich neugierig, und habe einmal bei Pegasus nachgefragt. Ich war beeindruckt, als ich in wenigen Stunden eine Antwort bekommen hatte: Man könne das nicht mehr nachvollziehen … (Ein Schelm, der die Bemühungen des Verlagsmitarbeiters in Frage stellt!).

Fazit

Guildhall ist ein überschaubares, aber doch forderndes taktisches Kartenspiel. Wir müssen aus unserer Kartenhand das Beste herausholen, Chancen wittern und Gelegenheiten erkennen. Natürlich müssen wir offen für diese Gelegenheiten sein. Spieler, die ihre Lieblingsstrategie spielen wollen, dürften ihre Frustmomente erleben. Meist spielt sich das Spiel solide, dann aber entstehen starke Möglichkeiten, in denen die Spieler mit wenigen Zügen sehr viele Punkte machen können. Solche Momente sind richtig erhaben!

Gelegenheitsspieler können ebenso Spaß mit Standardzügen haben wie Profis, die auch über drei Ecken gedachte Synergien entdecken und nutzen können. Für so eine kleine Schachtel bekommt man eine Menge Spiel!

Artikelbild: Pegasus Spiele
Fotografien: Detlef Schroedter
Dieses Produkt wurde privat finanziert

 

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